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Skydiving mit 85? Parkour mit 78? Es gibt Hobbys, die unterliegen in meinen Augen ganz klar einer Altersgrenze – nicht, weil man nicht mehr wollte, sondern weil man einfach nicht mehr kann. Meist macht einem da die Konstitution einen Strich durch die Rechnung. Rollenspiel hat für mich bisher zu den Hobbys gezählt, die man auch noch betreiben kann, wenn man in Würde ergraut seinen Lebensabend genießt. Doch es gibt scheinbar Leute, die fühlen sich schon mit Mitte 30 zu alt fürs Rollenspiel. So passiert während eines netten Abends bei gutem Essen und Klönschnack mit Freunden.

Die Bombe platzte als das besagte Pärchen meinte, sie hätten jetzt mit Onlinespielen aufgehört und Rollenspiel wollten sie jetzt auch nicht mehr spielen. Irritiertes Geblinzel auf der anderen Seite des Tisches. „Ähh…ja. Ok. Warum denn? Was ist passiert?“ „Nichts ist passiert. Wir finden nur sowas macht man in unserem Alter nicht mehr“. Ungläubiges Schweigen auf der anderen Seite, Nudeln verharren ungegessen auf ihrem Weg zum Mund, das Ticken der Wanduhr ist ohrenbetäubend, irgendwo heult ein Hund und klagt über die Ungerechtigkeit dieser Welt. „Wieso in unserem Alter? Seit wann gibt es für Rollenspiel eine Altersgrenze?“ „Wir sind jetzt halt älter und erwachsener. Rollenspiel und der ganze Kram ist doch eher was für Teenies…“

So ging das Gespräch noch eine ganze Weile hin und her. Fassungslose Ungläubigkeit auf der einen, erwachsene Überzeugung auf der anderen Seite. Ich fragte mich, wieso die beiden plötzlich etwas aufgaben, was ihnen bisher immer Spaß bereitet hat. Das Altersargument war für mich wenig überzeugend. Ich warf einen verstohlenen Blick in die Runde und sah den anderen an, dass sie sich vermutlich grade das Gleiche fragten: Waren wir weniger erwachsen, weil wir SOWAS immer noch mit Herzblut praktizieren? Waren wir Kinder, die nicht erwachsen werden wollten? Oder war das alles Quatsch? Gibt es überhaupt eine Altersgrenze fürs Rollenspiel?

Was tut man in unserem Alter?

Diesen Abend hatte ich schnell aus meinem Gedächtnis verdrängt und erst vor Kurzem fiel mir das Erlebte wieder ein, als ich Markus‘ Artikel zum Thema Rollenspiel mit Kindern las, denn eine Altersgrenze gibt es: zu jung. Wenn sich ein Kind noch nicht äußern kann oder man als Eltern das Gefühl hat, der Sprössling kann damit noch nicht umgehen, ist er oder sie definitiv zu jung. Dann kann man vorerst getrost bei Drachengeschichten zum Einschlafen bleiben.

Älter und erwachsener empfand ich im o.g. Kontext mehr wie ein Vorwurf: werdet gefälligst seriös und beschäftigt euch mit Dingen, die man in eurem Alter tun sollte. Aber was tut man denn „in unserem Alter“? Mir ist nichts eingefallen, was ausnahmslos nur eine bestimmte Altersgruppe für sich beanspruchen kann. Briefmarken sammeln? Modellautos basteln? Die größte Barbiepuppensammlung gehört zwar einer Frau, aber die ist keine 12 mehr.

Ich habe mich bis zu dem Zeitpunkt nie gefragt, ob es Hobbys gibt, für die man zu alt sein kann oder deren Ausübung im fortgeschrittenen Alter unseriös ist. Wie eingangs erwähnt gibt es sicherlich einige Hobbys, wo einem der eigenen Körper im Weg steht, aber sollte es noch einen 85-jährigen geben, der gerne Parkour läuft, dann soll er das doch tun. Hält auf jeden Fall fit! Ich finde die Aussage „sowas tut man in dem Alter nicht“ auch eher engstirnig.

Rollenspiel ist glücklicherweise etwas, für das man relativ wenig benötigt. Eine schwere Ausrüstung, die man schleppen müsste steht der Ausübung also schonmal nicht im Weg (es sei denn, man nimmt seine Regelwerke und Quellenbücher immer mit, da wird’s dann schwierig). Die eigene Phantasie, ein paar Freunde und ein paar Würfel. Klar, auch da sind bei der Ausrüstung die Grenzen nach oben offen (ich denke da nur an Landkarten, die mittels Beamer an die Wand geworfen werden), aber im Grunde war es das. Weder die Statur, das Geschlecht, das Aussehen noch das Können sind von Bedeutung. Da sollte es das Alter doch auch nicht sein, oder?

