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Wie auch schon in den Vorjahren, fand die Veranstaltung der Orga Live Adventure Jenseits der Siegel; Freudenfeuer auf dem Gelände des Pfadfindergeländes in Immenhausen statt. Die vorhandenen sanitären Anlagen wurden durch einige strategisch sinnvoll platzierte Dixi-Klos sowie einige Duschcontainer aufgestockt, der Rest der Infrastruktur wurde unverändert genutzt.

Das Gelände war groß genug, um allen Spielern einen schönen, weitläufigen Aufbau zu ermöglichen, die Infrastruktur und die Sauberkeit der Toiletten und Duschen bot keinerlei Anlass zu Klagen. Auch die Müllcontainer und das SL-Hauptquartier fielen nicht weiter störend ins Auge.

Ich muss gestehen, dass ich mit einem mulmigen Gefühl zu dieser Convention fuhr. Das neue Spielsystem des letzten Conquest of Mythodea, die Spiegelwelt, in Kombination mit zum Teil extrem schlecht vorbereiteten Spielleitern hatte mich so frustriert, dass ich mich generell vom Fantasy-LARP abwandte. Der geneigte Leser hat vielleicht verfolgt, dass ich in der Zwischenzeit nur noch die Endzeit unsicher machte. Es war für mich also nicht nur eine Rückkehr nach Mythodea, sondern in ein ganzes Genre. Da man jedoch allem eine zweite Chance geben soll, habe ich mich selbst überredet, diesen Weg nach Immenhausen anzutreten.

Schauen wir also gemeinsam, ob diese Überzeugungsarbeit von dauerhaftem Erfolg gekrönt war.

Lageraufbau
Lageraufbau

Der Aufbau

Da meine Reisegruppe in der Freyenmark beheimatet ist, waren wir im Siegelfreien Lager untergebracht. Die Anreise am Mittwoch gestaltete sich überraschend stressfrei, das Check-In fand bereits weit vor dem Lager statt, die Fahrzeuge erhielten Schilder gemäß des Lagerortes und die Abladezonen waren gut durchdacht verteilt, so das es nirgends zu größeren Staus kam. Das einzige Manko war, dass die Parkplätze, an denen die entladenen Fahrzeuge abzustellen waren, gute 20 Minuten Fußmarsch entfernt lagen. Die zugeteilten Lagerflächen waren großzügig bemessen, so dass kein Zelt-Tetris gespielt werden musste. Die SL-Ansprache, sowie der Zeitpunkt des Time-In entsprachen den im Vorfeld genannten Zeiten. Und so ging es pünktlich in die Fantasywelt des mystischen Kontinents Mythodea, in das kleine Örtchen Holzbrück.

Wie auf jedem weitläufigen Gelände begann zuerst einmal ein Orientierungsspaziergang, bei dem sehr positiv die wirklich liebevolle Ausgestaltung der einzelnen Lager auffiel. Nach meinem Empfinden hat sich hier eine Menge getan, was die glaubwürdige Ausstaffierung der Spieler und NSC-Lager betrifft. Auch war der Gewandungsstandard durchgängig als hoch einzustufen. Da ich nach dem Plot-Debakel der Spiegelwelt meinen persönlichen Schwerpunkt auf entspanntes Spiel legen wollte, besuchte ich als erstes die Elementarvölker der Edalphi und Naldar. Kein großer Meta-Plot, nur etwas Charakterspiel mit Festrollen, die ich seit Jahren kenne. Dies ließ sich am ersten Abend sowohl im Reich der Rosen als auch bei der Rückkehr der Hohepriesterin des Windvolkes gut an, und der erste Abend klang harmonisch in unserer Jurte aus.

Lager der Tivar Karassil und der Edalphi)
Lager der Tivar Karassil und der Edalphi)

Denn erstens kommt es anders…

Gut gelaunt startete ich in den zweiten Tag, ging erneut zu den Naldar wo ich der Priesterin meine Hilfe zusicherte, falls diese gebraucht würde und erhielt überraschenderweise eine Heldenmarke, die mir den Zugang zur Halle der Helden gewährte. Zusätzlich wurde meine Hilfe gebraucht und so ging ich den ersten kleineren Aufgaben nach. Das Thermometer kletterte bereits recht früh über die 30°-Marke, weshalb ich sowohl über meine Kopfbedeckung, als auch über die überall angebotenen Erfrischungen froh war.

In meinem Heimatlager, der Freyenmark, wurden Pläne für ein großes Ritual geschmiedet, von dem ich mich aber geflissentlich fern hielt. Ich ging einigen Geschichten über verfemte Energiesammler und Jäger nach, besuchte die Halle der Helden und fand überall spielfreudige Leute, mit denen ich gemeinsam viel Spaß und Spiel erlebte. Archonten wurden gesucht, Schwerter der Macht lockten andere zu sich, die politisch Interessierten diskutierten Chancen für den bevorstehenden Kriegszug in die Spiegelwelt. Der Kriegsrat tagte, Beutelschneider und Räuber trieben ihr Unwesen und die Bettlergilde trat in den Streik. Es waren gerade die kleinen Geschichten und Geschehnisse, die Tragödien und Glücksmomente, die mir den Tag versüßten. Keine Weltenrettung, nur schönes aber intensives Spiel, so wie ich es mir vorgenommen hatte.

Die gesamte Situation spitzte sich erst gegen Abend zu, als die Anwesenheit eines Energiesammlers der Verfemten als gesichert zu betrachten war. Eine kurze aber intensive Suche später war er gefunden und vernichtet. Ausgerechnet in der Halle der Helden, in den Reihen des Roten Codex, die sich sonst immer als unfehlbar darstellen, wurde er enttarnt. Mein Grinsen an dieser Stelle möge mir verziehen sein.

Der Abend klang mit einer Feier in der Halle der Helden aus, die an diesem Abend für alle offen stand. Feuertänzer und Musikanten in Kombination mit Bier und verschiedenen Metsorten sorgten für einen interessanten und lustigen Abend. Und nach dem Verprügeln eines etwas zu optimistischen Straßenräubers auf meinem Heimweg ins Lager, konnte ich diesen Tag gut gelaunt im Kreise einiger Freunde ausklingen lassen.

Die Halle der Helden wird geweiht
Die Halle der Helden wird geweiht

… und Zweitens als man denkt!

Der nächste Morgen begann mit einem ausgiebigen Frühstück und politischen Gesprächen mit Nachbarn aus unserem Lager. Einige Gerüchte erreichten uns, dass der am Vortag vernichtete Sammler der Verfemten immer zusammen mit einem Jäger anzutreffen sei. Also schloss sich erneut eine Suche an, die diesmal von einigen Truppenteilen des Söldnerheeres unterstützt wurde. Da eine entsprechend verdächtige Person schon aufgefallen war, fiel es nicht schwer, sie wiederzufinden und auszuschalten. Es folgten kurzweilige Aufgaben auf dem Gebiet der Alchemie, kombiniert mit der Begleitung einiger Personen, die entweder einen Archontenposten oder eines der Schwerter der Macht erringen wollten, und erreichten einen Höhepunkt am Nachmittag, als die Elementarvölker „Gleichgestellt“ wurden. Da ich mein Spiel auf die Naldar konzentriert hatte, wurde es nun etwas hektischer. Am Abend wurde dann das große Ritual der Freyenmark durchgeführt, bei dem geklärt werden sollte, ob dieser Landstrich auch ohne einen Archon und eine Nyame elementgefällig besiedelt sein könne. Nach einem wirklich schönen und von der SL recht intensiv begleiteten Ritualverlauf (Erdstösse, Windstöße, Pyro-Blitzeinschläge und Regenschauer aus 10 Liter-Eimern), war endgültig klar, dass die Freyenmark frei von Archonten bleiben wird. Die Stimmung kochte hierüber förmlich über, die Freyenmark zeigte, dass sie zu feiern weiß. Ich begab mich in der Gewissheit, dass der Tag erfolgreich abgeschlossen wäre, mit einigen Freunden in die Halle der Helden, um der für diesen Abend angesetzten Feier fernab aller großen Geschichten beizuwohnen.

Allerdings hatte ich gerade das erste halbe Bier getrunken, als mich ein Hilfegesuch der Hohepriesterin der Naldar erreichte und mich sofort wieder zurück auf den Boden der Tatsachen und in meine Rüstung holte. Es stand eine Rettungsmission für den Ersten Sturmreiter ihres Volkes an und da ich meine Hilfe zugesichert hatte, war ich einer der ersten, die gefragt wurden, ob sie bereit wären zu kämpfen.

Ich war bereit, und so begaben wir uns mit 14 Personen in die Sphäre Aeris, um das Blut eines Alten Herrschers zu erringen. Die Reise und die sich anschließende Eroberung des nächtlichen, von Nebelschwaden und speertragenden Feinden erfüllten Waldes war einer der schönsten Kämpfe, die ich im LARP bisher erlebt habe. Wir erreichten unser Ziel und kehrten mit vielen Verwundeten, aber vollzählig zurück. In einem intensiven Ritual wurde der Sturmreiter gerettet und allen, die an dieser Rettung beteiligt waren, gedankt. Blutend aber glücklich fand ich zu meinem Lager zurück und ging, nachdem ich den Rest meines Helden-Hallen-Bieres getrunken hatte, zu Bett.

Feiern in der Halle der Helden
Feiern in der Halle der Helden

Das dicke Ende

Nachdem am nächsten Morgen die Sonne gleich zu Beginn ihrer Reise einige Kohlen extra auflegte und bei 35 Grad im Zelt auch das Sitzen im Schatten nicht wirklich Freude machte, begaben wir uns in die Stadt. Dort liefen verstärkt die Prüfungen der Anwärter auf die Archonten-Posten, weitere Gerüchte um Energiesammler und Jäger machten die Runde, Gladiatorenkämpfe unterhielten das Volk und die Bettler streikten noch immer. Die Gleichstellung der Elementarvölker und die Freiheit der Freyenmark waren in aller Munde, vor allem vor dem Hintergrund, dass nun einer der Naldar auch nach dem Posten eines Archon griff. Der Kriegsrat tagte weiter. Magier, Schriftgelehrte und Alchemisten bereiteten sich auf die Reise in die Spiegelwelt vor. Die Nachricht vom Fall der letzten Heimatstadt der Naldar machte seine betrübliche Runde und sofort liefen Bestrebungen zur humanitären und militärischen Hilfe für das Volk Aeris an.

Alles wäre in Ordnung gewesen, jedoch hatten alle mit denen ich sprach ein sich immer weiter verstärkendes, mulmiges Gefühl. Schließlich waren wir auf einer Convention von Live Adventure und auf praktisch jeder Veranstaltung gibt es ganz am Schluss, wenn die Spieler nichts mehr bewegen können, einen Schlag ins Genick.

Aber genau dieser blieb aus. Die angehenden Archonten machten weiter die Prüfungen und sich gegenseitig die Hölle heiß, stritten um Banner der Macht; Personen die die Schwerter der Macht erringen wollten, legten Prüfungen und persönliche Questen ab, Handelspartner betrogen sich gegenseitig und die Bettler nahmen endlich wieder ihre Arbeit auf. Es war Rollen- und Stadtspiel pur, und die großen und kleinen Geschichten nahmen ihren Lauf und klangen spät in der Nacht nach und nach bei Feiern und Gesprächen aus.

Aushang in der Stadt
Aushang in der Stadt

Abreise

Der letzte Tag in Immenhausen brach früh an, und wie an jedem Abreisetag wurden mal hektisch, mal ruhig Sachen verpackt, Abschiedsrunden gedreht, E-Mail-Adressen ausgetauscht und die Wagen beladen. Hier hakte es etwas mehr, als bei der Anreise, aber nach 20 Minuten Fußmarsch zum Parkplatz und weiteren 40 Minuten in der Wagenschlange, um auf das Gelände fahren zu können, war dann auch dieser Teil erledigt. In Anbetracht der Enge des Geländes war dies sogar noch im Rahmen und kaum jemand regte sich wirklich auf. Die Stimmung war durchweg gut, und von gegenseitiger Rücksichtname und Hilfe geprägt.

Und so war ich dann nach eineinhalb Stunden Fahrt am frühen Nachmittag wieder zuhause und in der realen Welt zurück.

Alles in allem ein sehr schöner, von Ambiente geprägter Con, der eine Menge Spaß und Aufgaben in jeder Leistungsklasse bot. Es wäre zu wünschen, dass Live Adventure diesen ausgezeichneten Trend beibehält, auf den abschließenden Tiefschlag am Ende jeder Convention verzichtet, und auch in der Spiegelwelt so gut im Thema befindliche und allzeit erreichbare Spielleiter bereit hält.

Denn nur dann kann auch die nächste anstehende Reise ein frustfreies Abenteuer werden, bei dem die Spieler in dem guten Gefühl nach Hause fahren, die Welt ein Stück weit gerettet zu haben. Ich werde auf jeden Fall die Spiegelwelt dieses Jahr besuchen und mich erneut den Urzweiflern stellen. Die Hoffnung auf eine schöne, epische Convention wie dieses Jenseits der Siegel stirbt eben zuletzt.

Der Kristallthron im Gespräch mit einer Nyame
Der Kristallthron im Gespräch mit einer Nyame

Fazit

Die Convention Jenseits der Siegel; Freudenfeuer war dieses Jahr eine sehr von Ambiente geprägte Veranstaltung. Das allgemeine Niveau an Gewandungen und Lagerausschmückung war erfreulich hoch, Plots aller Schwierigkeitsstufen waren überall zu finden ohne sich aufzudrängen. Man fühlte sich rundum gut aufgehoben, Spielleitung, Infrastruktur und Logistik waren auf einem wirklich ausgezeichneten Stand. Der sonst für Live Adventure übliche Tiefschlag am Ende der Convention blieb diesmal aus und führte so zu einem entspannten, nicht von Frust geprägtem Ende.

