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Wer meinen Artikel über die SPIEL 2014 gelesen hat, wird wissen, dass ich sagte, LARP wäre nun mal auf der Role-Play-Convention (RPC) besser aufgehoben als auf der SPIEL. Und tatsächlich ist es so, dass der Messebesuch auf der RPC, so anstrengend er auch gewesen sein mag, mir vorkam, als käme ich heim in ein riesiges Wohnzimmer. Ein Wohnzimmer, das, neben vielen anderen Menschen, auch mit jeder Menge Freunden vollgepackt war. Leute, die ich sonst nur ein- oder zweimal im Jahr sehe, liefen mir über den Weg und ich hatte endlich einmal mehr Zeit mit ihnen zu plaudern als die Zeit vor dem IT- bzw. nach dem OT und vor der Heimfahrt. Die Rollenspielmesse wurde so für mich zu einem Ort, an dem ich mein Netzwerk aus LARP- bzw. Rollenspielkontakten wiedersehen und pflegen konnte.

Dennoch, etwas fehlte mir. Es war ein Zuhause, aber wenn man sich einmal von den vielen Freunden abwandte, bemerkte man doch, dass einige fehlten, dass an einigen Ecken der Putz zu bröckeln begann und dass eine Hanftasche nicht ernsthaft acht beziehungsweise neun Euro kosten sollte. Aber ich greife vor. Lasst mich das ganze strukturierter angehen. Abgesehen von den anwesenden Leuten, gibt es aber vor allem zwei unterschiedliche Kategorien, die einen LARPer auf der RPC interessieren. Das eine sind die anwesenden Orgas mit ihren Ständen und ihren möglicherweise neuen Projekten, über die man etwas erfahren kann. Das andere sind die Händler, bei denen ich meinen Bedarf an Gewandung, LARP-Waffen, Accessoires, Met und was-weiß-ich-nicht-noch-alles stillen kann. Gehen wir also beides einmal durch, wer an- und vor allem, wer abwesend war, wie die Stimmung bei den Ausstellern war, mit denen ich sprechen konnte und wo es genau hinkte.

Eindrucksvoll präsentiert sich der Stand von Lost Ideas - den Organisatoren von u.a. dem LARP Resistopia
Eindrucksvoll präsentiert sich der Stand von Lost Ideas – den Organisatoren von u.a. dem LARP Resistopia

 

Die Händler

Der durchschnittliche LARPer sollte keine Probleme haben, auf der RPC etwas zu finden, das er mit nach Hause nehmen konnte. Einer Erweiterung des Fundus stand nichts im Wege, denn die klassischen Basisausstatter wie Mytholon, dein LARP-Shop oder die Engelsschmiede waren aufzufinden; renommierte Waffenbauer wie Downhole Artworx, Dunkelart, Ars Sica, Wyvern Crafts oder die „jungen Wilden“ von Freyhand. Wer Masken suchte, war bei Ungebilde gut aufgehoben und Gewandungen abseits der normalen Stange fand man bei den Ständen von Narsillion und dem Erlkönig. Ein weiteres kleines, wenn auch verstecktes, Highlight konnte man am Stand von dein LARP-Shop finden. Dort fand man eine hochqualitative, auf kaputt und dreckig getrimmte Tunika. Diese wurde von den noch nicht allzu lange in dieser Konstellation bestehenden Schneidern Plebs gefertigt. Plebs weisen zusammen über 70 Jahre Erfahrung mit historischem Leben auf und wollen diese nun kombiniert den LARPern, Reencactoren oder anderen Interessierten zugänglich machen.

Beeindruckend war so manche Gewandung
Beeindruckend war so manche Gewandung

Doch dafür fehlten andere Stände, die ich gewohnt war, auf der RPC zu finden. Wo waren Maskworld, die ein sehr breites Angebot an Gewandung anbieten? Wo waren auch die Gebrüder Goldhammer oder die Fucina del Drago? All jene Stände fehlten und ließen so das Angebot schrumpfen. Auch waren, zumindest gefühlt, die Stände und damit auch das Angebot der einzelnen Händler kleiner geworden. Bei Wyvern musste man sich fast im Stand drängen, und auch der Erlkönig hatte einmal mehr als zwei volle Kleiderstangen zu bieten gehabt. Mytholon und dein LARP-Shop hatten noch das breiteste Angebot, doch auch da hatte ich das Gefühl, dass dort früher mehr zu finden war. Abseits der Fantasy waren, wie auch schon auf der SPIEL 2014, Bankcroft und Blasterparts mit einem gemeinsamen Stand vertreten und verkauften und erklärten alles rund um das Thema Nerfguns und Modding derselben.

