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Ich beginne mit einem Geständnis: Ich mag Würfel. Ich mag es, wie sie sich in der Hand anfühlen, wie sie rollen und welches Geräusch sie dabei machen. Dank meiner besseren Hälfte stehen etwa 200 verschiedenfarbige und unterschiedlich geformte Würfel in meinem Regal – sie gehören selbstverständlich alle ihr; egal wem sie vorher gehörten. Ich habe sogar einen Würfel in der Brieftasche und einen im Auto. Nur am Spieltisch – beim Rollenspiel – mag ich Würfel nicht. „Nein?“ „Doch!“ Bevor du nun, geneigter Leser, empört die Kommentarfunktion bemühst, um mir zu erklären, dass Würfel oder genauer Zufallselemente zu einem Rollenspiel dazugehören wie Fantasie und Sprache, lass mich dir versuchen im Folgenden meinen Standpunkt zu erklären. Beginnen wir mit einer kleinen Zeitreise …

„Ich mach sie einfach tot“ oder so

Es war etwa vor 14 Jahren in einem Keller. Fünf Freunde hatten sich für Exalted, auf Deutsch Die Hohen, zusammengefunden, einem Anime-Power-Fantasy-Spiel von White Wolf mit Kampfkunst, Kanonen und übergroßen Klingen (wenn du es noch nicht kennst – es lohnt sich!). In einer der ersten Szenen trafen wir auf ein Söldnerlager. Diese waren von den Drachenblütigen, natürlichen Feinden der Sonnen-Hohen und damit unserer Charaktere, angeheuert worden, um uns aufzuspüren und wir waren geradewegs in ihr Lager gestolpert …

Spielleiter: Die Söldner hatten Wachen aufgestellt, die nun besorgt den Rest des Lagers alarmieren. Offenbar waren sie nicht darauf gefasst, direkt auf euch zu treffen. Einige von ihnen sehen sogar etwas ängstlich aus. Der Anführer tritt gerade aus seinem Zelt.

Ich: Schaut mal! Vielleicht sind sie selbst unter Druck gesetzt worden und hassen die Drachenblütigen so wie wir. Vielleicht können wir …

Spielleiter: Initiative, bitte.

Spieler: Ich bin erster. Ich spring rein und mach sie tot.

Ich: Nun … Moment! Was genau machst du?

Spielleiter: Beschreib mal.

Spieler: Ok, das sind Extras. Jeder von denen hat nur einen Lebenspunkt, sie sind direkt vor mir und ich habe fünf Erfolge im Angriff. Ich mach sie tot. Punkt. Und ich sehe cool dabei aus.

Ich saß entsetzt am Spieltisch. Zuhause hätte ich immerhin Baldur’s Gate weiterspielen können oder meine Hausaufgaben erledigen. Wie konnte es sein, dass meine Freunde, die sich mehrere Stunden Mühe mit der Erstellung ihrer Charaktere gegeben hatten und sich lobten, was für tolle Rollenspieler sie doch seien und welche aufregenden Abenteuer sie doch schon gemeinsam bestanden hatten, sich plötzlich so verhielten? Warum wurden ihre Charaktere plötzlich zu Karikaturen von Psychopathen, sobald ihre Spieler einen Würfel in die Hand nahmen? Initiative hin oder her – ich wollte in diesem Moment keine Würfel rollen, ich wollte mehr über den Anführer wissen, Informationen gewinnen, das Beste aus der Situation machen, überlegt handeln, Entscheidungen treffen, kurz: Ich wollte ein Abenteuer und bekam ein Würfelspiel. Während ich frustriert auf meinen Charakterbogen starrte, freuten sich die anderen Spieler beim Morden mächtig, wie viel Schadenspunkte sie wieder und wieder auswürfelten. „Meine Daiklave verursacht mehr Schaden, als dein Bogen!“ „Nicht mit meiner besonderen Charisma-Technik!“ Anschließend taten die „Helden“ über den zerhäckselten Leichen so, als wäre nichts gewesen: zwanzig tote Söldner, kein Effekt auf ihr Gemüt. Wann immer mir heute jemand stolz von seinem Charakter erzählt und wie viele Würfel er wann würfeln darf oder „kritischer Treffer!“ ruft, muss ich an diese Szene denken. Für mich sieht so pure Langeweile am Spieltisch aus.

Würfeln ist mir einfach nicht genug.

„Da muss man für alles würfeln“

In den vergangenen 14 Jahren habe ich seitdem viele Spielrunden gehabt, daheim und auf Conventions. Ich habe herausgefunden, dass ich einen erzählorientierten Ansatz im Rollenspiel lieber mag und mich narrative Systeme mit verteilter Erzählmacht glücklicher machen, als Regelwälzer und Tabellenmonster. Fate ist für mich eine Offenbarung des Rollenspiels. Gerade als ich dies einem Freund von mir auf einer Convention erklärte, hörten wir hinter uns einen kleinen Jungen begeistert seinem Vater von seiner ersten Tischrollenspiel-Erfahrung schwärmen:

Junge: Das war so toll. Das ist anders als Monopoly und Siedler. Man kann wirklich alles machen. Ich war ein Dieb. Aber du musst die ganze Zeit würfeln, für alles was du machen willst. Wir wollten uns auf einen Bauernhof schleichen und sind alle eine Leiter in einer Scheune raufgeklettert und dann habe ich eine eins gewürfelt und gepatzt und bin runtergefallen und habe mir das Bein gebrochen. Man kann echt alles machen, wenn man würfelt!

Nun … Immerhin war da Begeisterung und Begeisterung ist ja erstmal etwas Gutes. Der Kern des Rollenspiels für den Knirps war nun halt das Würfeln. Was es der Geschichte gebracht hat, dass er mit der ersten Handlung eine Leiter herunterfiel und so schwer verwundet wurde, dass er aussetzen musste, erschließt sich mir bis heute nicht. Den Spielleiter wollten wir uns aber genauer anschauen. Sein nächstes Abenteuer war im zweiten Weltkrieg angesiedelt. Kurzerhand erstellten wir eine Soldateneinheit. Als wir ihn fragten, warum er während unseres ersten Marsches aus der Kaserne immer wieder fröhlich würfelte, war seine Antwort: „Artilllerieschläge. Auf einer 100 trifft euch einer und ihr seid tot.“ Wir bemühten uns, nicht allzu entsetzt zu schauen und verließen wortlos den Spieltisch. War denn die ganze Rollenspiel-Welt um uns verrückt geworden? Jedes Buch, das nach zehn Seiten mit dem Satz „Ein Artillerieschlag trifft und tötet alle.“ endet, würde als literarischer Witz gelten. Wo war das Kopfkino, wo die Abenteuer?

