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Urban Fantasy ist seit ein paar Jahren wieder groß im Kommen. Dankenswerterweise gibt es in dem Genre einiges mehr als nur das weichgespülte Teenager-Vampir-Drama Twilight. Jim Butcher hat mit Harry Dresden einen abgewrackten und nach und nach immer mächtigeren Anti-Helden erschaffen, der in bester Film-Noir-Manier gegen Vampire, Werwölfe und Schlimmeres vorgeht. Der Magier darf sich wieder einem Mordfall stellen und stößt dabei auf eine wesentlich dunklere Wahrheit.

Willkommen bei Wolfsjagd – dem zweiten Teil der Erfolgsserie rund um den magischen Privatdetektiv Harry Dresden. Übrigens wird sein Nachname nicht wie die deutsche Stadt ausgesprochen, sondern jeweils mit kurzem „e“.

Story und Autor

Wie der Name des Romans schon vermuten lässt, stehen dieses Mal Wölfe und all ihre mystischen Formen im Zentrum der Handlung. Dabei ist der Aufbau der Handlung dem ersten Teil Sturmnacht gar nicht unähnlich. Harry muss helfen, einen Mord aufzuklären – stop – eine schöne und unnahbare Frau beauftragt ihn – stop – seine eigentliche Freundin und Polizistin Karrin Murphy wendet sich gegen ihn und versteht mal wieder gar nichts – stop – Harry geht mehrfach fast drauf – stop – Harry rettet am Ende mit mächtigster Magie den Tag.

Doch gehen wir etwas mehr ins Detail. Eine Leibwache von Johnnie Marcone wird grausam zerfleischt aufgefunden. Karrin Murphy bittet nach Monaten der Funkstille um Hilfe. Doch das FBI tritt am Ort des Geschehens auf den Plan. Plötzlich greift eine der Agentinnen aus dem Nichts heraus Murphy an, Dresden kann sie retten. Das wirkt zunächst sehr verwirrend, vor allem, da alle Beteiligten sich bemühen, den Zwischenfall zu verschleiern. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass Karrin Murphy unter Beobachtung der Aufsicht steht und daher nicht so agieren kann, wie sie will. Dafür gibt sie nach den Ereignissen aus dem ersten Roman Harry die Schuld.

Tatsächlich scheint ein Werwolf hinter dem Mord zu stehen, denn mehrere Indizien deuten darauf hin. Also muss Harry, der kaum etwas über Werwölfe weiß, erst einmal recherchieren. Da gibt es vielfältige Arten, wie der Leser dann auch lernen muss. Hier hilft Bob, der berlinernde Windgeist, der in Harrys alchimistischem Labor in einem Totenschädel wohnt.

Die „echten“ Werwölfe sind Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können, aber ihren menschlichen Verstand behalten. Lykantrophe sind Menschen, die von einem Rachegeist beseelt sind und sich wie Bestien verhalten, aber die Form nicht ändern können. Hexenwölfe wiederum sind Menschen, die sich mit einem Artefakt – meist einem Gürtel – in große Wölfe verwandeln und langsam wahnsinnig werden. Und die letzte Gruppierung ist auch jene, die aus Film und Roman die größte Bekanntheit erfährt: Der Loup-Garou, die Bestie, die sich bei Vollmond verwandelt und besinnungslos mordet.

Zuerst scheint sich eine parallele Wirtschaftskorruptionsgeschichte aufzubauen, doch verschwindet diese wieder schnell in der Vergangenheit. Im Vordergrund stehen teils sehr brutal beschriebene stetige Kämpfe und Zusammentreffen mit den verschiedenen Arten von Wölfen.

Alles kulminiert letztendlich im Garten, besser gesagt Park, des Mafiabosses Johnnie Marcone, der auch seinen ganz eigenen Plan hat. Bis es aber soweit ist, stürzt unser magischer Privatdetektiv von einem Problem ins Nächste und überlebt alle nur knapp. Am Ende rettet er aber dennoch den Tag und trifft eine zuvor unbekannte Form von Gestaltenwandler …

Jim Butcher wurde 1971 in Independence, Missouri, USA geboren. Der als Kind an Streptokokken erkrankte Schriftsteller begann seine Begeisterung für die Phantastik mit Herr der Ringe und den Han Solo Adventures. Er schrieb seinen ersten Roman 1996, der nach zwei Jahren Verlagssuche veröffentlicht wurde. Neben Harry Dresden arbeitete er an der abgeschlossenen Serie Codex Alera und dem Spider-Man-Roman The Darkest Hours.

Sprecher

David Nathan, bekannt durch die deutsche Stimme von Christian Bale und Johnny Depp, vermag es, der schnoddrigen Art von Harry Dresden den richtigen Unterton zu geben. Betonung, Sprechrythmus und Intonation passen sehr gut zu dem, wie ich mir den magischen Privatdetektiv vorstelle.

Was Nathan im ersten Hörbuch der Serie jedoch wesentlich besser gelang, war die Unterscheidung der verschiedenen Akteure nur mit der Stimme. Hier gelingt es vor allem bei den rasanten Actionszenen nur selten. Nichtsdestotrotz finden sich auch hier wieder einige sprachliche Highlights, wie der von mir so geschätzte berlinernde Windgeist Bob.

Nathan hätte auch etwas schneller sprechen können, aber die Abspielgeschwindigkeit kann man ja in der Audible-App einstellen. In Summe dennoch eine gute Leistung. Das vor allem durch die Selbstironie, die immer wieder durchscheint.

