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Gleich vorweg: Diese Vorstellung eines versunkenen Rollenspiels ist etwas Persönliches. Man möge mir also ein wenig Euphorie verzeihen. Tribe 8 ist nämlich das Spiel, das mich seit über zehn Jahren begleitet, das das Herzstück meiner Rollenspielsammlung darstellt, das ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde und zu dem ich zurückkehre, um immer wieder begeistert zu werden, wenn mich Mainstream-Rollenspiele wieder mal enttäuschen. Tribe 8 ist in meinen Augen nicht weniger, als ein gescheitertes Juwel unseres Hobbys.

Tribe 8Entwickelt wurde es von Dream Pod 9 (Heavy Gear) und erschien mit über 20 Erweiterungen von 1998 bis 2004. Das Grundregelwerk wurde von Hive Press auf deutsch übersetzt, ist aber heute weitgehend vergriffen. Die letzte Veröffentlichung war das Spielerhandbuch der 2. Edition, eine stark überarbeitete Version des Settings und der Regeln, auf die ich später nur kurz eingehen werde. Aktuell bekommt man die PDFs der 1. Edition für kleines Geld von Drivethrurpg.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Dream Pod 9
  • Autoren: Philippe R. Boulle, Stéphane Brochu, Joshua Mosqueira Asheim
  • Erscheinungsjahr: 1998 (überarbeitete 2. Edition von 2004)
  • Sprache: Deutsch, Englisch
  • Format: Print, PDF
  • Seitenanzahl: 210
  • Preis: ca. 8 EUR (PDF), ca. 20 EUR (Print)
  • Bezugsquelle: DrivethruRPG, Amazon

 

Das Setting: Mystische Postapokalypse

Die Welt von Tribe 8 ist postapokalyptisch, ohne die typischen Ödland-Klischees aus Mad Max oder Fallout zu wiederholen. Diesmal waren es keine Atombomben oder Zombieseuchen, die zum Beinahe-Ende der Menschheit führten, sondern die Ankunft der Z’bri. Diese dämonischen Geistwesen können Körper besetzen und Fleisch formen. Im Chaos ihres Erscheinens verlieren sich jedoch genaue Aufzeichnungen über die Ereignisse. Einige Menschen wurden zum Vergnügen der neuen Herrscher in Lager gesperrt, andere flohen aus den Städten und fielen zurück in eine archaische Stammeskultur. Doch noch war nicht alles verloren …

In den Lagern zeigten sich andere Wesen, die Fatimas. Sie formten aus den Gefangenen acht Stämme und führten sie zur offenen Rebellion. Einer von ihnen fiel zusammen mit seinem Stamm im Kampf gegen den Anführer der Z’bri. Und dann war es vorbei. Die Z’bri zogen sich zurück und die sieben verbliebenen Stämme begannen in der Stadt Vimary (dem früheren Montreal, Kanada) eine neue Gesellschaft aufzubauen.

Teile der Stadt stehen unter Wasser, andere liegen in Ruinen oder sind von neuer Wildnis überwuchert.
Teile der Stadt stehen unter Wasser, andere liegen in Ruinen oder sind von neuer Wildnis überwuchert.

 

Sieben Stämme und einer

Tribe 8 beschreibt diese postapokalyptische sehr detailliert, etwa eine Generation nach den Aufständen – samt Machtfiguren, Bräuchen und Gesetzen. Die Fatimas herrschen über ihre Stämme und formen die neue Gesellschaft nach ihrem Willen. Vorzeit-Technologie ist verboten. Die Stammeskrieger wehren sich mit Schwertern und Lederrüstung und verwenden eine eigenartige Traummagie (Synthesis). Jeder Stamm hat dabei eine eigene Aufgabe, eigenen Kleidungsstil und Traditionen. Zusammen bilden sie eine Art Mikrokosmos einer Gesellschaft im Wiederaufbau:

  • Die düsteren Priester der Yagani hüten die Geschichte, führen Rituale durch und geleiten die Verstorbenen ins Jenseits. Sie fertigen Gegenstände aus Knochen und tätowieren ihre Körper.

