Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Bigotterie ist für den Arsch. Und in letzter Zeit bin ich so oft auf Scheinheiligkeit getroffen, dass mir echt der Kamm schwillt. Normalerweise ist mir so was egal; soll doch jeder machen, was er will. Wo es mir allerdings nicht egal ist, ist, wenn man eigentlich gemeinsam an einem Projekt arbeiten sollte. Statt die Energie zu nutzen, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wird diese jedoch immer häufiger verschwendet, um Intrigen zu spinnen, sich hinter dem Rücken über Teammitglieder aufzuregen, Verbündete zu suchen etc.

Es wird unglaublich viel Energie vergeudet, die man gemeinsam viel besser nutzen könnte.

Förmchen, Sandburgen und verschenktes Potenzial

Aber nein, ihr müsst euch kabbeln wie kleine Kinder, die einander im Sandkasten die Förmchen wegnehmen. Dabei machen sie das in der Regel nicht einmal. Es gibt genug Sand, genug Förmchen. Kriegt euren falschen Stolz endlich unter Kontrolle! Tretet, verdammt nochmal, einen Schritt zurück und erkennt, dass die Leute mit euch zusammenarbeiten wollen und eben nicht mit euren Förmchen eine eigene Burg bauen! Und, verdammt nochmal, nutzt eure gemeinsame Energie, um etwas zu erschaffen, nicht um euch gegenseitig zu zerstören! Das ist kindisch. Und auch, wenn ich eigentlich stolz darauf bin, nicht unbedingt erwachsen zu sein, finde ich solch ein Verhalten nur noch peinlich.

Ich bin ein Idealist. Wenn ich in Projekten mitarbeite, sehe ich immer die Möglichkeiten, was es alles werden, wohin es sich entwickeln könnte. Und dann sehe ich, in letzter Zeit immer häufiger, wie alles den Bach runtergeht wegen persönlichem Kleinscheiß. Seien es verletzter Stolz, Ego-Probleme oder das euch einfach die Nase von dem dort drüben nicht passt. Und dann beginnt es. Dann arbeitet man nicht mehr zusammen, oder nicht mehr nur zumindest. Dann beginnt man damit, all das zu tun, was ich weiter oben schon beschrieben habe, anstatt die Unstimmigkeiten zu klären. Dabei geht dann leider vieles von dem gemeinsamen Projekt den Bach runter. Zuallererst das Potenzial und später dann auch das, was bisher schon erarbeitet wurde. So leiden im Endeffekt alle darunter. So macht ihr euer Problem zum Problem von allen anderen. So wird es das Problem der Spieler, der NSC, eurer Freunde … Seht ihr das nicht? Ist euch das egal?

Runter vom hohen Ross!

Dass es Probleme gibt, ist ja normal. Dort, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es soziale Reibereien. Doch seid ihr alt genug, das eben nicht auf Kindergarten-Ebene zu klären, oder? Klärt doch persönliche Probleme bitte zu Beginn oder zumindest, sobald sie auftreten, und nicht erst, wenn sie sich verwurzelt haben, wenn überhaupt! Sprecht offen darüber und fühlt euch gleichzeitig nicht direkt angegriffen, wenn Kritik an euch geübt wird! Kommt für einen kurzen Moment runter von eurem hohen Ross und gesteht auch eigene Fehler ein! Denn nur so bekommt ihr mit, dass euer Gegenüber meist gar nicht so schlimm ist, wie ihr meint. Der andere will euch meist gar nicht das Förmchen klauen, sondern euch nur zeigen, wie man damit anders auch eine tolle Burg bauen kann. Doch das seht ihr nicht, wenn ihr auf Sicherheit spielt. Das seht ihr nicht, wenn ihr irgendwie alle als potenzielle Feinde anseht und eure eigene Meinung als unanfechtbar gilt. Selbstreflexion scheint bei euch fehl am Platz zu sein. Ihr haltet euch lieber selbst die Augen zu und sagt, es gebe keine Fehler bei euch, anstatt an Ihnen zu arbeiten. Klare Fronten helfen, entweder frühzeitig getrennter Wege zu gehen oder aber Missverständnisse aufzuklären, bevor das Potenzial verpufft ist.

