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Beim Durcharbeiten des D&D5 Monster Manual fielen mir ein paar Dinge auf, die meinen Erwartungen zuwiderliefen. Ursprünglich nur bei den Challenge Ratings – also dem Schwierigkeitsgrad – einiger Monster, der mir erstaunlich niedrig schien gemessen an ihrer Rolle im Spiel über die Jahre (Dazu mehr in meiner kommenden Rezension zum Monster Manual). Dadurch wurde ich stutzig, und habe mal ein paar der Tabellen im Spiel miteinander und mit älteren Editionen verglichen. Als Nachtrag zu meiner Rezension des Player’s Handbook also hier meine Überlegungen zum Thema Stufenanstieg in D&D5.

From Zero to Hero

Werte ohne Kontext sind oft nicht sehr aussagekräftig. Der Stufenanstieg in D&D5 ist ein zentrales Element im Spiel und es gibt mehrere Faktoren, die ihn laut den Dungeon Master’s Basic Rules beeinflussen:

  • Das Challenge Rating der Gegner, das auch ihren Wert in Erfahrungspunkten (XP) festlegt.
  • Die Stufenaufstiegstabelle selbst, die einem XP-Wert eine Stufe zuordnet.
  • Der Adventuring Day, der eine Maßgabe darstellt, wie viele XP ein Charakter pro Tag Abenteuer einheimsen sollte.

 

D&D5 scheint darauf optimiert zu sein, Stufe 3 möglichst schnell zu erreichen. Es hat eine einheitliche XP-Tabelle für alle Klassen. Betrachten wir zunächst mal die Stufen 2-5:

Stufe

Benötigte XP

2

300

3

900

4

2700

5

6500 

In einer früheren Edition von D&D würde eine Spielfigur sehr viel Zeit auf diesen Stufen verbringen.

Zum Vergleich jetzt die Adventuring-Day-Tabelle, die verdeutlicht, wie viele Punkte ein SL pro Tag Abenteuer herausrücken sollte:

Charakter-Stufe

Tages-XP

1

300

2

600

3

1200

4

1700 

Nehmen wir einfach mal an, der SL hält sich an die Vorgabe – wie sähe das aus?

Nummer der Tages

XP an diesem Tag

Gesamt-XP am Tagesende

Stufe am Tagesende

1

300

300

2

2

600

900

3

3

1200

2100

3

4

1200

3300

4

5

1700

5000

4

6

1700

6700

5

Ziehen unsere wackeren Recken also auf Abenteuer aus, erreichen sie laut dieser Maßgabe bereits nach sechs Tagen Abenteurerleben Stufe 5.  

Verändert sich dieses Verhältnis später wesentlich? Auf Stufe 12 kommt der Charakter mit 100.000 XP, auf Stufe 13 mit 120.000. Pro Tag stehen auf Stufe 12 11.500 XP an. Also: Zweimal die Nacht durchschlafen und man wacht auf Stufe 13 auf.

Der Text der Dungeon Master’s D&D Basic Rules widerspricht sich hierbei übrigens. „For each character in the party, use the Adventuring Day XP table to estimate how much XP that character is expected to earn in a day.“ Also: So viele XP soll die Spielfigur pro Tag tatsächlich einheimsen. Aber: „This provides a rough estimate of the Adjusted XP value for encounters the party can handle before the characters will need to take a long rest.“ Die Adjusted XP geben eigentlich die Schwierigkeit einer Begegnung an, nicht ihren Wert an XP – d.h. Begegnungen mit vielen Monstern sind schwerer, aber man kriegt nicht mehr XP pro Monster. Die Gruppe soll ungefähr sechs mittelschwere bis schwere Kämpfe pro Tag bestehen können.

Nun wird vielleicht nicht jeder SL seine Spieltage so mit Kämpfen vollstopfen, aber das Spruch- und Ressourcenarsenal der Spieler räumt weniger Gegner relativ einfach ab. Man spielt die sechs Spieltage auch bestimmt nicht in sechs Spielsitzungen; je nach Gruppennaturell und aufgewendeter Zeit pro Sitzung kann man nach ein bis zwei Dutzend Spielabenden auf Stufe 5 sein. Das erscheint mir persönlich als zu schnell – es kommt ja schließlich einem Stufenanstieg pro Abenteuer sehr nahe.