  • Der große Stamm der Evani versorgt durch Feldarbeit ganz Vimary mit Essen. Sie verehren das Leben und verschreiben sich der Aufgabe, Kinder zu bekommen.

  • Die wohlhabenden Magdaleni halten als Diplomaten die Stämme zusammen. Ihre Konkubinen und Händler mehren ihren Einfluss auch über Vimary hinaus.

  • Die Richter der Shebani formen die Gesetze der Nation und richten über jene, die sie brechen. In weite Roben gehüllt verbringen sie ihr ganzes Leben mit dem Studium des Rechts.

  • Die gut gerüsteten Johanni sind Krieger durch und durch. Sie sorgen für Ordnung und verteidigen die Stämme gegen Gefahren von innen und außen.

  • Die listigen Dahliani ziehen in Wagenkolonnen umher und unterhalten die anderen Stämme mit Schauspiel und Musik.

  • Der kleinste Stamm der Agnesti besteht fast nur aus (Waisen-)Kindern, testet seine Grenzen aus und sorgt damit immer wieder für Ärger.

Wer sich den Traditionen und Gesetzen widersetzt, wird ausgestoßen und auf eine kleine Flussinsel verbannt. Dort nennen sich die gefallenen Verbrecher und Rebellen insgeheim „der achte Stamm“ und verehren den gefallenen achten Fatima. Auf sich allein gestellt und von den Stämmen ignoriert, kämpfen sie auch um ihr Überleben.

Gefallen, aber nicht gebrochen

Wie könnte es anders sein, verkörpern die Spieler in Tribe 8 eben solche Gefallene. Sie haben durchschaut, dass in den Stämmen nicht alles gut läuft und die Fatimas längst von Befreiern zu Tyrannen geworden sind. Mit ihrer neuen Freiheit weiß der achte Stamm aber noch nichts anzufangen, ist zerstritten und ohne Anführer. Und genau hier kommen die Charaktere ins Spiel. Sie können durch ihre Taten den Werdegang des achten Stammes mit formen und letztlich sein Schicksal (und damit das Schicksal der ganzen Nation) entscheiden.

Feinde und Verbündete

Die Spielwelt von Tribe 8 ist vor allem eins: komplex. Die Erklärung bisher ist nur ein grober Überblick, wobei das Rollenspiel selbst ausführlich Machtfiguren, Politik, Gesetze und Traditionen jedes Stammes darstellt. Dadurch entsteht eine lebendige Spielwelt voller persönlicher Motive. So sind die Z’bri zwar nach wie vor eine Bedrohung, aber nicht alle unter ihnen die dämonischen Bösewichte, für die die Stämme sie halten. Auch die Barbaren von außerhalb von Vimary können Feinde oder Verbündete abgeben. Da wären etwa die plündernde Horde des Kriegsherrn Luther Boarbeard und verschiedene Bewahrer, kleine Gruppen von Bunkerbewohnern und Technologie-Sammlern mit Gewehren und Elektrizität. Auch dringen Gerüchte nach Vimary von anderen Städten wie Capal (Quebeck) und Hattan (Manhattan), wo es angeblich noch Lager gibt.

Sind die Lager wirklich vorbei? Die Z'bri leben in bizarren Burgen aus Fleisch und Knochen, umgeben von Heeren aus bedauernswerten Sklaven.
Sind die Lager wirklich vorbei? Die Z’bri leben in bizarren Burgen aus Fleisch und Knochen, umgeben von Heeren aus bedauernswerten Sklaven.

 

Das Shilouette-System

Tribe 8 verwendet das von Dream Pod 9 entwickelte Shilouette-System, das auch für das Sci-Fi-Rollenspiel Jovian Chronicles verwendet wurde. Eine frühere Version der Regeln findet sich im Tribe 8-Grundregelwerk, die letzte Edition ist als Shilouette-Core-RPG separat erschienen.

