Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Im Januar 2014 erschien mit Blackguards von Daedalic Entertainment einen deutsches Rollenspiel in der Welt von Das Schwarze Auge. Die Teilzeithelden haben den ersten Teil damals getestet und fanden neben vielen interessanten Ansätzen auch Kritik: Balancing-Probleme und immer gleiche Kämpfe trübten den Runden-Strategie-Spaß, kaum vorhandene Dialogoptionen und unvermeidbare Wendungen in der Geschichte sorgten für Frust. Ein Jahr später steht nun der Nachfolger in den Geschäften oder zum Download bereit. Blackguards 2 verspricht, aus den Fehlern des Vorgängers gelernt zu haben. Na, ob das geklappt hat?

Die Story: zweite Chancen mit dem Schwert

Die Geschichte des Rollenspiels beginnt mit einem neuen Protagonisten, der Gefangenen Herrschergemahlin Cassia. Die haust und hungert in den Katakomben unter der Arena der zwölf Horden in Mengbilla und sinnt auf Rache an Großemir Marwan. In ihrem Wahn erklärt sie ihr ehrgeiziges Ziel: Vom Haifischthron zu herrschen, „und sei es auch nur für einen Tag.“ Nach ihrem Ausbruch sucht sie dafür nach den Bezwingern der Neun Horden – den Protagonisten des ersten Teils. Dabei ist grimmiger Humor mit von der Partie: Der arrogante Waldmensch-Gladiator Takate hält sich nun für einen Göttersohn und hält eigene Arenaspiele ab. Der lüsterne Magier Zuburan wurde von seiner ehemaligen Herrin gedemütigt und in die Sklaverei verkauft und Verbrecher-Zwerg Naugrim hat mit Drogen gehandelt und wird nun von seinen Geschäftspartnern verfolgt – Antihelden, wie sie im Buche stehen. Die Rücksetzung der Fähigkeiten der Helden (alle beginnen wieder auf Stufe 1) wird dabei sogar durch ihren lasterhaften Lebenswandel begründet – nett. Das Team ist nach nur einer gespielten Stunde Tutorial versammelt, der Rest von Blackguards 2 dreht sich um die Eroberung der Stadt Mengbilla in Form einer Militärkampagne.

 

Militärkampagne: Nach und nach fallen die Städte des Großemirats Mengbilla auf der taktischen Karte.
Militärkampagne: Nach und nach fallen die Städte des Großemirats Mengbilla auf der taktischen Karte.

Krieg ist kein Kindergarten

Das Hauptthema von Blackguards 2 ist Krieg und der wird nicht gerade romantisiert. So kann der Spieler in der Rolle von Cassia Gefangene für Informationen foltern lassen, exekutieren oder begnadigen – samt Auswirkungen auf den Kampagnenverlauf! Manche Folter entlockt dabei Geheimnisse über den nächsten Kampfplatz und schaltet bestimmte Vorteile frei oder sorgt für weniger Gegner. Wer einen Gefangenen laufen lässt, erhält vielleicht später Hilfe von ihm oder begegnet ihm als Feind – eine eindeutige „Paragon-Spielweise“ gibt es in Blackguards 2 nicht. So sind viele zu treffenden Entscheidungen moralisch fragwürdig. Cassia macht etwa kurzerhand Gefangene und „überzeugt“ diese von ihrer eigenen Sache, um sie der Stillen Legion hinzuzufügen. Häufig genug passiert das tatsächlich in Gesprächen, in denen die neuen Söldner – je nach Gemüt – überzeugt, belogen oder bedroht werden müssen, um zu spuren. Sie können zwar nicht ausgerüstet oder gesteigert werden, leveln aber mit der Heldengruppe mit und stehen, samt schlagkräftigem Anführer Faramud, in Kämpfen zur Seite. Im späteren Spielverlauf kommen sogar Spezialtruppen dazu: Kampfmagier, Assassine und Schwarzoger. Sicher gibt es auch immer wieder Nebenquests zu bestehen und einige optionale Handlungsstänge für die Protagonisten zu erkunden, doch vor allem in der zweiten Hälfte des Spiels kommt richtiger Feldzug-Flair auf. Besonders motivierend: Wenn Feinde bereits eroberte Städte angreifen und den Spieler so zur Verteidigung zwingen. „Den Ort gebe ich nicht wieder her! So weit kommt‘s noch.“ Bis zum endgültigen Sieg vergehen etwa 35-40 Stunden Spielzeit.

