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Im Abenteuer ATS-X 51 für das Rollenspiel CONTACT aus dem Hause Uhrwerk geht es um einen geheimen Kongress, der von der CIA und OMEGA ausgerichtet wird. Es ist der zehnte Kongress seiner Art, er ist „ABOVE TOP SECRET“ und er findet in den Einrichtungen der legendären Area 51 statt – daher der Name. Teilnehmer an dem Kongress sind eine Menge hochrangiger Menschen aus den beiden Organisationen sowie weitere Personen, die mit den Organisationen oder der außerirdischen Bedrohung zu tun haben – und natürlich auch eine Handvoll Spielercharaktere. Und während des Kongresses ereignen sich eine Reihe von Zwischenfällen, bei deren Erkundung oder Auflösung die Spielercharaktere eine Schlüsselrolle spielen. Alles in allem ist ATS-X 51 ein Abenteuer für Leute, die Spaß an detektivischen Geschichten haben.

Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass im Folgenden eine Menge an inhaltlichen Dingen des Abenteuers besprochen werden. Wer also vorhat mitzuspielen, sollte ab hier nicht weiterlesen.

Das Abenteuer aus der Feder von Robert Hamberger gibt es als PDF oder broschierte Version, für die Rezension lag mir letztere vor.

Aufbau

Der angehende Spielleiter wird zuerst mit den wichtigsten geschichtlichen Ereignissen vertraut gemacht, die als Vorbereitung auf den genannten Kongress dienen sollen. Dabei handelt es sich im Grunde um die Kampagne Brennpunkt: Erde aus dem Grundregelwerk, im Speziellen um den Hyde-Park-Zwischenfall und das Auftauchen der Verbannten, deren Botschafterin Radiance auch an dem Kongress teilnimmt.

Als nächstes wird der Schauplatz beschrieben, für den im Anhang Karten und eine ausführliche Legende bereitstehen. Und dann werden die wichtigsten Nichtspielercharaktere vorgestellt.

Masse mit Klasse – Die Nichtspielercharaktere

Die 17 wichtigsten NSC (an der Konferenz nehmen vermutlich mehr als 200 Menschen teil, auch wenn es nirgends direkt erwähnt wird) werden jeweils ziemlich ausführlich beschrieben. Dabei wird auf ihren Hintergrund, ihren Charakter und auch auf ihren Zweck für die Ereignisse in dem Abenteuer eingegangen. Nicht jeder dieser NSC spielt bei den ungewöhnlichen Ereignissen auf dem Kongress eine zentrale Rolle und doch zeigt sich hier schon deutlich, dass das Abenteuer eine ordentliche Herausforderung für einen Spielleiter ist. Auch nur die Hälfte der Figuren mit genug Leben zu versehen, so dass die Spieler ein Gefühl für den Charakter und den Hintergrund der NSC bekommen, ist eine schwierige Aufgabe, für die der Spielleiter einiges an Vorbereitungen investieren muss. Etwas zum kopieren und ausschneiden hätte im Anhang dabei eine hilfreiche Unterstützung sein können.

Der Ablauf – Vor und hinter den Kulissen

Im nächsten Abschnitt wird das Programm des Kongresses beschrieben und jeder Programmpunkt jeweils kurz vorgestellt. Dabei gibt es zu jedem Seminar entweder ein oder mehrere sogenannte Ereignismodule; also Zwischenfälle, die den Kongress zum Abenteuer für die Spielercharaktere werden lassen, oder Charakterfortschritte in Form von Erfahrungsindex-Punkten für die Teilname an den Veranstaltungen.

Das umfangreiche Programm während der vier Tage.
Das umfangreiche Programm während der vier Tage.

In der Regel finden zwei Veranstaltungen parallel statt, aufgrund der Ereignisse im Hintergrund der Konferenz muss sich der Spielleiter dennoch mit den meisten anderen Veranstaltungen befassen. Hier wird erstmals deutlich, dass es keinen einzelnen, vielleicht nicht einmal primären Handlungsstrang für das Abenteuer gibt, sondern, dass die dramatischen Elemente des Abenteuers aus mehreren Handlungssträngen bestehen, deren gemeinsamer Nenner mitunter lediglich die Konferenz ist. Eine spannende Bereicherung, aber auch eine weitere Herausforderung für Spielleiter und Spieler.

Der nächste Teil befasst sich mit den tatsächlichen Ereignissen hinter den Kulissen und zeigt damit insgesamt sechs Handlungsstränge auf, die die Spielercharaktere während der Konferenz in ein Abenteuer verwickeln. Dabei geht es um Lobbyismus mit allen Mitteln, einen Mord, einen (Selbst-)Mordanschlag, Spionage, einen Diebstahl und einen Computervirus. Die Hintergründe und Drahtzieher haben jeweils im Sinne ihrer Taten nichts miteinander zu tun, was aber den nach Aufklärung suchenden Offiziellen – unter der Leitung oder zumindest der Unterstützung der Spielercharaktere – sicherlich nicht so schnell klar sein wird. Etwas, das zumindest für Spielleiter überschaubar klar dargestellt wird, kann sich hier für die Spieler und deren Charaktere als undurchschaubares Verwirrspiel darstellen.