Das Shilouette-System ist simulationistisch und verwendet 10 Attribute (etwa Aussehen, Statur, Wahrnehmung, Fitness, Bildung) sowie eine umfassende Fertigkeitsliste. Gewürfelt wird mit einer Anzahl W6 gleich dem Wert, wobei nur das höchste Ergebnis zählt. Zusätzliche Höchstaugenzahlen geben dem Ergebnis jeweils plus eins. Interessant dabei ist, dass der Durchschnittswert null beträgt, so dass sich NSC mit wenigen Notizen und Abkürzungen (etwa „AUS +2, STA +2, BIL -1“) festhalten lassen. Auch beim Thema Kampf geht Tribe 8 einen eigenen Weg: Statt Lebenspunkte abzustreichen, verursachen Waffen Wunden und Abzüge auf alle Werte. Eine Konstitutionsprobe entscheidet dann, ob der Charakter weiter am Kampf teilnehmen kann, oder ohnmächtig wird.

Sekundenschlaf, dann Feuerball

Eine Besonderheit des Systems ist die Magie in Form von Synthesis. Über diese kann eigentlich jeder Charakter verfügen und wird dann „Träumer“ genannt. Er lässt sich bewusst in eine Art Traumzustand fallen und formt dadurch die Wirklichkeit. Der Effekt wird dabei nicht in Zauberformeln festgehalten, sondern im Rahmen der Stammeszugehörigkeit (Eminenz) frei formuliert. Das Regelwerk enthält zahlreiche Anwendungsbeispiele mit vorgegebenen Schwierigkeiten: So könnte etwa ein Yagani mit der Eminenz Tod „mit den Geistern der Toten sprechen“ oder aber „ein Objekt verrotten lassen“. Das erinnert stark an Sphären und Magick [sic.] aus Mage: The Ascension, erfordert aber Verhandlungen am Spieltisch. Wer bei Synthesis patzt, verliert sein spirituelles Equilibrium und erleidet Abzüge oder kann sogar für Tage handlungsunfähig werden.

Synthesis ist übrigens nicht die einzige Art der Magie. Z’bri wirken die sogenannte Fragmentierung, die negative Emotionen erzeugt oder Lebewesen verändert. Bewahrer können per Techschmieden alte Technik wieder ans Laufen bringen oder Erkenntnisse darüber gewinnen.

Alternative Regeln

Zugegeben, das Shilouette-Regelsystem ist alles andere als perfekt. Es ist sehr crunch-lastig, tödlich in Kämpfen, vage bei der Magie und steht damit irgendwie zwischen allen Stühlen. Immerhin gibt es Alternativen: Im Tribe 8 Second Edition Players Handbook werden Werte für ein Standard-d20-System angegeben. Dazu gibt es eine kostenlose, recht gelungene Fate-Version namens Fate of Vimary als Google-Docs-Dokument sogar alternativ für Strands of Fate. Im Blog Save vs. Poison finden sich dazu Ideen für eine Savage Worlds-Umsetzung.

Die vier Häuser der Z'bri unterscheiden sich stark voneinander. Die Melanis kleiden sich in weite Roben und führen grausame Experimente durch.
Die vier Häuser der Z’bri unterscheiden sich stark voneinander. Die Melanis kleiden sich in weite Roben und führen grausame Experimente durch.

 

Der Metaplot

„Omg, er hat ‚Metaplot‘ gesagt!“ Ein paar Worte zu dem Begriff sind an dieser Stelle wohl angebracht. Dieser meint eine übergeordnete Geschichte der Spielwelt, welche von globalen Ereignissen und starken NSC vorangetrieben wird. Natürlich haben viele bekannte Spielwelten ihren laufenden Metaplot (von DSA bis Shadowrun), doch heutzutage, spätestens seit der Time of Judgement und dem Untergang der ersten World of Darkness, ist das Wort Metaplot in vielen Spielrunden verpönt. Es suggeriert, dass die Spielercharaktere keinen Einfluss auf die Spielwelt haben und nur Nebendarsteller in einer deutlich spannenderen Geschichte sind.

