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Sergeant Major William Springfield, Spitzname Rhino, schaute skeptisch mit seinem Feldstecher über das sich langsam im Morgenlicht erhellende Gelände. „Es ist ruhig, zu ruhig“ raunte er seinem Adjutanten zu, während er im Kopf noch einmal den Schlachtplan durchging. Sein elitärer schwerer Ranger-Trupp sollte gemeinsam mit leichter Infanterie und einem Panzerjäger-Kampfläufer die verlassenen Fabrikhallen im Handstreich einnehmen. „Angeblich verlassen!“ korrigierte er sich in Gedanken, denn die Aufklärung hatte feindliche Truppenbewegungen gemeldet.

Zur gleichen Zeit, kaum 2 Meilen auf der anderen Seite der Fabrikhallen, bestieg die Heldin der Sino-Sovietischen Propaganda, Kapitän Koshka Rudinova, ihren persönlichen leichten Kampfläufer Grand’Ma. Auch sie sollte die verlassenen Fabrikhallen erobern, auch sie machte sich über ihre Taktik Gedanken. Per Funk rief sie den anderen leichten Kampfläufer ihrer Einheit: „Genossin Nastasia, sichere die linke Flanke, während ich versuche mit unseren Truppen durch die feindlichen Linien zu stoßen. Dies wird ein ruhmreicher Tag für die Sino-Sovietische Union! Wider dem Kapitalistenpack!“

Willkommen im Pulp-Trash des 2. Weltkrieges

Dust Tactics haben wir ja ausführlich vorgestellt. Wer Interesse hat, kann es gerne hier nachlesen. Zum besseren Verständnis aber nochmal kurz ein Überblick: In diesem trashigen Pulp-Setting hat der zweite Weltkrieg durch Hitlers Tod nicht geendet, sondern läuft unvermittelt weiter. Dank neu entdeckter Alientechnologie haben die drei Fraktionen (Alliierte, Achsenmächte, Sowjets) aufgerüstet: „Normale“ Infanteristen ziehen jetzt gern mal mit einem Raketenrucksack in die Schlacht oder werde von wilden Zombie-Horden unterstützt. Die große technologische Errungenschaft sind aber riesige Kampfläufer mit Plasma- und Lasergeschützen.

So viele taktische Möglichkeiten man durch die große Einheitenauswahl auch hat, so intuitiv und zügig läuft das eigentliche Spiel ab: Jede Runde aktivieren die beiden Spieler abwechselnd jeweils einen ihrer Trupps (einzelne Helden, einzelne Kampfläufer oder Infanterie-Squads von bis zu 5 Figuren) und können dann 2 Aktionen wie Laufen, Feuern, Heilen oder Funken durchführen. Auf den klar strukturierten Einheitenkarten stehen alle wichtigen Infos wie Laufreichweite, Rüstungsklasse und Waffen samt dem potentiellen Schaden. Der Angreifer würfelt dann so viele Würfel wie angegeben, der Verteidiger kann versuchen mit einem Deckungs- oder Rettungswurf zu parieren. Ist dann ein Angriff erfolgreich, werden entsprechend Figuren vom Feld genommen bzw. Trefferpunkte abgestrichen (bei Kampfläufern und Helden).

Das Spielfeld ist mit einem Gitternetz überzogen, welches die einzelnen Felder darstellt und so den Spielfluss erheblich vereinfacht. Denn anstatt Entfernungen abzumessen, werden einfach die entsprechenden Felder abgezählt.

Alte gegen neue Startbox

In diesem kleinen Scharmützel treten die alliierten Einheiten der „alten“ Starterbox (Revised Core Set) gegen die Truppen aus der aktuellen SSU-Starterbox an. Gespielt wird nach den aktuellsten Regeln 2.0 ein Szenario aus der letztjährigen deutschen und europäischen Meisterschaft, welche hier als PDF heruntergeladen werden können.

Das Ziel der Mission „Take this building!“ besteht darin, innerhalb von sechs Runden das gegnerische Gebäude mit mindestens zwei Einheiten zu besetzen und diese bis zum jeweiligen Rundenende dort drin zu halten. Dann hat man, unabhängig von den eigenen Verlusten, automatisch gewonnen. Gleichzeitig muss man natürlich versuchen, das eigene Gebäude vor den Angriffen des Gegners zu verteidigen.

