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Magier wirken Blitze und Feuerbälle, Helden zücken leuchtende Klingen um das Böse zu bekämpfen, Satyrn laufen elegant und schnell wie ein Pferd über Stock und Stein, in wandelnde Stahlberge gehüllte Menschen marschieren durchs gegnerische Dauerfeuer und zerkleinern mit ihren Bordkanonen alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Alles Szenen, die Hollywood in jedem Fantasy- oder Sci-Fi-Film massenweise auf den Markt schmeißt. Szenen, die LARPer natürlich auch gerne darstellen und darüber hinaus bei anderen sehen wollen.

Der Nachteil: Hollywood kann Szenen erneut drehen, Spezialeffekte werden nachträglich editiert und alles was nicht im Bildausschnitt zu sehen ist, bleibt auf der Leinwand unsichtbar. Das alles kommt beim LARP nicht (oder nur extrem eingeschränkt) zum Tragen. Die Spielleitung hat vielleicht noch die Möglichkeit, bei einer inszenierten Szene den Blickwinkel der Spieler zu begrenzen, so dass auch hier außerhalb des Bildes Nebelmaschinen oder Klappkulissen genutzt werden können. Als Spieler steht man allerdings wortwörtlich allein auf weiter Flur oder Wiese. Also woher die Magie nehmen und nicht stehlen?

Das 3. Clarkesche Gesetz

Wenn es um Magie geht, hilft uns das von Arthur C. Clarke 1962 geschriebene Werk „Profile der Zukunft: Über die Grenzen des Möglichen“ weiter. Das dritte in diesem Buch postulierte Gesetz lautet: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“ Aha, da kommen wir unseren magischen Effekten doch schon ein ganzes Stück näher. Benutzt man hoch entwickelte Technologien, welche heutzutage auch genügend miniaturisiert vorliegen, kann fast alles dargestellt werden. Ein hochinteressanter Ansatz, der mehr als eine Überlegung wert ist. Und auch ein Gedankengang, der schon lange unterschwellig im LARP Fuß gefasst hat – wenn auch unauffällig – und von vielen heute schon als normal akzeptiert wird.

Wenn es um die Darstellung von Höhlen geht, auch Dungeons genannt, werden oftmals Strohballen und Folienwände eingesetzt, um kostensparend und schnell ein Labyrinth für ein Wochenende zu erbauen. Eigentlich würde man eine Höhle stil- und ambientegerecht mit Fackeln erkunden. Nur würde der Einsatz von offenem Feuer in einem Folien-Stroh-Gebilde recht schnell zu einem zumindest oben offenen Dach führen. Schon lange ist hier der Einsatz von LED-Lampen üblich, die als Laternen, Fackeln, leuchtende Pilze oder was auch immer getarnt werden. Mit etwas Elektronik flackern diese LED´s . Zusätzlich kann man so auch völlig ungefährlich und ohne Brandgefahr Zelte und Sonnensegel beleuchten und braucht sich nicht um Stroh, Tischdecken oder Brokatgewänder sorgen, die schnell Feuer fangen könnten.

Eine LED-Lampe
Eine LED-Lampe

Wenn man erst angefangen hat

Nachdem die ersten LED-Lampen auftaucht waren, und aus sicherheitstechnischen Aspekten schnell Fuß fassten, begann dieses kalte Licht auch auf andere Bereiche der Darstellung überzugreifen. Schnell wurde die LED-Technik auch in Magier-Stäbe eingebaut, um eingefasste Kristalle an ihrer Spitze zum Leuchten zu bringen. Andere Waffenbauer gingen bald einen Schritt weiter und fügten Band-LEDs in seitlichen Ausfräsungen in LARP-Klingen ein, um so leuchtende Schriftzeichen auf den ‚magischen‘ Schwertern sichtbar zu machen. Die kleine Steuerelektronik und die Batterien werden in den Griffen der Waffen untergebracht. Da diese Griffe in der Hand des Schwertschwingers gehalten werden, kann eine Verletzung des Gegners durch die harten Gehäuse des Batterie-Packs und der elektronischen Bauteile praktisch ausgeschlossen werden.

Zur Zeit gibt es Versuche, blau leuchtende Bänder in Stoffgewandungen einzunähen, um zumindest nachts den Zauber „Magische Rüstung“, der sonst oft mit einem blauen Stoffband dargestellt wird, anders und glaubhafter sichtbar zu machen. Leider taugen diese Bestrebungen nur für nächtliche Auftritte, da sie aufgrund der relativ geringen Leuchtkraft tagsüber nicht auffallen und schnell übersehen werden können. Das gilt leider für alle Formen von elektrischen Leuchteffekten, aber hier ist noch viel Platz für zukünftige Entwicklungen.

Wissen ist Macht

Vor ca. 3 Jahren tauchte auf den Veranstaltungen von Live-Adventure eine neue Form des High-Tech im LARP auf. Der Conquest of Mythodea und auch Jenseits der Siegel spielen auf dem fiktiven Kontinent Mythodea. Die Geschichte dieser Welt wurde durch ein sehr tatkräftiges Team von Schreibern und die hoch motivierte Spielerschaft immer weiter detailliert ausgebaut. Demzufolge wurde die Anzahl der Schriften immer zahlreicher, die die Geschichte dieser Welt erzählen. Nicht nur tausende Seiten der Plotschreiber, sondern auch weitere tausende von Seiten der von Spielern verfassten Schriftstücke füllen wortwörtlich ganze Bibliotheken. Die daraus erzeugte Komplexität ist inzwischen derart hoch, dass manche Schriften- und Wissenssammler praktisch das ganze Jahr mit der Sichtung, dem Katalogisieren und Lesen dieser Texte beschäftigt sind. Diese zahlreichen Schriftstücke auch noch abzuschreiben oder auszudrucken, um auf Conventions im Zweifelsfalle noch einmal zu einem aktuellen Problem nachlesen zu können, wurde im Laufe der Zeit immer schwieriger.

Vor drei Jahren wurde dann erstmals beobachtet, dass sich manche Spieler mit relativ dünnen, in Leder eingebundenen Büchern still in eine Ecke setzten, um kurz danach mit frischem Wissen wieder ins Spielgeschehen zurückzukehren. Das Geheimnis waren die als Bücher getarnten Tablet-PCs, mit denen sie sich ins Internet einloggten, um ihre in Clouds gespeicherten Bibliotheken abzurufen. So war es möglich in kürzester Zeit mittels Textverarbeitungsprogrammen und Stichwortsuche alle relevanten Texte zu einem aktuellen Geschehnis aufzufinden und sich schlau zu lesen. Dies führte zu Unmut bei den von Live-Adventure eingesetzten Spielleitern und NSCs. Denn anstatt sich Informationen im persönlichen Gespräch und durch Besuche der auf dem Congelände vorhandenen Bibliotheken zu erspielen, wurde nun im „Einzelspielermodus“ einfach nachgelesen.

Eine parallel dazu entstehende Unsitte war das Abfotografieren von Texten anstatt sie abzuschreiben. So war es möglich in kürzester Zeit sehr viel Wissen zusammenzuraffen, um es dann alleine später in Ruhe aufzuarbeiten. Diese Büchse der Pandora wird nicht wieder zu schließen sein. Von hier aus gibt es nur noch die Möglichkeit einer weiteren, noch wesentlicheren Erhöhung der Komplexität, um den wenigen Wissensuchern, die am Ball bleiben, noch Spielangebote zu machen, oder konträr dazu ein komplettes Einkürzen und Wegstreichen der Bibliotheken. Mit dem Bruch von Live-Adventure mit der Kampagne Mythodea und dem Neustart in die Spiegelwelt sollte wohl letzterer Weg beschritten werden. Jedoch lässt die explosiv angestiegene Zahl von Schriftstücken seit dem ersten Besuch in der Spiegelwelt im letzten Jahr diesen Versuch als gescheitert erscheinen. Die weitere Entwicklung hier bleibt abzuwarten.

