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Einleitend bricht Harley erst einmal mit einer lang gehegten Tradition von DC Comics. Nämlich die 4th Wall. Sie redet mit dem Leser bzw. mit den Autoren und Zeichnern. Probiert sozusagen diverse von ihnen aus und entscheidet sich schließlich für den, der ihr am besten gefällt. Diese witzige, kleine Mini-Story wurde ursprünglich als Ankündigung für die Solo-Abenteuer der irren Mieze herausgegeben und ist in diesem Sammelband als Einleitung enthalten.

Handlung

Harley donnert auf einer übervoll bepackten Harley Davidson über die Straßen von Brooklyn. Sie hat nämlich im dortigen, berühmten Vergnügungspark eine Erbschaft anzutreten. Ein ehemaliger Patient hat ihr sein dortiges Schaustellergeschäft vermacht. Komplett mit Haus, angeschlossenem Wachsfiguren-Grusel-Kabinett und reichlich skurrilen Mietern. Und jeder Menge Schulden.
Wie sie selbst sagt: „Jackpot!“

Während die „geläuterte Schurkin“ sich noch mit den Mietern anfreundet, wird allerdings auch schon der erste Anschlag auf ihr Leben verübt, oder war es doch der zweite? War der Typ, der vom Motorrad aus auf sie geschossen hat, doch kein Zufall? Wie sich herausstellt, hat ein Unbekannter ein verdammt hohes Kopfgeld auf die knuffige Papagena ausgesetzt. Und jetzt lauern an allen Ecken Volldeppen, die sich dies „leicht“ verdienen wollen. Der Bodycount steigt.

Harley sieht sich also gezwungen zwei Jobs anzunehmen. Erstens, um die Schulden des Hauses begleichen zu können und zweitens, um ihre Mieter nicht als Zielscheiben anzubieten, wenn sie ständig daheim herumhängt. Sie heuert als Psychologin in einer privaten Anstalt an und als Roller-Derby-Girl, das tüchtig austeilt. Außerdem holt sie sich Hilfe in hübsch anzusehender Form ihrer besten Freundin, Poison Ivy. Die zumindest in diesem Comic deutlich mehr Interesse an Harley hat, als nur Freundschaft. Ivys begeisterte Reaktion auf die Frage: „Willst Du mal meinen Biber sehen?“ spricht Bände. Allerdings handelt es sich, sehr zu ihrer Enttäuschung, nur um ein ausgestopftes Exemplar der Tiergattung, mit dem Harley zu reden pflegt und dessen teils sehr bissige Antworten nur sie hören kann. Auch später scheinen tiefere Gefühle bei der Herrin der Pflanzen durch, was mich persönlich darauf hoffen lässt, das DC endlich einmal mit einem weiteren Taboo brechen könnte.

Allerdings ist die grüne Dame in der zweiten Geschichte bereits schon nicht mehr vor Ort; hat ihrer süßen, kleinen Psychopathin jedoch ein Geschenk hinterlassen. Eine hübsche Pflanze mit wunderbarem Duft. Harley kann nicht widerstehen und nascht eine der leckeren Beeren, die das Pflänzchen hervorbringt. Das Dumme ist nur, das sie fortan Pheromone der anregenden Art verströmt. Und bereits kurz nachdem sie das Haus verlassen hat, herrscht auf der Straße Chaos, da diverse liebestolle Männer der bunten Dame an die Wäsche wollen. Da hilft erst mal nur die Flucht. Aber Harley wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht eine möglichst abgefahrene Lösung für ihr Problem finden würde.

Charaktere

Harley sagt sich vom Joker los, nicht länger ist sie sein durchgeknallter, verliebter Sidekick. Sie wird zur eigenständigen Persönlichkeit, die zwar noch immer reichlich irre ist, aber auch ein gewisses Gefühl für Moral und Richtig und Falsch zeigt. Mir kommt es vor, als wolle DC diese neue Anti-Heldin ein wenig als weiblichen Robin Hood mit ein paar Psychosen darstellen.

Ihr neu gewonnenes Heim ist voller skurriler Charaktere, wie zum Beispiel Big Tony, der natürlich kleinwüchsig ist, aber trotzdem ein Frauenheld. Und der reichlich düsteren Kuratorin des Wachsmuseums, welches sich auf Massenmörder spezialisiert hat. Natürlich ist auch „Pupsi“ dort verewigt, was Harley dazu veranlasst, die Puppe erst einmal zu bespringen.

