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Für viele Spielrunden ist Musik zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel beim Tischrollenspiel geworden. Soundtracks oder Heavy Metal-Alben lassen eine Runde tiefer in die Spielwelt eintauchen. Doch nicht immer passt das Gehörte perfekt zum Gespielten. Dazu kann die Pflege der eigenen Rollenspiel-Musikbibliothek für Spielleiter recht aufwendig werden. Ein Programm aus England möchte dies nun ändern: Syrinscape. Dahinter steht der Musiker und Komponist Benjamin Loomes, der nebenbei mit dem Youtube-Kanal TheDiceStormers regelmäßige Rollenspielnachrichten herausbringt und überhaupt ein unglaublich sympathischer Typ ist. Aber hält sein Programm auch, was es verspricht? Spoiler: Es hält! Und wie!

Was ist Syrinscape?

Syrinscape ist ein Programm für PC, MAC, Android Tablets und iPads. Im Kern ist es ein Musicplayer, der vordefinierte Klangumgebungen wiedergibt, sogenannte „SoundSets“. Jedes SoundSet besteht aus mehreren Elementen, die sich über Schieberegler zu- und abschalten als auch in der Lautstärke verändern lassen.

Einige Elemente sind Musikstücke, meist über 7 Minuten lang, die ohne Gesang oder starke Vordertöne auskommen und dezent im Hintergrund zur Stimmung beitragen. Zugeschaltete Geräusch-Elemente (wie Flügelschlagen, Drachenfauchen oder Feuerknistern) folgen dabei keinem vordefinierten Muster, sondern werden vom Programm zufällig eingespielt – bei einer entsprechenden 3D-Soundanlage auch aus verschiedenen Richtungen.

Einzelne Soundeffekte (etwa Feuerzauber oder Geisterstöhnen) lassen sich per Knopfdruck gezielt auslösen. Jedes SoundSet hat dazu bestimmte Voreinstellungen, durch die sich mit nur einem Knopfdruck mehrere Regler gleichzeitig verschieben und die Klangumgebung komplex verändern lassen. Beim Wechsel zwischen SoundSets oder Voreinstellungen blendet Syrinscape elegant über.

Das SoundSet High Seas in Action. Über die Regler lassen sich Wind, Wellen und Schiffsgeräusche einzeln steuern.
Das SoundSet High Seas in Action. Über die Regler lassen sich Wind, Wellen und Schiffsgeräusche einzeln steuern.

Woher bekomme ich SoundSets und was kostet das?

Wer sich die Demo-Version von Syrinscape herunterlädt, erhält zwei SoundSets zum Ausprobieren: Bugbear Battle und Witchwood. Wer mehr SoundSets braucht, kann sich diese für 3,99 USD im Syrinscape-Store einzeln oder als Starterpack für 15-20 USD herunterladen.

Dort finden sich vor allem SoundSets zu Fantasy, Piraten und Horror-Rollenspielen, etwa Dragon Battle oder Friendly Tavern. Jedes SoundSet lässt sich vor dem Kauf als Youtube-Video-Preview zusammen mit Benjamins-Erklärung anhören. Aktuell gibt es 32 verschiedene Fantasy-Soundsets und 7 für Science-Fiction. Jeden Monat werden weitere veröffentlicht. Wem das einzelne Kaufen zu teuer ist, der kann auch ein monatliches Syrinscape -Abo für 6,50 USD abschließen und erhält dann Zugriff auf die gesamte Bibliothek. Was von Syrinscape während des Abonnements veröffentlicht wird, behält man sogar permanent – selbst wenn man das Abo später kündigt. Einziger Wermutstropfen: Für eine Zahlung aus Deutschland ist eine Kreditkarte nötig.

Update: Mittlerweile wird auch Paypal akzeptiert.

Kann ich eigene Musik einbinden?

Syrinscape erlaubt, SoundSets und Voreinstellungen zu verändern und damit seine eigenen Klangumgebungen zusammenzustellen. Das geht aktuell aber nur mit Elementen, die in Syrinscape bereits vorhanden sind. Natürlich kann man die Geräusche in Syrinscape ohne Musik benutzen und beispielsweise im Hintergrund ein Wunschlied als MP3 laufen lassen. Eine echte Einbindungsmöglichkeit von eigenen Dateien gibt es mit dem Syrinscape SoundSet Creator aktuell nur als Betaversion. Nach der Veröffentlichung wird es dort sogar möglich sein, eigene SoundSets mit der Syrinscape-Community zu teilen.

Benjamin Loomes bindet seine Familie und Freunde in die Sounds von Syrinscape ein und ist darüber hinaus einer der angenehmsten Interviewpartner, die ich je hatte.
Benjamin Loomes bindet seine Familie und Freunde in die Sounds von Syrinscape ein und ist darüber hinaus einer der angenehmsten Interviewpartner, die ich je hatte.