So eine Tablethülle hat viele Anwendungsbereiche.
So eine Tablethülle hat viele Anwendungsbereiche.

I can see you

Magie und Artefakte sind gern gesehene Spielelemente auf Conventions. Der Knackpunkt ist nur immer die Darstellbarkeit. Ein sprechender Stein ist dann meist doch nur ein bemalter Styroporklotz mit einem Spielleiter, der dahinter steht und das Reden für den Stein übernimmt. Das ist eine billige Möglichkeit Magie darzustellen. Ich wurde einmal mit einem Auftrag konfrontiert, bei dem es darum ging, einen sprechenden Stein ohne eine Spielleitung daneben zu bauen. Es sollte aber vollständige Interaktion mit den Spielern möglich sein.

Ich bediente mich dabei auch einer Art High-Tech, die uns heute so selbstverständlich erscheint, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken. Gerade jetzt in diesem Moment wo diese Zeilen bei Ihnen ankommen, dem geneigten Leser, bedienen Sie sich dieser Technik. Ich habe das Sprach- und Interaktionsproblem damals einfach über zwei Computer gelöst. Der eine war im Sockel des aus Styropor bestehenden Artefaktes untergebracht und mit einem Mikrophon, einer Web-Cam und Lautsprechern ausgestattet. Diese Geräte waren unauffällig so angebracht, dass sie nicht mal auf den zweiten Blick erkennbar waren. Dieser Computer wurde über eine Erdleitung mit einem zweiten Rechner verbunden, der 50 Meter weiter in einem Zelt stand.

Über ein einfaches Chatprogramm war es dem Spielleiter im Zelt nun möglich zu sehen wer vor dem Artefakt stand, zu hören was gesprochen wurde und dementsprechend zu antworten, Soundeffekte einzuspielen oder sogar in dem Artefaktsockel eingebaute pyrotechnische Rauchsätze zu zünden. Das Spiel wurde von den Spielern sehr positiv aufgenommen und die immer neuen Reaktionen des sprechenden Steins, ja, sogar das Ansprechen auf Einzelheiten der Kleidung sorgten für eine sehr dichte Spielatmosphäre. Die Computer und andere technische Geräte waren bereits vorher vorhanden und nach dem LARP-Einsatz weiterhin voll funktionsfähig. es blieben also nur die Kosten für einen Styropor-Stein, die auch bei der oben erwähnten „billigen“ Methode investiert hätten werden müssen. Ich sehe dies als Beispiel dafür, wie man mit einem Minimum an Aufwand unter Zuhilfenahme von „Hightech“ schöne, das Spiel fördernde Effekte herbeiführen kann.

Artefaktbau
Artefaktbau

Leichtgewichte haben es schwer

Hightech auf Conventions ist eine Sache, eine andere ist die Entwicklung, die bereits lange vor der Con zum Tragen kam. Im Gegensatz zu den frühen Tagen des LARP in der Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts (dies ist der Moment wo der Autor wirklich beginnt sich alt zu fühlen) waren Rüstungen selten und sehr teuer. Die Waffen wurden meist von Hand gebaut und beanspruchten auch einen erheblichen Teil des Hobby-Budgets. Die meisten Selbstbauversuche sahen unhandlich und wirklich schlecht aus.