Zeichenstil

Nach einigem Hin und Her in der einleitenden Kurzgeschichte entscheidet sich die Protagonistin für den Newcomer Chad Hardin, der wirklich hervorragende Arbeit abliefert. Gerade seine Darstellungen der verschiedenen, bunten Charaktere, die das Haus bevölkern, sind genial. Auch gelingt es ihm die Action, die nun wirklich nicht zu kurz kommt in diesem Comic, höchst dynamisch und präzise in Szene zu setzen. Seichtere Momente gehen ihm ebenfalls leicht von der Hand. Ein trauriger Dackel und eine sehr süße Szene, als Ivy und Harley, nach durch gefeierter Nacht, morgens im selben Bett aufwachen, sprechen absolut für ihn!

Preis-/Leistungsverhältnis

100 Seiten voller cooler Unterhaltung und schriller Gags für nur 9,99 EUR. Daran gibt es nichts auszusetzen. Das Buch ist qualitativ hochwertig produziert und die Farben sind brillant. Man kann nicht meckern.

Erscheinungsbild

HARLEYQUINN1_Softcover_867Das Cover zeigt Harley in ihrem Roller-Derby-Outfit mit ihrer Lieblingswaffe über den Schultern, einem riesigen Holzhammer. Umgeben von ausgeknockten Konkurrentinnen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor(en):Amanda Conner, Jimmy Palmiotti
  • Zeichner(in): Chad Hardin
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comicformat
  • Seitenanzahl: 100
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt keine Bonusinhalte.

Fazit

Die Serie lässt sich gut an. Sehr clever werden hier gleich mehrere Handlungsstränge gelegt, die sich im Laufe der Serie hoffentlich noch erweitern und überschneiden werden. Zwei Jobs, Vermieterin in einer Freakshow und eine Horde Kopfgeldjäger auf ihren Fersen. Das kann eigentlich nur Spaß bedeuten. Vor allem, wenn die Hauptfigur eine Psychopathin ist, die gerade erst versucht den Weg in ein „normales Leben“ zu finden. Dass sie den Psychologinnen-Job unter ihrem echten Namen annimmt, wird die Sache sicher nicht leichter machen. Dass sie ihre Gegnerinnen beim Roller Derby recht heftig aus dem Rennen kickt ebenfalls nicht. Und hinzu kommt ihr Faible für entlaufene Hunde, die sie auf einer Etage des Hauses beherbergt.

Unterstützt wird sie durch die Fähigkeiten von Poison Ivy. Und gerade diese, sollte sie öfter in der Serie auftauchen, birgt viel Potential. Ja, ich würde es befürworten, wenn diese beiden Damen tatsächlich als Paar zusammenfinden würden. Marvel hat schon lange kein Problem mit derartigen Stories, warum also sollte DC da nicht nachziehen?

Der Humor im Heft ist bisweilen ein wenig platt, aber meist makaber und schön schwarz. Die kleinen Schwächen reißt der grandiose Zeichenstil allerdings wieder heraus. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Panini Comics

 

2 Kommentare

  1. Übrigens auch sehr interessant:
    Harley Quinn spricht in diesem Comic ja im Original mit einem breiten Brooklyn-Akzent und ihre Redeweise ist gespickt mit zahlreichen Slang-Wörtern und Jiddismen. Nicht nur Sy Borgman, der 80-jährige Cyborg-Agent (im zweiten dt. Sammelband) verwendet jiddische Wörter. Witzig ist auch, dass Harley in der Ausgabe selbst sagt, dass sie das Jiddisch von Sy nicht versteht (einmal sagt sie „Gesundheit!“ und ein anderes Mal fragt sie ihn, ob er einen Schlaganfall hätte, weil er so komisch redet), aber ein paar Panels später verwendet sie selbst jiddisch-deutsche Wörter, wenn sie sich aufregt, eben nur andere. Diese Wörter sind in der deutschen Ausgabe natürlich ganz anders übersetzt, wenn auch sinngemäß. In dem Panel, in dem Harley in der Variété-Vorstellung mit Popcorn und Cola im Publikum sitzt und sich vor Aufregung fast nicht mehr halten kann, sagt sie auf Deutsch „Ach du ahnst es nicht!“ – Im amerikanischen Original steht da aber der Ausruf „Holy hoss-n-feffa!“, der mir sehr gefallen hat. Hoss-n-feffa, also „Has‘ im Pfeffer“, gepfefferter Hase. Ich empfehle sehr, die Serie im Original zu lesen, auch wenn ich die derzeitige Panini-Übersetzung keinesfalls schlecht finde.

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