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Neill Blomkamps dritter Film spielt wieder in einer Zukunftsvision in Johannesburg. Nach District 9 und Elysium der dritte Ausflug dorthin im dritten Film. Doch nicht mit Aliens oder einer Zweiklassengesellschaft beschäftigt sich Chappie, sondern mit einem Roboter, der lernen muss, mit seinem neu gefundenen Bewusstsein klarzukommen.

Wer jetzt sofort an Klassiker wie Nummer 5 lebt oder Werke wie I, Robot denken muss, liegt leider völlig daneben. Denn statt wie diese auf Humor oder eine intelligente, actiongeladene Science-Fiction Story zu setzen, weiß Chappie nicht so recht, was für ein Film er eigentlich sein will.

Story

Der Film wird in einem Pseudo-Dokumentationsstil eröffnet, der einige Leute zeigt, die sich auf die Entwicklung des Roboters Chappie beziehen. Dann kommt ein Schnitt zu „18 Monate zuvor“. Aber statt dort direkt in die Handlung einzusteigen, erscheint eine Montageszene, die eine Entwicklung dokumentiert, die mindestens viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, brauchen würde. Irgendwann in dieser Montage war es also 18 Monate vor den ersten paar Szenen. Und irgendwann ist dabei auch die Jahreszahl 2016 gefallen. Also in der sehr nahen Zukunft.

Die Gewalt in Johannesburg, Südafrika, hat immer weiter zugenommen und immer wieder kam es zu toten Polizeibeamten. Doch dafür wurde in Form der „Scout“-Roboter der Firma Tetravaal eine Lösung gefunden. Diese verfügen über eine nicht näher klassifizierte KI, jedoch kein Bewusstsein, sind nahezu unzerstörbar, und unterstützen die Polizeibeamten bei ihrer Arbeit, indem sie als mobile Deckung vor ihnen herlaufen und auch selbst auf Angreifer schießen. Hackbar sind sie nicht, da zu jeder Umprogrammierung der sogenannte „Guardkey“ erforderlich ist, der sicher in der Firmenzentrale von Tetravaal verwahrt wird.

Deon Wilson, der Erfinder der Scouts, hat jedoch eine höher entwickelte KI erfunden und will diese in einem defekten Scout testen, was die Firmenleitung in Person von Michelle Bradley mit Verweis auf Versicherungen und Papierkram verweigert. Außerdem gibt es da noch Vincent Moore, einen Ex-Militär und der größte firmeninterne Rivale von Deon. Dieser hat mit dem „Moose“ ein anderes Roboter-Modell entwickelt. Es wird komplett von Menschen gesteuert und ist mit einer Bewaffnung ausgestattet, die für jeden Polizeieinsatz außerhalb der Welt von Judge Dredd lächerlich übertrieben wäre.

Natürlich lässt Deon sich nichts von seiner Chefin sagen und so klaut er kurzerhand einen defekten Scout, der eigentlich verschrottet werden sollte, sowie den Guardkey, um in Heimarbeit seine KI zu testen. Dummerweise wird er mitsamt diesen Dingen von einer Bande Krimineller entführt. Diese Entführer tragen die Namen Ninja, Yolandi und Amerika und zwingen Deon unter Waffengewalt zur Kooperation. So werden sie zu den Erziehern/Eltern des Roboters Chappie, den sie natürlich ganz in ihrem eigenen Sinne erziehen wollen.

Was ganz schön verwirrend und surreal klingt, kommt im Film auch ganz genau so herüber. Warum befindet sich der Guardkey in einem freistehenden Safe mit Sichtfenster, der nur durch einen Gitterkäfig gesichert ist? Warum versucht Moore seinen eindeutig als Militärroboter konzipierten Moose der Polizei zu verkaufen und nicht dem Militär diverser, besser zahlender Staaten als Südafrika? Und was für komische Vögel sind eigentlich die drei Kriminellen, in deren total buntem Unterschlupf ständig diese nervtötende Musik läuft und die offenbar irgendwo jemanden haben, der ihnen alle Nase lang neue lustige T-Shirts druckt?

Und was überhaupt will der Film für eine Art Geschichte sein? Science-Fiction? Eher nicht, denn außer den Robotern und allem, was mit ihnen zu tun hat, gibt es nicht ein einziges Sci-Fi-Element im gesamten Film. Philosophie im Stile von Isaac Asimovs Geschichten über Roboter? Fehlanzeige. Von den drei Robotergesetzen hat in dem Film offenbar nie jemand etwas gehört und auch sonstige philosophische Fragen werden nicht einmal am Rande angeschnitten. Komödie? Nein, Lacher gibt es in dem Film eigentlich überhaupt nicht. Actionfilm? Auch nicht so recht, denn außer ein paar Actionsequenzen gegen Ende, dümpelt der Film über lange Zeit eher vor sich hin. Also bleibt nur eine Geschichte über eine Hand voll völlig durchgeknallter Gestalten, die etwas mit einem denkenden Roboter zu tun hat, der zum Gangster erzogen werden soll. Na toll.

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Darsteller

Dev Patel gibt sich in seiner Rolle als nerdiger Erfinder Deon Williams nicht besonders viel Mühe. Wenig Tiefe hat der Charakter, aber eigentlich auch nicht besonders viele wichtige Szenen. Auch die anderen großen Namen haben zu wenig Zeit, wirklich viel zu zeigen. Sigourney Weaver als Michelle Bradley liefert eine relativ platte Leistung ab, hat aber im Film auch keine Rolle, die mehr hergäbe. Zumindest Hugh Jackman als Vincent Moore merkt man den Spaß an seiner Rolle ein Stück weit an und er hat ein paar Szenen, in denen er glänzen kann.

Die drei eigentlichen Hauptdarsteller des Films sind jedoch Sharlto Copley, der mittels Motion Capturing den Chappie gibt, Ninja und Yolandi. Die beiden letzteren sind übrigens die Namen der Künstler und der Charaktere, die sie spielen. Denn eigentlich sind die beiden gar keine Schauspieler, sondern bilden die Südafrikanische Rap-Rave-Gruppe Die Antwoord. Aha, da kam also diese unsägliche Musik her, mit der uns der Film ständig quält. Und auch ein paar der Shirts sind offenbar mehr Merchandise als alles andere.

Da Chappie über keinerlei Mimik verfügt, blieb Copley nur die Körpersprache zur Darstellung des Roboters. Die gelingt auch ganz passabel und man nimmt ihm die Entwicklung durchaus ab. Ein Highlight in einem sonst sehr düsteren Umfeld. Denn sowohl Ninja als auch Yolandi fallen vor allem dadurch auf, dass sie völlig surreal sind. Als satirische Charaktere in einer Band mag das ja vielleicht Sinn ergeben, aber in diesem Film wirkt es mehr als fehl am Platze.

Inszenierung

Das Motion Capturing der Scouts ist gut gelungen. Und auch das Gefecht mit dem Moose gegen Ende ist ansehnlich inszeniert, wenn auch bisweilen unnötig blutig. Der Rest des Films schwankt zwischen drei Arten von Szenen: Zum einen die Fabrik der Firma Tetravaal, die hinreichend futuristisch wirkt, wenn man mal von den Bürozellen der Programmierer und sonstiger Mitarbeiter absieht. Zweitens sind da die Szenen im Versteck der Kriminellen. Es ist viel zu bunt und sonderbar, um real zu wirken. Und dann sind da noch alle anderen Szenen, die sich an diversen Punkten in der Stadt abspielen und so in eigentlich jede heutige Großstadt passen würden.

Der Name Hans Zimmer steht zwar für die Musik im Abspann, aber in meinem Kopf ist lediglich das Gerappe der Antwoord hängengeblieben, mit dem sich der Film sicherlich keinen Gefallen getan hat.

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Erzählstil

Die Eingangsszene ist sich völlig unklar darüber, wie sie den Film denn nun eigentlich einleiten will. Und damit ist sie bereits ziemlich symptomatisch für dieses Machwerk. Denn auch die restlichen Szenen sind sich in Stil und Richtung nie sicher, was sie sein wollen. Die Perspektiven wechseln zwischen so ziemlich allen handelnden Figuren; wer Identifikationsfigur sein soll, wird nie so richtig klar. Chappie kann es kaum sein, denn all die Lügen, die ihm erzählt werden, damit er so handelt, wie er es tut, kann der Zuschauer sofort durchschauen.

Und die anderen Figuren sind auch alle nicht geeignet. Entweder, weil sie insgesamt zu unwichtig sind (Deon Wilson, Michelle Bradley, Amerika) oder weil sie einfach völlig bescheuert zu sein scheinen (Ninja, Vincent Moore). Im Grunde bleibt nur Yolandi übrig, die Chappie seinen Namen gibt und als seine „Mami“ mit die wichtigste Funktion im Film einnimmt. Aber auch wenn sie nicht ganz so wahnsinnig wie Ninja ist, so ist sie als Identifikationsfigur eigentlich doch zu surreal.

Trailer

YouTube

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Preis-/Leistungsverhältnis

CHAPPIE_Hauptplakat_A3_300dpi_1400Der Film liegt nicht in 3D vor, das senkt den Preis im Kino etwas. Dennoch hätte ich mir für das Geld lieber was anderes angesehen. Oder ich hätte es mir in 1-, 2- und 5-Cent-Münzen auszahlen lassen und diese dann nach Farbe und Größe sortieren können. Das hätte bestimmt ähnlich viel Spaß gemacht, wie diesen Film zu gucken.

Fazit

Ich mag Filme über Roboter und KI. Ich mag sie sogar sehr. Selbst Filme wie Der 200 Jahre Mann, die im Allgemeinen nicht besonders gut angekommen sind, haben einen festen Platz in meinem Regal und in meinem Herzen. Einen solchen wird Chappie aber mit absoluter Sicherheit nicht bekommen.

Der Film versucht nicht einmal, die gesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder philosophischen Ideen zu thematisieren, die diese Thematik eigentlich ermöglichen würde. Stattdessen darf der Zuschauer mit ansehen, wie ein Roboter von zwei surrealen Gestalten zum fluchenden, mit Goldkettchen behangenen Gangster ausgebildet wird. Komplett mit Lehrstunden, wie man am coolsten geht und wie man Leute mit einem Messer „schlafen“ lassen kann.

Und nebenher ist da noch die Story um den Wahnsinnigen Ex-Militär, der hunderte Menschenleben bewusst riskiert, nur um seinen Kampfroboter an eine städtische Polizeieinheit zu verkaufen, statt an die amerikanische Armee oder andere sinnvolle Kunden. Ermöglicht wird das Ganze durch eine Firma, in der es niemanden zu stören scheint, dass er auf der Arbeit ständig mit einer Waffe herumläuft und diese auch schon mal benutzt, um seine Kollegen zu bedrohen. Nicht im stillen Kämmerlein, sondern vor den Augen vieler anderer Kollegen. Aber war ja nicht so schlimm, war ja nicht geladen.

Diese komplette Figur ist nur eines von vielen, vielen riesigen Logiklöchern, ohne die die Handlung des Filmes nicht funktionieren würde. Oder, mit anderen Worten: Eigentlich funktioniert die komplette Story nicht und muss daher stets durch weitere sonderbare Dinge verbogen werden, damit sie weitergehen kann.

Ganz am Ende befindet sich die Welt des Films dann endlich in einer Situation, die interessant wäre. Hier könnte ein ernsthafter Film über die Implikationen der soeben eingeführten Technologie beginnen. Leider erscheint in just dem Moment, wo es interessant zu werden droht, der Abspann und man muss einmal mehr den Stimmen von Antwoord lauschen. Oder man schüttelt einfach nur den Kopf und verlässt das Kino. Oder noch besser: Man geht gar nicht erst hinein.

Daumen1maennlich

Artikelbilder: Sony Entertainment

 

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