Seit damals hat eine wirklich tiefgreifende Veränderung in Sachen Ausrüstung stattgefunden. Ich rede nicht einmal von den immer günstiger und „echter“ wirkenden Rüstungen aus Metall, sondern von den Varianten aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die jetzt gerade seit ca. einem Jahr auf den Markt drängen. Einer der Vorreiter dieser Technik ist das Kleinunternehmen Sander-Propworx. Mit Airbrush-Techniken auf Metall getrimmt, sind seine Rüstungen praktisch nur durch Befühlen und vor allem durch das Gewicht von ihren metallenen Gegenstücken zu unterscheiden. Dies führt zu hoch emotionalen Diskussionen in der LARP-Szene, weil die einen eine Gewichtsreduktion begrüßen, die andere Seite aber der Meinung ist, dass diejenigen, die den Schutz eines Plattenpanzers genießen wollen, auch mit dem Gewicht als Nachteil leben müssten. Diese Debatte ist noch relativ jung, und es wird noch einige Zeit dauern bis „gewichtsoptimierte“ Rüstungen wirklich durchgängig akzeptiert werden.

Eine parallele Entwicklung setzte zuerst bei kleinen kernstablosen Waffen und Werkzeugen ein, hält jetzt aber auch langsam bei größeren Waffen Einzug. Bei den neuen Techniken werden echte Waffen und Werkzeuge mit Silikon abgeformt und dann in einem Vakuumverfahren gegossen oder gespritzt. Die dadurch entstehenden Waffen sind endgültig nicht mehr von Originalen zu unterscheiden, bis man sie in die Hand nimmt. Hersteller Sander erzählte von einigen Gelegenheiten, bei denen ihm vorgeworfen wurde, Originale fotografiert und als LARP-Waffen beworben zu haben. Zusätzlich fallen die Preise für dieses Spielzeug durch die fortschreitende Weiterentwicklung dieser Techniken immer weiter. Erste Bestrebungen gehen jetzt dahin, mit dem „Rapid Prototyping“-Verfahren dauerelastische Waffen zu fertigen. Wenn diese Bestrebungen Erfolg haben, öffnet dies die Türen zu individuell gefertigten Waffen zu beispiellos günstigen Preisen. Hightech ist zumindest aus dem Bereich der LARP-Waffenproduktion nicht mehr wegzudenken.

Zukunftsmusik schon heute

Eine besondere Art des Hightech-Einsatzes bietet sich in anderen als „klassischen“ Fantasy-Welten. Schließlich gibt es auch Conventions, auf denen Science-Fiction-Geschichten durchgespielt werden. Hier kann man jedoch auch sehen, dass manches, was sich Spiele-Entwickler ausdenken, für die Praxis absolut ungeeignet ist. Ich konnte Aljoscha Cesnik interviewen, der eine Komplettrüstung aus dem Shadowrun-Universum nachgebaut hat. Seine Darstellung ist so gut, dass er beim Kostümwettbewerb auf der Role-Play-Convention den zweiten Platz belegte (nur geschlagen durch eine sehr gut aussehende Mitbewerberin, was das Abstimmungsverhalten des hauptsächlich männlichen Publikums wahrscheinlich zu seinen Ungunsten beeinflusste). Die Rüstung entspricht wirklich vom Look her den besten Vorlagen, die man in Science-Fiction-Filmen und -Spielen sehen kann, inklusive einer Überwachungs- und Patrouillen-Drohne, die fliegend vorausgeschickt wird. Diese Parrot-AR-Drohne wird über einen Tablet-PC gesteuert und ist heutzutage relativ billig zu bekommen. Mit einigen Modifikationen und Software-Patches ist es möglich, dieser Drohne eine Reichweite von bis zu einem Kilometer zu verleihen. Damit wird hier eine Technik auf der Con benutzt, die den Vorlagen zukünftiger militärischer High-End-Ausrüstungen entspricht. Auf den ersten Blick also wirklich beeindruckend.

