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Egal ob LARP oder Pen&Paper – spannendes Rollenspiel lebt von Konflikten. Wenn sich immer alle einig sind, gibt es nur eines, und das ist intensive Langeweile. Das betrifft nicht nur intrigenreiche Spiele wie Game of Thrones-Cons oder Vampire Live, sondern auch alle anderen Genre. Denn wenn es nicht wenigstens einen grässlichen Feind gibt, den die Helden bekämpfen können, fehlt am Ende das Erfolgserlebnis, eine Herausforderung gemeistert zu haben. Ein Konflikt muss dabei nicht zwangsläufig ein lautstarker Streit oder ein Kampf sein, sondern kann auch in einem Wettstreit oder einer hitzigen Diskussion enden.

Damit ein Konflikt wirklich intensiv erlebt werden kann, muss er mehr sein als der Satz im Charakterhintergrund „Ich mag alle xyz nicht“. Aus so einer Ansage kann sich durchaus Spiel ergeben, sie ist aber noch ausbaufähig.

Was ist ein Konflikt?

Ein Konflikt bezeichnet wesentlich mehr als kämpferische Auseinandersetzungen, wobei ein Kampf natürlich immer die Folge eines Konfliktes sein kann. Die Definition eines Konfliktes ist, dass die Interessen, Ziele oder Wertvorstellungen von Personen, Gruppierungen oder Ländern unvereinbar sind. Somit können auch vermeintliche Kleinigkeiten wie die Frage, welchen Schnitt ein Wappenrock bei einem bestimmten Anlass haben sollte, schon zu einem Konflikt führen. Es kann sogar ein Konflikt darüber entstehen, ob ein anderer Konflikt wichtig ist oder nicht …

Konfliktpotential ist also im Hintergrund eines Charakters verankert. Seine Ideale und Ziele definieren, welchen Weg er einschlägt und mit welchen Personen er dabei in Konflikt geraten wird. In manchen Situationen ist es möglich einen Mittelweg zu finden, mit dem die Beteiligten leben können. Manchmal allerdings sind die Fronten so verhärtet, dass keine Einigung möglich ist. So wird ein Söldner unter Umständen keine Probleme damit haben, einen feindlichen Heerführer im Schlaf zu meucheln, während ein Paladin auf einen ehrlichen Kampf bestehen wird. Egal, ob ein Kompromiss getroffen werden kann oder nicht, in beiden Fällen ist Spiel entstanden, das die Beteiligten persönlich betroffen und dadurch tief in die Spielwelt gezogen hat.

Warum sind Konflikte nötig?

Wer sich einmal mit dem Schreiben von Büchern beschäftigt hat, wird dabei feststellen, dass das Kernelement einer guten Geschichte ein Konflikt ist, den der Protagonist bewältigen muss. Erst, wenn der Protagonist vor einem beinahe unüberwindbaren Hindernis steht und Opfer bringt, ehe er sein Ziel schließlich mit Müh und Not erreicht, ist sein Sieg am Ende wirklich etwas wert. Dabei verändert sich die Hauptfigur; er wird erwachsener, weiser und reifer, als er zu Beginn der Geschichte war. Erst seine Konflikte geben ihm die Chance, etwas wirklich Großes und Bedeutsames zu erleben.

Oder anders gesagt: Der Herr der Ringe würde vom gemütlichen Leben der Halblinge handeln, die in Hobbingen vor sich hinleben, gespickt mit epischen Landschaftsbeschreibungen, wenn nicht die Gefahr durch Sauron bestanden hätte. Erst durch den Einfluss Saurons auf die verschiedenen Ringträger und die Gefahr, dass im Falle eines Scheiterns ganz Mittelerde untergeht, entstand für die Charaktere ein Konflikt, dem sie sich (erfolgreich) stellten. Und erst so entwickelte sich eine großartige Geschichte. Denn so schön Hobbingen auch ist: Auf Dauer wäre das friedliche Halbingsleben für jeden Leser ziemlich langweilig geworden.

Auch im Rollenspiel geht es um Geschichten, die von jedem Spieler mitgeformt werden. Damit diese erlebten Geschichten die richtige Würze bekommen, sind also Konflikte nötig. Erst das Auseinandersetzen mit Widerständen erlaubt es einem Charakter etwas Bedeutsames zu erreichen und daran zu wachsen.

Man kann folgende Daumenregel anlegen: Je größer der Konflikt, die Angst vor den Folgen des Scheiterns und je schmerzvoller die notwendigen Opfer auf dem Weg zum Ziel sind, desto bedeutsamer wird das Ziel, wenn es schließlich erreicht wird.

Große und kleine Konflikte

Nun hat nicht jeder Konflikt die Ausmaße des Ringkrieges. Das muss auch gar nicht der Fall sein, denn auch das würde bald langweilig werden. Auch kleine Konflikte können dem Spiel Würze geben, gerade weil sie einen Charakter betreffen, ohne gleich epochale Ausmaße anzunehmen.