„Ähem …“ – Ein Einwurf

An dieser Stelle meldet sich der kleine Theoretiker in mir zu Wort und ich gebe ihm hier kurz Raum, bevor er mich mit seinem imaginären Fingergeschnipse noch zur Weißglut treibt. Traditionell gebe ich ihm die Gestalt eines verzogenen Einzelkindes aus meinem liebsten Little Fears Abenteuer.

Justinius Filius Berger: Ein Würfel steht für den Zufall und ist gleichzeitig dessen bestimmendes Instrument. Seine Aufgabe in jedem Rollenspiel ist die Bereicherung einer ansonsten berechenbaren Erzählung. Poetisch könnte man im Würfel die Verneigung vor den Unwägbarkeiten des Lebens im gemeinsamen Erzählraum sehen. Ohne den Würfel ist Rollenspiel nur Improvisations-Sitz-Theater, das seine Wurzeln im Tabletop-Bereich verleugnet.

All dies ist wahr. Ich mag Würfeln am Spieltisch trotzdem nicht, weil dies gleichzeitig das Symbol für eine Spielweise ist, die ich ebenfalls nicht mag und für die jener Convention-Spielleiter ein Paradebeispiel war: ROLL(en)spiel. Dabei wird der Zufall über die Narration gestellt, das Ergebnis der Würfel diktiert jede Facette der Handlung, von großen Ereignissen wie Artillerieschlägen bis zu kleinen Unglücken wie dem Sturz von einer Leiter. Die Entscheidungen der Spieler verschwinden in ihrer Bedeutung im einstelligen Modifikator-Bereich, werden von Freiheit der Rolle zu taktischem Kalkül. Dabei ist der Eingriff in die Souveränität des Charakters zu häufig zu groß, sei es seine Entscheidungsfreiheit („Initiative, bitte“), seine körperliche Unversehrtheit („… dann bin ich runter gefallen und habe mir das Bein gebrochen“) oder gar sein Leben („… auf einer 100 seid ihr tot“). Da höre ich schon den Chor raunen …

Der Chor: Rollenspiel ist eben so. Regeln sind zum Befolgen da, Würfel müssen gewürfelt werden. Die ganze Sache mit dem Erzählen ist ja nett, aber ohne Zufall und Würfel ist das nichts. Was interessiert mich eine Beschreibung, wenn es keinen Modifikator auf meinen Wurf gibt, wenn es meine Wahrscheinlichkeit nicht verändert, auf das Spielgeschehen Einfluss zu haben? Nur das zählt. Nur Würfelergebnisse geben Fakten. Würfel und Werte sind Nostalgie! Wer da keinen Spaß dran finden kann, hat Rollenspiel nie richtig gemocht.

Vielleicht habe ich das nach dieser Definition tatsächlich nie. Vielleicht mag ich einfach nur gute Geschichten, fantastische Welten und Spieleabende mit Freunden … vielleicht ist dies das eigentliche Geständnis dieses Textes.

„Ich bin zu alt für diesen Unfug“

Es gibt Foren, in denen es als Rollenspiel gilt, Wertekonstrukte ohne Hintergrund gegeneinander antreten zu lassen. Es gibt Grundregelwerke, in denen vor lauter Würfel-Regeln die Weltbeschreibung vergessen wurde oder später nachgereicht wird. Ehrlich, ich bin langsam zu alt für diesen Unfug. Ich habe genug Dungeons geplündert, genug Endbosse verhauen und genug Tode durch Tabellen erlitten, jeden Schadenswert schon einmal gesehen und die Hälfte davon selbst erwürfelt. Warterei auf einen Patzer oder kritischen Erfolg als „Aha!-Moment“ in einer ansonsten dürftigen Geschichte lockt mich nicht mehr an den Spieltisch.

Durchschnittliche Fantasy und Science-Fiction gibt es an jeder Ecke. Rollenspiel muss für mich heute mehr können, fesselnde Brettspiele wie Villen des Wahnsinns in den Schatten stellen, mit durchkomponierten Videospielen von Skyrim bis The Witcher konkurrieren und einfach gute Geschichten erzählen. Stochastik ist dabei ein schlechter Autor.

„Der Artillerieschlag trifft und tötet alle.“

So lasse ich tatsächlich beim Spielen so wenig wie möglich würfeln. Es gab schon Abende, da wurden die Würfel nur dafür gerollt, um uns in der packenden Geschichte daran zu erinnern, dass wir ein Rollenspiel spielen. Für mich muss ein Würfelwurf immer Bedeutung haben, das Spiel bereichern und darf niemals Charakteridentifikation oder Immersion („Ich spring rein und mach sie tot“) stören, jene Vorteile die Rollenspiel gegenüber den sich rasend schnell entwickelnden neuen Medien noch hat und die zu viele Spielrunden im Hobby zu wenig zu schätzen wissen. Und damit du, geneigter Leser der meinen wirren Gedanken bis hierhin gefolgt ist, noch etwas Handfestes zum Schluss bekommst, verrate ich dir die fünf Arten des Würfelns, die an meinem Spieltisch tatsächlich noch vorkommen:

  1. Der storyrelevante Wurf: Der Spielleiter steht am Scheideweg und sieht zwei Fortgänge der Geschichte, will sich aber nicht entscheiden. Auch er mag ab und zu überrascht werden.

  2. Der Eitelkeits-Wurf: Der Spielleiter lässt den Spieler bei einer Handlung würfeln, die seinem Charakter wahrscheinlich gelingt und bei der die Qualität ermittelt wird. Der Spieler soll sich durch den Wurf in seinem Charakter bestätigt fühlen. Wenn der Wurf scheitert, hat das nur milde negative Konsequenzen, hauptsächlich für Ego des Charakters und Spielers.

  3. Der Anstrengungs-Wurf: Der Charakter unternimmt etwas, das seine Fähigkeiten tatsächlich fordert. Dabei können sowohl Spielleiter als auch Spieler den Wurf ansetzen. Er dient dazu, den Charakter über seine Werte und Erfolgswahrscheinlichkeiten in Vergleichbarkeit zu anderen Figuren zu setzen. Dies ist häufig ein vergleichender Wurf zwischen zwei Charakteren. Wenn der Wurf scheitert, hat dies moderate negative Konsequenzen und bedeutet einen temporären, persönlichen Rückschlag für den unterlegenen Charakter.

  4. Der SpannungsWurf: Der Spielleiter simuliert durch den Wurf die Bedrohung einer Gefahrensituation. Ein Scheitern des Charakters ist einberechnet und führt zu negativen Konsequenzen, die den Verlauf der Geschichte zu Ungunsten der Spieler beeinflussen. So gut wie alle Action-Szenen fallen unter Spannungs-Würfe.