Im Wandel der Zeit

Zum Abgleich mal ein paar Vergleichswerte aus verschiedenen Varianten von D&D aus den letzten vier Jahrzehnten:

D&D-Variante

XP für Stufe 2

XP für Stufe 8

XP für Stufe 20

XP pro Goblin

XP pro Ork

Basic D&D* (Kämpfer)

2.000

120.000

1.560.000

5

10

Basic D&D* (Elf)

4.000

250.000

5

10

Advanced D&D2 (Kämpfer)

2.000

125.000

3.000.000

15

15

D&D3**

1.000

28.000

190.000

100***

150****

D&D5

300

34.000

355.000

50

100

* Basic D&D beginnend mit der roten Box, oft als BECMI bezeichnet

** Nach den Regeln der Ausgabe v3.5

*** Challenge Rating 1/3 * 300 XP laut Tabelle für CR 1 bei Charakterstufe 1

**** CR ½ * 300 XP laut Tabelle für CR 1 bei Charakterstufe 1

Was hierbei auffällt, ist, dass die Anzahl der benötigten XP für die unteren und höheren Stufen eher sinkt, die Belohnung in XP für’s Monstererschlagen eher steigt. D&D4 habe ich hierbei außen vor gelassen, weil es teilweise sehr viel anders macht als die anderen Varianten.

In Basic D&D ist Monsterplätten ein relativ brotloses Geschäft, was den Stufenanstieg angeht. Für das Erreichen von Story-Zielen werden noch einmal so viele XP vergeben, wie dafür Monster erschlagen oder überlistet werden mussten. Für gutes Rollenspiel kann der SL 5% dessen herausrücken, was die nächste Stufe gekostet hätte. Die Haupt-XP-Einnahmequelle sind aber definitiv Gold und Edelsteine – das Erbeuten von Schätzen, sei es durch Metzelei oder List, erbringt einen XP pro Goldstück Wert. Wer also reiche Beute macht, gewinnt am meisten Erfahrung.

Schon in AD&D2 geht der Fokus hiervon weg. In meinem Handbuch für Spielleiter werden überstandene Kämpfe und erreichte Story-Ziele nach den gleichen Maßgaben wie in Basic D&D belohnt, individuelle Belohnungen und XP für Gold sind hingegen optional verregelt. Sich den Weg zum Ziel zu erkämpfen oder Monster zu überlisten sind damit die wesentlichen Bestandteile des Spiels, die belohnt werden.

Mit D&D3 wird es dann schlagartig einfacher, die nächste Stufe nur durch Kämpfen zu erreichen. Dies gilt auch für das neue D&D5. Beide Systeme erlauben auch XP-Vergabe beim Erreichen von Abenteuer-Meilensteinen. Fanden sich hochstufige Charaktere früher nur in besonders langlebigen Kampagnen, wird es mit D&D5 besonders leicht, auch Stufe 20 zu erreichen.

Fazit

Was zuallererst nur nach der Diskussion einiger Tabellen aussieht, stellt für mich auch ein Spielgefühl dar. In den frühen Editionen nahm man den selben Sack an Fertigkeiten mit auf mehrere Reisen durch die Welt der Fantasie, und gewisse Gegner markierten auch den eigenen Grad an Fortentwicklung. Das Spiel auf den unteren und mittleren Stufen prägte auch das Bild vom Spiel Dungeons & Dragons an sich. Das Erreichen der fünften Stufe war so zum Beispiel ein Meilenstein, der Zauberwirker frohlocken ließ.

Nun muss man nicht mit gletscherartiger Langsamkeit mühsam Millionen an XP anhäufen, um dieses Gefühl zu haben. Aber schon jetzt scheint es mir, als gingen die ersten Stufen in D&D5 wie im Rausch vorüber. Auf Stufe 3 sind Bugbears und Oger eigentlich schon nicht mehr so richtig gefährlich, Orks und Goblins fast schon vergessen. Mit der Historie des Spiels beißt sich das. D&D5 wurde ja von einigen aus der OSR-Ecke als Revival älterer Editionen gepriesen, aber genau hier findet sich eher ein Bruch.