Tribe 8 hat so einen starken Metaplot und er gehört zum Besten, was ich je in einem Rollenspielbuch lesen durfte. Dieser beginnt bereits im Abenteuer Enemy of my Enemy, das dem Spielleiterschirm beiliegt. Schon mit den ersten Kampagnenbänden Children of Lilith und Trial by Fire wird aber klar, dass das hier und im Grundregelwerk vorgestellte Vimary kaum mehr als ein Startpunkt ist und sich mit dem Verlauf der Kampagne drastisch erweitert und verändert. Ein kleiner Spoiler als Vorschau:

Spoiler

Die Gefallenen formen sich erst durch das Erscheinen und den Tod der Fatima Lilith zum Achten Stamm. Kurz darauf wird Agnes, die Fatima der Agnesti, von den Z’bri entführt, wodurch sich ihr eigener Stamm verändert und näher an die Gefallenen rückt. Nebenbei treten immer mehr Geheimnisse des Settings ans Licht, etwa der Verrat an dem gefallenen Fatima Joshua, ein geheimer Pakt zwischen der Nation und den Z’bri, sowie ein Problem mit den Seelen im Fluss der Träume, das mit der Natur der Z’bri und der Apokalypse selbst zusammenhängt. Eine Zusammenfassung des ganzen Metaplots (von dem nur drei Akte in Erweiterungsbänden realisiert sind) kann man im Kampagnenband nachlesen.

[Einklappen]

 

Wären die Spieler Mitglieder der Nation der sieben Stämme, hätten sie an diesen Ereignissen kaum Anteil. Doch als Gefallene stehen sie notgedrungen im Zentrum der Ereignisse und müssen sich mit jeder Entwicklung der Spielwelt neu positionieren. Übernehmen sie Verantwortung für den Achten Stamm, sind sie bald selbst die Hauptdarsteller, die die Entscheidungen treffen. Am Ende des zweiten Aktes des Metaplots verlagert sich die Handlung sogar fort von Vimary, in die neue Stadt Capal (Quebeck), die im Tribe 8 Second Edition Players Handbook beschrieben wird.

Ein paar der vielen Charaktere, die ein eigenes Portrait und Kurzbeschreibung erhalten.
Ein paar der vielen Charaktere, die ein eigenes Portrait und Kurzbeschreibung erhalten.

 

Die Probleme

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ich liebe dieses Rollenspiel! Doch gespielt habe ich Tribe 8 noch nie. Warum das so ist, deckt sich mit den Gründen, warum Tribe 8 heute verschwunden ist. Dabei meine ich nicht die viel kritisierten Probleme mit dem Magiesystem oder den Regeln oder den Problemen von Spielern mit Metaplot. Es hat vielmehr etwas mit der Konzeption von Tribe 8, den Texten und Themen des Rollenspiels, zu tun:

Ein Leserollenspiel

Was ich bisher verschwiegen habe: Ein Großteil der Texte zum Hintergrund der Spielwelt von Tribe 8 sind nicht als kompakte Informationen, sondern als perspektivische Erzähltexte geschrieben. Damit ist der Hintergrund einerseits subjektiv und gibt dem Spielleiter die Möglichkeit, eigene Interpreationen und Wahrheiten zu definieren. Andererseits ist das schnelle Nachschlagen auf der Suche nach Details kaum möglich. Hier ist tatsächlich Vorarbeit auf Seiten des Spielleiters nötig. Aufschlagen und Losspielen ist mit Tribe 8 nicht drin. In Zeiten von zwanzigseitigen Fate-Abenteuern schreckt das natürlich Spielleiter ab.