Es war also genug vertreten, um den typischen LARPer zufriedenzustellen, doch es fehlte etwas. Es fehlten Sahne und Kirsche auf diesem Becher aus Händler-Eiscreme, denn wenn auf der größten deutschen Rollenspielmesse solche Namen fehlen, hinterlässt das eine Lücke, die man spürt, auch wenn man sie vielleicht nicht wirklich wahrnimmt. Woran liegt es aber? Die gesunkene Standfläche, die man auch durch sehr viel breitere Gänge wahrnehmen konnte, lässt auf Preise schließen, die man sich nicht leisten wollte oder konnte. Die Aussagen der Händler über den Erfolg auf der RPC variierten hierbei von „vermutlich nicht mal die Standkosten reinbekommen“ über „müssen wir mal schauen, wenn ich in einer Woche alles durchgerechnet habe“ bis hin zu „ich bin sehr zufrieden mit der RPC. Ich fahre jedes Jahr gerne wieder nach Köln.“

Die Orgas

...und sexy so manch andere
…und sexy so manch andere

Nachdem ich mich also potentiell mit neuer Gewandung und neuen Waffen ausgerüstet habe, würde mich interessieren, auf was für tolle Cons von welchen Orgas ich denn potentiell damit gehen könnte. Auch hier sehe ich wieder einige altbekannte Gesichter, aber auch ein paar neue. Die wohl publikumswirksamsten Zugpferde der RPC in diesem Zusammenhang sind wohl immer noch Lost Ideas mit ihrer Endzeitlounge und den dazugehörigen Fahrzeugen. Hier traten auch mehrfach Megabosch auf und heizten der Menge mit apokalyptischem Rock ein. Das wohl heißeste Thema diese RPC war für Lost Ideas aber das Resistopia, ein Sci-Fi-Softair-LARP, zu dem wir bereits ein Interview mit ihnen geführt haben.

Wie bereits weiter oben erwähnt, war auch Wyvern anwesend. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, war ihre Präsenz als Orga des Drachenfestes eher im Hintergrund und man konzentrierte sich scheinbar auf den Verkauf der angefertigten Waffen. Bei Wyvern ist das aktuellste Thema das bevorstehende Zeit der Legenden. Diese Con wird eine Feuerprobe für das nach der Umstrukturierung im letzten Jahr stark veränderte Orga-Team. Mit der Möglichkeit, nach dem „Staffelfinale“ vom letzten Jahr komplett neu anzufangen und einem komplett neuem Gelände (Utopion Bexbach) haben sie ein enormes Potential in den Händen, das es zu verwirklichen gilt. Wir sind gespannt, wie sie das Potential genutzt haben.

Bemerkenswert war auch der Stand vom Ellodan Creative Works Jugendbildung EV (ECW). Der ECW bietet Kindern und Jugendlichen, die bisher noch überhaupt keine Berührung mit dem Thema LARP hatten, die Möglichkeit, in das Hobby einzusteigen. In sechstägigen Veranstaltungen werden den Kindern die Grundlagen des Hobbys beigebracht und die ersten eigenen Charaktere erstellt. Gewandung und LARP-Waffen werden den Kindern gestellt bzw. sie werden mit ihnen zusammen gebastelt.

Danach erwartet die Kinder in den nächsten Tagen ein LARP mit altersspezifisch angepassten Plots. Ein durchaus interessantes Projekt. Äußerst positiv zu erwähnen sei hier noch das ausgesprochen professionelle Auftreten der Stand-Mitarbeiter. Unter ihren Orga-Shirts blitzten Hemd und Krawatte hervor und auch im Gespräch gaben sie sich durchaus kompetent. Es ist zu wünschen, dass solch ein Verhalten, wenn auch nicht überall in dem Maße, doch zumindest in den Grundzügen auch von anderen Orgas übernommen wird. Denn Professionalität ist eines der Dinge, die bei uns noch viel zu rar gesät sind.

Auch die Waldritter hatten wieder einen Stand, konnten das angedachte Konzept, ihre Projektarbeiten praktisch zu zeigen, aber leider nicht umsetzen, da es zu einigen organisatorischen Problemen mit dem Veranstalter der Messe gekommen war. So blieb ihnen nur das Erklären ihrer Arbeit und ihrer nächsten Projekte übrig. Da sie sich allerdings nicht an komplette Neulinge richteten, wie das oben erwähnte Ellodan-Team, kennen die meisten Jugendlichen ihrer Zielgruppe sie schon.

Auch Twilight, die Fraktal-Orga oder die Engonien und Zarorien-LARP-Vereine waren vertreten. Neben dem Erklären, was LARP ist, geht es für die meisten der anwesenden Orgas um eines: Die Community-Pflege. Sie haben keine messbaren Produkte, die sie verkaufen können und so ist mehr als nur eine der Orgas laut ihren eigenen Aussagen nur dort, weil sie es sich nicht leisten können, nicht hier zu sein. Zwar bringt, abgesehen vom Networking, die RPC ihnen keinen nennbaren Mehrwert, aber keine Positionierung ist eine Negativpositionierung, zumindest in den Augen der Spieler. Und damit sind wir bei der Zwickmühle angekommen. Denn auch hier fehlten einige bekannte Gesichter bereits, allen voran Live-Adventure, die früher nicht nur große Stände hatten, sondern auch mit NSC-Truppen einiges zum Ambiente der RPC beitrugen. Auch hier beginnt es also langsam zu kränkeln und das, was früher die Identität der RPC war beginnt scheinbar zu bröckeln.

Das sieht schon fast echt aus
Das sieht schon fast echt aus

 

Und sonst so? – Joa muss, ne?

Und damit sind wir beim Kern des Ganzen angekommen. Die RPC hat noch ihre Teilnehmer, aber die Basis beginnt langsam zu bröckeln. Wenn große Gesichter fehlen, und andere nur noch da sind, weil sie sich selbst dazu gezwungen sehen, dann wird langsam aber sicher offenbar, dass die einstige Vielfalt der RPC zu verschwinden beginnt. Die, die so viel zur RPC beigetragen haben, fehlen langsam. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die in ein paar Jahren hässliche Auswüchse offenbaren könnte. Noch ist es relativ einfach dagegen zu arbeiten, von beiden Seiten.

Die Organisatoren der RPC müssen ihr Modell überdenken und mehr Anreize liefern, auch für Non-Profit-Leute jenseits des Networkings interessant zu sein. Auf der Gegenseite müssen gerade solche Stände wie Orgas oder der DRLV ihr Konzept überdenken, um selbst Mehrwert zu schaffen und so die Abwärtsspirale früh aufzuhalten. Die Waldritter hatten mit ihrem ursprünglichen Konzept einen guten Ansatz, hoffen wir, dass sie ihn in Zukunft auch umsetzen können. Ich finde es schade, dass der Putz langsam abzubröckeln beginnt, denn ich mag dieses Wohnzimmer als Ort, meine Freunde zu treffen, eigentlich sehr gerne. Doch noch ist die Spirale nicht weit gedreht und kann aufgehalten werden.

Und auch, wenn sich das vielleicht gerade ein wenig pessimistisch liest, ich mochte die RPC 2015. Klar, meine Füße tun weh vom Laufen, mein Rücken jammert vom schweren Rucksack und meine Stimmbänder wollen nach zwei Tagen reden auch nicht mehr wirklich mitspielen, aber ich hatte bei allem eine gute Zeit und ich möchte nur, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Fotografien: Roger Lewin

 

9 Kommentare

  1. Vielleicht kommt die Orga der RPC nächstes Jahr ohne Terminverschiebung hin. Dann dürfte es auch wieder besser aussehen. Diesmal liefen mehrere Cons gleichzeitig, was auch eine Menge der „Ambiente-Spieler“ von der RPC ferngehalten hat.
    Beispielsweise waren viele der sonst so omnipräsenten Endzeitler beim Bunker Springs, und viele der Piraten beim Tortuga.
    Weiterhin weiß ich von vielen Leuten, die um den ursprünglichen Termin herum geplant haben, was nach der Verschiebung dazu führte, daß nandere, nicht so einfach absagbare Termine auf der RPC lagen.
    Was auch mit reinspielt: Die Terminverschiebung sorgt dafür, daß Verlage sich nicht auf den Termin verlassen können. Bei der Spiel lassen sich viele Verlage die Bücher/Spiele/wasweißich direkt zur Messe schicken, weil sie nicht den Lagerraum haben und den Versand nicht zweimal bezahlen möchten — das funktioniert nicht bei einer Messe, die dauernd den Termin wechselt. Schlimmer noch: Da der Termin auch jederzeit nach vorne wandern kann, man aber keine neuen Slots bei den Druckereien bekommt, ist es möglich, daß der entscheidende Release zur RPC nicht fertig ist, weil auf den alten Termin geplant wurde. Das hat dazu geführt, daß viele Neuerscheinungen nach einer anfänglichen Tendenz zur RPC wieder auf die Spiel terminiert werden, was die RPC wiederum einiges an Attraktivität kostet.
    Hoffen wir einfach mal, daß die RPC 2016 bleibt, wo sie angekündigt ist. : 21.05. – 22.05.2016

  2. Es fehlten aber auch noch einige andere Dinge …
    Ein Bereich, zum Ausprobieren der neuen LARP-Waffen, insbesondere für Kinder. Letztes Jahr gab es diesen Bereich der Waldritter, bei dem wir viel Zeit verbracht haben.
    Die Wasteland Warriors, die im letzten Jahr für einen deutlich größeren Endzeitbereich gesorgt hatten.
    Zombies! Im letzten Jahr ein ganzes Rudel, diesmal nur ein kleines Häufchen.
    Die Übersicht in der Halle … ist irgendwie beim Umzug in die Halle 10 verloren gegangen.
    Samstag Mittag Meldung der RPC: Messe ist voll, keiner kommt mehr rein, kommt lieber morgen – so voll habe ich es aber gar nicht empfunden!
    und … und … und …
    Positiv: diesmal war der Eintritt für Kinder tatsächlich an beiden Tagen frei und ein 2-Tages-Ticket für Erwachsene kostete 21 €, da kann man eigentlich nicht meckern
    Negativ: 2-Tage-Parken: 20 € !!! … ich wollte den Parkplatz gar nicht kaufen … *SOWAS IST UNVERSCHÄMT*
    Alles in allem hat es aber viel Spaß gemacht und wir kommen im nächsten Jahr mit Sicherheit wieder!

  3. 10 EUR Parkgebühren waren wirklich unverschämt ….

    Zwei Sachen wollte ich noch anmerken.

    1) Das diese Metalband so laut gespielt hat das man die Moderation auf der Hauptbühne fast nicht mehr verstanden hat war sehr unschön. Auf jeder Messe gibt es strenge Richtlinien wie laut jeder Stand sein darf, damit man die anderen nicht übertönt oder stört. War hier wohl nicht so…

    2) Auch das die Stände während dem laufender Messe am Sonntagnachmittag von den Standbesitzern abgebaut worden ist, war mir Graus. Ich habe zwei Jahre als Messebauer gearbeitet. Wir durften erst rein und abbauen, wenn der letzte Messebesucher draussen war. Nicht nur weil es seltsam aussieht, während des flanieren vor leeren halbabgebauten Ständen zu stehen. Wir trugen als Messebauer nicht umsonsten Stahlkappen-Sicherheitsschuhe. Wenn so eine Traverse oder Holzwand abgebaut wird, oder die Showfahrzeuge rausgefahren werden, sollten keine Besucher, Kleinkinder oder Familien zugegen sein. Es kann immer was passieren, oder mal eine Halterung reissen. Supergefährlich und unverantwortlich nicht zuerst die Messe zu beenden und dann abzubauen…

  4. solltet ihr dieses jahr wieder vor Ort sein, seid ihr herzlich eingeladen unseren Workshop „larp für Anfänger“ zu besuchen :) seit ca. 10 jahren sind wir in hamburg am wirken und seit letztem jahr auch auf der rpc tätig um Nachwuchs den Verlockungen des larps näher zu bringen :)

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