Befreierin oder verrückter Racheengel?

Insgesamt wirkt Blackguards 2 durch das Kriegs-Thema sowie durch die neue Protagonistin deutlich düsterer und erwachsener als der erste Teil. Cassia selbst wurde durch Spinnenbisse entstellt und trägt eine eiserne Maske, neigt zu Selbstgesprächen und Rache-Anfällen. Wie der Spieler sie dabei aber ausspielt, als bemitleidenswerter Ex-Gemahlin oder soziopathische Feldherrin, ist seine eigene Sache. Manche Gespräche und Entscheidungen des Spiels dienen nur dazu, Cassias Persönlichkeit zu erforschen, die sich zugegebenermaßen stets am Rande des Wahnsinns bewegt. Wie auch immer der Spieler sich entscheidet, ändert am Ende des Spiels nur wenig, hilft aber bei der Identifikation und passt zu einem Rollenspiel mit etwas mehr Anspruch als nur „Klick und Loot“. Dass Daedalic Entertainment mit Cassia überhaupt eine starke Frau als Hauptfigur erkoren hat, hat an sich schon ein Lob verdient.

Den Gegner mit Steinfallen zu erschlagen oder in Bärenfallen tappen zu lassen, macht ganz schön Spaß.
Den Gegner mit Steinfallen zu erschlagen oder in Bärenfallen tappen zu lassen, macht ganz schön Spaß.

Die Rundenkämpfe: Nicht ganz DSA

Einen Großteil des Spiels verbringt der Spieler in der Hexfeld-Ansicht diverser Schlachtfelder, Katakomben oder Wüstenareale. Hier werden die Charaktere und ihre Helfer im Rundenmodus nach einer Initiativefolge bewegt. Das Schwarze Auge stand hier beim zu Grunde liegenden System Pate. So gibt es wieder die aus der Tischrollenspiel-Vorlage bekannten Waffenfertigkeiten (spezialisiert auf Attacke und Parade), Zauber wie Ignifaxius Flammenstrahl und Sonderfähigkeiten wie Fallen und Menschenkenntnis. Doch Blackguards 2 ist eben keine getreue Umsetzung und entfernt sich noch weiter als der Vorgänger vom Das Schwarze Auge-Regelwerk. Das Aufleveln der Helden wurde vereinfacht. Werte haben andere Stufenreichweiten und Ausdauer, in der neuesten DSA-Version ja ganz abgeschafft, ist im Spiel eine wichtige Kampfressource. Das mag einigen DSA-Fans übel aufstoßen, ist für das Computerspiel aber sicher die richtige Entscheidung gewesen. Trotz Vereinfachungen bleibt Blackguards 2 anspruchsvoll genug; wer willkürlich oder die falschen Zauber oder Talente wählt, hat in vielen Kämpfen das Nachsehen.

Apropos Kämpfe: Vor allem bei den Runden-Gefechten hat Blackguards 2 deutlich zugelegt. Kaum eine Begegnung gleicht der nächsten: Mal muss eine Zielzone erreicht werden, mal verteidigt sich die Gruppe gegen Gegnerwellen. Besondere Ereignisse und Veränderungen des Schlachtfeldes machen jeden Kampf interessant. Dafür sorgen eine erstaunlich hohe Anzahl von interaktiven Objekten, Fallen (die man teilweise selbst vor Kampfbeginn an bestimmten Orten installieren darf), Falltore und Zugbrücken. Auf höheren Schwierigkeitsgraden ist man darauf angewiesen, sich durch diese einen Vorteil zu verschaffen, um zu gewinnen. Ein Hebel im richtigen Moment umgelegt und schon steht der Nachschub des Feindes vor einem unüberwindbaren Wassergraben – oder in brennendem Pech. Dazu verstecken sich auf einigen Karten Schatzkisten mit wertvoller Beute, die man unter Zeitdruck erst einmal plündern muss. Und ab und zu will ein Verbündeter am anderen Ende der Karte gerettet werden. Dazu gibt es knackige Bosskämpfe gegen Magier und Monster – mehrmaliges Neuladen bis die richtige Taktik gefunden wurde inklusive.

