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Anfang Februar ist es soweit: Die Zylonen greifen an. Zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man sich den stillgelegten Zerstörer Mölders im Marinemuseum Wilhelmshaven anschaut. Dieser wird nämlich gerade für ein vom 04.-08. Februar 2015 stattfindendes Bildungs-LARP in das Frachtraumschiff Hesperios umgebaut. Hierbei werden ca. 80 Spieler während der drei Tage dauernden Veranstaltung in die Rolle der Besatzung des Raumkreuzers sowie von an Board befindlichen Zivilisten gesteckt.

Nach dem zugrundeliegenden Battlestar Galactica (BSG)-Hintergrund ist die Menschheit über die sogenannten Zwölf Kolonien verstreut. Die Zylonen, eine Rasse aus humanoiden Robotern, die ein eigenes Bewusstsein entwickelt haben, beginnen die Kolonien zu attackieren. Seit diesem Moment befinden sich die letzten Überlebenden der Menschheit an Board von Raumschiffen wie der Hesperios auf der Flucht vor den Zylonen. Außerdem sehen sie sich solchen herkulischen Aufgaben gegenüber, wie sich selbst in dieser Krise neu zu organisieren, die raren Ressourcen zu verteilen und die Gefahr von Schläfer-Agenten in den eigenen Reihen zu eliminieren.

Die Teilnehmer werden daher im Spiel mit Fragen über Sicherheit, Vertrauen und die Menschlichkeit in Zeiten großer Gefahr konfrontiert. Hinzu kommt der auch in der aktuellen Politik stark thematisierte Flüchtlingsaspekt. Gerade ob dieser Themen ist den Organisatoren etwas gelungen, was in Deutschland in diesem Maße seinesgleichen sucht: Sie haben eine Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung erhalten. Damit stehen sie hierzulande als das Vorzeigeprojekt dafür, was aus LARP noch werden kann. Was in verschiedenen skandinavischen Ländern gang und gäbe ist, muss im deutschen LARP erst noch Fuß fassen. Zentraler Punkt ist das Thematisieren von Inhalten, die vor allem zum Nachdenken und Reflektieren über die eigene Person anregen und nicht nur zum simplen Konsumieren und Abenteuererleben gedacht sind. Gerade deshalb gibt es auch, wie beim Nordic-LARP typisch, nach Spiel-Ende noch eine gemeinsame Phase der Reflektion und Auswertung der Erlebnisse. Für die Durchführung des Projektes holen sich die Organisatoren vom basa e.V. noch Unterstützung von ihrem langjährigen Kooperationspartner Waldritter e.V., als auch von der im BSG-LARP erfahrenen Orga Twelve Colonies.

Weltraumfrachter Hesperios
Weltraumfrachter Hesperios

Die Orga

Die Bildungsstätte Alte Schule Anspach, kurz basa, ist ein Verein in Anspach im Taunus, der sich vor allem mit der Organisation und Durchführung von Projekten im Bereich politischer Bildung und Jugendarbeit befasst. Der basa e.V. hat, dank dieser Projekte, gute Kontakte zur Bundeszentrale für politische Bildung. Dem Verein kommt zugute, dass in ihm verschiedene Mitglieder arbeiten, welche auch dem Waldritter e.V. angehören. Dieser beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Thema LARP und angrenzenden Bereichen wie Alternative-Reality-Games. So wurde schnell eine gute Mischung für das Projekt Exodus gefunden.

In der Kommandozentrale herrscht immer Wachsamkeit
In der Kommandozentrale herrscht immer Wachsamkeit

Das Projekt

Inspiriert durch das 2013 ebenfalls auf einem stillgelegten Zerstörer stattgefundene LARP Monitor Celestra in Schweden entstand die Idee, so ein Projekt auch in Deutschland zu verwirklichen. Da dies nicht allein von Spielerbeiträgen finanziert werden konnte, auch nicht mit den ca. 300 EUR pro Person, die die Spieler zahlen mussten, war eine Unterstützung vonnöten. Dank dem Ziel und den Möglichkeiten, die das Projekt Exodus bietet sowie den Kontakten, die der basa e.V. hatte, war ein Partner schnell gefunden. Die Bundeszentrale für politische Bildung bot ihre Unterstützung an und nutzt das Projekt als Leuchtturm, um zu zeigen, wie politische Bildung aussehen kann. Zeitgleich ist es, wie oben bereits erwähnt, auch für deutsches LARP ein enorm wichtiges Projekt, das das Thema Nordic-LARP, beziehungsweise auch LARP im Generellen, in Deutschland voranbringen kann.