Auf den zweiten Blick jedoch bröckelt die Fassade. Das liegt jedoch nicht an einer fehlerhaften Umsetzung der Vorlage, sondern an der Vorlage eines Ghost Recon Soldiers selbst. LARP ist nicht Cosplay, man ist in der freien Wildbahn unterwegs, lebt in der Gewandung und Rüstung. Beim ersten Auftritt in dieser Vollrüstung während einer Stalker-Con zeigte die Ausrüstung dann ihre konstruktiv bedingten Schwächen. Sitzen und dekorativ stehen waren kein Problem, aber das Rennen über einen Hügel führte zu ersten Ausfallerscheinungen. Und das ist wörtlich gemeint, weil erste Teile abgeworfen werden mussten, um überhaupt rennen zu können. Als es darum ging, in Deckung zu gehen, stellte es sich als unmöglich heraus, sich hinzuknien. Hinlegen war ebenfalls eine Sackgasse, weil das Aufstehen danach ebenso unmöglich war. Das größte Problem stellte jedoch dar, dass kein einziger Spieldesigner daran gedacht hat, irgendeine Rüstung mit Taschen auszustatten. Was auf dem Monitor kein Problem ist, wurde auf Con zu einer ernüchternden Erfahrung.

Aljoscha lässt sich davon auf jeden Fall nicht abschrecken, und hat jetzt eine motorgetriebene Power-Rüstung in Planung. In der Zwischenzeit ist er auf etwas weniger vollständige, aber beweglichere und praktikablere Gewandungsvarianten ausgewichen.

Ghost-Recon-Soldier (c)  Aljoscha Cesnik
Ghost-Recon-Soldier (c)  Aljoscha Cesnik

Kein Plot überlebt den ersten Kontakt mit den Spielern

Die Frage ist jetzt nur, wie eine Orga auf derartig hochgerüstete, mit allen möglichen Gadgets ausstattete Spielergruppen reagiert. Als die Spielergruppe um Aljoscha Cesnik, die sich selbst Schenker Privatmilitär nennt, das erste Mal auf einem Stalker-Con auftauchte, sorgte die zur Schau gestellte Hochtechnologie selbstverständlich für Unruhe. Feindstellungen wurden mit Drohnen erkundet, den Menschen nicht zugängliche Plotgegenstände mit kleinen Laufrobotern bedient und so weiter. Jedoch stellte sich die Orga danach auf diese Gruppe ein. Es hat eine Art Plot-Wettrüsten eingesetzt, bei denen die Hightech-Ausrüstung zwar oft der Schlüssel ist, andere Spielergruppen jedoch in den Spielfluß einbezogen werden.

Dieser dynamischen Entwicklung der Con-Reihe, die allen Spielern zugute kommt, ist es auch wohl zu verdanken, dass kaum Stimmen laut werden, die sich über Powergaming oder ähnliches beschweren. Es liegt eben immer am Spieler, ob die Machtposition, die man mit der entsprechenden Ausrüstung zweifellos hat, ausgenutzt wird, um andere Spieler zu gängeln, oder ob man mit ihnen zusammen den Plot löst. Es ist wie in jedem LARP, nur zählt hier nicht die Anzahl der Con-Tage, sondern die Qualität der Arbeit, die der Spieler vorher investiert hat. Die Vorbereitung der Technik-Bastler ist dabei sicherlich zeitintensiver.

Der Dreh- und Angelpunkt ist jedoch derselbe wie bei jedem Charakterkonzept: Glauben meine Mitspieler das, was ich darstellen möchte? Hier kommen wir abseits des oft zitierten guten Spiels zusätzlich in den Bereich einer perfekten handwerklichen Umsetzung der Gewandungen, Rüstungen, Waffen und alles anderem. Dies ist in diesem Fall gegeben, aber legt gleichzeitig die Messlatte für andere, die in derselben Richtung tätig werden wollen, schon sehr hoch.