Jeder Mensch verfügt über Phantasie, die einen mehr, die einen weniger. Die eigene Phantasie zu nutzen hält jung. Ob man sie jetzt dafür nutzt, großartige Bilder auf Leinwand zu bannen oder eine geile Geschichte für den nächsten Rollenspielabend vorzubereiten – man fühlt sich einfach großartig dabei. So geht es mir an jedem Abend, den ich mit Rollenspiel verbringe oder meine grauen Zellen auf andere Art kreativ beanspruche.

Die Nutzung und das Ausleben der eigenen Phantasie sollte keiner Altersregel unterliegen (eigentlich sollte sie keinen Regeln unterliegen, kriminelle oder fragwürdige Aktivitäten einmal außen vor) und manchmal frage ich mich, ob die Kritiker bzw. die Verfechter dieses „Du-bist-zu-alt-dafür“-Vorurteils einfach nur nicht wissen, wie sie ihre Phantasie nutzen? Oder ob sie es mit dem Erwachsen werden wieder verlernt haben? Kinder verfügen über einen riesigen Schatz an Phantasie – da wird ein Stein zu einem schlafenden Troll und in jedem Busch könnte ein Räuber oder Drache lauern. Ich denke, einige haben sich diesen Schatz bis ins hohe Alter bewahrt, bei anderen ist er mit der Zeit immer kleiner geworden. Wenn die Phantasie nicht genutzt wird, verkümmert sie. Wir werden alle mit dem gleichen Startkapital Kreativität geboren.

Ich für meinen Teil kann nur sagen: Es gibt kein „zu alt fürs Rollenspiel“. Das wäre ja so als würde man sagen „Ich bin zu alt für die Phantasie“. Der Tag, an dem ich zu alt dafür bin ist der Tag meiner Beerdigung. Nutzt eure Phantasie! Zeichnet, schreibt, sammelt, bastelt, spielt! Lasst nicht zu, dass euer Schatz immer kleiner wird! Zeigt anderen, wie sie ihre Phantasie nutzen!

Wenn ich irgendwann einmal den Weg gehe, den alle Helden gehen müssen, soll auf meinem Grabstein stehen: „Hier liegt Annika, Herrscherin über die W10, Königin des Gefasels und begeisterte Anhängerin der Phantasie“. Das würde auf jeden Fall für den ein oder anderen Schmunzler sorgen. Als Grabbeigabe hätte ich dann gerne meine Würfel – sonst kann ich auf der anderen Seite ja schlecht zocken, denn wenn meine Mitspieler im Jenseits zur abergläubischen Sorte der Rollenspieler zählen, lassen die mich auch nicht mit ihren Würfeln würfeln.

Artikelbild: fotolia.com © pathdoc

 

24 Kommentare

  1. Ü30? SOFORT alle Comics wegwerfen, nur noch in Arthaus-Movies gehen, in eine Partei eintreten und bei Weinproben und Kunstaustellungen hyperernst dreinschauen. *kotz. thx für diesen Artikel!

  2. Schöner Beitrag. Ich seh das ganz genauso wie du. Ich hoffe auch, dass meine Rollenspielgruppe dann irgendwann noch im Altersheim zusammenhockt und Abenteuer erlebt ;)

    Der älteste Mitspieler aus meiner einen Runde – sehr aktiv dabei und als Organisator der verschiedenen Runden sozuagen der Kern der Runde – geht auf die 60 zu. Ist immer beruhigend zu sehen, dass man nicht automatisch langweilig werden muss, nur weil man älter wird.

    Klar können sich die Prioritäten verschieben. Vielleicht hat man irgendwann andere Hobbies, die einem so viel Spaß machen, dass man das Rollenspiel dann hinten anstellt. Aber aufhören, weil man zu alt ist? Mit Mitte 30?? Das ist einfach … wrong on so many levels.

    • Vielleicht sollten wir in 50 Jahren nochmal Adressen austauschen. Wenn wir in unseren „Altenheimen“ niemanden finden, der mit uns zockt, können wir uns zuammentun :) Aber ja, das ganze hörte und fühlte sich so falsch an dass ich mich gewundert habe, dass die Realität um mich herum nicht „Plopp“ gemacht hat…

  3. Was das angesprochene Pärchen vermutlich nicht ahnt ist, dass sie mit ihrem Beschluss nun „Erwachsen“ zu sein in ein permanentes Liverollenspiel eingetreten sind, bei dem es darum geht so zu tun, als seien sie von nun jemand anders. BTW… seit ich und die meisten meiner Mitspieler die magische 30 überschritten haben, ist unser Rollenspiel eigentlich erst von der Qualität, wie ich es mir immer erträumt habe.