Zwar gab es schon immer verschiedene Spielweisen, aber das Schnetzeln von Monstern hat in der einen oder anderen Form immer dazu gehört. Auch mit D&D5 setzt sich der Trend zu viel Feind, viel Ehr‘ fort. Effekte wie „Save or Die“ sind durch mildere Konstrukte ersetzt worden.

Auf der anderen Seite sollten solche Eigenheiten auch ohne viel Aufwand mit Hausregeln vermieden werden können. Teilt man die von den Standardregeln vorgegebenen XP durch 3 oder 4 bevor man sie vergibt, bleiben die Kämpfe immer noch genauso fordernd, ohne zu schnell zu Anstiegen zu führen. Auch einige Monster würde ich für meine Kampagnen überarbeiten.

All dies stellt natürlich nur einen Aspekt des Gesamtspiels für mich dar – aber einen wichtigen für alle, die eine Kampagne anlegen und spielen wollen.

Artikelbilder: Wizards of the Coast

 

11 Kommentare

  1. Ich habe leider den Link verlegt, aber WotC hatte mal eine Marktforschung veröffentlicht, in der die durchschnittliche Kampagne auf 12 Sitzungen kam. Will man den durchschnittlichen Spieler nun nicht zwingen, ständig die selben ersten Level zu bespielen, sondern die ganze Levelspanne kennen zu lernen, müssen alle 3 Sitzungen 5 Level überbrückt werden.
    Wer längere Kampagnen erwartet, muss zwangsläufig langsamer leveln oder nennenswerte Teile der Kampagne auf Maxlevel spielen.

    • Das ist ein interessanter Aspekt, Björn!

      Es beißt sich natürlich mit der Erfahrung vieler Spieler, die über Jahre oder gar Jahrzehnte D&D gespielt haben, und auch viele Amis denken gerne an ihre Collegezeit zurück, wo sie noch ausgiebig D&D spielten. Aber die Zeit wird natürlich als Berufstätiger knapper.

      Ich hab gerade auch eine D&D-Kampagne neu angefangen, und habe mental einfach mal ein Dutzend Sitzungen angesetzt… Man weiß nicht, ob sie zündet, ob man nicht was Anderes macht… Das Problem ist dann, falls wir länger spielen, könnte ein allzu schnelles Vergeben der Stufen genauso am Spielspaß kratzen, wie es ihn am Anfang fördert.

      Ich denke mal, dass die Spielgruppen, die nur ein System spielen, tendenziell weniger werden. Und mit ihnen auch der Gedanke, ein System zu wechseln, wichtiger wird. Und D&D5 scheint darauf wesentlich mehr getrimmt zu sein als AD&D2, das noch darauf getrimmt war, jemandes „Ein-und-Alles“ zu sein. Auch ich würde ja irgendwann wieder etwas Anderes spielen.

      Mal sehen wie sich diese Anpassungen in der weiteren Spielpraxis auswirken werden.

  2. Mit dem schnellen Voransteigen hast du schon recht. Das Spielerhandbuch suggeriert dem AD&D-Veteranen auch so schon den Eindruck, dass es extra auf einen schnellen Charakterbau ausgelegt ist. Sozusagen optimiert auf OneShots, Demos und Cons. Das ist ja nichts schlechtes. Mit persönlich gefiel die Idee eines Charakter-Masterplans eh nie.

    Und wenn man das mal weiterdenkt, passt es gut: Schneller Einstieg und gleich Stufenaufstieg – Perfekte Motivation.

    Okay, nach hintenhin darf es dann gerne etwas langsamer gehen. Das hatte schon Dungeonslayers immer als Problem. Nach dem ersten Abenteuer (D2Go) war der durchschnittliche Held irgendwo so bei Stufe 4 angelangt. Da zernagelt dann auch den Gewöhnung und die Lernkurve (Umgang mit Fertigkeiten, Talenten, Zaubern…).

    • Ich würde auch gar nicht dem sehr langsamen Stufenanstieg von AD&D2 das Wort reden wollen, aber nach dem Gegeneinanderhalten ging mir das zu schnell. Auch am Anfang braucht es etwas Zeit, die eigenen Fertigkeiten erstmal zu kennen. Da ist es nicht so toll, wenn gleich neue Fertigkeiten und Sprüche hinzukommen.

      Ich hatte ja ursprünglich gedacht, nur die ersten zwei Stufenanstiege vergingen wie im Fluge. Das wär‘ ja auch legitim – sozusagen direkt raus aus der initialen Todeszone. Danach darf es ruhig langsamer gehen.

  3. Wieso sind Orks und Goblins auf Stufe 3 den schon vergessen? Ich dachte DnD 5 propagiert eine langsame Steigerung der Werte damit eben genau das nicht passiert. Hat das etwa nicht geklappt?

    • Hallo, Jan.

      Die langsamere Steigerung der Werte ist eine Sache. Die ist tatsächlich gegeben. Trotzdem können Charaktere dank ihrer Klassenfertigkeiten sehr schnell sehr viel austeilen und einstecken. Die Adjusted XP pro Stufe, die ein SC bewältigen kann, verdreifachen sich zwischen Stufe 1 und 3.

      Orcs bringen 100XP. 4 Orcs werden mit 800 Adjusted XP bewertet. Für 4 Charaktere der ersten Stufe ist das ein „Deadly Encounter“ – d.h. die Party kann wahrscheinlich ein paar solcher Kämpfe pro Spieltag bestehen. Auf Stufe 2 ist das ein „Medium Encounter“. Auf Stufe 3 ein „Easy Encounter“. Die Maßgabe für den Abenteuertag ist sechs bis acht Medium oder Hard Encounters pro Tag.

      Um einen Deadly Encounter nur mit normalen Orcs für Stufe 3 zu generieren, muß die Begegnung mind. 1600 XP Wert sein. 8 Orks mit 800 XP * 2.5 = 2000 XP würden z.B. reichen. Begegnungen werden gefährlicher, wenn mehr Gegner mit mehr Attacken anwesend sind. D.h., eine große Gruppe Orks kann die Spieler zwar schon noch fordern, zumal auch niedrigstufige Gegner gute Trefferchancen haben, aber wenn man das mit der schnellen Stufenprogression kombiniert, sind sie halt bald vergessen. Zwar waren Orks auch früher auf Stufe 5 eher ein Randproblem, zumal man Sprüche wie Feuerball bekam, aber wenn Stufe 5 schon nach 6 Abenteuertagen erreicht würde…

      Es ist die Kombination aus der Leveltabelle in Kombination mit den Vorgaben zur Verteilung von XP, die dieses „Entwerten“ niedrigstufiger Gegner aus meiner Sicht bewirken.

    • Hm, wenn man die gefühlte Stärke der Charaktere auf Stufe 1 heruntersetzt und dann auf der Stufe die alten Monster bietet, dann wirkt das komisch. Aber der Anstieg an Fähigkeiten ist auf den ersten Stufen dann wirklich stärker als versprochen, dazu die schnellen Aufstiege… gefällt mir nicht so richtig, wirkt halbgar.

  4. Dazu sage ich nur: AO sei dank.
    Von diesen beschissenen lvl1-2 Nixkönnerchars hatte ich definitif genug in den letzten 20 Jahren.
    Mein DM nervt mich auch dass wir jedes Paizo AdventurePath auf lvl1 anfangen. Zumindest verzichtet et auf XP und wir lvln bei bestimmten Meilensteinen auf.

    Meine Alternity Kampagne startete auf lvl 7. Da konnten die Spieler dann mal auch wirklich Soldaten, Helden und Experten spielen :-)

    • Ach, ab und an ein bisschen lv1 und lv2 hochspielen ist nett. Es dauert eben nicht lang. Ich bin da ganz dankbar dafür.

      Ich gebe dir aber definitiv recht: Nicht alle Module sollten bei lv1 beginnen. Bei „Curse of Strahd“ wurde zwanghaft versucht, einen Einstieg ab lv1 zu ermöglichen, aber sobald du dich in die „falsche“ Aufgabe verstrickst, biste tot. Mit Stufe 7 spielt es sich hingegen flüssig, ohne langweilig zu sein.

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