Laufdrohne (c)  Aljoscha Cesnik
Laufdrohne (c) Aljoscha Cesnik

Die unendliche Schlacht

Schlachtfelder gibt es viele in unserem Hobby. Aber die härtesten und blutigsten Kämpfe, in denen unversöhnliche Krieger ihre felsenfest gemauerten Glaubensgrundsätze verteidigen, wo weiße Ritter gegen Trolle kämpfen, und flammende Reden die Spieler zum Toben bringen, finden nicht auf Conventions statt. Es ist der Kriegsschauplatz der Foren und asozialen Netzwerke, um den es hier geht: Das Internet.

Nichts hat derart grundlegend Einfluss auf unser Hobby LARP genommen wie die Bits und Bytes, die die Welt zu einem wesentlich kleineren Ort gemacht haben. Die extreme Verbreitung und Expansion angeblich sozialer Netzwerke wie Facebook und dem Larper.Ning haben Plattformen geschaffen, auf denen der Hobbyist sich mit anderen austauschen kann. Und das Austauschen ist in vollem Gange. Von Anregungen bis Beleidigungen, von ganzen Online-Bibliotheken bis zur Verleumdung mit nachträglichem Gerichtstermin, es ist alles vertreten. Noch nie war die LARP-Community (falls es überhaupt einmal die Community gab) derartig zerstritten. Das Hobby spaltet sich in die verschiedensten Lager, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. Für jeden ist eine Fraktion dabei, der man sich anschließen, und mindestens eine, die man hassen kann. Ob man als „Anything goes“-Vertreter auch fette Elfen und 2-Meter-Zwerge akzeptiert, ob man nur historisch halbwegs schlüssige Gewandungen sehen möchte, ob einem Warhammer über alles geht, oder der Kampf erst mit zwei dicken Streithämmern in den Händen als episch empfunden wird, jeder findet sein Fleckchen. Dieses wird verteidigt bis über den letzten Flamewar und Shitstorm hinaus.

Auf der anderen Seite war es noch nie so einfach, Gleichgesinnte zu finden, Vorlagen in die Hand zu bekommen oder Hersteller und Verkäufer von LARP-Zubehör zu finden – und sich natürlich über das Gekaufte auszutauschen, Rückmeldungen zu geben, Ideen zu klau… ähm… sich „Anregungen“ zu holen und so weiter und so fort. Wenn man andere Spieler früher meist im kleinen, eigenen Umfeld fand und persönlich kannte, ist es heute meist so, dass der erste Kontakt über das Internet geknüpft wird. Auch Anfänger finden hier die ersten Foren und Gruppen, wenn sie sich interessiert diesem Hobby annähern. Dass sie mitten in ihre erste Endschlacht gestolpert sind merken sie meist erst, wenn das erste Gewandungsfoto mit Lederjeans, Mittelalterhemd und Trinkhorn nebst Hörnerhelm stolz hochgeladen wurde.

Auch hier liegt Schönes neben Hässlichem, man findet unglaublich aufwendige und fantasievolle Gewandungen, die manche in Wochen und monatelanger Kleinarbeit zusammenzaubern. Aber ebenso gibt es dort vernichtende, abwertende, höhnische Kritiker, die sich in der Pseudo-Anonymität des Internets auf eine Weise präsentieren, die sie Auge in Auge oftmals mit einer blutigen Nase bezahlen würden. Computer sind für uns heutzutage derart selbstverständlich geworden, dass wir sie nicht mehr als Hightech empfinden. Doch gerade hier liegt offensichtlich das größte Potential LARP zu fördern und zu verändern. Jeder von uns schreibt hier an der LARP-Geschichte mit, mit jedem Klick und jedem „Like“.

Quo vadis

Egal in welchen Bereich unseres Lebens wir auch schauen, der Technologie-Level wird zunehmend immer größer. Computer, Smartphones, flächendeckendes Internet, neue Werkstoffe und Bearbeitungsmethoden bis hin zum 3D-Drucker, alles unterliegt einer ständigen Veränderung. So waren am Anfang des LARP noch mit Silberlack besprühte Strickpullover ausreichend, um ein Kettenhemd zu simulieren. Wenn es heute nicht ein gehärtetes, vernietetes Flachring-Gewebe-Kettenhemd ist, wird man teilweise schon mitleidig belächelt. Und so ist es nur logisch, dass die Texte, die zu Beginn unseres Hobbys noch liebevoll einzeln mit einer Feder auf Pergament abgeschrieben wurden, heute teilweise aus dem Laserdrucker kommen.