Professionelles Verhalten heißt, fachmännisch zu handeln und so, dass man damit Geld verdienen könnte. Das heißt aber auch, dass man persönliche Punkte hinten anstellt und diese nicht das Projekt gefährden lässt. Dazu zählt auch das Projekt eben zu verlassen, wenn man merkt, dass ebendas nicht geht. Was allerdings kein professionelles Verhalten ist, ist, wenn „Neuigkeiten“ jeder Folge von „Gute Zeiten schlechte Zeiten“ Konkurrenz machen. Ich schaue schon kein fern mehr, weil mich deutsches Fernsehen einfach nur frustriert. Habt ihr euch jetzt zur Aufgabe gemacht, mir meine Seifenopern dennoch zukommen zu lassen? Denn genauso verhalten sich viele von euch. Es ist mir, ehrlich gesagt, scheißegal, wer ein Problem mit wem hat. Das ist eine Sache zwischen den beiden Personen, die das persönlich betrifft. Das hat nichts mit irgendeinem Projekt zu tun, in dem beide mitarbeiten. Ich habe auch nichts übrig für Gerüchte, denn im Endeffekt verursachen sie nur Leid. Also, gottverdammt nochmal, reißt euch zusammen, kriegt euren Arsch hoch und redet miteinander, anstatt übereinander! Ich habe keinen Bock mehr darauf, mir täglich anhören zu müssen, wie sich Leute noch weiter voneinander entfernen und Freundschaften über Nichtigkeiten zerbrechen. Ich habe auch keinen Bock mehr darauf, noch mehr Potenzial von wirklich coolen Projekten schwinden zu sehen, weil Leute lieber „Lindenstraße“ spielen, als konstruktiv miteinander umzugehen. LARP könnte so viel mehr sein. Doch dank euch ist es momentan nicht viel mehr, als ein Sandkasten voller zerplatzender Seifenblasen und Förmchen, die nicht genutzt werden, weil sich die Kinder viel lieber streiten, als damit Burgen zu bauen und Spaß zu haben.

Ich meine euch alle

Ich weiß auch ganz genau, dass ihr jetzt alle da sitzt und sagt „Genau, das sind Idioten. Die (anderen) machen alles falsch.“ Doch ihr seid nicht besser. Ich meine nicht nur die, deren Gesichter gerade in euren Köpfen auftauchen, wenn ich über solche Knalltüten schreibe. Ich meine auch euch, die ihr denkt, dass ihr alles richtig macht. Denn genau das ist die von mir genannte Bigotterie. „Einmal mit Profis arbeiten …“, das hat wohl schon jeder von uns gesagt, der etwas auf die Beine stellen wollte. Doch wer wirklich ehrlich mit sich selbst ist, muss eingestehen, dass er nicht besser ist. Hört endlich auf, Professionalität zu fordern, selbst aber keine zu geben! Fasst euch an die eigene Nase und fangt da an! Ruht euch nicht darauf aus, dass die anderen genauso sind oder, in euren Augen, noch schlimmer! Macht es selbst besser und geht mit gutem Vorbild voran! Und vor allem: Nervt mich nicht mit eurem unwichtigen Mist! Baut uns Burgen, anstatt Seifenopern! Und wenn es wirklich mal schlecht läuft, gebt nicht gleich anderen die Schuld, sondern fragt euch, inwiefern ihr selbst am Lauf der Geschehnisse beteiligt seid. Und so bleibt mir zum Schluss wieder einmal nichts anderes übrig, als meinen üblichen Appell an die LARP-Welt zu richten: Frage nicht, was dein LARP für dich tun kann …

Artikelbild: fotolia @ksi

 