Ein Interview mit Ben

Benjamin Loomes ist der Macher hinter Syrinscape und ein professioneller Komponist, Pianist und Opernsänger, der an der Universität von Sydney studiert und für die Opera Australia gearbeitet hat. Abgesehen davon ist er seit seinem 15. Lebensjahr passionierter Rollenspieler und nach eigener Aussage ein Level 99 Halb-Elf Multiclass-Paladin-Barde. Ich hatte auf der SPIEL 2014 die Gelegenheit mit ihm über Syrinscape zu reden:

Teilzeithelden: Warum brauche ich als Rollenspieler Syrinscape?

Benjamin: Stell dir Syrinscape wie ein Soundtrack für Rollenspiele vor. Vielleicht kennt man das aus dem Film. Eine Szene kann mit einer anderen Musikuntermalung ganz anders wirken. Heutzutage fehlt vielen Spielern etwas, wenn sie etwa in einem gruseligen, zugigen Schloss sind und nur den Dialog hören.

Teilzeithelden: Dazu benutzen viele Spielrunden Film-Soundtracks. Was macht Syrinscape besonders?

Benjamin: Das stimmt, etwa den von Herr der Ringe. Doch dann gibt es immer wieder unerwünschte Assoziationen. Bei normaler Musik, etwa Heavy Metal, kann der Gesang störend sein. Syrinscape bietet Musik, die speziell für Rollenspiele geschrieben wurde und diese Probleme umgeht. Aber es gibt noch mehr, nämlich passende Geräusche, vom Kettenrasseln in einem Dungeon bis zum Feuerwerk, das einige vorwitzige Goblins gerade zünden.

Teilzeithelden: Ist das nicht aufwendig für den Spielleiter?

Benjamin: In meinen Augen ist Rollenspiel ein soziales Spiel und der Spielleiter muss sich vor allem um die Spieler kümmern. Deshalb wollte ich sichergehen, dass Syrinscape ein Programm ist, auf das der Spielleiter nicht viel Aufmerksamkeit aufwenden muss, dass eine Weile im Hintergrund laufen kann.

Teilzeithelden: Fantasy scheint ja das Hauptaugenmerk von Syrinscape zu sein. Wie steht es mit anderen Rollenspiel-Genres?

Benjamin: Wir haben gerade unseren Science-Fiction-Player herausgebracht, mit dem man beispielsweise Star Wars und Shadowrun spielen kann. Im Fantasy-Player sind einige Horror-SoundSets drin, die sich gut für Call of Cthulhu eignen. Nächstes Jahr wird es noch einen Modern-Player geben. Wir haben auch die Lizenz für Pathfinder und produzieren für den Adventure-Path Rise of the Runelords. Alle zwei Monate kommt von uns ein begleitendes Sound-Paket zum aktuellen Abenteuer heraus.

Teilzeithelden: Wo nimmst du denn die Sounds dafür her?

Benjamin: Ich versuche so viele wie möglich selbst zu produzieren. Ein guter Freund von mir hat beispielsweise dem Steinriesen seine Stimme geliehen, meine Frau schreit und jammert wundervoll als Hexe. Ich selbst kann viele wundersame Dinge mit meiner Stimme anstellen. (lacht) Für einige Sounds benutze ich aber auch öffentliche Soundbibliotheken und verlinkte deren Macher.

Teilzeithelden: Wie bist du auf die Idee gekommen?

Benjamin: Ich selbst habe mit Dungeons & Dragons angefangen und spiele heute vor allem Pathfinder und Cthulhu. Meine aktuelle Spielrunde betreibt auch den Youtube-Channel Dicestormers, wo ihr mich dann spielen sehen könnt. Wir alle sind Musiker oder Spieler mit musikalischem Hintergrund. Für uns war wohl deshalb die Wiederholung in Soundtracks ein Problem. Das menschliche Ohr ist einfach darauf trainiert, Muster zu erkennen. Deshalb fing ich an, selbst etwas zu programmieren. Und irgendwie mögen es die Leute.

Teilzeithelden: Könntest du etwas über die Technik dahinter erklären?

Benjamin: Klar. Nehmen wir das Wolf-Element als Beispiel. Das besteht aus etwa 15 einzelnen und verschiedenen Wolf-Sounds. Wenn einer davon ausgelöst wird, entweder manuell durch den Spielleiter oder zufällig im Hintergrund als Regler-Einstellung, generiert das Programm einen zufälligen davon in einer zufälligen Richtung und Entfernung. Je weiter weg der Wolf-Sound entsteht, desto mehr Echo wird hinzugefügt, damit es sich realistisch anhört. So muss man schon sehr lange warten, bis man denselben Wolf zum zweiten Mal hört.

Auch optisch macht Syrinscape viel her. Die Hintergründe sind hübsch und nette Inspirationsquellen.
Auch optisch macht Syrinscape viel her. Die Hintergründe sind hübsch und nette Inspirationsquellen.

Syrinscape im Praxistest am Spieltisch

Zeit für einen Praxis-Test! Hier meine ersten Erfahrungen mit Syrinscape:

Die Syrinscape-App verbrauchte kaum Speicherplatz und Rechenleistung und ließ sich damit gut von einem Tablet aus am Spieltisch steuern. Die Musik in Verbindung mit den Sound-Elementen war abwechslungsreich genug, um eine Szene zu untermalen und persönlich anzupassen. Keine Wölfe gerade im Wald da? Entsprechenden Regler herunterfahren, kein Problem. Tatsächlich empfand die Spielrunde die Geräuschkulissen als abwechslungsreicher und „angenehmer“ als die sonst übliche MP3-Datei auf Dauerschleife.

Die vorgefertigten SoundSets reichten für mich als Spielleiter für typische Fantasy (Pathfinder) locker aus. Bei Science-Fiction wurde es schon schwieriger, die passenden Sounds zu finden. Gewohnte Intro-Lieder spielten wir per Mediaplayer einfach nebenbei ab. Für den Gebrauch von Tablets wäre eine Möglichkeit zum Einbinden in die App aber besser.

Beim Spielen mit Laptop versuchte ich, die Soundschnipsel per Tastatur-Schnelltasten auszulösen – prompt wurde aus einem Feuerball ein Drachengrollen, samt anschließender Panikattacke („Hört ihr das? Ein Drache! Ein Drache! Aaaah!“). Hier ist der Klick auf die leicht verständlichen Symbole deutlich sicherer.

Insgesamt ging die Bedienung der (recht hübschen) Syrinscape-App leicht von der Hand. Als Vorteil empfand ich die benannte Sortierung und die Voreinstellungen einzelner Klangumgebungen. Die einzelnen Elemente der SoundSets waren alle sehr hochwertig und klangen hervorragend. Ein interessanter Effekt von Syrinscape war, dass die Spieler deutlich mehr auf Geräusche achteten und diese auch anspielten. Im Umkehrschluss bedeutete das aber auch, dass ich als Spielleiter mehr auf Geräusche und Musik achten musste.

Ein interessantes verstecktes Detail: Die Sounds in Syrinscape sind an ein Online-Benutzerkonto gebunden. Als Spielleiter ist es also möglich, sich mit dem Rechner oder Tablet eines Freundes einzuwählen, seine eigene Musik (samt Voreinstellungen!) herunterzuladen und sofort zu benutzen.

Fazit: Sofort ausprobieren

Schon vor zehn Jahren habe ich mit dem RPG-Sound-Mixer Rollenspielrunden beschallt und bin dann doch wieder zu Soundtracks zurückgekehrt. Syrinscape hat mich nun vollauf begeistert. Das liegt vor allem an den wundervollen Klangumgebungen, die ich mittlerweile nicht nur am Spieltisch, sondern auch beim Vorbereiten einer Spielrunde und sogar zur Entspannung nach der Arbeit höre.

Es ist beeindruckend, wie viel Arbeit und Talent Benjamin in das Programm, die einzelnen Musikstücke und die Sounds steckt. Bei der Qualität merkt man tatsächlich, dass hier ein Musiker und Profi am Werk ist. Durch die Zufalls-Elemente wirken die Klangkulissen tatsächlich realistischer und intensiver. Dass einige Soundschnipsel aus freien Bibliotheken (etwa freesound.org) stammen, finde ich nicht schlimm. Die Originale werden auf der Syrinscape-Homepage sogar verlinkt, so dass sich das Stöbern dort auch für Spielleiter lohnt, die ihre eigene Soundbibliothek erweitern wollen.

Das Bezahl-System von Syrinscape finde ich gelungen. Das Abo von 6,50 USD pro Monat dürfte sich aber nur für Spielrunden lohnen, die häufig genug am Spieltisch sitzen. Ich jedenfalls unterstütze das Projekt gerne und hoffe auf noch mehr Vielfalt bei den SoundSets. Vielleicht etwas Endzeit-Mäßiges oder noch besser Pseudo-Japanisches für meine Legends of the Five Rings Runde, Benjamin? Ich wäre begeistert.

Artikelbilder: Syrinscape

 

7 Kommentare

  1. Ich nutze zwar keine Musik oder Soundeffekte am Spieltisch, aber das Programm ist schon sehr faszinierend. Und ja, Benjamin ist wirklich ein super angenehmer Zeitgenosse, dem man alleine deswegen gerne unterstützt. :)

  2. Ich hab das Monats-Abo, weil ich die Software auch toll finde. Kommt bei meinen Spielern auch top an!

    Mich reizt es hauptsächlich, weil es für die meisten Abenteuer von Das Erwachen der Runenherrscher, dem Pathfinder AP, abgestimmte Soundpakete gibt. Für fast alle Abschnitte gibt es dann jeweils angepasste Sounds.

  3. Hm, hat schonmal wer tabletopaudio.com näher angeschaut?

    Hier finden sich 10-min-Tracks, welche geloopt werden können und jedes Genre ist auch vertreten. Allein vom Probehören bin ich davon ganz angetan. Und, es kostet nix.

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