  5. Der Ersatz-Wurf: Der Spieler erlegt sich selbst diesen Wurf auf und ersetzt damit ein Ausspielen oder eine Beschreibung, wenn er darauf gerade keine Lust hat oder nicht selbst über die nötigen Fähigkeiten oder Wissen verfügt. Sein Ausgang ist offen.

Der supergeheime FakeWurf: Der Spielleiter benutzt ein paar Würfel, um den Spielern zu suggerieren, dass etwas Spannendes im Hintergrund vor sich gehe und dass sich dort eine Gefahr aufbaue oder dass sie etwas übersehen hätten. Tatsächlich tut der Wurf nicht mehr, als ein bisschen die Paranoia der Spieler zu schüren und sie vielleicht aufmerksamer zu machen.

„Warum ich dankend ablehne …“

So, nun habe ich meinen Senf zu einem alten Thema dazugegeben und du verstehst vielleicht etwas besser, warum ich ablehne, wenn du mich (wie neulich) zu einer Rolemaster-Runde einlädst und betonst, dass das das „einzig wahre Rollenspiel“ sei. Es gibt viele Geschmäcker und viele Spielstile und meiner ist eben anders – beim Würfeln denkst du an Nostalgie und Spannung, ich denke an „tot machen“. Wenn du die Spannung des Zufalls brauchst, um deinen Alltag abzustreifen und in deine eigene Welt einzutauchen, dann ist das in Ordnung. Ich nutze die Zeit des Nicht-Würfelns lieber zum Abwägen von spannenden Entscheidungen, sitze mit Gänsehaut in der letzten Reihe meines Kopfkinos bei atmosphärischen Beschreibungen und verliere mich in intensiven Charaktergesprächen. „Initiative, bitte.“ – „Würfel mal auf Klettern plus zwei.“ – „Nein, Danke. Ich bin gerade in einem Abenteuer.“

Ob dich dieser Text im Gegenzug dazu verleitet hat, weniger an deinem Spieltisch zu würfeln und die Erzählung auch ohne beständige Bestätigung durch Wahrscheinlichkeiten zu gestalten weiß ich nicht – aber darum ging es hier ja auch gar nicht. Sollte es dich trotzdem noch immer verlangen, einen Kommentar zu schreiben, so bedenke bitte, dass dies hier meine ganz persönliche Meinung ist, mein Schreibstil, meine Geschichte, meine Gedanken und dass man andere Meinungen auch mal tolerieren darf. Der nächste Text wird sicher wieder eine staubtrockene Rezension, versprochen.

Abgebildetes Produkt: Exalted, Onyx Path Publishing
Fotografie: Dirk Walbrühl

 

43 Kommentare

  1. *seufz*. Ich verstehe dich so gut. Ich versuche seit Ewigkeiten meine DSA-Runde dazu zu überreden mal was anderes auszuprobieren. Fate zum Beispiel. Oder Savage Worlds. Aber leider bislang absolut ohne Erfolg.

  2. Und recht hat er. Kämpfe auswürfeln okay, aber wenn mein D&D-GM nur „Skill Challenge“ sagt, krieg ich das große Kotzen.

  3. Ich finde das nicht so richtig. Würfel sind für mich ein wichtiges Spannungselement. Ohne Würfeln kann ich auch ein Buch lesen oder eine Geschichte erzählen. Und die geschilderte Szene bei Exalted hätte sich meiner Meinung nach auch in Fate oder welchem Spiel auch immer abspielen können. Das hatte nur wenig mit dem Würfeln zu tun und mehr damit, wie Leute ihre Charaktere ausspielen.

  4. Björn Boots: Interessanter Gedanke, der zu einem weiteren, tiefer liegenden Problem führt: Viele Spieler wechseln in dem Augenblick des Würfelns (vor allem bei Kämpfen) in einen anderen „Spielmodus“, der mehr taktisch und weniger immersiv ist.

  5. Hmm, ich persönlich mag das, ist halt die Bullettimepassage am Spieltisch. Meiner Immersion wird das erst abträglich, wenn man Monster wirklich nur noch todwürfelt. Wenn man es aber in der Gruppe schafft, und das muss von Spielern und Spielleiter gewollt und umgesetzt werden, die Kämpfe auch zu beschreiben, die Anspannung und die Gefahr darzustellen, kann das ziemlich immersiv sein.

  6. Björn Boots Dem stimme ich absolut zu. Kämpfe können durch eine gute Beschreibung sehr viel gewinnen. Andersherum funktioniert es ja eben auch nicht: Die Beschreibung eines Kampfes ohne Würfelwurf ist kaum spannend. Wenn ich heute über diese Exalted-Runde von damals nachdenke, dann fällt mir eben auf, dass meine Mitspieler in der Situation keine andere Option sahen, als die Würfel zu rollen und den Moduswechsel so durchführten, dass sie aus der Rolle fielen.

  7. Ich bin da bei Björn. Sofern das System ein etabliertes Würfelsystem hat, finde ich nichts unerträglicher als einen Erzähler zu haben, der nach Gutdünken über die Geschichte entscheidet. Dafür habe ich die Werte, Skills und Talente nicht gewählt. Ich möchte die auch benutzten. Ansonsten brauche ich gar keinen Charakter bauen, ein paar Stichworte reichen.
    Das „Spiel“ ist bei uns immer noch elementarer Teil. Gegner totwürfeln, strategisch planen und auch ganz retro „Püppchen schieben“ macht meinen Jungs und Mädels Spaß. Mir übrigens auch.

    Dirk sollte sich mal Trail of Cthulhu anschauen. Da wird wirklich kaum gewürfelt, lediglich ein wenig Ressourcenmanagement betrieben.

  8. Ich sehe das tatsächlich ähnlich wie Ingo. Zwar sollte man sich als Spieler auf welcher Seite des SL_Schirms auch immer fragen, welche Relevanz eine Würfelprobe hat. Aber ich stelle mir als Spielleiter immer wieder die Frage, ob es der richtige Weg sei, ohne Proben auszukommen, wenn meine Mitspieler einen Charakterbogen voll entsprechender Werte haben (z.B. Shadowrun). Und wenn es nur für ein Spotlight oder einen Lacher oder so ist…
    Und zur Artillerie in der Eingangsszene: Deiner Schilderung nach hat es keinen erwischt. Ich würde ja fast vermuten, dass der Spielleiter sich an der Stelle Deiner 6. Wurf-Regel bemüht hat – Der super­ge­heime Fake-Wurf. Nicht so geheim, aber eben eine nahe Gefahr betonend. Das sollte man allerdings nur machen, wenn man seine Pappenheimer kennt und nicht annehmen müsste, dass sich tatsächlich ein Spieler fragt, wie sinnvoll ein Tod an dieser Stelle wäre. ;)

    • Ich bedauere Markus. Wir haben ihn auf der Con nach unserem Protest-Ende ein weiteres Mal getroffen und nachträglich zur Rede gestellt. Antwort: „Krieg ist halt so. Wenn dich eine Granate tötet, hast du halt Pech gehabt. Neue Charaktere.“ Statistik > Storysinn.