Schwachstellen: Balancing, KI und Speichersystem

Manchmal patzt Blackguards 2 aber doch, etwa bei der Schwierigkeit einiger Kämpfe. Die Missionen sind zwar auf der Übersichtskarte mit einer Einschätzung versehen, doch diese stimmt eben nicht immer. So greift der Computergegner mal mit kaum zu schlagenden Elitetruppen an, nur um kurz darauf eine wichtige Ortschaft mit hilflosen Rekruten zu verteidigen. Einen gleichmäßig ansteigenden Schwierigkeitsgrad sucht man vergebens und manchmal hilft nur, einen früheren Spielstand zu bemühen. Beim Speichersystem haben die Entwickler auch nicht auf die Kritik am Vorgänger gehört. Zwischenspeichern gibt es in Blackguards 2 noch immer nicht. Wer sich in einem Kampf „verspielt“, muss diesen ganz neu starten. Immerhin wurde durch erhöhte Trefferwahrscheinlichkeiten und automatischem Zaubererfolg einiges an Zufall aus den Kämpfen genommen, sodass es meist nur auf die richtige Strategie ankommt … oder darauf, den Computergegner gekonnt auszutricksen. Der teilt seine NSC nämlich durch eine schlechte Wegfindung meist auf, anstatt die Protagonisten in Formation anzugreifen.

 

Solide Grafik: Für die Atmosphäre reicht’s. Einige Zaubersprüche sehen dabei aber auch recht schick aus.
Solide Grafik: Für die Atmosphäre reicht’s. Einige Zaubersprüche sehen dabei aber auch recht schick aus.

Die Technik: solide aber wenig beeindruckend

Bei der verwendeten Technik kann man eigentlich nicht meckern. Die Ortschaften, vor allem das Heerlager, sind liebevoll gemacht. Frei begehbar sind die Städte und Dörfer aber immer noch nicht. Stattdessen klickt sich der Spieler durch Händler-Menüs und Dialogangebote vor gemaltem Hintergrund. Etwas befremdlich: Die Heldengruppe trägt außerhalb der Kämpfe nicht ihre eigentliche Ausrüstung, sondern behält ein Standard-Aussehen. Dafür gibt es auf den Schlachtfeldern umso mehr zu sehen. Im nicht-begehbaren Hintergrund der Kampfplätze warten Tempel, Brücken und Ruinen. Im Vordergrund sehen Lichteffekte, Schattenwurf und Zauber ganz ordentlich aus – für ein rundenbasiertes Rollenspiel.  Dafür verlangen hohe Auflösungen und Effekt-Details auch einiges an Rechenleistung.

Wie beim ersten Blackguards sind die Charaktere vertont und unterhalten sich teilweise auch während der Kämpfe. Ab und zu gibt es kommentierte und gezeichnete Zwischensequenzen. Die Sprecher sind dabei allesamt glaubhaft und unterstützen die eher dreckige DSA-Atmosphäre.

Die harten Fakten:

  • Entwickler: Daedalic Entertainment
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch, Englisch
  • Altersfreigabe: FSK 12, PEGI 16
  • Plattformen: Windows PC, Mac OS, Android, Linux
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Der Charakterschirm zeigt sich detailreich und stimmungsvoll
Der Charakterschirm zeigt sich detailreich und stimmungsvoll

Fazit

Bei den Zwölf! Daedalic Entertainment hat sich offenbar die Kritik am Vorgänger zu Herzen genommen und liefert mit Blackguards 2 das Spiel, das der erste Teil für viele DSA-Fans hätte werden sollen. Sicher ist noch Spielraum nach oben, aber die Militär-Kampagne um die soziopathische Möchtegern-Herrscherin Cassia ist deutlich umfangreicher und unterhaltsamer als der Kampf gegen den Namenlosen-Kult im Vorgänger. Die Runden-Kämpfe machen Spaß und die Entscheidungen und Gespräche vermitteln solides Rollenspiel-Flair. Dass die Grafik nicht mit AAA-Titeln mithalten kann, ist dabei nicht schlimm, sondern vermittelt sogar Retro-Charme.

Nur wer eine 1:1 Umsetzung der Regeln von Das Schwarze Auge erwartet hat, Aventurien nur mit friedfertigem Fischfangen am Großen Fluss assoziiert oder nicht gut mit Antihelden als Protagonisten klarkommt, sollte Blackguards 2 meiden. Wer den Vorgänger schon mochte, kann bedenkenlos zugreifen und sich auf ein solides PC-Rollenspiel der alten Schule freuen.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Daedalic Entertainment

 

3 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein