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„Eine wundervolle Graphic Novel für Gamer-Girls jeden Alters“ – so prangt ein Zitat von der ungekrönten Königin der weiblichen Geek-Kultur, Felicia Day, auf dem Cover von Das echte Leben. Große Worte, die mich direkt positiv einstimmten. Das Werk ist eine Geschichte aus der Feder des Jugendbuchautors Cory Doctorow (Little Brother, For the Win, Boing Boing), illustriert von Jen Wang (Koko be good).

Handlung

Anda ist eine junge Frau im Teenageralter, die vor Kurzem mit ihren Eltern in eine neue Stadt gezogen ist. Anda ist computerbegeistert, programmiert in der Schule ihre eigenen kleinen Programme und Spiele. Eines Tages kommt eine junge Frau namens Liza in die Schule und spricht während einer Vorstellung im Unterricht von einem Onlinespiel namens „Coarsegold“. Sie ist das Oberhaupt eine Gilde, die nur Mädchen rekrutiert und lädt die Mädchen in der Schule dazu ein, sich zu registrieren und Teil der Gilde zu werden. Natürlich ist Anda mit dabei.

Nach einem kurzen Gespräch mit der Mutter, die Sorge hat, dass im Spiel nicht alles mit rechten Dingen zugeht, ist ein Avatar schnell erstellt. Anda taucht ein in die Welt von Coarsegold – und ist verzaubert. Nachdem sie ein paar Aufgaben erfolgreich erledigt hat, wird ein anderes Gildenmitglied auf sie aufmerksam. Lucy, die immer darauf besteht, Sergeant genannt zu werden, ist schon länger in Coarsegold unterwegs. Sie nimmt Anda unter ihre Fittiche und erzählt ihr, dass man als Gamer Geld verdienen kann, indem man Aufträge gegen Bares erledigt. Bei diesen Aufträgen geht es primär darum, Goldfarmer zu töten. Goldfarmer sind Spieler, die wertvolle Gegenstände sammeln und sie gegen reales Geld an andere Gamer verkaufen, was in Coarsegold verboten ist.

Anda ist es sichtlich unwohl bei dem Gedanken, andere Spieleravatare zu töten. Aber Lucy bearbeitet sie und schlussendlich ziehen die beiden gemeinsam durch Coarsegold und töten Goldfarmer gegen Geld. Lucy erklärt Anda, dass die Goldfarmer meistens kein Englisch sprechen können und dass die Chinesen sowieso die Schlimmsten von allen sind.

Allerdings trifft Anda während eines Auftrags auf einen Goldfarmer, der doch etwas Englisch spricht. Sie verfolgt ihn zunächst nur, weil er zu entkommen versucht, kommt dann aber mit ihm ins Gespräch. Sein Name ist Richard (der Name, den er im Englischunterricht hat), er kommt aus China und er ist 16 Jahre alt. Er arbeitet als Goldfarmer in Coarsegold, um Geld zu verdienen, spielt aber auch in seiner Freizeit. Er erzählt, dass seine Familie kaum Geld hat und er nicht studieren gehen kann. Denn er muss Geld verdienen, um seiner Familie zu helfen, auch wenn seine Eltern es lieber sehen würden, wenn er in einer Fabrik arbeitete. Anda freundet sich mit ihm an und während weiterer Treffen erzählt Richard von der fehlenden Krankenversicherung, dass er krank ist, aber nicht zum Arzt kann, den schlechten sozialen Bedingungen und den Problemen, die damit einhergehen.

In Anda wächst der Wunsch, ihm und seinen Kollegen zu helfen. Das ist leichter gesagt als getan, schließlich ist sie in den USA und er in China. Ihre Bemühungen erfahren einen jähen Rückschlag, als sie erfährt, dass Richard gefeuert wurde: Er hat versucht, seine Kollegen zu einem Protest für bessere Arbeitsbedingungen zu überreden – auf Andas Ratschlag hin. Zu allem Überfluss gerät sie auch noch mit Lucy aneinander, die ihr Vorwürfe macht, weil Anda mit einem Goldfarmer befreundet ist. In einem Kampf tötet sie Lucys Avatar. Beide werden von der Gildenleiterin vorübergehend suspendiert, weil sie sich auf Kosten anderer bereichert haben. Anda ist verzweifelt, gibt sich die Schuld für Richards missliche Lage und erkennt, wie unfair die Welt manchmal sein kann. Ganz besonders im Falle von Richard. Nach einigen Irrungen und Wirrungen gelingt es Anda aber dennoch, die Umstände richtigzustellen und ihren Namen reinzuwaschen. Sie trifft am Ende sogar Richard wieder, der nun woanders als Goldfarmer arbeitet – allerdings unter besseren Bedingungen. So ist es zwar nicht das vollkommene Happy End, aber immerhin ein halbes.

Charaktere

Die Charaktere in der Geschichte kommen alle mit relativ wenig Hintergrund aus. Bei Anda und Richard erfährt man etwas mehr darüber, woher sie kommen, was sie gerne machen, den sozialen Background etc. Besonders komplex ist aber keiner der Charaktere. Schön ist die Entwicklung von Anda während der fortschreitenden Geschichte. Hat man anfangs noch den Eindruck, dass Anda eher eine graue Maus ist, die lieber mit ihresgleichen abhängt, entwickelt sie sich zu einem engagiertem und couragiertem jungen Mädchen, das für andere einsteht und über seinen eigenen Tellerrand guckt. So etwas mag ich persönlich, ich finde es gut, wenn sich Protagonisten weiterentwickeln und man nicht das Gefühl hat, dass sie aus ihren Handlungen und den Konsequenzen nichts lernen.

Zeichenstil

Ich muss sagen dass ich den Zeichenstil von Das echte Leben etwas einfach finde. Die Figuren und Hintergründe wirken dadurch recht „flach“. Das wird sicherlich so beabsichtigt sein und soll das jüngere Lesepublikum ansprechen, mir persönlich ist es zu simpel.

Preis-/Leistungsverhältnis

Die Graphic Novel wird als Hardcover verkauft und kostet 16,99 EUR. Ich hatte das Buch nach ca. einer Stunde durch. Dazu muss ich aber sagen, dass der Einband sehr schön gestaltet ist. Auch die Geschichte ist gut erzählt. Wenn man also auf solche Sammelobjekte steht und einen das kurze Lesevergnügen nicht abschreckt, kann man getrost die knapp 17 Euro investieren und wird nicht enttäuscht.

Erscheinungsbild

Das echte Leben Grafic Novel CoverDer Hardcover-Einband ist rundherum vierfarbig, einige Bildelemente sind mit Lack veredelt und alles in allem macht der Einband einen stabilen und gut verarbeiteten Eindruck. Die Innenseiten haben ebenfalls eine höhere Grammatur als ich es von grafischen Novellen sonst gewohnt bin. Das Papier ist nicht glänzend, was die Lesbarkeit positiv beeinflusst, die Farben sind aber trotzdem intensiv und ungebrochen. Die Schriftart ähnelt einer Handschrift, passt also gut ins Gesamtbild und ist gut zu lesen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor(en): Cory Doctorow
  • Zeichner(in): Jen Wang
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 189
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt keine Bonusinhalte.

Fazit

Ich finde es gut, wie kritisch sich Das echte Leben mit Gaming, Wirtschaft und Verhaltensökonomie auseinandersetzt. Selbst das Thema „Mädchen/Frauen und Computerspiele“ wird kurz angeschnitten. Die Geschichte ist spannend erzählt und ich hatte die 189 Seiten schnell gelesen.

Natürlich bleibt in einer grafischen Novelle nicht unbedingt viel Platz für einen ausführlichen Diskurs, aber man kommt als Leser schon ins Grübeln. Es gibt eben nicht nur richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Auch wenn der Zeichenstil nicht nach meinem Geschmack ist, passt er doch für die Geschichte und das Zielpublikum.

Daumen4weiblich

Artikelbilder: Panini Comics

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