David Nathan vertont neben Depp auch andere namhafte Schauspieler wie Nathan Fillion. Ebenso spricht er für LPL Records die Hörbücher und Lesungen von H.P. Lovecraft.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 19,95 EUR mag im ersten Moment hoch erscheinen, mit einer Spielzeit von 11 Stunden und 12 Minuten ist das Hörbuch nicht unbedingt so lang, dass es den Preis rechtfertigen würde. Für Fans und neugierig Gewordene empfiehlt sich also entweder das Abo von Audible oder der Griff zum Druckwerk, respektive digitalen Buch.

Zu bedenken ist, dass man das Hörbuch aufgrund des DRM-Schutzes nur auf den Audible–Apps hören kann, welche es immerhin für alle gängigen Plattformen gibt. Man kann die Dateien zwar auf Audio-CDs brennen, das ist jedoch fehleranfällig und daher nicht anzuraten. Ich habe das Buch unter Android auf einem Nexus 4 gehört.

Bonus/Downloadcontent

Es gibt keine weiteren Bonus-Inhalte.

Erscheinungsbild & Klangqualität

Harry Dresden Audible Wolfsjagd AudioBeim Kauf als Download entfällt natürlich die Verpackung, das Cover wird aber als kleine eingeblendete Grafik in der App mitgeliefert. Das Cover zeigt wieder Harry Dresden selbst, dieses Mal vor einem Vollmond und mit einem großen Schlapphut bekleidet.

Klanglich lässt sich nichts beanstanden, Hörer mit starken Boxen sollten aufgrund der tiefen Stimme von David Nathan etwas den Bass rausnehmen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Feder & Schwert
  • Autor(en): Jim Butcher
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: proprietäres Format für Audible
  • ISBN/EAN/ASIN: B00JRF72TQ
  • Preis: 19,95 EUR oder Abo 
  • Bezugsquelle: Amazon, Audible

 

Fazit

Auch wenn mir die Grundgestalt des Harry Dresden sehr sympathisch ist mit all ihren Ecken und Kanten, bin ich von der repetitiven Grundstruktur der Geschichte enttäuscht. Natürlich gibt es gewisse Konventionen, denen viele Krimis, auch im übernatürlichen Bereich, gehorchen. Dass der Grundaufbau jedoch dem des ersten Romans Sturmnacht auf einer abstrakten Ebene sehr ähnlich ist, ist schon schwach.

Glänzte der erste Teil noch durch einen spannenden detektivischen Aufbau mit weitläufiger Indizienhatz, finde ich hier eine Actionszene nach der anderen. Der Roman wirkt auf mich nicht wie eine spannende Erzählung über den Kampf gegen Werwölfe. Er gleicht mehr einem gedruckten Zoo, der mir nach und nach alle Arten von Wolfswandlern vorführt.

Dass die Polizisten Karrin Murphy mal wieder nichts versteht (verstehen will?), wird sogar in einer Traumsequenz angesprochen und lässt hoffen. Ein drittes Mal hätte ich den Charakter mit diesen Wesenszügen nicht ertragen.

Was der Roman gut kann, ist brachiale und blutige Action vermitteln. So ist auch das gefühlte Bedrohungslevel wesentlich höher als im ersten Roman. Dennoch fragt man sich immer wieder als Leser, wie er all das als sterblicher Magier überleben kann. Und so ist er auch am Ende stark verletzt und mobilisiert die letzten Kraftreserven. Moment – hatten wir nicht genau so was in der Art im ersten Buch?

Storyseitig rangiert der Roman zwischen Schwach und Mittelgut, dabei aber dennoch immer spannend. Nur einmal musste ich eine Pause einlegen, weil mir das Verhalten der anderen Rollen auf die Nerven ging. Schön ist auch wiederum die Vermittlung der Magietheorie des Dresdenverse. Damit wird wieder ein Stückchen mehr der von Butcher erdachten Welt offengelegt und es macht einfach Freude, sich in diese hineinzuversetzen. Auch andere Facetten werden stärker beleuchtet, so unter anderem die Mafia und die Straßenszene des Übernatürlichen.

Eines muss man dem Roman lassen – er überrascht stetig und ist nur selten absehbar.

David Nathan macht einen ordentlichen Job als Sprecher und durch seine bekannte Stimme fällt es nicht schwer, sich den Magierdetektiv verkörpert durch den bekannten Schauspieler Johnny Depp vorzustellen.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Feder & Schwert

 

1 Kommentar

  1. Kann ich so unterschreiben. Wofür ich persönlich in Stimmung sein muss, ist die übertriebene Dramatik in manchen Szenen, die aber wohl zum Genre gehört. Die Selbstzweifel und Vorwürfe, die Dresden sich macht, wirken manchmal einfach etwas aus den Fingern gesogen. Ich käme auch mit einem etwas pragmatischeren und weniger gefühlsduseligen Stil klar. Aber wie gesagt, das gehört wohl einfach zum Pulp- und Noirhaften Genre vom Monologe-führenden Detektiv in seinem verrauchten Büro, in das die wunderschöne Femme Fatale hineinschneit.
    Ein anderer Kritikpunkt ist das Deus-Ex-Machina-hafte Ende. Der Aufbau „Es steigert sich alles zu einer Katastrophe bis Dresden den alles rettenden Zauber zückt, der ihm in letzter Sekunde noch einfällt“ hat jetzt zwei mal funktioniert und ich hoffe auf eine Änderung im 3. Teil.
    Dennoch stimmt es: Die Figur ist sympathisch, der Sprecher gut, für mich das perfekte Hörspiel für den Arbeitsweg oder die geistig nicht anstrengende Arbeit. Ich hätte ähnlich gewertet wie Roger.

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