      • Und genauso ist es auch. Gute Simulation. Sollte durchaus etwas Terror erzeugen und nachdenklich stimmen.
        Krieg ist eben keine Zeit für Helden, auch nicht für Teilzeithelden.

    • „Sta­tis­tik > Storysinn.“

      Innerhalb der Story macht das durchaus Sinn, da die Charaktere versuchen müssen ihre Mission im Gebiet des Beschusses schnell genug zu erledigen, bevor sie eine Statistik des Krieges werden. Dadurch wird eine Bedrohung aufgebaut und Spannung erzeugt, welche sonst eher nicht anzutreffen wäre.

      Allerdings vermute ich bei dieser Sache doch eher den Fake-Wurf, auch wenn der SL anderes behauptet (das hinterher zuzugeben würde ja dem Sinn dieses Wurfes widersprechen).

      Auch kann ein solcher „sinnloser“ Tod durchaus zu denkwürdigen Momenten führen: etwa wenn man bei D&D mit Stufe 1 Charakteren unterwegs ist und die Begegnungstabellen sagen „Ihr trefft auf einen ausgewachsenen Roten Drachen“ (auf dieser Stufe vergleichbar tödlich wie ein Artillerieschlag) – die Charaktere sind plötzlich und (fast) unvermeidlich tot, trotzdem erinnert man sich noch Jahre daran.

    • @Dirk
      Ich habe auf Cons aber auch schon das umgekehrte erlebt. Bei einem Science-Fiction-Rollenspiel sollte die Gruppe auf einem Planeten, auf dem ein Bürgerkrieg tobte, etwas für einen Auftraggeber holen. Auf der Raumstation der Regierung machten sie erstmal Stunk, indem sie „Es leben die Rebellen“ riefen und als ihr Raumschiff dann im Landeanflug auf den Planeten angeschossen wurde und sie notlanden mussten, meinten dann einige, als sie beim Verlassen des Raumschiffs sich von schwerbewaffneten Rebellen umringt sahen „Ich ziehe meinen Blaster“. Da ist dann doch irgendwann die Frage, wann Storysinn und Statistik eins werden, denn der Immersion ist nicht notwendigerweise zuträglich, wenn man mit so etwas auf Dauer durchkommt.

    • @Alexandro: Und wie wird man sich daran erinnern? „Das war die Runde wo man mühevoll einen Charakter erstellt hat und/oder sich versucht hat in dieser Charakter reinverzusetzen und er durch Statistik getötet wurde…“ Ich hab ja in diesem Fall keine Wahl. Ich bin Soldat, muss diesen Befehl folgen. D.h. der SL verurteilt mich dazu zu sterben, obwohl ich diese Entscheidung selber nicht fällen kann als Spieler. Man kann auch nicht sagen:“Gut, dann verweigere den Befehl.“ Dadurch ist dann das Spiel zu Ende. Realismus darf nie die Geschichte die erzählt werden soll torpedieren. Das Beispiel:“Ich bin umgeben von Feinden und Quatsch sie blöd an…“ dafür hat man den Charaktertod verdient. Man hatte die Wahl und man hat sich für die schlechte entschieden (oder sagen wir für den Charakter schlechte). Wie schon erwähnt worden ist, niemand schaut sich einen Film an, liest ein Buch wo die Protagonisten ganz unpersönlich am Anfang weggepustet werden. Realismus hin oder her.

    • Ich lese da eher die Angst vor dem Mitspielern heraus. Wer seinen Mitspielern misstraut oder die Erwartungshaltung hat, dass diese „nur Mist bauen“, braucht mehr Würfel und mehr Regeln, damit „alles fair“ abläuft. Wer seinen Mitspielern generell vertraut, kann das zurückfahren.

    • @ Dirk: du schriebst: „Ich lese da eher die Angst vor dem Mit­spie­lern her­aus. Wer sei­nen Mit­spie­lern miss­traut oder die Erwar­tungs­hal­tung hat, dass diese „nur Mist bauen“, braucht mehr Wür­fel und mehr Regeln, damit „alles fair“ abläuft. Wer sei­nen Mit­spie­lern gene­rell ver­traut, kann das zurückfahren.“

      Dem möchte ich eine ergänzende These hinzustellen: Wer Würfeln und Regeln ablehnt, der spielt wahrscheinlich ein schlechtes System, das den Vorstellungsraum unzureichend abbildet und unplausible Ergebnisse liefern. Sprich: Wer seinen Mitspielern – und dem verwendeten Regelsystem! – vertraut und die Erwartungshaltung hat, dass diese schon keinen „Mist bauen“, der kann sie auch mit Würfeln und nach Regeln spielen lassen. Wer seinem System misstraut, der muss das zurückfahren.
      Zugegeben: Es ist in der Regel die Schuld des Systems, wenn das Spiel nach Regeln manchmal aus dem Ruder läuft.
      Aber das ist nur meine persönliche Meinung – ich bin der Ansicht, dass Regelsysteme das Spielgeschehen maßgeblich mitbestimmen.

  9. Hmm, ich lasse schon seit Jahren von den genannten Fällen nur noch in den Fällen 3 und 4 würfeln. Allerdings kommt der Fall 3 garnicht so selten vor. Insbesondere, weil man bei mir immer wieder mal Personen einschätzen oder etwas wahrnehmen kann.
    Ausserdem kenne ich bei mir noch den Fall: Antwort auf die Frage „Ist hier… vohanden“, wenn es sich um ein mögliches, aber unwarscheinliches Ereignis handelt.

  10. Ein gut geschriebener Kommentar, der aber leider den.Eindruck macht, dass du dir deinen eigenen letzten Satz so gar nicht zu herzen genommen hast. Tolleranz gegenüber anderen Spielstilen oder auch jungen Spielern und Anfängern kann ich bei dir nicht erkennen.

    Nach diesem Kommentar bist du ein Storytelling-Extremist, der durch total dämliche Beispiele von Würfel-Fetischisten die Meinung anderer Rollenspieler unter seine eigene stellt. Die Welt ist aber wie immer nicht schwarz weiß, sondern bunt und die Meinungen sind vielfälltig.

    Ich möchte hier nur einen Aspekt nennen, den du überhaupt nicht berücksichtigt hast: Würfelfreies Spiel schränkt die Spieler extrem ein, denn sie können eigentlich nur irgendwelche Varianten von sich selbst spielen. Das ist dann auch nicht wirklich Rollenspiel. Mir würde jetzt noch eine ganze Menge mehr einfallen, was mir alles eingefallen ist, als ich deine Meinungswiedergabe gelesen habe, aber das würde den Rahmen sprengen.