„Im Projekt Exodus wollen wir Spieler an ihre Grenzen bringen“, sagt Dennis Ziesecke, seines Zeichens Verantwortlicher für die Technik als auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Projektes. „Wir bauen schon viel Druck auf durch das Setting an sich, die Charaktergeschichten, verschiedene Fraktionen, die sich an Bord befinden.“ Bei all dem Druck, der aufgebaut wird, ist es natürlich enorm wichtig, auch auf die psychologische Sicherheit der Spieler zu achten. Vor dem Spiel wird es Workshops geben, die darauf ausgelegt sind, den Spielern ihre Rolle nahezubringen, aber auch Sicherheitsaspekte wie Codewörter und ähnliche Schutzmaßnahmen zu vermitteln. In der Orga selbst arbeiten viele Leute mit, die psychologisch geschult sind, es gibt Out-Rooms (etwa:„Ruheräume“) und andere Möglichkeiten, sich zurückzuziehen, um den Druck abzubauen. Nicht zuletzt deshalb, und aus OT-Sicherheitsgründen, werden die Spieler auch außerhalb des Schiffes untergebracht. So kann man für ein paar Stunden der beklemmenden Enge des Weltraums entfliehen und doch ein paar Blicke auf die realen Sterne oder die Sonne erhaschen.

Systeme wollen beobachtet werden, es drohen immer Zylonen-Angriffe
Systeme wollen beobachtet werden, es drohen immer Zylonen-Angriffe

Typische LARPs spielen meist 24 Stunden „intime“, das heißt, der Zeitablauf von IT und OT ist in der Regel identisch. Die Macher des Projekts haben hier bewusst einen Bruch eingebaut, um ihre Möglichkeiten zu erweitern und das Ganze etwas cineastischer zu gestalten. „Wir werden in achtstündigen Episoden spielen, welche verschiedene einzelne Handlungsbögen beinhalten, die allerdings später, mit einem Zeitversatz, wieder aufgegriffen werden können“, erklärt Dennis. „Hierbei orientieren wir uns grob an den Episoden einer Serie, so dass zwischen den einzelnen Episoden auch mal ein paar Tage intime vergehen können, um beispielsweise Flugzeiten zu simulieren oder Handlungsstränge anders voranzubringen, als uns ein kontinuierlicher Zeitablauf ermöglichen würde.“

Die Mölders

Die Mölders ist ein deutscher Zerstörer, der vom 20. September 1969 bis zum 28. Mai 2003 im Dienst der deutschen Bundesmarine stand. Sie war ein Schiff der Lütjens-Klasse und ist seit ihrer Außerdienststellung ein Museumsschiff im Marinearsenal Wilhelmshaven, wo sie seit dem 24. Juni 2005 der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Technische Daten der Lütjes-Klasse:

Verdrängung: 4162 t
Länge:    134,48 m
Breite:   14,35 m
Tiefgang: 6,1 m
Besatzung:   334
Antrieb:   2 Dampfturbinen mit je 25.750 KW aus 4 Hochdruckkesseln
Geschwindigkeit:  >30 kn
Reichweite: 4500 sn bei 20 kn
Bewaffnung:

1 Einarmstarter (SM 1, AGM-84)
2 MK-42-Geschütze
1 ASROC-Starter
2 Dreifachtorpedorohre
2 20-mm-MK
6 SRBOC-Werfer

 

Die Mölders war an mehreren NATO-Übungen beteiligt und war ansonsten standardmäßig Teil der NATO-Einsatzverbände im Atlantik und Mittelmeer. 1987 kam es zu einem Großbrand, der in der Kombüse ausbrach und mit den an Bord befindlichen Mitteln nur schwer unter Kontrolle zu bringen war. Nach erfolgreichen Löschungsmaßnahmen, dank Hilfe der im Verband befindlichen Schiffe, konnte die Mölders aus eigener Kraft ihren Heimathafen Kiel anlaufen.

FUN-FACT: Zusammen mit dem bereits 1982 auf der Rommel ebenfalls dank einer Friteuse ausgebrochenen Feuers war es dafür verantwortlich, dass der Betrieb von Friteusen untersagt wurde.

1993 war die Mölders Teil der Operation Sharp Guard. Sharp Guard,eine gemeinsame Operation der NATO und der Westeuropäischen Union mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Waffenembargos gegen Jugoslawien während des Bosnien-Krieges durchzusetzen.

Nach 34 Dienstjahren und 17 verschiedenen Kommandanten von 1969– 003 wurde die Mölders außer Dienst gestellt und zunächst in die Wehrtechnische Studiensammlung Koblenz des Bundes aufgenommen und von dort später als Dauerleihgabe an das Marinemuseum in Wilhelmshaven gegeben, wo sie noch heute liegt und momentan auf ihren Einsatz als Hesperios wartet.

Junge Marines an Bord der Hesperios
Junge Marines an Bord der Hesperios

Artikelbilder: „D186 Mölders Marinemuseum“ von Picasa 2.0. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons, Projekt Exodus, SyFy Channel

 

11 Kommentare

  1. Seit der Wiedervereinigung heissen die Seestreitkräfte der Bundesrepublik Deutschland: Deutsche Marine
    Bundesmarine war die Bezeichnung bis zur Wiedervereinigung – aber keine Panik, ein Recherchefehler den selbst der unantastbare SPIEGEL begeht.
    Immerhin sagt niemand mehr Wehrmacht, obwohl er das Deutsche Heer mein.

    My two cents.

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