Komplex und politisch

Tribe 8 präsentiert eine sehr detaillierte Spielwelt auf kleinem Raum. Durch den Aufbau mit acht Stämmen, nebst verborgenen Organisationen und Kräften von außen, gibt es logischerweise viele NSC mit unterschiedlichen Motiven, die die Handlung bestimmen – eigentlich eine perfekte Sandbox. Die Autoren fordern von den Spielern, sich mit der Spielwelt zu beschäftigen, die handelnden Figuren kennenzulernen, sich Namen und Hintergründe zu merken, um handlungsfähig zu sein. Denn Vimary ist wie Westeros aus Das Lied von Eis und Feuer voller Intrigen, wechselnder Bündnisse und verborgener Geheimnisse. „Folge der Quest und suche das Artefakt“-Plots machen zwar auch in Tribe 8 Spaß, gehen aber an der eigentlichen Ausrichtung des Spiels vorbei. Nur wer Interesse an der eigenwilligen Spielwelt hat, wird mit diesem Rollenspiel glücklich. Diese ist dann auch durchdachter, lebendiger und innovativer als viele andere Rollenspielwelten. Das Spielern zu vermitteln ist nur nicht gerade einfach („Ich hab meine Notizen verloren, können wir nicht DSA spielen? Da kenn‘ ich mich wenigstens aus.“).

Der mystische Touch

Postapokalypse steht normalerweise für Gasmasken, Ödlande und Mutanten. Tribe 8 ist eher Fantasy mit einem postapokalyptischen Anstrich und braucht Spieler, die bereit sind, sich von typischen Klischees und Erwartungshaltungen zu lösen. Und dann beinhaltet das Setting noch etwas, das viele Postapokalypse-Fans eher nicht mögen: Mystik. Je tiefer die Spieler in die Hintergrundgeschichte eindringen, desto klarer wird es, dass hier keine Alieninvasion vorliegt, sondern es um eine Art spiritueller Apokalypse geht. Theoretisch kann jede Spielrunde diese Aspekte natürlich herunterfahren und sich auf Überlebenskampf und Intrigenspiel konzentrieren. Wessen Fantasie dem Ungewohnten eher abgeneigt ist oder generell nicht mit übergroßen Wesen aus Metall (Fatimas) oder zusammengenähtem Fleisch (Z’bri) klarkommt, dürfte in Tribe 8 falsch sein („Find ich einfach albern, sorry. Lass ma‘ SR spielen. Da hab ich noch meinen Ork-Ki-Adepten und wir bekämpfen Insektengeister“).

Düstere Themen

Ich habe Tribe 8 mit etwa 17 Jahren entdeckt. Einige Themen des Rollenspiels sind aber alles andere als jugendfreundlich, sondern teilweise sehr düster. Sklaverei, Folter, Sadismus und Sexualität sind durch die Z’bri Teil des Settings und erfordern eine erwachsene Spielrunde, die mit solchen Themen auch umgehen kann und will. Damit ist Tribe 8 nichts für die verbreitete Feierabend-Bier-und-Bretzel-Zockrunde oder Spieler, die sich kaum Gedanken über das Innenleben ihrer Charaktere machen.

Vorzeit-PDF

Eine Sache sei an dieser Stelle noch angemerkt: Die PDF von Tribe 8 stammen aus einer Zeit vor der Volltextsuche. Dream Pod 9 hat die die Bücher vor Einstellung des Rollenspiels quasi nur eingescannt, was den Text vor allem auf Ausdrucken leicht unscharf wirken lässt.

Wo fange ich an?

Noch nicht abgeschreckt, vielleicht sogar interessiert, aber verwirrt durch die Publikationen von Tribe 8? Kein Problem. Diese Bücher braucht ihr zum Einstieg in die jeweilige Spielweise:

Bücher1

 

Tribe 8 als Sandbox

Das Grundregelwerk der 1. Edition gibt einen Überblick über die Welt, stellt wichtige Figuren und Antagonisten vor und hat ein vollständiges Shilouette-System.

Das Vimary Sourcebook gibt einen besseren Überblick über die Spielwelt von Vimary, samt dutzender Karten, Plotideen und einer Vorstellung der einflussreichsten Personen.

– Das Tribe 8 Companion enthält Details zu den beiden verborgenen Stämmen (Joshuani und Marianni), sowie einige Geheimnisse des Settings. Dazu bringt es mehr Charakteroptionen als Bewahrer und treues Mitglied der Sieben Stämme, sowie nützliche Klarstellungen zu den Magieregeln.