5 Kommentare

  1. Achja. Ich erinnere mich daran, schließlich war ich nah am vermutlichen Auslöser dran.

    Aber ich habe inzwischen punktuell eine andere Meinung, lieber AAlexander Jaensch
    Larpprojekte sind häufig Herzblutsachen. Und wenn ich ehrenamtlich Zeit, Geld, Nerven und eben Herzblut in etwas investiere, dann darf ich mir auch manchmal etwas rausnehmen. So habe ich bei meinem letzten Con eine Entscheidung getroffen zugunsten einer guten Freundin und jemand Anderem den Con verwehrt. Ja, als Orga hätte ich vielleicht ganz neutral agieren müssen. Aber warum? Schließlich ist es mein Con, auf den dann jemanden, den ich mag, nicht kommen kann.
    Ich sage: Larp ist eben nicht mein Job. Ich muss hier nicht mit zusammengebissenen Zähnen jeden Müll ertragen, sondern darf auch persönliche Grenzen ziehen. Denn mich selbst für einen Larpcon betrügen? Nein. Auch wenn ich dann vielleicht etwas unprofessioneller reagiere.

    (Nota bene: In dem erwähnten Fall habe ich natürlich nicht selbstherrlich entschieden. )

    • Interessanterweise decken sich unsere Meinungen auch dort.
      Ein Ausladen eines ungewollten Spielers empfinde ich persönlich als durchaus in Ordnung und professionelle. Als Orga hat man meiner Meinung nach auch die Aufgabe im akzeptablen Rahmen alles dafür zu tun, eine möglichst passende Spielerschaft für die eigene Veranstaltung auszusuchen. Dies führt in Konsequenz nämlich zu einer Spaß-Maximierung und einer Stress-Minimierung bei Orga und Teilnehmern. Unprofessionell wäre es in meinen Augen gewesen, den fragwürdigen Spieler zuzulassen, ihm aber eine andere, schlechtere Behandlung seitens der Orga zukommen zu lassen bzw. ihn aufgrund des „Nasenfaktors“ Leistungen vorzuenthalten. So finde ich die Lösung jedoch elegant, durchaus vertretbar und förderlich.

      Es ist ein wenig vergleichbar für mich mit der stets immer wieder geforderten und hochgepriesenen, dogmatischen IT-/OT-Trennung. Auch hier wird eine extreme Neutralität und eine Trennung von Rollen (Weiter oben Orga-/Privatmensch-Rolle, hier IT-Rolle/OT-Persönlichkeit) gefordert, was meiner Meinung nach in diesem Extrem eher zu Frust führen kann, da ich unter diesem Dogma dazu „gezwungen“ werde, auch mit Leuten zu spielen, die ich nicht mag und mit denen es mir keinen Spaß macht zu spielen. Diese Konvention führt damit, wie auch eine übertriebene Neutralität die oben und von dir erwähnt wurde, zum Verhindern von Spaß und Steigern von Frust.

      Ziel sollte, und ich meine das auch im Artikel geschrieben zu haben, immer sein, was ist spaß-/spielfördernd. Wenn es spaß-/spielfördernd ist, dass ich nicht mit dem Typen spiele/dass ich weiß, dass derjenige mal ein Einhorn war/das der Typ mir nicht auf meine Con kommt/Whatever… dann ist dem so und dann ist das auch vollkommen in Ordnung.

    • Das ist ein guter Zusatz. Denn für viele bedeutet Professionalität eben genau das: Übertriebene Neutralität.

      Im erwähnten Fall habe ich mich bemüht, das zeitnah, direkt und ohne persönlichen Angriff zu kommunizieren. Der Vorwurf von Unbeteiligten war dennoch, dass ich mich da nicht professionell verhalten habe.

      Das Ganze ist übrigens leider nie losgelöst von persönlichen Geschichten und Erfahrungen zu sehen.
      In dem mir bekannten Auslöser gibt es ja eine laaange Vorgeschichte, die das Verhalten aller Parteien subjektiv erklärbar macht. Und letztlich sind auch Gefühle eben sehr mächtig.
      Aber ich salbadere. Wir wissen das beide alles und können nur auf eine bessere Zukunft hoffen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein