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Das Erstlingswerk von Stefan Schloesser, City of Faymouth, möchte als Fantasy-Sandbox für Fate Core antreten. Mit einem drohenden Bürgerkrieg, dem Widerstreit der alten und neuen Götter, einer dunklen Bedrohung und dem seltsamen Feenvolk bietet das Setting doch alles, was spannende Geschichten und packende Kampagnen so brauchen – oder nicht?

Inhalt

Nach einem eher mäßigen Titelbild steigen wir ungebremst in den Inhalt des Buches ein. Ein Inhaltsverzeichnis sucht man nämlich vergebens. Zwar ähnelt der Band mit seinen 28 Inhaltsseiten mehr einer Broschüre, dennoch ist das bereits der erste Punkt, bei dem City of Faymouth patzt.

Die ersten Seiten widmen sich jedenfalls der Welt Eilar, in der Faymouth beheimatet ist. Eine sehr grob gehaltene Karte (Faymouth sucht man zum Beispiel vergebens) vermittelt einen ersten Eindruck der Größe der Welt. Grundsätzlich existieren die Nationen Emlyn (zu der Faymouth gehört) und Illyria als politische Machtblöcke, die sich ständig an der Kehle hängen. Warum sie das tun, oder was sie unterscheidet, wird leider nicht erwähnt. Damit haben sie aber schon mehr Profil als die anderen zehn (!) Nationen, die zwar auf der Karte vorhanden sind, aber als „kleinere Nationen“ nur als möglicher Kollateralschaden gehandelt werden.

Technologisch bewegt sich das Setting ungefähr auf dem Niveau der Jahrhundertwende vom 16. zum 17. Jahrhundert der Erde. Musketen und Pistolen finden Einzug in die militärische Welt. Auf gesellschaftlicher Ebene erstarkt das Bürgertum. Der Feudalismus wankt. Die Inquisition erblüht. Leider steht abgesehen von der Bewaffnung nichts davon im Band selbst, sondern muss auf Wikipedia nachrecherchiert werden. Im Band findet sich lediglich der Hinweis auf das Jahrhundert. Als zusätzliche Information dienen Shakespeare, Elizabeth I. oder Galileo. Denn was in deren Händen zu modern aussähe, wäre auch für Eilar zu fortschrittlich. Schwammige Technologieangaben erlauben Freiräume, aber wer kann denn aus dem Stegreif sagen, was in den Händen dieser Persönlichkeiten zu modern wäre, wenn wir jetzt mal nicht von Smartphones, Laptops und Radioempfängern sprechen?

In geistlicher Hinsicht existieren zwei große Glaubensrichtungen: Zum einen wäre da der Orden der Dualität, der einen Gott des Lichts und einen Gott der Dunkelheit propagiert. Diese sind vor ewigen Zeiten in einem Kampf miteinander verschmolzen und wurden zu einer Wesenheit, die zwischen Licht und Dunkelheit, Wahrheit oder Lüge steht. Jeder Mensch ist dazu angehalten, ein tugendhaftes Leben zu führen, um den Gott des Lichts zu stärken, aber man munkelt, dass es auch Anhänger der Dunkelheit gibt. Regeltechnisch wurden beiden Richtungen exklusive Stunts verpasst. Mit Balancing hat man sich dabei aber nicht in seinem Enthusiasmus bremsen lassen. Ein Stunt zum Beispiel erlaubt es, sämtliche sozialen Fähigkeiten komplett zu ignorieren. Die Parallelen zur christlichen Kirche sind dabei offensichtlich und mannigfaltig.