Neben diesen Büchern gibt es eine Reihe spezieller Hintergrundbücher, die natürlich nur Sinn ergeben, falls die Spieler sich dafür interessieren: Adrift in the River of Dream (Traumreich, Synthesis und Geister) für Mystik-Abenteuer, Horrors of the Z’bri (die vier Häuser der Z’bri) für Horror-Abenteuer und Into the Outlands (Barbaren und nähere Umlande) für Entdecker-Abenteuer.

Die Erweiterungsbände zu den einzelnen Stämmen sind nette Dreingaben. Eigentlich finden sich im Vimary Sourcebook und dem Grundregelwerk ausreichende Informationen. Nur wenn ein Großteil der Spielercharaktere aus einem bestimmten Stamm kommen, lohnt sich der Kauf von Word of the Fates (Evani, Magdaleni, Yagani), Word of the Pillars (Shebani, Johanni) oder Word of the Dancers (Agnesti, Dahliani).

Die folgenden Bücher enthalten Abenteuer, die nicht an den Metaplot gebunden sind: Book of Legends (Ausgestoßene der Z’bri und Artefakte), Harvest of Thornes (ein Geheimkrieg um die Guides, die wahren Stippenzieher des Settings).

Bücher2

 

Tribe 8 als Meta-Kampagne

Das Grundregelwerk der 1. Edition stellt den Einstieg in die Spielwelt dar, samt Abriss der Geschichte bisher und den wichtigsten Figuren der Gefallenen.

Weavers Screen and Resources enthält das Einstiegs-Abenteuer „Enemy of my Enemey“, sowie einen Überblick über den ersten Teil des Metaplots. Dazu gibt es nützliche Karten von Orten, die während des Metaplots eine Rolle spielen.

– Children of Lilith ist das erste Abenteuer der Kampagne und enthält eine Vorstellung der südlichen Außenlande, sowie den spannenden Schauplatz „Das Institut“, eine von Geistern heimgesuchte Ruine.

Die weiteren Abenteuer des Metaplots sind dann in Reihenfolge Trial by Fire, Warrior Unbound, Broken Pact, Vimary Burns, Revanche und Liberation. Die zweite Stadt (Capal) die nach den Ereignissen von Vimary Burns eine Rolle spielt, wird in Capal Book of Days und Word from the North näher beschrieben.

Tribe 8 nach dem Metaplot

Nach den Ereignissen des Metaplots beginnt auf Basis der veränderten Welt quasi ein neues Setting, eine Generation später. Dieses ist im Tribe 8 Second Edition: Players Handbook näher beschrieben. Es enthält eine Anleitung den Metaplot nach Liberation weiterzuspielen, kann aber auch als eigenständiges Sandbox-Setting genutzt werden.

Fazit

Tribe 8 ist ein fantastisches Rollenspiel, das seine Welt in zahllosen, lesenswerten Geschichten transportiert. Diese bricht mit Erwartungshaltungen und mischt Fantasy mit Mystik und Postapokalypse. Dabei hat das Ganze einen ungewohnt hohen Anspruch an Leser und Spielrunden, will durchdrungen und interpretiert werden. Für manche Rollenspieler dürfte Tribe 8 genau deshalb ein Beispiel dafür sein, was im unserem Hobby keinen Erfolg hat: ein exzentrisches Experiment mit düsteren, erwachsenen Themen und einer komplexen Spielwelt, die im Verlauf des Metaplots Stück für Stück zerstört und verändert wird – ein Leserollenspiel, ein Nischenprodukt, ein Heartbreaker.