Reserven dürfen in dieser Mission nicht eingesetzt werden, dafür dürfen Offiziere je eine gefallene Infanterie- und eine zerstörte Panzereinheit wiederbeleben. Außerdem darf jeder Spieler vor Spielbeginn je ein Feld im schraffierten Bereich mit Munitionskisten und Panzersperren ausstatten.

Das Punktelimit beträgt 52 Punkte (so viel kosten alle alliierten Truppen zusammen). Damit die SSU-Starterbox- Armee nicht mit 43 Punkten ins Hintertreffen gerät, bekommt sie noch für 9 Punkte den Nastasia-Kampfläufer. Normale Turnierspiele werden übrigens mit genau 100 Punkten absolviert.

Aktuell kann man in Dust Tactics über die Fraktionsstarterboxen einsteigen. Zu jeder der drei Fraktionen gibt es ein solches Startset, welches jeweils einen Kampfläufer, einen Helden und zwei Infanterietrupps beinhaltet. Diese sind wie immer zusammengebaut und vorgrundiert. Außerdem mit in den Startboxen enthalten sind 12 fraktionsspezifische Würfel, ein vollfarbiges DIN-A4-Regelheft, ein Spielplan, die zum Spiel benötigten Einheitenkarten sowie Deckungselemente wie Panzersperren und Missionsziele. Offiziell kostet eine jede dieser leider nur auf englisch erhältlichen Starterboxen knapp 50 EUR. Wer ein wenig recherchiert, findet sie aber auch für die Hälfte. Bei Amazon gibt es sie zur Zeit für faire 36,99 EUR.

runde 0.5

Die Alliierten für diesen Schlachtbericht habe ich aus dem Revised Core Set genommen. Die 2-Spieler-Starterbox enthält gleich zwei Fraktionen, nämlich Achsen und Alliierte. In dieser vor vier Jahren im Heidelberger Spieleverlag erschienenen, deutschsprachigen Startbox enthalten sind – neben jeweils einem Helden und drei Infanterietrupps – auch noch pro Fraktion ein spezieller Kampfläufer. Speziell deshalb, weil es diese Beiden nicht einzeln zu kaufen gibt. Außerdem enthalten sind vier Deckungselemente sowie acht Hindernisplatten, zwei doppelseitig bedruckte Spielpläne, sechs der „alten“ Würfel und ein Kampagnenheft. Außerdem natürlich dabei sind die deutschsprachigen Regeln, allerdings entsprechen diese der alten Version 1.5.

Wenn man dieses Revised Core Set überhaupt noch bekommt, kann man mit einem Preis von ungefähr 70 EUR rechnen. Dafür erhält man aber auch eine ganze Menge Material und einen soliden Grundstock für eine turnierfähige Armee, da die enthaltenen Einheiten auch in der aktuellen Regelversion 2.0 hervorragend einsetzbar sind.

Rhinos alliierter Spähtrupp (Philipp)

Der Vorteil der alliierten Truppen aus dem Revised Core Set liegt sowohl in ihrer Mobilität als auch in ihrem enormen Schadensoutput. Nachteilig ist jedoch die kurze Reichweite. Meine Taktik besteht darin, die Truppen in drei Abteilungen aufzuteilen und über breite Front anzugreifen:
Die linke Flanke gehört meinem schweren Ranger-Angriffstrupp mitsamt dem Offizier Rhino. Diese Truppen sind mit einer Marschreichweite von 6 Feldern und der Sonderfähigkeit „flying“ (ermöglicht es, unpassierbares Terrain zu überspringen) perfekt dazu geeignet, überall auf dem Spielfeld Unruhe zu stiften. Zwar dürfen sie ausschließlich im Nahkampf angreifen, dafür haben sie aber den „First strike“ (gegnerische Truppen dürfen erst nach meinem Angriff zurückschlagen – normalerweise laufen Angriff und Gegenangriff gleichzeitig ab).

Die leichte Infanterie soll das Gebäude sichern: Die Hellboys teilen dank Schrotflinten und zweier Flammenwerfer im Nahbereich ordentlich Schaden aus (Flammenschaden geht sogar immer direkt ohne Rettungswurf durch), während die Death Dealers dank einem schwerem Maschinengewehr und einer Bazooka gegen jeden Gegnertyp auch auf größere Reichweite einsetzbar sind.

runde 0.1

Der Blackhawk stößt schließlich über die rechte Flanke vor. Der leichte Panzerjäger-Kampfläufer ist mit 6 Feldern Marschreichweite sehr schnell und kann mit einem einzigen Treffer einen SSU-Kampfläufer zerstören. Da mittels Panzersperren der linke Durchgang versperrt ist, muss der Gegner seine Kampfläufer über meine rechte Flanke schicken, wenn er mir in den Rücken fallen will – und läuft damit dem Blackhawk genau vor die Flinte (diabolisches Grinsen des Redakteurs).