Kleine Konflikte können sich in ganz Alltäglichem verstecken, wie z.B. der regelmäßige Kampf der Günstlinge eines Herrschers um die besten Chancen noch weiter aufzusteigen und die Konkurrenten abzuhängen. Auseinandersetzungen zwischen Charakteren, wieviel vom erbeuteten Schatz aus welchen Gründen im nächstgelegenen Tempel gespendet werden sollten (oder auch nicht) haben wahrscheinlich keine weltbewegenden Konsequenzen, können aber das Spiel bereichern.

Erzwungene und „echte“ Konflikte

Konflikte im Spiel können grob in „erzwungen“ und „echt“ unterteilt werden. Erzwungen sind dabei solche, die entweder in Form von gegnerischen NSC oder aber festgelegten Konflikten im Charakterhintergrund ins Spiel gebracht werden. Mit echten Konflikten meine ich die, die sich wie von selbst entwickeln, wenn vielschichtige Charaktere mit unterschiedlichen Vorstellungen ihrer Welt aufeinanderstoßen.

Erzwungene Konflikte

Feindlich gesonnene NSC zwingen Charaktere in Konflikte, mit denen sie sich notgedrungen beschäftigen müssen: Wenn sich niemand um das anrückende Orkheer kümmert, wird es das Königreich überrennen und alle Menschen töten. Solche Konflikte sind spannend, da sie meist eine Gefahr bedeuten, die überwunden werden muss. Meist laufen sie aber relativ emotionslos ab, da die meisten Charaktere auf persönlicher Ebene kaum betroffen sind. Sicherlich will niemand von Orks getötet werden, aber mehr steckt oft nicht dahinter. Der Ork ist ein generischer Feind, der austauschbar ist – es möchte auch niemand von einem Drachen, einem Schwarzmagier oder einem Werwolf getötet werden. Solange der Feind kein Gesicht hat und keine gemeinsame erlebte Geschichte mit einem Charakter besteht, wirft er nur erzwungene Konflikte ins Spiel.

Manchmal wird im Hintergrund eines Charakters ein Konflikt festgelegt. Bei NSC ist dies die Regel, während bei halb-NSC zumindest einige Punkte vorgeschrieben sind. Während dies großartig funktionieren kann, setzt es gleichzeitig voraus, dass der jeweilige Spieler seine Wünsche an das Spiel an die Vorstellungen der SL anpasst und mitunter Konflikte spielt, die sich aufgesetzt anfühlen oder ihm keinen Spaß machen.

Die Erfahrung hat immer wieder gezeigt, dass persönliche Konflikte nicht gut funktionieren, wenn sie erzwungen werden. Auch, wenn im Hintergrund steht, dass ein Vampir keine Vampire aus einem bestimmten Clan mag, wird der Spieler früher oder später auf einen Charakter treffen, den er hassen sollte, obwohl er mit ihm sehr gut auskommt.

„Echte“ Konflikte

Den erzwungenen Konflikten gegenüber stehen die echten Konflikte. Sie sind nicht einfach nur in einem Hintergrund festgelegt, sondern haben sich dynamisch im Spiel entwickelt und wurden tatsächlich erlebt. Wenn ein Charakter durch solche Ereignisse mit anderen Charakteren im Konflikt verbunden ist, fühlt sich dies echt an und wird intensiv ausgelebt. Dies hat einen ganz enormen Vorteil: Die betroffenen Spieler sind deutlich motivierter, sich mit ihren Konflikten zu beschäftigen, und erschaffen so selbstständig immer wieder neues Spiel.

Wir alle wissen, wieviel Zeit und Energie wir in die Dinge stecken, die uns wirklich wichtig sind, weil sie uns persönlich betreffen. Wenn wir dies bei anderen beobachten, wirkt es manchmal beinahe absurd, wieviel Zeit jemand in scheinbare Nebensächlichkeiten investiert, die für ihn aber sehr bedeutend sind. Wenn es ein Konflikt ist, der unseren Charakter betrifft, können wir wirklich in das Spielgeschehen eintauchen und zu Höchstleistungen aufblühen – selten fühlen wir unsere Charaktere intensiver als in den Momenten, in denen wir aus ihren Überzeugungen heraus handeln.

Solche echten Konflikte können vielleicht forciert werden, sind aber immer ein Stück weit ungeplant. Sie sind abhängig von zahlreichen unvorhersehbaren Faktoren, so dass aus einer harmlosen Flachserei in der Schenke eine ernsthafte Fehde zwischen zwei Rittern werden kann, obwohl es logisch betrachtet vielleicht gar keinen wirklichen Grund dafür gibt.

Wie erschaffe ich echte Konflikte?

Sowohl Spieler als auch Spielleitungen können versuchen, mehr Ansätze für echte Konflikte ins Spiel zu bringen. Das Ergebnis kann nie vollkommen sicher vorhergesehen werden, aber ein vielschichtiger Charakter bringt von sich aus ausreichend Konfliktpotential mit, um viele schöne Spielmomente anzustoßen. Konflikte müssen dabei nicht nur aus negativen Erfahrungen des Charakters entstehen, auch positive Eigenschaften können zu Auseinandersetzungen im Spiel führen. Mit diesen Tipps kann man eine gute Basis für schöne Konflikte legen:

Nur gelebte Konflikte sind echt

Statt einen Konfliktpunkt nur in den Charakterhintergrund zu schreiben, versuche immer, ihn irgendwie auszuspielen. Schlüsselereignisse, die in der Vergangenheit des Charakters liegen, können dennoch in kurzen Szenen gespielt werden. Die Eltern deines Charakters wurden von einem Meuchelmörder getötet? Dann such dir Mitspieler und spiele diese Szene!

Eine solche gelebte Rückschau auf die Vergangenheit deines Charakters lässt sie lebendig werden. Du hast auf einmal wesentlich mehr, das du in dein Spiel einbeziehen kannst – die zerlumpte Gugel des Meuchelmörders, seinen hektischen Blick, ob er entdeckt wurde, und die Körper der ermordeten Eltern neben deinem Charakter. An so ein Erlebnis reicht auch der ausführlichste Hintergrund nicht heran.

Baue Emotionen ein

Finde eine Erklärung, weshalb dein Charakter bestimmte Konfliktpunkte lebt. Statt der Aussage „Ich hasse Elfen“ formuliere eine Abneigung mit einer emotionalen Begründung: „Ich hasse Leute, die mich von oben herab behandeln.“ Das funktioniert auch für positive Eigenschaften wie den Drang, Schwächeren zu helfen. Es fällt leichter, mit einem emotionalen Grund zu spielen als mit einer nüchternen Auflistung, was der Charakter mag oder nicht mag.

Keine Verallgemeinerungen

Vermeide Verallgemeinerungen, wenn du Konflikte in deinem Charakterhintergrund schreibst. Ein „Ich hasse alle Elfen“ wird dich vor ein Problem stellen, wenn dir irgendwann ein Elf begegnet, mit dem du eigentlich sehr gut auskommen könntest, den du aber ständig angehen musst, weil es ja so im Charakterhintergrund steht. Wenn du Vorurteile z.B. gegen ganze Rassen für deinen Charakter nutzen willst, beschränke dich nicht nur darauf und finde noch weitere, weniger allgemeine Ansätze für Konflikte.

Gib deinen Feinden ein Gesicht

Dieses Gesicht kann auch in Form von Charaktereigenschaften gegeben werden. Generische Feinde machen es schwer, eine emotionale Komponente in einen Konflikt zu bringen. Statt einem anonymen Orkheer macht sich der Orkanführer Einauge mit seinen zwei Dutzend zerrissenen Orkkriegern besser, da du ein genaueres Bild von ihm hast. Du kannst auch Elemente verwenden, die dir im Spiel wiederbegegnen können, z.B. ein Name, ein Kampfstil oder eine bestimmte Verhaltensweise. So kannst du einen Konflikt aus deinem Hintergrund in dein aktuelles Spiel bringen.

Fazit

Ohne Konflikte ist Rollenspiel langweilig. Nur Charaktere, die sich mit anderen messen oder Hindernisse überwinden müssen, können über sich hinauswachsen und wirkliche Abenteuer erleben. Erzwungene Konflikte können eine Weile funktionieren und auch für Spiel sorgen, wesentlich intensiver und echter sind aber die Konflikte, die sich im Spiel entwickelt haben und mit Emotionen unterfüttert sind. Bei vielschichtig ausgearbeiteten Charakteren entstehen sie meist von ganz alleine.

Artikelbild: © rangizzz – Fotolia.com

4 Kommentare

  1. >> „Ich hasse Leute, die mich von oben herab behan­deln.“ Das funk­tio­niert auch für posi­tive Eigen­schaf­ten wie den Drang, Schwä­che­ren zu hel­fen. <<

    Oy. Dankeschön =) Endlich hab ich eine korrekte Formulierung für das, was immer nur ein diffuses Gefühl im Hintergrund eines meiner Charaktere schien. *strahl

  2. Den Hinweis auf Details, die Assoziationen auslösen können, finde ich übrigens auch super – etwas, das sehr wenig beachtet wird, wie mir scheint und eigentlich ein genialer Ansatz. Was hast du nur gegen xy? (XY erinnert halt immer an Z, damals als…)

    • Ich kannte den Ansatz, Schlüsselszenen aus der Vergangenheit auszuspielen, auch erst nicht.
      Seit einigen Jahren spielen wir in der Katharsis genau diese Präludien aus, um den Spielern mehr Gefühl für den Hintergrund ihrer Charaktere zu geben, und es funktioniert wunderbar. Dadurch sind auch Konflikte zwischen Charakteren, die sich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte entwickelt haben, deutlich lebendiger als wenn sie nur auf dem Charakterbogen stehen würden. Und es gibt wundervolle Assoziationen, wie Du ja auch schreibst.

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