Sicherlich wird es immer auch diejenigen geben, die bei den alten, als „authentisch“ angesehenen Techniken bleiben. Das Gleiche gilt für Rüstungen, die inzwischen sowohl in hervorragender Schmiedetechnik maßgeschneidert angefertigt werden können als auch andererseits aus einer Spritzgussform oder vielleicht schon bald aus dem 3D-Drucker kommen. Rein optisch werden diese verschiedenen Verfahren Ergebnisse liefern, die immer näher an Film- und Spielvorlagen herankommen. Der gewaltige Unterschied wird im Preis und im Gewicht der jeweiligen Gewandungen liegen. Die momentanen Verwerfungen, die die ersten GFK-Rüstungen hervorgerufen haben, lassen nur zu, dass man sie liebt oder hasst. Unbeteiligt sind hier nur die Wenigsten und die Argumente stehen sich derartig diametral gegenüber, dass eine Annäherung noch in weiter Zukunft liegt, so sie denn überhaupt stattfinden wird.

Alle Hobbys, die Zubehör oder Gerätschaften benötigen um ausgeübt zu werden, können sich der weiteren Entwicklung in Herstellungsverfahren und der Materialtechnologie nicht verschließen. Ob es um Tennis- und Golfschläger, Skifahren, Mountainbiking oder LARP geht, zumindest in der Anfertigung der nötigen Hardware werden die technologischen Entwicklungen in einem immer höheren Maß Einfluss nehmen. Ob es möglich sein wird, diese Entwicklung an der Grenze zum eigentlichen Spiel zu stoppen, wird nicht nur an den Orgas, sondern auch und vor allem an der Spielerschaft liegen. Hightech kann spielfördernd sein, wenn es darum geht, Fähigkeiten und Ereignisse zu zeigen, die bisher nur im Film umsetzbar waren wie zum Beispiel Magie oder sprechende Steine. Auf der anderen Seite besteht aber auch immer das Risiko ins Powergaming abzurutschen, sei es durch elektronische Bibliotheken, perfekte Rüstungen oder übermächtige Waffen. Die Technologien um all dies und noch mehr glaubhaft darzustellen existieren bereits, oder sind auf dem besten Weg, im Alltag Fuß zu fassen. Verändern werden sie LARP auf jeden Fall. In welchem Maß und in welcher Richtung – das liegt an uns allen.

Damastmesser (c) Sander-Propworx
Damastmesser (c) Sander-Propworx

Fazit

Hightech wird, ohne dass wir es unbedingt als solches wahrnehmen, immer mehr ein Bestandteil unseres Lebens. Computer, Smartphones, Internet, Kommunikation und Materialwissenschaften nehmen Einfluss auf nahezu alle Bereiche unserer Existenz. Dazu gehören auch die Bereiche der Hobbys, wie zum Beispiel LARP.

Inwiefern die verschiedenen Facetten unseres Hobbys vom Hightech berührt und verändert werden, haben die aufgeführten Beispiele gezeigt. Wie bei jeder Weiterentwicklung gibt es hier sowohl Chancen als auch Risiken. Auch bleibt die Frage, ob es sich nun um einen Fluch oder Segen handelt, wenn die momentan eingeschlagenen Entwicklungsrichtungen beibehalten werden.

Artikelbilder: Sofern nicht genannt, Michael Sierig

 

5 Kommentare

  1. Ein wirklich geiler Artikel! Es gibt wirklich krasses Zeug da draussen und ich staune immer wieder, was so manch einer, der handwerklich begabt ist da so zaubert. Danke für diesen Artikel.

  2. Hallo Ruben.
    Gern geschehen, ich habe es leider nur geschafft an der Oberfläche des Themas zu kratzen.
    Man könnte über diese Technologien ganze Bücher schreiben.
    Und ich hoffe das die Entwicklung noch viel weiter geht.
    Grüße;
    Michael

  3. Hallo!

    Es freut mich, in diesem Artikel etwas über das Technologie- und Plotwettrüsten auf der STALKER Con zu lesen, immerhin ist diese seit inzwischen fast 10 Jahren laufende Con-Reihe der Kern unserer Orga-Tätigkeit. Leioder ist es aber nicht ganz so, wie in Artikel dargestellt: Das erstmalige Auftauchen von Schenker Privatmilitär hatte keine Grossen Auswirkungen auf den Plot, da das Technologielevel da noch dem Durchschnitt entsprach und wir dank Gesprächen mit den Leuten auf die Tendenz der Entwicklung durchaus vorbereitet waren. Das Wettrüsten ist hingegen inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem wir als Orga mit den Spielern kaum noch mithalten können. Die durchschnittliche Spielerausstattung bei der STALKER CON hat einen Wert von mehreren Tausend Euro und das meiste davon ist Technik, die nicht eben mal selbst gebastelt werden kann. Da ist es nachvollziehbar, dass wir als Orga Probleme haben, den Plot und die Herausforderungen so zu gestalten, dass sie die Spieler überhaupt noch fordern und nicht eben mal mit links zu erledigen sind. Dass auch von NSC und Location eine entsprechende Ausstattung erwartet wird, die konsequenterweise das Budget sprengen würde, macht die Sache nicht einfacher.
    Wir haben inzwischen begonnen, die Plots so auszurichten, dass es auf die Technik nicht unbedingt mehr ankommt und setzen inzwischen zunehmend Magie gegen Technologie, was ursprünglich so nicht vorgesehen war.
    Wir befinden uns also in einem ähnlichen Dilemma wie LiveAdventures mit Mythodea und haben auf Dauer auch nur die wenige Optionen.
    Ideen zur Lösung dieser Schwierigkeit sind übrigens immer wilkommen.

    mfg, Andy von der Grimwald-Orga

    • Hallo an das Orga-Team.
      Danke für diesen Einblick der anderen Seite. Ich hatte für den Artikel nur die Problematik aus Spielersicht beleuchtet.
      Ich kann verstehen, das man als Orga, wenn man EXTREM motivierten Spielern gegenüber steht, schnell in Zugzwang gerät.
      Sicher ist Magie einfacher (und mit weniger Arbeitsaufwand) darzustellen als High-Tech.
      Aber einen Ausweg aus diesem Dilemma sehe ich bei dem was dort aufgefahren wird so spontan auch nicht.

      Ich würde mich aber freuen nochmal mit Euch Rücksprache halten zu können.
      Bis bald hoffentlich;
      Michael

  4. Also, ersteinmal ein Lob an den Verfasser dieses umfangreichen Artikels. Ich finde das Thema ist gut ausgesucht und Teilzeithelden erweist wieder mal Qualitaet!
    Ich denke dass Technik sehr stark zum Ambiente auf dem Larp beitragen kann und bin der Meinung, dass Nebelmaschinen, Soundeffekte, usw vor einigen Jahren verbreiteter als sie es jetzt sind, was ich eigtl ein wenig schade finde. Letzlich aber hat Technik – wie ganz viele Sachen – meiner Meinung auch Nachteile… es kommt meiner Meinung einfach auf die Menge des Technikeinsatzes an, denn bei mir ist immer einer der besten Momente…. HANDY AUS… Ein wenig Technik als Ergaenzung halte ich fuer eine gute Sache, aber das darf nicht das Ambiente negativ beeinflussen… ! Ich beziehe mich auch eher auf Fantasy-Larp….

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