    • Das kann ich so nicht unterschreiben.
      Dirk schreibt ja nirgendwo, dass seine Variante die richtige ist. Im Gegenteil: Er betont sogar, dass es okay, ist wenn Leute mehr Spaß am Würfeln haben. Allerdings erklärt er hier seine Meinung. Und dass man an seinem eigenen Spielstil mehr Spaß hat…. ist verständlich.
      Er sagt aber nirgendwo, dass andere Spielstile schlechter sind.

      „Wenn du die Span­nung des Zufalls brauchst, um dei­nen All­tag abzu­strei­fen und in deine eigene Welt ein­zu­tau­chen, dann ist das in Ord­nung.“ sagt er da. Das muss man nicht dauernd betonen, wenn man seine eigene Meinung schreibt. Einmal reicht…

      Zum Thema “ Wür­fel­freies Spiel schränkt die Spie­ler extrem ein, denn sie kön­nen eigent­lich nur irgend­wel­che Vari­an­ten von sich selbst spie­len. Das ist dann auch nicht wirk­lich Rol­len­spiel.“
      wage ich auch, zu widersprechen. Als jahrelanger LARPer, einem Medium das idR ohne Würfel auskommt (es sei denn für Trinkspiele in der Taverne oder um Kupfer), weiß ich, dass man sehr wohl andere Charaktere als Varianten von sich selbst spielen kann.
      Ich gebe zu, bei der Charaktergenerierung von SCs immer einzelne Aspekte meiner Selbst einfließen zu lassen, aber das ist auch in Ordnung, und empfinde ich partout nicht als einschränkend. Dafür sind Menschen vielfältig genug ;)

    • Subjektive Eindrücke sind eben subjektiv. Vielleicht sollten einige Kommentatoren den Artikel etwas genauer lesen. Es geht hier ja gerade nicht um einen „Nachweis der Überlegenheit des Würfelfreien spielen“ (das wäre ja auch albern und von Würfelfrei war sowieso nie etwas gesagt), sondern um eine Darlegung meines ganz persönlichen Spielstils anhand drei prägender Erlebnisse meines Rollenspiel-Lebens, verbunden mit der Hoffnung auf mehr Verständnis und Toleranz insbesondere von Seiten harter ROLL(en)Sieler. Das Ende ist ja nicht ohne Grund so formuliert.

    • „Die Welt ist aber wie immer nicht schwarz weiß, son­dern bunt und die Mei­nun­gen sind vielfälltig.“ Ist das nicht genau das was im Artikel steht? „Es gibt viele Geschmä­cker und viele Spiel­stile und mei­ner ist eben anders.“ So krass, wie man so was überlesen kann. Aber Hauptsache sich aufregen @Internet.

    • @susannex: Ganz so einfach kann man sich’s nicht machen… ich kenne MATHIAD zwar nicht, aber er hat sich im Kommentar weder als OSR-Vertreter zu erkennen gegeben noch versucht, eine (sinnlose) Front aufzumachen.
      Dirk dagegen schrieb Dinge wie: „Ich mag Wür­feln am Spiel­tisch trotz­dem nicht, weil dies gleich­zei­tig das Sym­bol für eine Spiel­weise ist, die ich eben­falls nicht mag und für die jener Convention-Spielleiter ein Para­de­bei­spiel war: ROLL(en)spiel. Dabei wird der Zufall über die Nar­ra­tion gestellt, das Ergeb­nis der Wür­fel dik­tiert jede Facette der Hand­lung, von gro­ßen Ereig­nis­sen wie Artil­le­rie­schlä­gen bis zu klei­nen Unglü­cken wie dem Sturz von einer Lei­ter. Die Ent­schei­dun­gen der Spie­ler ver­schwin­den in ihrer Bedeu­tung im ein­stel­li­gen Modifikator-Bereich, wer­den von Frei­heit der Rolle zu tak­ti­schem Kal­kül. “
      Das ist keine persönliche Meinung (wenn man sie mit gutem Willen natürlich trotzdem so lesen kann), sondern schlicht die Aussage: „Wer würfelt, spielt schlecht, weil Würfeln immer Spieler-/Charakterentscheidungen entwertet.“ Kann man zumindest so sehen.

    • Kann man nicht. Wer das so sieht, hat den Text nicht gelesen:
      „lass MICH dir ver­su­chen im Fol­gen­den MEINEN Stand­punkt zu erklä­ren“
      „ICH mag Wür­feln am Spiel­tisch trotz­dem nicht, weil … “
      „so bedenke bitte, dass dies hier MEINE GANZ PERSÖNLICHE MEINUNG ist, mein Schreib­stil, meine Geschichte …“
      http://de.wikipedia.org/wiki/Meinung

    • Dass einige Leser diesen Text natürlich trotz meiner Bemühungen, ihn als persönliche Meinung zu markieren, als Angriff werten würden, war mir natürlich klar. Das kann man aber auch schwer verhindern, wenn man über einen persönlichen Spielstil und persönliche Vorlieben schreibt. Ich denke aber nicht, dass man darüber nachträglich streiten müsste. :)

  11. Wennes so etwa wie ein Doppel- und Dreifach gefällt mir gäbe ich, ich würde es jetzt drücken. Du schreibst mir wahrlich aus der Seele. Leider gibt es immer weniger Storyteller, oder ich bin nur unfähig sie zu finden. Letztlich denke ich, bei allen Fragen, ob nun würfeln oder nicht, ist wichtig das Spieler, Spielleiter, Spielsystem und Spieltisch zusammen passen. Wäre dein Text eine Anzeige für eine Deiner Spielrunden, ich wäre sofort dabei.

  12. Eine Kindheitserinnerung, eine Anekdote eines Kindes und ein *eventuell* „schlechter“ Spielleiter (in dem Sinne, dass es etwas asslig ist, Leute auf Cons einfach rauszukicken – aber vielleicht hatte er auch ERsatzcharaktere in der TAsche, und das ganze war ein Wurf für das Drama, wie weiter oben beschrieben?) taugen mAn nicht zu einer stichhaltigen Untermauerung des Würfelns als Wurzel allen Übels. Ich denke, auch die OSRer von heute wollen nicht mehr wirklich „genauso“ spielen, wie sie’s mit 10 gemacht haben.
    Zumal deine 5 Arten des Würfelns jetzt keinen wirklichen Unterschied zum Würeln in klassischem Rollenspiel darstellen – lediglich Tabellenmonster und PSeudosimulationswahnsinn fallen da raus, aber da sind sich wahrscheinlich auch alle einig, dass es das nur für eine spezielle Klientel bringt.

    • „Wurzel allen Übels“? Ich wüsste nicht, dass das Gegenstand des Textes gewesen ist ;)
      Es gibt aber tatsächlich zahllose Proben, die mir auf Conventions auch heute noch immer wieder begegnen, die nicht Teil jener „typischen Würfelproben“ sind. Zum Beispiel der „Schaff den Wurf oder die Story geht nicht weiter-Wurf“ oder der „Würfel mal, ob du etwas wissen darfst, was dein Charakter eigentlich wissen sollte – Wurf“ oder auch ganz beliebt der „Würfel mal, ob du bei dieser normalen Handlung die du eigentlich schaffen solltest nicht total patzt und damit etwas pseudo-aufregendes passiert – Wurf“ … nur Beobachtungen. Entweder findet sich dieses spezielle Klientel vermehrt auf Conventions oder es ist eben doch nicht so speziell und selten, wie wir annehmen.

    • Du schriebst, „Würfeln sei „das Sym­bol für eine Spiel­weise“, bei der „der Zufall über die Nar­ra­tion gestellt“ wird, „das Ergeb­nis der Wür­fel dik­tiert jede Facette der Hand­lung“, wobei „Die Ent­schei­dun­gen der Spie­ler ver­schwin­den in ihrer Bedeu­tung im ein­stel­li­gen Modifikator-Bereich, wer­den von Frei­heit der Rolle zu tak­ti­schem Kal­kül.“ Du sagst, dass dies ein Spielstil ist, den du nicht magst (ich übrigens ebenfalls nicht), wohl aber, dass dies „der“ Spielstil als Alternative zu ein narrativ orientierten Spielweise „ohne Würfeln“, die du offenbar bevorzugst, ist. Das sind Allgemeinaussagen, denen natürlich jeder, der „Würfeln“ nicht per se schlecht findet, so nicht zustimmen kann.

      Mir liegt es ebenfalls fern, über solche Dinge zu streiten – das sehe ich als völlig sinnfrei an. Jeder soll so spielen, wie es ihm und seiner Gruppe gefällt. Was mir fehlt, ist die kritische Reflektion *beider* Seiten und eine quasi dialektische Überwindung dieser – ebenfalls meiner Meinung nach – unproduktiv aufgebauschten Schubladensichtweise: „Würfelspieler“ vs. „Erzählspieler“, da möcht ich würgen. Was für ein unsinniger Grabenkampf.

      Wichtig wäre eine Weiterentwicklung des Hobbies, eine Präzisierung und Durchleuchtung der Begriffe und Spielweisen, so dass am Ende vielleicht jeder davon profitieren kann – was sind die Vorteile von Zufallselementen, was die von narrativen Lösungen? Was bringt wann mehr für wen? Was kann ich von „den anderen“ lernen, wie kann eine andere Sichtweise *mein* Spiel bereichern?
      Das sind die Bereiche, in denen es mAn hapert. Solche Meinungsartikel – nichts gegen dich, er ist gut geschrieben, und ich lese sowas ja auch selbst aus Interesse – helfen nicht bei der Überwindung der (künstlichen?) Gegensätze, sondern erhalten Lagerdenken aufrecht und tragen nicht zur Weiterentwicklung des Rollenspiels oder der Rollenspieler bei.

      Das ist übrigens auch nur „meine Meinung“, falls jemand darüber streiten möchte. :)

    • Klarstellung: Ich mag Systeme „ohne Würfeln“ genauso wenig. Die sind meist ungerecht bestimmten Charakterkonzepten gegenüber und schränken die Darstellung bestimmter Figuren zu stark ein. „Jeder soll so spie­len, wie es ihm und sei­ner Gruppe gefällt“ würde ich selbstverständlich sofort unterschreiben. So lange die Gruppe Spaß daran hat, ist alles richtig.

      Ich denke aber nicht, dass diese Gräben künstlich sind, sondern dass viele Spielrunden gerade deswegen scheitern, weil (wie im ersten Exalted-Beispiel) diese zwei unterschiedliche Spielstile und Erwartungshaltungen aufeinander prallen und meist nicht genug Hintergrundwissen und Erfahrung existiert, dies zu reflektieren und nicht genug gegenseitiges Verständnis und Toleranz, um zu einem gemeinsamen Konsens zu gelangen. Am Ende steht natürlich immer ein offenes Gespräch über Rollenspiel und entweder kommt man zu einer Einigung oder eben nicht. Auch die Trennung einer Runde zum größeren Spielspaß von allen, kann in einigen Fällen durchaus die beste Lösung sein. Doch vorher sollte man natürlich die Denkweisen der jeweils anderen Sichtweise verstehen lernen. Ich hoffe mit diesem sehr persönlichen (!) Beitrag mehr dazu beigetragen, als polarisiert zu haben. In dieser Hinsicht kann ein solcher, ehrlicher Meinungsartikel schon als erster Schritt dazu dienen, am Ende die Gegensätze zu überwinden und das gemeinsame Rollenspiel weiterzuentwickeln – was durchaus wünschenswert wäre.

  13. “Ich hoffe mit die­sem sehr per­sön­li­chen (!) Bei­trag mehr dazu beige­tra­gen, als pola­ri­siert zu haben.“

    Zusammen mit der Diskussion dazu imho sicherlich. Insbesondere Dein letzter Kommentar mit:

    “Ich denke aber nicht, dass diese Grä­ben künst­lich sind, son­dern dass viele Spiel­run­den gerade des­we­gen schei­tern, weil (wie im ers­ten Exalted-Beispiel) diese zwei unter­schied­li­che Spiel­stile und Erwar­tungs­hal­tun­gen auf­ein­an­der pral­len und meist nicht genug Hin­ter­grund­wis­sen und Erfah­rung exis­tiert, dies zu reflek­tie­ren und nicht genug gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis und Tole­ranz, um zu einem gemein­sa­men Kon­sens zu gelan­gen. Am Ende steht natür­lich immer ein offe­nes Gespräch über Rol­len­spiel und ent­we­der kommt man zu einer Eini­gung oder eben nicht. Auch die Tren­nung einer Runde zum grö­ße­ren Spiel­spaß von allen, kann in eini­gen Fäl­len durch­aus die beste Lösung sein.“

    trifft es sehr gut. Es ist wie immer das Aufeinandertreffen von Erwartungen der Einzelnen auf das Zusammenspiel der Gruppe. Wenn es passt ok, wenn nicht auch ok, kein Grund zu streiten sondern lieber eine passende Gruppe suchen um Spaß zu haben, Freizeit ist zu kurz um zu hadern oder streiten ;)

    Danke für diesen erhellenden Blogbeitrag und das dadurch exalted in meinen Fokus gerückt ist, muss ich mir mal vom Hintergrund ansehen.