Der Con aus Sicht eines Kodexlers

Holzbrück war dieses Jahr dank vieler parallel stattfindender Veranstaltungen recht spärlich besiedelt. Die Zahl der Spieler, die sich auf die von den einzelnen Gruppen organisierten Besprechungen, Feierlichkeiten und Rituale aufteilen konnten, war deshalb leider etwas begrenzt.

Auch der Kodex war dieses Jahr nicht so stark vertreten, was leider mit dazu beigetragen hat, dass auch die vom Kodex gepflegte Halle der Helden einen Großteil der Zeit leer stand. Die Ereignisse, die dort stattgefunden haben, waren aber meiner Meinung nach der Ehrung der Helden würdig.

Interessant war die Stadtratssitzung, in der sich unser Prior zum Bürgermeister hat wählen lassen – nachdem der Kodex vorher festgestellt hat, wie viele Stimmen ihm eigentlich wirklich zustehen. Am Rande der Sitzung wurde dann auch noch vermutet, dass der Kodex wahrscheinlich die am wenigsten korrupte Fraktion im Rat ist … sehr schön. Nun hat unser Prior, um den chaotischen Zuständen in Holzbrück zu begegnen, erstmal offiziell die „Tyrannei des Feuers“ verkündet. Warten wir mal ab, was sich da nächstes Jahr entwickelt und wie lange er an der Macht bleiben wird.

Das Spiel zwischen Kodex/Ignistänzerinnen und anderen Gruppen hat mir dieses Jahr sehr gut gefallen. Wir hatten sehr viel IT-Besuch, und auch unsere Besuche in anderen Lagern zeigten, dass man den Teil des Kodex, der in Holzbrück anwesend war, durchaus ernster nahm als in den letzten Jahren. Zumindest hat uns niemand mehr vor die Füße gespuckt und es wurde meines Wissens auch niemand in einer dunklen Gasse niedergestreckt.

Eines meiner persönlichen Highlights dieses Jahr war der Geschichtenerzähler, der uns in der Halle der Helden erst von den Breitelfen und dann von den Heldentaten seines Königs berichtete. Ich habe leider vergessen, nach dem Namen zu fragen, und mir auch den Namen des Königs nicht gemerkt – wenn ihr dies lest, und wisst, wen ich meine, würde ich mich freuen, wenn ihr mir in den Kommentaren einen Tipp geben könntet.

Ein weiteres Highlight war die Sumpfbärenband, die einige sehr witzige Lieder zum Besten gegeben und nebenbei noch den aktuellen Tanzhit Holzbrücks hervorgebracht hat. (Wobei mir Tanz und Lied selbst nicht so gefallen, aber ein Großteil der Gäste Holzbrücks sieht das anscheinend anders.)

Sehr gut gefallen hat mir die IT- wie OT-Hilfsbereitschaft der Spieler untereinander, als es darum ging, die Nicht-Nur-Mittagshitze zu überwinden. Getränke wurden geteilt oder Spieler mit Wasser und nassen Tüchern machten die Runde und kühlten auch dann, wenn man kein Kupper überhatte. Was mich wirklich sehr gefreut hat: Fast alle Spieler haben aufeinander geachtet, egal, ob man die Spieler kannte oder nicht. Beispielsweise Leute ohne Kopfbedeckung aus der Sonne geholt, Szenen so gelenkt, dass niemand gezwungen war, sich über die Maßen in der Hitze zu duellieren (oder zu tanzen oder zu rennen etc.) oder einfach nur die eigenen Tücher und Kopfbedeckungen mal zur Abkühlung verliehen.

Henning spielte Timotheus, den von den Invidia für die Ignistänzerinnen akquirierten Musiker.

Artikelbilder: Live Adventure

 

1 Kommentar

  1. Lieber Michael,

    es freut mich außerordentlich, dass Dir das diesjahrige JdS so gut gefallen hat. Was Du beschreibst klingt nach genau dem, was wir erreichen wollen und wenn ich Deinen Artikel lese sehe ich dass wir unseren Job schon ned ganz schlecht gemacht haben :).

    Was den Tiefschlag angeht: Hey, auch wir lernen, deswegen haben wir am Samstag alle Plots so weit wie möglich zu Ende gebracht. Auch für uns eine gute Entscheidung; auch SLs wollen irgendwann mal Feierabend haben :)

    Beste Grüße,
    Jörg
    (JdS-Team)

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