Hilfen und Handouts

Unter der Kapitelüberschrift „ATS-X 51 leiten“ finden sich ein paar Hinweise auf die Art und Weise, wie das Abenteuer ausgestaltet werden kann. Dabei bekommt man sehr schöne Tabellen für das schnelle Generieren weiterer, an dem Kongress teilnehmender NSC. Diese sollen den Kongress ausschmücken und den Fokus von den wichtigen Figuren lenken. Dazu bietet die Tabelle Hinweise auf Gesprächsstoff, Persönlichkeit und ein bis zwei Besonderheiten. Aus meiner Sicht ist das eine erfrischende Ergänzung. Oder wäre es, wenn es nicht schon 17 wichtige NSC gäbe. Dazu kommt, dass das Abenteuer bis zu dieser Stelle schon eine Menge an spielleiterlichen Herausforderungen bietet und sich der Spielleiter ein paar weiterführende Hinweise dazu hätte erhoffen können, wie man das große Potpourri aus Personen und Motiven, Seminaren und Entdeckungen zu einem dramaturgisch eingängigen und für Spieler wie auch Spielleiter handhabbaren Ganzen formt.

Den letzten Teil bildet der Anhang, in dem zum einen Hintergrundinformationen zu einer Alien-Spezies zu finden sind, die in dem Abenteuer nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ihre Rolle kann der Spielleiter durchaus vergrößern. Des Weiteren finden sich dort aber auch Pläne, Legenden und eine Übersicht über Attribute und Fertigkeiten der wichtigen NSC. Wie schon erwähnt, werden die Kästchen mit den NSC-Werten den Erfordernissen irgendwie nicht gerecht. Anstatt Werten hätte man hier Hintergrund und Motive zusammenfassen können – gerne auch als beidseitige Version mit Werten.

Dramaturgie

Wie schon angedeutet, hilft der Aufbau nur bedingt beim Zusammenstellen einer eingehenden Dramaturgie für das Abenteuer. Ich arbeite im Moment nur an der Theorie des Abenteuers und es bleibt abzuwarten, wie sich das Ganze im Spiel entwickelt und entwickeln kann, aber es sieht sehr stark danach aus, dass der vorbereitende Spielleiter eine Menge an Arbeit vor sich haben wird.

Es gibt eine Reihe von miteinander verwobenen Komponenten in dem Abenteuer, die einfach und linear sind. Die erste Hürde wird aber sein, die Rolle der Spielercharaktere innerhalb der Ereignisse zu definieren. Es gibt jeweils nur ein paar wenige Hinweise darauf, inwieweit sie explizit von anderen z.T. hochrangigen Teilnehmern hinzugezogen werden. Alles andere obliegt der Motivation der SC oder aber einer differenzierten Orchestration des Spielleiters.

Es gibt durchaus auch Hinweise dazu, wie sich einzelne Stränge völlig unabhängig von den SC im Hintergrund entfalten und auch lösen. Häufig werden Szenen zwischen NSC beschrieben, bei denen Spielercharaktere eher optional anwesend sind.

DIY – Der Abenteuerbaukasten

Vermutlich ist es das Beste, wenn der SL sich aus den vorliegenden Informationen ein Flussdiagramm erstellt und vor allem jeweils die möglichen Erkenntnisse dazu notiert. Anhand des Weges der Spielercharaktere kann dann der Fluss an Informationen und Einflussnahme dirigiert oder aber zumindest festgehalten werden. Die Spieler werden gleichermaßen gezwungen sein, sich Namen, Ereignisse und Erkenntnisse zu notieren, wenn sie am Ball bleiben wollen.

Workshop „Angriff ist die beste Verteidigung“ inklusive eines Paintball-Trainings.
Workshop „Angriff ist die beste Verteidigung“ inklusive eines Paintball-Trainings.

Der Kongress geht über mehrere Tage, und die jeweils abenteuer-initiierenden Ereignisse nehmen darin nur wenig Zeit in Anspruch. Den Rest der Veranstaltung wird der Spielleiter mit der Improvisation der Seminare und dem Drumherum verbringen. Das ist an und für sich das übliche spielleiterische Handwerk. Eingebettet allerdings in die eventuellen Ermittlungen und Hintergrundereignisse – also mit der Aufgabe versehen, immer deren weiteren Einfluss im Auge zu behalten – wächst der Herausforderungsgrad, wie beschrieben, deutlich.

Unterm Strich wird es sicherlich ein Gutes sein, den einen oder anderen Handlungsstrang schlichtweg aus dem Abenteuer zu nehmen, abhängig davon, was der Spielleiter sich und seiner Runde zutraut.