Kampfgruppe Koshka (Nadine)

Die SSU setzt durchweg auf leichte Infanterie, welche von schwach gepanzerten, aber schwer bewaffneten Kampfläufern unterstützt wird. Kapitän Koshka führt diese Truppe an Bord ihres persönlichen Kampfläufers Grand’Ma an. Da ihre Offiziersfähigkeit, getötete Truppen wieder zurück ins Spiel zu holen, so enorm wichtig ist, wird sie sich erst einmal im Hintergrund halten und lediglich die rechte Flanke mit ihrer Haubitze (mit 6 Feldern sehr hohe Reichweite) oder im Nahkampf mit ihrem Säurewerfer verteidigen. Der Hauptstoß soll dagegen über die linke Flanke erfolgen, durch einen Red-Thunder-Panzerjägertrupp und einen Nastasia-Maschinengewehrläufer.

runde 0.4

Mein Gebäude wird von Fakyeli-Nahkampftruppen verteidigt, die mit Molotowcocktails selbst schwerste Panzer, die sich zu nähern versuchen, angreifen können.

runde 0.3

Das Schlachtfeld

spielfeldübersicht

Das Schlachtfeld besteht aus zwei sich gegenüberstehenden, fünf Felder großen Gebäuden. Diese können jeweils über die komplette Front und die Rückseite betreten werden. Die Spieler legten ihre Panzersperren so, dass eine Spielfeldseite für Kampfläufer komplett unpassierbar ist. An den Ecken ihrer Häuser positionierten sie die Munitionskisten. Diese behindern Kampfläufer nicht in ihrer Bewegung, geben Infanteristen aber zusätzliche Deckung.

runde 0.2

Runde 1 – Angriff auf breiter Front

runde 1

In Runde 1 erlangten die Alliierten die Initiative dank eines glücklichen Wurfes und stellten dann abwechselnd mit den SSU die Einheiten auf. Die beiden SSU-Läufer versuchten, ihr zentrales Startgebäude links und rechts zu umgehen, die Red Tunder und Fakyeli stießen durch die Mitte in Richtung Gebäude vor.

Wie zuvor geplant, griff der alliierte Spieler über die gesamte Breite des Schlachtfeldes an, wobei auf seiner linken Flanke die schweren Sprungtruppen in Deckung blieben und auf ihren Einsatz warteten. Der Blackhawk wagte sich direkt vor die Flinte des gegnerischen Nastasia-Läufers, allerdings verpatzte Offizierin Koshka den Reaktivierungswurf, sodass sich beide Läufer passiv gegenüber standen.

In dieser Situation fluchte Nadine a.k.a. Koshka, denn ein erfolgreicher Reaktivierungswurf erlaubt es, eine bereits aktivierte Einheit noch einmal in dieser Runde einsetzen zu dürfen – und mit Dauerfeuer wäre der Blackhawk mit höchster Wahrscheinlichkeit tödlich getroffen wurden. So aber bestand die Möglichkeit, dass er in der nächsten Runde zuerst schießt und wiederum den stark bewaffneten, aber dünn gepanzerten SSU-Läufer aus dem Spiel nimmt.

Runde 2 – Tod der Läufer

runde 2

Auch in Runde zwei gewannen die Alliierten die Initiative. Sofort begann der Blackhawk seine Raketen auf Nastasia abzufeuern und landete einen Volltreffer! Nastasia verfügt, wie die anderen SSU-Läufer auch, über die „damage resilent“-Fähigkeit und hat so automatisch einen zusätzlichen Rettungswurf. Doch die Würfel waren dieses Mal auf Seiten der Alliierten, und Nastasia konnte nichts gegen die enorme Durchschlagskraft der schweren PIAT-Raketen machen und ging sofort in Flammen auf.

runde 2.1

Die SSU-Truppen sannen auf Rache für ihre gefallene Genossin und gingen mit den Red-Thunder-Panzerjägern hinter dem Kistenstapel in Deckung. Gleich zwei ihrer Bazookas schossen zurück und trafen – der Blackhawk taumelte erst, bevor er seitlich wegkippte und in einem riesigen Flammenball explodierte.