    (P.S. auch DSA kann man ohne Würfelorgie spielen, wenn man will ;) )

    • Ich kann Exalted nur empfehlen. Obwohl meine „schlimmste Rollenspielrunde“ in eben jenem Setting stattfand, habe ich mittlerweile alle Bücher der 2. Edition im Schrank und eine wunderbare, drei Jährige Kampagne (Danke Daniel!) dazu gespielt. Man muss nur eben Anime und Power-Fantasy mögen ;)

  14. Jedes Buch, das nach zehn Sei­ten mit dem Satz „Ein Artil­le­rie­schlag trifft und tötet alle.“ endet, würde als lite­ra­ri­scher Witz gel­ten.

    Oder als ausgezeichnete Kurzgeschichte von Borchert.

  15. Das mit dem „wann würfeln lassen“ ist eine ganz schwierige Sache finde ich, vor allem, wenn man es aus Storyperspektive betrachtet.
    Ein Beispiel: die Gruppe hat den Plan gefasst, in eine bewachte Lagerhalle einzudringen. Sie haben sich sehr gut vorbereitet und freuen sich sichtlich auf die Infiltration und die Chance, die ganze Sache ohne Feuerwerk zu lösen. Auch als Spielleiter sehe ich, dass dieser Ausgang des Abenteuers zwar nicht geplant war, aber doch eine sehr viel bessere Geschichte abgibt.
    Und nun? Lasse ich würfeln, dann besteht die Gefahr auf ein Scheitern oder gar einen Patzer. Ein Würfelwurf und die ganze coole Vorstellung im Eimer. Lasse ich nicht würfeln und sie schaffen die Infiltration einfach? Wo bleibt dann die Spannung eines „und wenn wir entdeckt werden?“? Und wenn sie sowas aus Storygründen einfach schaffen… warum haben sie dann überhaupt Würfel? Und wäre es nicht ungerecht einem Dieb gegenüber, wenn der Krieger, der in Kampfmomenten immer schon glänzt, auch noch ohne irgendwelche Gefahr mit rumschleichen darf, obwohl das deutlich der Bereich des Diebes ist?
    Dies alles abzuwägen hat mich inzwischen zu dem Prinzip geführt, dass ich nur noch würfeln lasse, wenn der Ausgang der Aktion strittig ist. Darum gibt es bei mir weder sinnlose Wissenswürfe, noch sonst Fertigkeitenwürfe bei lächerlich einfachen Aufgaben. Jemand, der eine Leiter erklimmen will, muss das nicht würfeln. Jemand, der sehr gut im Klettern ist, muss bei einer steilen Felswand würfeln, aber nicht um auf einen Baum mit niedrigen Ästen zu kommen, usw.
    Letztendlich ist es eine Frage des SL, wann er würfeln lässt. Darum ist FATE auch in dem Sinne keine Offenbarung, wenn man an einen SL gerät, der dennoch alles würfeln lässt und so hohe Mindestwürfe ansetzt, dass man eben keine automatischen Erfolge hat durch die Aspekte oder Skills (Was die anderen Vorzüge angeht, stimme ich aber vollständig zu, der FATE-Ansatz ist großartig).
    Gerne empfehle ich hier auch Dust Devils Revenge, das statt Würfeln komplett Spielkarten benutzt. Nicht für jede Gruppe geeignet, aber auch ein ganz anderer Ansatz um eher Geschichten zu erzählen.

  16. Hohe Literatur bemerkt man bereits auf den ersten Seiten. Ein plötzliches Ende macht aus einer lauen Geschichte keine Kunst – vor allem, wenn Würfel das Ende diktieren.

  17. Ich bin ein großer Fan vom Würfeln. Trotzdem würde ich auch alle Beispiele von Dir als blöd empfinden.

    Wenn ich würfeln lasse, sollte es mindestens zwei Ausgänge aus der Situation geben, sonst muss ich nicht würfeln lassen.

    Gut, die Bedingung ist auch beim Artillerieschlag gegeben (…), allerdings muss man da die Situation dann spannender ausbereiten und klar machen, dass nun Zeitdruck herrscht und man fix machen sollte, dann _könnte_ das funktionieren. Ich sollte als SL dann aber auch einen Plan B haben, um den Leuten nicht ihre Conzeit beis zum nächsten Slot zu verschwenden … (Nicht, dass ich was gegen TPKs hätte, aber das konkrete Beispiele fände auch ich fragwürdig).

    Ansonsten finde ich etwas seltsam, dass Du (Dirk) ab und an würfeln musst, dass Du an einem Rollenspieltisch sitzt … Gibt doch auch Systeme, die anderes unterstützen. Von mir aus erzähl Deine Gegner dramatisch kaputt, da hab ich nix gegen – solange ich an einem anderen Tisch sitzen darf ;)

    • Ich empfinde Würfeln auch als etwas, was Spaß macht und Spannung bringt. Aber wie Dirk eben sagt: a) akzentuiert und nur an Stellen, wo es wirklich um was geht b) bei kritischen Sachen, wie Kampf und Magie (etc.) – vieles kann man mit einem scharfen Blick auf den Skill regeln und entscheiden. Mache ich zumindest. Würfellose Rollenspiele wollen mir nicht zusagen. Irgendeine Form von Test muss da sein, wie zB bei den Karten bei Engel.

  18. Ich glaub, da sind wir drei sogar einer Meinung, auch wenn wir uns in der Häufigkeit des Würfelns unterscheiden, sprich: wann es um etwas geht.

    Ich „störte“ mich nur am Satz, dass man ab und an „Würfeln müsse“, damit es sich um ein Rollenspiel handelt. Nein, da zwingt Dich wirklich keiner. Beim Norbert z.B. findet man ganz hervorragende Beiträge zum Thema Erzähl(rollen)spiel und auch, wenn es nicht mein Ding ist, scheint es den Leuten da Spaß zu machen und sie betreiben Rollenspiel:
    -> https://analogkonsole.wordpress.com