  4. Dazu fällt mir nur ein, dass ein Freund meines Mannes in seiner Zivizeit das Experiment machte und seinen Zivi im Altenheim. Er machte also einige Rentner mit dem Thema Pen & Paper vertraut und begann eine Runde mit ihnen.
    Seither wissen wir, alte Leute haben es faustdick hinter den Ohren, nur eben nicht mehr die körperliche Verfassung die ganzen Flausen, die sie im Kopf haben, um zu setzen.

    Im Gegenteil, das wirkte befreiend und alle hatten Spaß. Dafür ist man nie zu alt!

    Ausserdem war meine Mutter mit ca. 60 auf ihrem ersten LARP und hatte Spaß! Man muss eben nur das richtige Setting finden.

    • Das ist ja ne schöne Idee gewesen von Deinem Mann :) War ja klar dass es die alte Generation faustdick hinter den Ohren hat. Super Sache. Vielleicht sind Altenheime ein neuer Ort um Rollenspiele den Menschen näher zu bringen? Wirkt ja offensichtlich wie ein Jungbrunnen.

  5. Meine Frau hat mich letztens, als wir (ich Anfang 30, sie wird in Kürze 30) unser erstes (!) Auto gekauft haben, völlig entsetzt angeschaut mit den Worten „Ich fühl mich so erwachsen“ *g*
    Danach haben wir Anno gezockt und unsere nächste RP-Runde besprochen.

    Man wird vielleicht erwachsen, aber man muss deswegen nicht spießig werden.
    Und schon gar nicht aus irgendwelchen eingebildeten gesellschaftlichen Konventionen heraus aufgeben, woran man Spaß hat.
    Die Menschen, die das tun, sind meist schnell unglücklich.

    Rettet das innere Kind! Widerstand gegen die Autumn People!

    • Hut ab! Das erste Auto mit 30 ist ne reife Leistung, ich bewundere Deine Nervenstärke, die so lange beim Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel gehalten hat :)

      Das ist ein guter Satz, den Du da sagst: erwachsen werden muss nicht spießig werden bedeuten und ich könnte mir vorstellen, dass die beiden im Artikel genannten Personen mittlerweile kreuzunglücklich sind. Ich hab sie noch nicht wieder gesprochen.
      *schwenkt die Widerstandsfahne*

  6. UDMVDG: Es gibt einfach Menschen, die „erwachsen“ mit „versteinert“ verwechseln. Personal Disclaimer. Ich marschiere stramm auf die fündzig und bin Rollo der 2. Generation seit 1978, SL seit 1984.

    • Ja, ich glaub auch, dass erwachsen für viele was anderes bedeutet, obwohl es erstmal nur etwas über den eigenen Zustand aussagt (man ist quasi aus dem Jugendalter „erwachsen“). Dass Du mit fast 50 immer noch zockst find ich gut und dient hier ja gut als Untermauerung meiner These :)

    • Mit mitte 20?! Mei, da waren die aber früh dabei. Schön, dass Dir meine Ausführung gefallen hat. Komm in den Widerstand :) *schwenkt wieder die Widerstandsflagge* (s. Kommentar weiter oben)

  7. Danke, Annika. Das hat mein Herz – welches dieses Jahr auf die große 5 0 trifft – sehr erfreut.
    Mein erster Spielabend erlebte ich im Jahr 1981, d. h. ich blicke nun auf – mit Unterbrechungen – über drei Jahrzehnte Fantasy Rollenspiel. Ich kann sagen dass ich heute wieder begeistert dabei bin – ganz entschieden so, sogar. Als ich vor etwa zehn Jahren meine alte Bücher entstaubte, ansah und daran dachte das Hobby wieder anzufangen, war da schon diese hässliche STimme die sagte „das ist nicht dein ernst, oder? Du bist doch zu alt dafür! Hast du nicht Wichtigeres zu tun? Das ist doch Zeitverschwendung!…“ Ich überlegte einen Moment lang, dachte an die Anfangszeit und so viele mit Mitspielern verbrachte Spielabende mehr und kam zum Entschluss: Doch, ich spiele wieder! Denn ich erkannte zum ersten Mal etwas mehr: zusammen zu spielen und fantasieren ist nicht bloß spaßiger Zeitvertreib. Darin steckt etwas wichtiges, ja essenzielles. Dieses Etwas zelebrieren Kinder ganz natürlich, ohne darüber nachzudenken, aber es ist mindestens genauso wichtig für „Erwachsene“. Jedenfalls geniesse ich das klassische PnP Rollenspiel jetzt so richtig.

