Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

„Der Feind deines Feindes ist dein Freund …“, heißt es einleitend auf dem Rückklappentext. Damit läutet CONTACT-Autor Robert Hamberger das im Sommer 2014 erschiene Abenteuer Projekt Oberon ein, bei dem es um eine klassische Alien-Geschichte in einer nordamerikanischen Kleinstadt geht.

Das Abenteuer vom Uhrwerk-Verlag ist als gedrucktes oder auch digitales Exemplar verfügbar. Für diese Rezension lag mir das gedruckte Werk vor.

Wie bei jeder Abenteuerrezension, wird es nicht ausbleiben, auf den Inhalt einzugehen. Daher sei es Spielern angeraten, nicht weiterzulesen, so sie das Abenteuer noch spielen wollen.

Der Inhalt

Das Abenteuer umfasst etwa 40 Seiten, wobei die reine Beschreibung der Ereignisse nur etwa die Hälfte dessen einnimmt.

Die Vorgeschichte

In der Welt von CONTACT tummeln sich eine Vielzahl verschiedener Aliens auf der Erde und OMEGA, wie auch andere Organisationen, hat ihre liebe Mühe dabei, die Erdbevölkerung vor den Außerirdischen zu beschützen. Bei ihnen handelt es sich aber keineswegs um eine Gruppe von untereinander verbündeten Spezies. Die aus dem Grundregelwerk und der Einstiegskampagne bekannten Plünderer haben sich beispielsweise auch in anderen Teilen der Galaxis bereits Feinde gemacht – die Overlords, deren Heimatplaneten Asgard durch den Krieg gegen die Plünderer unbewohnbar wurde. Sie sind auf Vergeltung aus und wie es der Zufall so will, findet eines der Gefechte zwischen Overlords und Plünderern im Orbit der Erde statt. Dabei stürzt ein Kämpfer der Overlords mit dem feindlichen Schiff auf die Erde und bringt damit das Leben einiger Nordamerikaner durcheinander. Und leitet das Abenteuerszenario ein.

Innerhalb kürzester Zeit ist das wirtschaftlich angeschlagene Örtchen Broken Bow (Nebraska, nicht Oklahoma) militärisch von der Außenwelt abgeriegelt, während Militärs, CIA und OMEGA dort nach einem Außerirdischen suchen.

Die wichtigsten Nebendarsteller der Geschichte sind dabei ein Kind und ein etwa hauskatzengroßes Wesen. Letzteres wirkt wie ein lebendiges Plüschtier und hat scheinbar nichts mit der Kampfmaschine gemein, zu der es in Verbindung mit seinem Kampfanzug werden kann. Dieser wurde schwer beschädigt und bereits vor Eintreffen der OMEGA-Helden vom Militär der USA sichergestellt.

Und während sich die Helden um die Ereignisse in Broken Bow kümmern, ist ein weiteres Team damit beschäftigt, das in der Nähe gelandete Schiff der Plünderer näher zu inspizieren, was im weiteren Verlauf Einfluss auf die Ereignisse in Broken Bow haben wird.

Herausforderungen

Die Aufgaben und Herausforderungen für die Helden der Geschichte sind vielseitig. Zum einen müssen sie von außen in die abgeriegelte Stadt, was ihnen das Militär und allen voran eine Zeitbombe namens Major Blackburn schwermachen werden. Sind die Helden erst mal in der Stadt, müssen sie sich bedeckt halten, während sie die Lage sondieren. Dabei gilt es vor allem, den Außerirdischen vor dem Militär und vor dem Mob zu finden – letzterer bildet sich unweigerlich nach einiger Zeit, wenn die Zivilisten Wind von dem Hintergrund der militärischen Operation bekommen.

Zu allem Übel hat auch das Mutterschiff der Overlords davon Wind bekommen, dass der junge Krieger überlebt hat und schickt einen Suchtrupp aus. Die Helden stehen also zwischen Mob und Militär und dem schießwütigen Rettungstrupp und sollten sich beeilen, wenn sie den Besucher als erstes finden wollen. Je nach Entwicklung der Ereignisse in Broken Bow und abhängig vom Fingerspitzengefühl der Spieler (oder ihrer Charaktere) finden sie am Ende in den Overlords einen neuen Verbündeten oder einen neuen Feind.

Wie schon bei ATS-X 51 liegt die größte Herausforderung hier allerdings bei dem Spielleiter. Es ist seine Aufgabe, aus dem beschriebenen Szenario ein spannendes Abenteuer zu machen, das es ja sein will.

Der Aufbau

Das Abenteuer beschreibt nach der groben Einleitung erst mal das Örtchen Broken Bow des Jahres 2053, dem der echte Ort Pate stand. Es gibt eine Karte und es werden einige für das Abenteuer relevante Einrichtungen beschrieben.

Danach wird der Aufhänger für die OMGEA-Charaktere dargestellt und die Abenteuerereignisse in vier Kapiteln beschrieben. Die beschriebenen Ereignismodule werden dabei in „erforderlich“ und „optional“ unterteilt und beschreiben jeweils eine mögliche Szene, in der sich die Charaktere aufgrund ihrer Handlungen wiederfinden („Dieses Ereignismodul wird gespielt, wenn das Team der Spielercharaktere …“). Das erste Kapitel beschreibt dabei das Eindringen in die Stadt und mögliche Begegnungen im Ort. Der Spielleiter soll das zweite Kapitel einleiten, sobald die Spielercharaktere ausreichend Hinweise zu den Hintergründen der Ereignisse haben – dann spitzt sich die Lage dramatisch zu. Im dritten Kapitel geht es um den Erstkontakt zwischen Menschen und Overlords und die direkten Folgen dessen und im vierten und letzten Kapitel werden die Helden aus Broken Bow von OMEGA zu einem Gefecht mit dem in einem nahen Canyon versteckten Schiff der Plünderer gerufen. Mit etwas Glück unterstützt von den Overlords.

Im Kapitel „Tipps zur Spielleitung“ werden dem Spielleiter ein paar Ideen an die Hand gegeben, mit denen er die unterschiedlichen Parteien, Motive und Situationen in dem Abenteuer nutzen, und wie er Lösungsansätze für die Charaktere schaffen kann. Es wird allerdings auch deutlich darauf hingewiesen, dass der Spielleiter die Dinge nicht allzu sehr verbiegen möge. Wenn es die Charaktere zum Beispiel geradewegs darauf anlegen, sich die Overlords zum Feind zu machen, dann soll es auch so sein. Die darauf folgende Auslöschung der OMEGA-Basis der Helden sei eine durchaus angemessene Reaktion darauf.

Bei manch anderen Abenteuern wäre die eigentliche Abenteuerbeschreibung nun zu Ende und das, was bei Projekt Oberon etwa die zweite Hälfte des Heftes ausmacht, der Anhang. Denn es folgt eine Beschreibung der Overlords, die in Sachen Ausführlichkeit mit der Alien-Beschreibung im Grundregelwerk mithalten kann. Danach werden die weiteren NSC des Abenteuers beschrieben, wobei es jeweils einen Absatz mit genereller Beschreibung, Hintergrundmotivation und dem Zweck der Figur gibt.

Zuletzt wird der Endkampf gegen die Plünderer beschrieben, zu dem es nur ein minimales Skript, allerdings eine ausführliche Karte mit Legende und Zufallstabellen gibt.

Projekt Oberon - Blick ins Buch
Projekt Oberon – Blick ins Buch

Vorbereitung ist alles

Wie schon beschrieben, ist die wesentliche Herausforderung bei dem Abenteuer die Arbeit des Spielleiters. Das Skript besteht aus einer losen Sammlung von Orten, Personen und Ereignismodulen und der Spielleiter täte meiner Meinung nach gut daran, sich diese Schnipsel separat heraus kopieren oder auszudrucken, um nicht durcheinanderzukommen. Die Szenen in den Ereignismodulen sind immer nur grob beschrieben und weitere relevante Informationen für die Szene verstecken sich entweder in den Orts- oder den Personenbeschreibungen – oder müssen vom Spielleiter der Situation angemessen hinzugesponnen werden.

Trotz der ansonsten lockeren Beschreibung, hat die Handlung durch die Aufteilung in drei Kapitel einen vorgegebenen dramaturgischen Faden, was ich auch für das wichtigste Element bei Projekt Oberon halte. Dennoch könnte ich nicht vorher sagen, ob sich dieses Abenteuer in einer oder mehren Sitzungen durchspielen lassen ließe.

Preis-/Leistungsverhältnis

Wie beschrieben, findet das ganze Szenario auf etwa 40 Seiten Platz. Für diese zahlt man in der Printvariante 12,95 EUR und als PDF 6,95 EUR. Beides sehe ich für eine Reihe von spannenden Spielabenden als angemessen an. Zudem bietet es mit der Beschreibung eines weiteren Alien-Volkes praktisch ein kleines Quellenbuch.

Erscheinungsbild

ProjektOberonDas gedruckte Abenteuer erscheint in einem dünnen DIN-A4-Heft mit farbigem Einband und schwarz-weißem Inhalt. Das Innere ist fast durchgängig zweispaltig gehalten und wie bei anderen CONTACT Publikationen üblich, immer mit leichtem Hintergrund und Zierrand versehen. Der Text ist in kompakte Absätze gegliedert und wird immer wieder von Infoboxen oder Zeichnungen unterbrochen, was das Lesen erleichtert. Die Zeichnungen, wie auch die Umschlagillustration, sind von gewohnt hoher Qualität.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk-Verlag
  • Autor(en): Robert Hamberger
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4 broschiert oder DIN A4 PDF
  • Seitenanzahl: 40
  • ISBN: 978-3-942012-95-9
  • Preis: 12,96 EUR für die Print- und 6,95 EUR für die digitale Variante
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeisters Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Keiner, was eigentlich schade ist. Der Endkampf hat einen deutlichen Dungeoncrawl-Charakter und dafür wäre es passend gewesen, große Karten zum Download zu finden (oder auch mal Vorlagen für selbst zu erstellende Pappfiguren). So bleibt einem nur, die Karten aus dem Heft kopierend zu vergrößern.

Fazit

Beim ersten Lesen fühlte ich mich ein wenig an ATS-X 51 erinnert. Orte, Personen und Ereignisse, die der Spielleiter mit Hilfe der Spieler zu einem lebendigen Abenteuer werden lassen muss. Es ist ein aufwändiges Abenteuerszenario ohne den für CONTACT vielbeschworenen Taktik-Aspekt.

Allerdings gibt es hier einen deutlichen Spannungsbogen, der den Spielleiter an die Hand nimmt und ihn sich damit auf die anderen Bestandteile des Abenteuers konzentrieren lässt. Zudem ist die Anzahl der wichtigen NSC überschaubar und die Hintergründe und Motivationen sind vergleichsweise oberflächlich und dennoch völlig ausreichend, um der Spielrunde lebendige Figuren zu präsentieren. Viele Klischees aus Film und Fernsehen tun ihr Übriges, wie zum Beispiel die Anleihen von William Shakespeares Ein Sommernachtstraum (dem die Figuren Oberon, Titania und Puck entliehen sind). Das große Finale ist dann ein Dungeoncrawl in einem feindlichen Raumschiff mit Gegnern und Schätzen.

Hier zeigt sich, wie ein gutes CONTACT-Abenteuer beschaffen sein muss. Es ist alles dabei und das Finale beendet das Erzählspiel, wo jede Art von OMEGA-Charakter seinen Moment (sein Spotlight) gehabt hat und wendet sich dem Kern des verwendeten Regelsystems „CONTACT Kore“ zu – dem Kampf.

Mit meinen nicht immer glücklichen Versuchen bei einer CONTACT-Kampagne konfrontiert, erklärte mir ein Uhrwerk-Supporter auf der HeinzCon 2015 neulich, wie er eine ausgewogene Runde für dieses Rollenspiel sieht: Wie die Helden bei Stargate SG-1. Eine bunte Mischung aus Militär, Wissenschaft und Aliens. Eigentlich so, wie ich meine Runde aufgebaut hatte, ohne dabei an Stargate zu denken. Und für so eine Runde ist das Abenteuer meiner Meinung nach ideal.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag

 

4 Kommentare

  1. Contact – Das Taktische UFO-Rollenspiel Ist ein echt Super system.
    Der Rollenspiel teil bietet viel freien Platz fürs Rollenspiel und Ausgestalltung der Charaktere, während der Kampf ähnlich frei, oder eher in Manier eines Tabletop abgehandelt werden kann. !

  2. Puuuuh. Eindrücke nach Besprechung:

    1) Also wieder mehr Man in Black als First Encounter Assault Recon? Find ich thematisch zwar besser, ist aber bei dem System wohl am Thema vorbei.
    2) Klingt wie AT-something reizvoll und „klassisch“, erfordert dafür aber nicht dieses Regelkonvolut. Bisher das einzige von drei Abenteuern, das der Systemprämisse entspricht, ist Zug um Zug.
    3) *Noch* ein Alienvolk? Sollte nicht zuerst mal das GRW-Material genutzt werden, bevor ein weiteres Volk mit verwickelter Geschichte eingeführt wird?

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein