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Im Rollenspiel zu G.R.R. Martins Erfolgserie stellen die Spieler/innen die Mitglieder eines kleinen Hauses des Fantasy-Kontinents Westeros dar. Während das Grundregelwerk umfangreich erklärt, wie dieses Haus gemeinsam von den Beteiligtem am Rissbrett erzeugt wird – inklusive aller Besitztümer, Armeen und Weiterem – lässt es den Leser etwas zurück, wenn es um echte Ideen geht.

Der Chronikstarter stellt viele Familien vor und geht dabei deutlich weiter, als nur Werte und Profile zu liefern. Als Zusatz gibt es noch interessante Flecken in den Flusslanden, dem Lehen der Familien Tully und Frey.

Inhalt

Die Beschreibung von sechs Familien, hier Häuser genannt, bildet den Kern des Bandes. Die Familien Barnell, Bartholt, Gruber, Kytlyn, Marsten und Tullison sind Vasallen sechs verschiedener großer Häuser. Sie unterscheiden sich deutlich voneinander, haben aber dennoch eine Sache gemein: Alle bieten mehr als genug Potential für ausufernde Kampagnen im Westeros der kleineren Familien.

Für jedes Haus wird dessen Geschichte auf zwei bis drei Seiten kurz angerissen. Danach geht es mit einer Aufschlüsselung der Besitztümer des Haus weiter, umgesetzt auf spielmechanische Werte. Hier kann das Buch bereits erste Bonuspunkte sammeln, denn während im Grundregelwerk zwar erklärt wird, wie ein Haus gebaut wird und was die einzelnen Punkte bedeuten, fehlen echte Beispiele.

Der Chronikstarter findet hier – neben Inspirationsquelle für benachbarte NSC-Häuser – seinen Haupteinsatz. Er liefert Ideen und inspiriert Spieler wie SL gleichzeitig dazu, ein „gut definiertes“ eigenes Haus zu entwickeln.

Jedes Haus kann zudem nicht nur Inspiration sein, sondern auch schlicht das Haus der Spieler. Damit entfällt natürlich etwas für mich Wesentliches: die gemeinsame Erschaffung des eigenen Spieler-Hauses.

Darüber hinaus gehend beschreibt jedes Hauskapitel die dazugehörigen NSC wie Lord und Lady, wichtige Mitglieder des Haushaltes und noch mehr, denn die einzelnen Rollen werden geschickt untereinander verflochten. So entsteht das Potential für große Geschichten um Liebe, Habgier, Verrat, Angst und Tradition. Ansätze zu Handlungsfäden liefern aber nicht nur die NSC, sondern auch die generelle Historie des Hauses oder die Beschreibungen der Besitztümer. Hier hausen Wegelagerer in den Wäldern, dort neidet ein Nachbar den Gewinn des Weinberges und so weiter. Der Weinberg nebst Kellerei ist im Übrigen ein neues Besitztum.

Game of Thrones ist vor allem anderem ein Dramenspiel und diesem wird hier Tribut gezollt.

Die Häuser in Kurzform sind:

  • Haus Barnell – ein sehr junges Haus, das auf einer angeblich verfluchten Burg sitzt und vom Zwist ob des Nachkommen, der auf dem Hausthron sitzen wird, gespaltet werden kann.

  • Haus Bartholt – Treu den Baratheons ergeben, war es bekannt für die ausufernden Feste, die es gegeben hat. Nun beginnt ein nüchternerer Wind zu wehen.

  • Haus Gruber – ein gerissenes und habgieriges Haus, welches nur auf dem Blatt Papier den Lannisters die Treue geschworen hat.

  • Haus Kytlyn – Ein vom Krieg zerrüttetes Lehen, welches seinen Wohlstand von der Produktion von Sumpfeisen wieder aufbauen muss.

  • Haus Marsten – Das Haus aus der Zeit der Andalen besticht durch seine Lage im Grünen Tal und ist durch das Personengeflecht sehr interessant.

  • Haus Tullison – Reich durch den Bergbau und sicher in den Flusslanden, gerät das Haus in Gefahr, durch seinen naiven jungen Lord zu fallen.

 

Wie auch in anderen Veröffentlichungen zum Spiel findet sich bei jedem Haus der „Mehr Schatten?“-Kasten. Hier kann der Leser kurze Tipps bekommen, wie er das Haus düsterer gestaltet.

Ganze dreißig Seiten widmen sich den Flusslanden. Meine Erwartungshaltung, eine Regionalbeschreibung zu erhalten, wurde schnell enttäuscht. Stattdessen werden in diesem Abschnitt wenige interessante Orte und Städtchen beschrieben, die aber ihren eigenen Reiz haben. Das Städtchen Markstadt ist eine freie Stadt, die an mehrere Häuserlehen grenzt und durch ihre wirtschaftliche Bedeutung unangetastet bleibt. NSC, besondere Orte in Markstadt und Plots werden angerissen; gerade so genau, dass man als Leser ein gutes Gefühl für den Ort erhält, aber sich nicht eingegrenzt fühlt.

Zusätzlich finden sich ein von Räubern bevölkerter großer Wald, der als Lehen taugen würde – wenn sich denn jemand findet, der ihn befriedet … Die Orte Flussdorn und Marilshafen geben ähnliche künftige Lehen her, die alle ihre eigenen Probleme und Sorgen haben. Darüber hinaus finden sich kleinere interessante Flecken Land und Beschreibungen von drei Festlichkeiten in den Flusslanden. Hier gefiel mir der Narrentjost am besten.

Den letzten Abschnitt des Quellenbuchs bildet ein Abenteuer, in welchem es um die Vorbereitung eines Raubzuges durch das Haus Greyjoy gegen die Flusslande geht. Dieses Abenteuer ist in drei Akte aufgeteilt und offen genug, dass fast jedes Spielerhaus diese Geschichte spielen kann. Es wirkte auf mich aber fast lieblos. Zumindest sprang mich nicht der „Ich will das leiten!“-Funke an.

Allzu linear ist es jedoch nicht, bietet es doch zwei Wege an, die miteinander verschlungen sind und gegenseitig überlappend sein können. Diese beiden Wege unterscheiden sich vor allem durch den Fokus, welches Problem zu lösen ist und kann so gleichzeitig Spieler/innen ansprechen, die entweder ein Problem sozial oder mit dem Schwert lösen wollen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit 29,95 EUR für 118 Seiten befindet sich das Hardcover am oberen Rande dessen, was ich bereit wäre zu zahlen. Gestalterisch und handwerklich liefert der Mantikore Verlag hier gewohnt gute Qualität: Das Cover ist stabil, der Druck scharf und kontrastreich und die Seitenklebung stabil.

Das punktende Argument für diesen Preis ist der Inhalt. Dieser bietet schlichtweg so viel Inspiration und Ideen für Handlungsfäden, dass es begeistert.

Erscheinungsbild

Game of Thrones Rollenspiel Chonikstarter Mantikore CoverOptisch ist der Band in einer Linie mit den anderen Produkten der Reihe und zeigt auf dem Cover eine Schlachtszene mit Vertretern des Hauses Greyjoy (dt.: Graufreud) im Kampf mit anderen. Das Innenleben ist in schwarz/weiß gehalten und lockert lange Texte immer wieder mit dunkel unterlegten Überschriften, Wertekästen und Illustrationen auf.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore Verlag
  • Autor(en): Jim Kiley et al
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 118
  • ISBN: 978-3939212928
  • Preis: 29,95 EUR Druck, 14,99 EUR PDF
  • Bezugsquelle: Amazon, Ulisses-Ebooks, Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Spezielle Downloads für den Chronikstarter gibt es nicht, es finden sich aber einige generelle Dokumente für das Game-Of-Thrones-Rollenspiel auf den Seiten des Mantikore Verlages.

Fazit

Offen gesagt, empfand ich die umfangreichen Beschreibungen der Häuser als langatmig. Nichtsdestotrotz sind die Häuser voller Detailliebe ausgestaltet und wirklich lesenswert. Besonders gefällt mir, wie die einzelnen Mitglieder eines jeweiligen Hauses untereinander verbandelt sind. Wer liebt wen, wer hasst wen, wer unterstützt wen, welche private Motivation hat jede(r) Einzelne – das macht viel her und lässt jedes Haus lebendig werden. Auch unterscheiden sich die Häuser gut genug, um jedes für sich einzeln aus dem Gesamt herausgegriffen und mit geringer Anpassungsarbeit irgendwo in Westeros platziert zu werden.

Weniger zufrieden war ich mit dem Kapitel über die Flusslande und dem Abenteuer. Ersteres wurde in einer Art angepriesen, dass ich eine kleine Regionalbeschreibung bekomme. Stattdessen erwarten mich die (gut ausdefinierte) Kleinstadt Markstadt und andere Orte. Das ist nicht schlechter, aber anderes, als zu erwarten war. Die Ideen in den kurzen Absätzen sind gut in Abenteuern und Kampagnen zu verwursten und können ebenso wie die Häuser, an andere Orte auf Westeros als die Flusslande portiert werden.

Das Abenteuer ist weder linear, noch einfallslos – aber es fehlt zumindest mir die Prise Salz, die es zu etwas Besonderem macht. Gut ist wiederum, dass es die zuvor genannten Häuser einbindet. Eines von Zweien (das, welches besser zu den Charakteren passt) darf als Nebenfeind dienen. Hier hat man sich Gedanken gemacht. Auch die Übersetzung ist gut gelungen, nur einmal entdeckte ich einen etwas schrägen Satz. Ein anderes Mal wird zuerst von einem Haus und deren Bastarden gesprochen und dann wieder am Ende des Satzes von einem anderen Haus.

Abschließend ist das Quellenbuch durchaus ein wertvoller Zusatz voller Ideen, aber nicht das Beste der Reihe. Diesen Platz hat nach wie vor das Quellenbuch der Nachtwache inne.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

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