    P. S.: Wenn´s mit der Rollenspiel-Rund im Altenheim so weit ist, ruft mich an! ;-)

    • Lieber Hans Jürgen, ich hab mich sehr über Deinen Kommentar gefreut. Dass Du Dich nochmal entschieden hast, auf die „alten Tage“ Deine Rollenspielkarriere fortzusetzen find ich klasse. Viele hätten die Bücher vermutlich im Schrank gelassen. Diese Stimmen im Kopf sind ganz hinterlistig, ich kenne sie, denn sie flüstern mir manchmal auch so komische Dinge zu. Ich ignoriere sie dann auch meist :)

  8. Klares Nein ist meine Antwort. Ich schwenk gerne die Wiederstandsflagge mit Dir, bin durch Zufall auf diese schöne Seite gestossen.
    Bei meinen Bekannten gab es dieses Thema auch. Ich lebe mein Leben wie es mir düngt, habe sie nie wieder Besucht und der Kontakt ist über 10 Jahre schon abgebrochen. Scher dich nicht um sie.
    Auch mit meinen 43 Jahren spiele ich immer noch gern, auch die Online- Zocks, wenn es meine Freizeit mal zulässt. Meine Kinder (10m+12j) sind gern mit auf Mittelaltermärkten etc. da kam das Interesse vor kurzem von ganz alleine. Playsi/PC mögen die zwei zwar auch, machen aber lieber die Nachbarschaft unsicher, da wo Kinder hingehören zum “lernen und erwachsenwerden“.Unbeaufsichtigt in Ihrer natürlichen Umgebung. Wir haben keine Sportgeräte im Garten stehen, es gibt genug Bäume und Sträucher wo sie sich austoben. Wie der Strassenverkehr funktioniert wissen sie auch, nee da habe ich nicht mitgemacht als viele Eltern sie gefahren haben. Aber sie melden sich telefonisch nachmittags alle zwei Stunden. Keine Handys. Meine beiden Soldaten ;) Ich schweife ab, sry.

    Oh weh mir ich dürfte keine Spiele mehr spielen… hoffe Dein “besagtes Pärchen“ haben keine Kinder in die Welt gesetzt … die sind ja dann total aufgeschmissen…arme Kinder so ganz ohne die einfachen Brettspiele auskommen zu müssen. Und in den KiGa dürften die dann ja schon gar nicht gehen… direkt an den Bundestag am besten anmelden. Weil da die meisten Flausen herrschen… das grosse Kasperle-Theater.

    Alter spült fort Geistes Glut, wie’s Kraft de Glieder bannt;
    Und Lebens-Zauberbecher funkelt nur am Rand.
    Quelle: Lord George Gordon Noel Byron

    Sieh es mir nach dass meine E-Mail-Addie nicht korreckt ist *Benutzt im Social-Medial-Strudel den Rumburak-Mantel aus der TV-Serie Prinzessin Arabella, dreht am glitzernden Fingerring und reist weiter*
    Achneee, das heisst ja jetzt surfen…verdammt :)

  9. Ich habe schon einen Ort für eine Rollenspieler-Alters-WG: Wie wäre es mit dem schönen Kaff Nerdlen? Ich finde, das hört sich nach einem Altersruhesitz an, der nach meinem Geschmack ist. Liegt irgendwo mitten in der Eifel. Aber ist auch egal, wo es liegt, denn es heißt Nerdlen und alles andere erledigt eh unsere Phantasie. ;)

  10. Ich habe mit 51 Jahren mein erstes LARP mitgemacht. Als NSC. Vorher bin ich aus verschiedenen Gründen nie dazu gekommen. (Keine Zeit, kein Geld, zu krank etc.) Ich wurde supernett aufgenommen, man hatte endlos Geduld mit mir und trotzdem alle sehr ausgelastet waren, hat man mich immer unterstützt. Klar, ich kann körperlich nicht mehr so mithalten und komme schneller an meine Grenzen (Nächte durchmachen geht nicht mehr bei wenig Schlaf) und die Rolle muss schon zum Alter passen, aber insgesamt konnte ich mich gut integrieren. Alle, die sich wegen des Älterwerdens Sorgen machen: Ihr verändert euch nur äußerlich. Das, was eure Persönlichkeit ausmacht und typisch für euch ist, das bleibt. Man wird gelassener und geduldiger, weil man lernt, vieles auszuhalten. Aber ihr als Person, ihr fühlt euch nicht alt. Ihr merkt an eurer Umgebung, dass ihr älter werdet, aber ihr selber innerlich, ihr bleibt maximal 30 Jahre alt! :-) Man muss mehr auf seine Gesundheit achten, der Körper will gut behandelt werden. Aber sonst – lasst euch nicht davon abhalten, ein LARP zu probieren oder weiter mitzumachen. Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht! Eine Erfahrung, die jeder mindestens einmal in seinem Leben gemacht haben sollte. :-)

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