Auf der anderen Seite steht der alte Glaube an die träumenden Götter. Die Anhänger dieser Religion propagieren die Erschaffung der Welt durch mächtige Feenwesen, die Eilar praktisch erträumt haben. Umgekehrt beeinflussen die Träume der Menschen wiederum die Feenwelt, so dass ein Kreislauf gegenseitiger Beeinflussung entsteht. Es existieren vier dieser Feenwesen, denen man als „Dryw“, also als Priester der „Träumer“ dienen kann. Als ein solcher Dryw hat man Zugang zur Feenmagie, die in diesem System als zusätzliche Fähigkeit abgebildet wird. Da der „hellen Seite“ des Ordens weder die träumenden Götter noch die eigene dunkle Seite so recht zusagt, existiert mit der Inquisition ein militanter Arm, der versucht, beider Plagen Herr zu werden (und damit eine weitere Parallele zum Christentum schafft). Woher die Motivation kommt, überhaupt derart rabiat gegen die Konkurrenz vorzugehen bleibt ein weiteres Mysterium des Settings.

Apropos Feenwesen: Diese sind das einzige fremde Volk, das neben den Menschen in Eilar vorkommt. Das tut der Vielfalt aber keinen Abbruch. Feenwesen in City of Faymouth sind vielfältig und es spricht nichts dagegen, Zwerge, Elfen, Oger, Fischmenschen oder was auch immer als Feengestalt ins Spiel zu integrieren. Allen gemein jedoch ist eine Alterlosigkeit und eine verdrehte Art, Zeit als solche wahrzunehmen. Zeit und Raum spielen im Umgang mit Feenwesen nur eine untergeordnete Rolle und selbst Naturgesetze scheinen für diese Wesen mehr eine grobe Richtlinie denn ein Gesetz zu sein. Sie sind allerdings nicht in der Lage, sich auf neue Erfahrungen einzustellen. Sie können zwar lernen und sich an Geschehenes erinnern, aber es wird ihr Wesen nicht ändern. Leider hat das offenkundig niemand dem einzigen beschriebenen NPC aus der Feenwelt gesagt. In dessen Beschreibung wird sehr wohl eine Situation aus seiner Vergangenheit erwähnt, die er aufgrund einer bestimmten Erfahrung in Zukunft anders handhaben, mit anderen Worten also sein Wesen ändern würde.

Feenwesen scheinen Eilar beliebig betreten und wieder verlassen zu können. Oftmals wandern sie scheinbar ziellos durch die Welt der Menschen. In der Nähe von Faymouth allerdings, in den Hügeln von Tomlyn, hat sich aber eine der seltenen dauerhaften Feen-Siedlungen etabliert. Was sie dort genau tun, bleibt offen, klar ist nur, dass sie regelmäßige rauschende Feste ausrichten. Angezogen durch die Hoffnung auf wertvolle Feenartefakte, besuchen abenteuerlustige Menschen, sogenannte Beschenkte, die Festivitäten. Bei diesen Veranstaltungen können sich die Beschenkten vor ihren Gastgebern beweisen und mit Einsatz, Mut und Glück wertvolle Artefakte aus der Feenwelt für sich erstreiten. Erzürnen sie die Feen oder sind diese ihnen aus anderen Gründen nicht gewogen, können sie sich glücklich schätzen, mit dem Leben davonzukommen.

Faymouth selbst, so erfahren wir, ist die Hauptstadt der Insel Argadnel. Diese war in früheren Zeiten eigentlich heilig und menschliche Ansiedlungen verboten. Mit der Zeit haben sich aber immer mehr Gläubige der Träumer angesiedelt, bis es dann irgendwann egal war. Als der Orden der Dualität an die Macht kam, hat er aus der Insel kurzerhand ein Herzogtum gemacht und eine Kathedrale errichtet. Heute leben ungefähr zehntausend Menschen in der Stadt und sie lebt davon, die auf den Festivitäten der Feen ergatterten Artefakte zu exportieren. Da fragt man sich als Leser unwillkürlich, wie eine Stadt davon profitieren soll, dass einzelne Personen unter Einsatz ihres Lebens Artefakte zurückbringen, wie zum Beispiel der Hut, der jedem passt, oder der magische Teekessel, der eingefülltes Wasser automatisch erhitzt und aromatisiert?

Im Folgenden werden unterschiedliche Lokalitäten von Faymouth und Umgebung beschrieben, wie zum Beispiel den Herrschaftssitz, die Hügel von Tomlyn, den Tempel der Träumer oder die Kathedrale des Ordens sowie einige der wichtigsten Charaktere und deren Verbindungen zueinander. Insgesamt ist die Beschreibung der NPC einigermaßen gelungen und verspricht ein explosives politisches Klima.

Die abschließend angesprochene Charaktererschaffung übernimmt die Erschaffungsregeln von Fate Core und erweitert nur kleine Details. Dementsprechend nehmen die Hinweise zur Benennung der Charaktere den größten Teil ein.

Preis-/Leistungsverhältnis

Beim Preis des Produkts handelt es sich um ein „Zahl-was-du-willst“-Modell. Die Empfehlung von 4,99 USD ist aber für den gelieferten Inhalt zu hoch gegriffen.

Erscheinungsbild

Feymouth Cover FATEDer Band ist in schwarz-weiß gehalten und macht in Bezug auf die Kontraste einen sehr guten Job, lediglich bei den NPC-Werten hätten die Überschriften ein bisschen dunkler ausfallen können.

Die eingesetzten Grafiken sind zum großen Teil stimmungsvoll, sehen aber aus unterschiedlichen Quellen zusammengeklaubt aus. Dementsprechend unruhig wirkt der Band.

Eine weitere Korrekturschleife hätte dem Text sicherlich gutgetan. Rechtschreibfehler finden sich zwar nur wenige, aber Wortdoppelungen kommen gehäuft vor und stören mehr als ein Mal den Textfluss. Der Band verfügt weder über ein Inhaltsverzeichnis, noch über einen Index. Zwar wird innerhalb des Textes auf entsprechende weiterführende Seiten verwiesen, diese Verweise sind aber leider auch nicht verlinkt – digital komplett durchgefallen.

Insgesamt präsentiert sich der Band bereits auf den ersten Blick etwas unrund. Dies wird durch die tiefere Lektüre leider noch bestätigt. Hier hätte man mit ein wenig Aufwand und vor allem Aufmerksamkeit noch viel verbessern können.

Die harten Fakten:

  • Verlag: DramaScape
  • Autor(en): Stefan Schloesser, Aaron T. Huss
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 32
  • ISBN: –
  • Preis: Zahl-was-du-willst
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Fazit

Mit einem Wort gesagt, ist dieser Band unbefriedigend. Die Ideen sind im Kern zwar gut, aber weder konsequent zu Ende gedacht, noch berücksichtigt ein Element das andere. Der Leser muss sich den Großteil der Story zusammenreimen, und selbst das gelingt nur mit Mühe. Der empfohlene Preis von 5 USD ist auf jeden Fall viel zu hoch und auch Fate Core selbst wird mit diesem Setting nicht erweitert.

Für die eine oder andere Inspiration mag das Geschriebene ja gut sein, die Erwartungshaltung an eine Sandbox wurde aber klar verfehlt. Wer nett sein möchte, kann den Autoren noch ein bis zwei USD da lassen. Mehr ist diese lose Ideensammlung beim besten Willen nicht wert.

Daumen2maennlich

Artikelbilder: DramaScape

 

1 Kommentar

  1. Erstmal: Ich finde es großartig, dass ihr auch solche Produkte ins Review nehmt!
    Beim Urteil bin ich allerdings komplett anderer Meinung, da ich das Setting in seiner Einfachheit, seiner Mischung und seinem Fokus für ziemlich phänomenal und gerade die Optik für wahnsinnig ansprechend und auch relativ „ruhig“ halte. Da das Ganze im Zweifelsfall (erstmal) kostenlos ist, würde ich also jedem einen eigenen Blick empfehlen. Geld kann man immer noch da lassen, wenn es gefällt. Hab ich auch so gemacht.
    Mit der Erwartung „Sandbox“ sollte man allerdings wirklich nicht rangehen, das stimmt wohl. ;)

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