Preis-/Leistungsverhältnis

Das Abenteuer kommt mit den NSC und den mitgelieferten Hintergründen für verschiedene Parteien beinahe einem Quellenband gleich. Auf insgesamt fast 50 Seiten wird eine Menge geliefert und selbst, wenn man die Geschichte für seine eigene Runde kürzt, hat man immer noch eine Menge Material, das auch in späteren Abenteuern gut Verwendung findet. Das alles gibt es für gerade mal 12,95 EUR, was ein Spitzenpreis für eine Vielzahl von unterhaltsamen Vorbereitungs- und Spielabenden bedeutet. Nimmt man stattdessen die PDF-Version, die es im Uhrwerk Web-Shop gibt, ist man sogar nur mit 6,95 EUR dabei.

Erscheinungsbild

Das Abenteuer ist ein dünnes Heft im klassischen A4-Format, das von allen Seiten einen wertigen Eindruck macht. Das Cover ist, wie bei CONTACT üblich, mit einem schicken (matten) und stimmungsvollen Bild versehen, das den Inhalt schon mal gut zusammenfasst: Es geht um irgendetwas mit Schleichen und Geheimhaltung. Auch der Rückklappentext fasst das Wesentliche gut zusammen und erwähnt bereits die Komplexität des Abenteuers.

Der Inhalt ist komplett in Graustufen gehalten und textlich zweispaltig aufgebaut. Immer wieder unterbrechen Überschriften und Bilder den Text, während auf jeder Seite der gewohnte Sci-Fi-Hintergrund zu sehen ist, inklusive des üblichen Randes.

Die vornehmlich zum Kopieren vorgesehenen Seiten befinden sich dankenswerterweise im letzten Teil des Heftes.

So sauber Druck und Layout sind, so sauber ist auch der Aufbau, und es fallen keine Fehler ins Auge – bis auf einen kleinen Schnitzer bei den Tabellen für die Generierung der NSC, wo ein W100 anstatt eines W10 als Spaltenüberschrift bei zehn Einträgen zu finden ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor: Robert Hamberger
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4 Broschiert oder DIN A4 PDF
  • Seitenanzahl: 49
  • ISBN: 978-3-942012-48-5
  • Preis: 12,95 EUR oder 6,95 EUR für die digitale Variante
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Von den leicht herauszukopierenden NSC-Werten einmal abgesehen, gibt es dazu noch einen zu der Version im Grundregelwerk alternativen Charakterbogen für Menschen. Dieser gibt mehr Platz auf der Vorderseite für Portrait oder Notizen und vereint die kampfrelevanten Werte auf der Rückseite.

Fazit

Was einem praktisch schon mit dem Einband ins Gesicht springt, ist, dass sich Autor Hamberger mit diesem Abenteuer vom taktischen Aspekt abwendet und das Rollenspiel im Sinne der abstrakten Erzählkunst in den Vordergrund stellt – was für CONTACT-Anhänger, die sich auf plan- und miniaturbasierte Gefechte freuen, eine klar „negative Kaufentscheidung“ sein könnte.

Vielleicht wird es in den vorherigen Absätzen nicht deutlich, aber ich mag das Szenario von ATS-X 51. Es bestärkt mich darin, dass CONTACT trotz seines taktischen Anspruches ein durchweg klassisches Rollenspiel ist oder zumindest sein kann. Aber in dem vorliegenden Fall ist es nicht ohne ein ordentliches Maß an Vorarbeit genießbar und so, wie eigentlich nur wenige Abenteuer „out-of-the-box“ funktionieren, ist dies hier noch weniger der Fall. OMEGA ist nicht gleich OMEGA, wie schon die Erfahrung meiner bisherigen Kampagne zeigt und der Spielleiter wird alle Einflussgrößen in einen Topf werfen und daraus ein gutes Abenteuer konstruieren müssen, was hier ansonsten leider nicht vorliegt. Zu vielseitig ist die Kombination aus den Figuren und deren Motiven – auch wenn die sich daraus ergebenden Konsequenzen und damit die Aufhänger für das Abenteuer wieder angenehm schlicht geraten sind. Dennoch kommt die Hilfe, die der Autor dem potentiellen Spielleiter an die Hand gibt, deutlich zu kurz.

Unterm Strich verbuche ich ATS-X 51 als Szenario mit einer Reihe von Abenteuervorschlägen und nicht als Abenteuer an sich und die notwendige Aufarbeitung als in etwa das, was ich als Spielleiter sowieso zu tun habe, wenn ich ein Kaufabenteuer an meine Runde anpassen will. Sicherlich wird das nicht jeder so sehen und wem der taktische Aspekt von CONTACT hauptsächlich zuspricht, wird sich mit dem Abenteuerheft alles andere als wohl fühlen.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag

 

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