Für mich jedenfalls war Tribe 8 einfach seiner Zeit voraus und ist es noch heute – beim Thema Kampagne und Weltdesign – vielen anderen Rollenspielen. Es vermittelt eine Ahnung davon, was Rollenspiel sein könnte, wenn sich nur mehr Spieler und Autoren mehr trauen würden. Wandelnde Götter aus Metall? Intrigen und mystische Geheimnisse? Dutzende NSC, die ein lebendiges, politisches Geflecht bilden? Ja bitte! Tribe 8 erzeugt bei mir heute noch das, was ich in vielen anderen Spielwelten vermisse: das Gefühl auf das Unerwartete zu stoßen, etwas Besonderes in der Hand zu haben, zu staunen und zu grübeln. Es ist eben kein Remix mit durchgeschleuderter Landkarte und „Elfen, die aber Belfen heißen“, sondern ein echtes Original. Dass Tribe 8 da draußen tatsächlich noch Fans hat, die sogar Vimary-LARPS veranstalten und bei der Erwähnung des Namens ins Schwärmen geraten, lässt mich die nächste 08/15-DSA-Runde leichter ertragen.

Artikelbilder: Dream Pod 9

 

8 Kommentare

  1. Ich habe es recht weit geleitet und ich habe es geliebt. Das Setting, das es im Grundbuch quasi keine Fakten zur Geschichte gibt sondern nur die Ansichten verschiedener Zeitzeugen. Die Endzeit & Mystik Mischung (Sonst mag ich Endzeit eigentlich garnicht). Eigentlich ist T8 kein Rollenspiel mit Abenteuern, es ist eine Kampagne mit Rollenspielregeln.

  2. Ich hab das komplette System damals, als es eingestampft wurde, günstig erstanden, und jedes Jahr wieder wünschte ich mir eine Gruppe mit der ich das spielen könnte. Aber dazu gehört bei T8 meiner Meinung nach, dass die Spieler sich zumindest ein bißchen einlesen. Oder man einen ganzen Abend damit verbringt das Setting zu erklären. Im Gegensatz zu DSA/SR/D&D und deren etlichen Klonen ist T8 soweit von allen Standards entfernt daß man hier nicht einfach so los spielen kann.

  3. Ich hab das Glück, fast alles in Druckform zu besitzen (wobei mir einfällt, dass ich die Sammlung wohl mal vervollständigen sollte). Aber leider weder das Glück, es je (mehr als eine einleitende Session) gespielt oder geleitet zu haben. Es liegt neben einigen anderen „Gral“-Spielen hier in meinem Regal und hofft auf jene Zeit, in der ich eine experimentierfreudige Gruppe zusammengebaut habe, mit der man anderes spielen kann als den Standard.
    OB diese Zeit je kommen wird, das steht in den Sternen.
    Immerhin habe ich schonmal Leute gefunden, die bereit sind, mit mir „Wraith: The Oblivion“ zu spielen. Dann wird es vielleicht auch irgendwann Runden geben, in denen Tribe8, Mechanical Dream oder Opus Anima machbar sein sollte…

    Ich würde aber nicht sagen, dass es keine gewagten Ansätze mehr gibt im Rollenspiel. Nur finden sich diese eben nicht in solch epischen Kampagnen-Konstrukten wie Tribe8 wieder, sondern eher im kleinen Bereich, bei den Indies…

    • Hach, Wraith, Mechanical Dream und Opus Anima habe ich hier auch noch stehen ;) Scheinen irgendwie alles Titel aus der Ecke „Sperrig und mit Anspruch“ zu sein.

      • Wraith war mir immer zu düster, so sehr ich personal horror spiele. Ich mag aber an der Spielmechanik, dass ein anderer Spieler den Shadow/Spectre des anderen spielt. Das habe ich einmal erlebt als Spieler und die Erfahrung war grandios. Das klappt aber nur am Tisch, wenn alle Beteiligten sehr immersiv spielen.

  4. Mit Tribe 8 habe ich einige meiner erinnerungswürdigsten Rollenspielmomente erlebt. Ich habe es mit verschiedenen Gruppen über längeren Zeitraum gespielt, auch wenn wir beim Metaplot nicht über den zweiten Band hinausgekommen sind. Dafür haben wir viele eigene Abenteuer gespielt und die Spieler nutzten die Sandbox. Tribe 8 ist mein großer Schatz unter den Rollenspielen. Sehr empfehlenswert.

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