Die Alliierten befanden sich nun in einer misslichen Lage, war ihre rechte Flanke doch stark geschwächt. In einer Verzweiflungstat schwebte Kommandant Rhino mitsamt seiner Sprungtruppen über das Schlachtfeld, in der Hoffnung, Koshka und ihren Kommando-Kampfläufer Grand’Ma mit einem konzentrierten Angriff unschädlich zu machen. Doch Koshka gelang gleich ein doppelter Erfolg bei der Reaktionsprobe. Sie durfte daher ein Dauerfeuer auf die Angreifer loslassen und setzte natürlich auch all ihre Waffen gegen den Angriffstrupp ein. Dieser wurde vernichtet, noch ehe er nur einen Schadenspunkt austeilen konnte – und damit auch Rhino, dessen Offiziersfähigkeit der Einheitenwiederbelebung nun schmerzlich vermisst werden würde.

Wie schon die Red-Tunder-Truppen zuvor, füllten nun die alliierten Death Dealers die verwaiste Position des Blackhawk auf und feuerten auf ihr SSU-Gegenstück. Doch die waren in guter Deckung und verloren nur drei Soldaten.

Die alliierten Truppen wurden nun immer verzweifelter und schickten den Hell-Boys-Nahkampftrupp direkt vor das gegnerische Gebäude: Während die beiden Flammenwerfer erfolglos versuchten, die letzten beiden Red Thunder zu grillen, zielten die Schrotflinten auf die Fakyeli im Gebäudeinneren. Zwar wurden sieben Treffer erzielt, aber dank eines gelungenen Deckungswurfes ging am Ende nur ein Treffer durch.

Runde 3 – Alles auf eine Karte

runde 3

Erneut gewannen die Alliierten die Initiative. Mit nur noch zwei Einheiten auf dem Feld, bestand ihre einzige Chance auf Sieg darin, alles auf eine Karte zu setzen: Beide Einheiten mussten ins gegnerische Gebäude stürmen!

Die Hell Boys stürmten zuerst hinein, genau vor die Läufe der Fakyeli. Doch diese verpatzten ihren Reaktionswurf, sodass die Hellboys mit ihren Flammenwerfern kurzen Prozess machten. Nun war es wiederum für Koshkas SSU-Truppen kritisch, denn die Red-Thunder-Einheit würde es nicht schaffen, die Death Dealers komplett zu vernichten – und diese würden dann ungehindert das Zielgebäude besetzen und so den Sieg erringen. Also ging Koshka voll auf Risiko: Zwei Würfe auf Einheiten-Wiederbelebung! Und schon der erste Wurf klappte, Nastasia wurde zurück aufs Spielfeld geholt. Mit einer 6er Schussreichweite und 14 Angriffswürfeln gelang es, die Death Dealers von fünf auf zwei Soldaten zu reduzieren.

Diese versuchten nun ins Gebäude zum sicheren Sieg zu gelangen, doch da waren noch die letzten Reste des Red Thunder – ein doppelt erfolgreicher Reaktionswurf (erlaubt Dauerfeuer auf sich bewegende Ziele) und somit war die Chance auf Sieg vertan.

Die letzten Reste der Hell Boys gaben auf und Koshka konnte sich weiterhin als Heldin der Sino-Sowjetischen Union feiern lassen.

runde 3.1

Fazit

Philipp: Auch wenn die Niederlage knapp war, ich habe mit einem Sieg meiner Alliierten gerechnet. Die Würfel waren eindeutig gegen mich … Hätten meine schweren Sprungtruppen das Reaktionsfeuer von Koshka überlebt, wäre das Spiel mit hoher Wahrscheinlichkeit an mich gegangen.

Nadine: Ein weiterer Sieg über die imperialistischen Aggressoren! Die Spielaufstellung mit den beiden Starter-Armeen stellt hier einen Sonderfall da: Normalerweise haben die Alliierten höhere Schussreichweiten und müssen deshalb nicht so nah ran an den Gegner. So aber, in Kombination mit der vielen Deckungen und meinen glücklichen Reaktionswürfen, war mein Sieg mehr als verdient. Nieder mit den Kapitalisten!

Arti­kel­bil­der: Fan­tasy Flight Games
Foto­gra­fien: Phil­ipp Lohmann

 

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