  19. Hi, ich habe den Artikel jetzt erst entdeckt. Allerdings finde ich das Thema so spannend, dass ich doch noch einen Kommentar hinterher schieben möchte.
    Dirks Beobachtungen kann ich empirisch völlig nachvollziehen. Ähnliche Erlebnisse habe ich selbst gemacht – und auch schon öfter gedacht: „Weg mit den Polyedern.“ Dann wiederum halte ich den Zufall für eine wunderbare Chance Spannung, Spontanität und sogar Stringenz (im narrativen Sinne) zu erzeugen. Aber eine Chance will genutzt werden.
    In der Diskussion wurde schon festgestellt, dass es unerlässlich ist, sich über die unterschiedlichen Erwartungen an die Würfel innerhalb der eigenen Runde klar zu werden. Ich kann Euch da nur zustimmen, würde aber auch noch einen Schritt zurück zu den Spielen (bzw. ihren Entwicklern) gehen.
    In meiner ganz persönlichen Wahrnehmung ist Rollenspiel eine Symbiose aus kooperativer Erzählung und Gesellschaftsspiel. Mein Hauptanliegen an Regel-Designer sind daher nicht besonders geschickte Würfelmechanismen, sondern eine klare Einbindung der Regelmechanik in die Konversation (die das Rollenspiel im Herzen ist).
    Grade an dieser Stelle scheitern mMn unfassbar viele Systeme. Ein Spiel muss klären, welche Erfahrungen es am Tisch erzeugen möchte und darauf hin entscheiden, welche Elemente der Konversation den Griff zu den Würfeln auslösen. Noch wichtiger ist der Rückweg: eine klare Linie dafür, wie der Wurf die Erzählung beeinflusst.
    Schwammige, simplifizierte oder extrem offene Definitionen, erzeugen dann Unklarheiten oder werden als simplifiziertes Verhalten am Tisch umgesetzt (wie in Dirks Exaltet-Beispiel). Ich meine damit insbesondere die sehr gängigen Methoden: „Der SL fordert die Probe!“ & „Der Wurf entscheidet über Erfolg/Scheitern!“ (plus dem obligatorischen Schadenswurf). Für ursprüngliches D&D (das KoSim sein möchte) ist das übrigens schon deutlich klarer. Erst in jüngeren Produkten, finde ich ähnliche Klarheit auch für den narrativen Ansatz.
    Entweder gibt es klärenden Text (der hoffentlich zum Gruppenvertrag wird). Beispiele (unter vielen): das Fail-Forward-Prinzip aus 13th Age oder die „Wann Würfeln?“ Abschnitte aus FATE, Cortex Plus & Konsorten.
    Insbesondere Apocalypse World und seine PbtA-Ableger, zeigen das Bewusstsein für eine klarere Struktur Gespräch->Regel->Gespräch auch in konkreten Mechanismen. Vergessener Vorreiter ist z.B. Donjon von Clinton R. Nixon. Auch John Harpers Blades in the Dark Kickstarter sieht diesbezüglich spannend aus.

    Soweit mein (irgendwie theoretisch verschwurbeltes) Plädoyer dafür, dass unter den richtigen Bedingungen Würfeln verdammt Spaß macht und (für mich das Tollste) auch erzählerisch sinnvoll ist.

  20. volle Zustimmung – unter Deiner Leítung würde ich tatsächlich mal wieder Rollenspiele machen

    als ich vor vielen Jahrzehnten (3 um genau zu sein) meine eigene Gruppe geleitet habe, kamm dasa Würfeln in eben nur diesen Fällen vor, die Du beschrieben hast (inklusive das super­ge­heimen Fake-Wurfs) – Danke dafür, ich hab so gelacht – eine hervorragende Abhandlung

  21. Ich bin vieleicht ein bisschen spät damit.
    aber ich finde Würfel können den Spieltisch bereichern. Ich finde viel kann man ohne Regeln. Wir hatten Teilweise DSA Runden wo es nach 3-4 stunden spielen, dann mal zu nem Kampf kam, und die Leute die Wüfel ersteinmal aus den Rucksäcken kramen mussten, weil sie vorher nicht gebraucht wurden.
    Aber ich mag Wüfel. Würfel zeigen an wo das Leben einem gewogen oder mal nicht ist.
    Ich denke nicht das man Wüfeln sollte ob man eine Leiter hinuntergehen kann. Ich denke man sollte Wüfeln wenn der Spieler unbedingt versucht die Leiter hinunterzukommen, dabei noch drei Kannen milch trägt, und ihm vorher ein Krug Öl auf der Leiter zerbrochen ist. Grundsätzlich kann man davon ausgehen das ein Meisterschmied nicht Wüfeln muss, ob er es schafft einige Nägel herzustellen, oder eine Rüstung auszubeulen.
    Auch bin ich nicht der meinung das ein schlechter Wüfelwurf spieler Umbringen sollte. Aber ein Schlechter Wüfelwurf kann die Sache Spannend machen.
    Eine Kritische verwundung kann ziemlich viel Dramatik in die Gruppe bringen, wenn man als mitspieler versuchen muss seinen Kumpanen aus der Schlacht zu retten. Ich glaube es kommt immer darauf an mit was für Leuten man den spielt.
    Ich habe vor einigen Jahren das Pen and Paper Rollenspiel für mich entdeckt, nachdem ich eine Gefühlte ewigkeit auf Chatportalen Rollengespielt habe, wo es gelinde gesagt immer Idioten gab die alles besser als einer konnten, und wenn man realistisch an die Sache ran gehen wollte, war man immer der unterlegene. An dem moment haben Wüfel und Regelmechanismen mir sehr viel sicherheit gegeben. Ich wusste: jetzt ist es fair. Die Ängste habe ich natürlich nicht mehr, ich bin älter geworden, und habe eine wunderbare Rollenspielrunde. Aber ich liebe die Wüfel immernoch als ausdruck des Kalkulierten Risikos:
    ‚Du möchtest wirklich ALLEINE aus dem Turm springen, dich auf deinen Hexenbesen schwingen und dem DRACHEN hinterher, um diesen zu erledigen? Deine Freunde haben gerade diesen dämon vor sich, und du wirst das sehr unwarscheinlich überleben.‘ ‚Ja meinem Char ist das gerade ziemlich egal. Sie ist sehr emotional, wütend, und will Rache, egal ob sie das überlebt. Ausserdem vertraut sie in die Fähigkeit ihrer Freunde.‘ Und dann die Spannung, einige Wüfelwurfe, alle die gespannt waren. Klappt es? Oder gelingt es nicht? Aufraunen. Kritischer Erfolg. Die Hexe befindet sich auf dem Drachen. Was wird jetzt passieren? Oh nein Ihre Körperkraft hält nicht, aber da, noch ein wurf. Sie kann sich an dem Schweif festhalten, kämpft sich nach oben. Währendessen epischer Kampf der restlichen Heldengruppe gegen den Dämon. Es sieht gut aus….
    Ein gellender Schrei. Die Hexe hat es geschafft mit einem Messer die Flughäute des Drachen zu perforieren. Selber gerät ins Schlingern. Sie muss sich festhalten….
    ________
    Das ganze wurde durch mehrere gute und schlechte Wüfelwurfe einfach nochmal plastischer und spannender. Wir wussten nicht wer gewinnen würde. Aber unser Spielleiter hat gerne einmal auch Riskante manöver zugelassen, und immer vorher daran erinnert ob man das wirklich tun möchte. Denn das sei eine sehr wagemutige idee und könnte den Helden umbringen.

    Ich glaube das ist auch ein wenig die Spielernatur. Ich vertraue meinen Wüfeln uns zu helfen eine gute geschichte zu erzählen. Sie haben uns eigentlich nie im stich gelassen…

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