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Mit dem unlängst erschienenen Settingband Stone and a Hard Place für Deadlands: Reloaded wird der wilde Südwesten rund um Tombstone näher beleuchtet. Die Spieler reiten neben Legenden des Wilden Westens, wie den Gebrüdern Earp oder Doc Holliday, und stellen sich dem Servitor, der seit Beginn der Deadlands-Rollenspielreihe als ikonischer Bösewicht die Einbände ziert: Die Rede ist von Stone, dem ersten Verdammten, vor dem sogar der eigene Manitou Reißaus nehmen würde – wenn er denn könnte.

Der ganze Band ist dem Tod und seiner Domäne geweiht und entführt die Spieler und den Marshall in dessen morbides Reich.

Inhalt

Der Spielerteil dieses Settingbandes ist übersichtlich – eine grob gehaltene Übersicht aktueller Vorgänge, im Format einer Tombstone Epitaph Ausgabe, ein paar neue Regeln und das war es auch schon. Die Geschichte setzt übrigens nach den Settingbänden von The Flood und Last Sons an.

Die neu hinzugekommenen Sonderregeln sind ein echter Hingucker. Da der Tod das Thema dieser Kampagne ist, liegt es nahe, dass vor allem die Verdammten als spielbare Untote einige neue Regeln und Fähigkeiten erhalten. Auch auf Spielleiterseite wurden die bisherigen Regeln überarbeitet. Die neue Motivations-Tabelle versorgt den Spielleiter mit Anregungen, was der dämonische Passagier des Verdammten womöglich als nächstes plant.

Wirklich großartig ist aber die längst überfällige Einführung des Hexslingers. Bei diesem mystischen Hintergrund handelt es sich um eine besondere Gruppe Huckster, die sich der uralten Kunst des Runenschmiedens bedienen. Sie sind zwar von ihren besonderen Schießeisen abhängig, sind aber dafür im Kampf den meisten anderen mystischen Klassen durch Schlagkraft deutlich überlegen. Neben ihren Spielregeln bekommen die pistolenschwingenden Runenzauberer noch einige Kräfte und Vorteile bzw. Handicaps spendiert. Enttäuschend ist allerdings die Einführungsgeschichte der Hexslinger, vermittelt diese doch, dass man diese Kunstform praktisch zwischen Tür und Angel oder – noch absurder – mitten in einem hitzigen Feuergefecht erlernen kann.

Wie schon bei den vorhergehenden Kampagnenbänden steht dieser Spielerteil kostenlos auf der Webseite von Pinnacle Entertainment als Download zur Verfügung.

Hinter dem Schleier

Der Spielleiterteil nimmt den größten Teil des Bandes ein. Dieser beginnt mit einer ausführlichen Vorstellung Stones. Dies ist eine echte Premiere, so viele Worte wurden bislang noch nie über die rechte Hand des Sensenmannes verloren. Die Hintergrundgeschichte ist überzeugend und wenn sie auch ein bisschen platt daher kommt, hilft die humorvolle Erzählweise gut darüber hinweg. Das erste Spielleiterkapitel schließt mit einem Who is Who des Südwestens ab und stellt die wichtigsten Charaktere des kommenden Konfliktes vor.

Die zur Verfügung gestellten neuen Sonderregeln sind stimmungsvoll und bereichern das Spiel um eine düstere und vor allem bedrohlichere Komponente. Durch den gezielten Einsatz dieser neuen Regeln wird das ohnehin schon gefährliche Deadlands-Universum noch einmal tödlicher. Zum Beispiel existieren nun detaillierte Regeln zum Umgang mit den Gefahren der Umwelt, wie dem Wetter, Steinschlag oder einem Höhleneinsturz. Aber auch das klassische Wild-West-Duell erfährt durch eine kleine Sonderregel eine größere Bedeutung.

Die im Band beschriebenen Städte, Dörfer und Orte sind interessant und spannend geschildert. Einige verfügen über spezielle Sonderregeln, die diesen Orten ein ganz besonderes Feeling verleihen. Wie gewohnt wird auf einzelne Savage Tales verwiesen, wenn diese mit dem beschriebenen Ort in Verbindung stehen. Lediglich eine allgemeine Umgebungsbeschreibung der jeweiligen Bundesstaaten bleibt der Band schuldig. Es existiert zwar wieder ein Begegnungsgenerator, dieser ist allerdings zu generisch gehalten und taugt daher leider nur als Lieferant für Zufallsbegegnungen und keinesfalls als Ideengenerator für neue Abenteuer.

Stone and a Hard Place

Die eigentliche Kampagne nimmt knapp die Hälfte des 160 Seiten starken Bandes ein. Wie bei Savage Worlds-Settings üblich, handelt es sich um eine Plot-Point-Kampagne. Bei einer solchen Kampagne handelt es sich um lose miteinander verbundene Kapitel, die durch eigene Abenteuer, persönliche Geschichten und Savage Tales in die Länge gezogen werden sollen. Leider fehlt bei sämtlichen Abschnitten eine Empfehlung, welche Stufe die Gruppe zum erfolgreichen Abschluss eines Plot Points haben sollte. Da die Werte einzelner Gegner durchaus extreme Ausprägungen annehmen können, wird eine Abschätzung des Einstiegsniveaus auch für erfahrene Spielleiter zu einem Ratespiel.

Leider schwächelt die Kampagne bereits im Aufbau. Die meisten Plot Points werden durch Nichtspielercharaktere oder Ereignisse von außen angestoßen. Diese gescripteten Szenen sind zwar an sich spannend aufbereitet und entbehren mitunter nicht einer gewissen Komik, nehmen den Spielern aber das Zepter aus der Hand. Es gibt nur wenige Szenen, in denen sich die Spieler emanzipieren und die Führung übernehmen können. In der Regel sind die Impulse von außen aber zwingend notwendig und mehr als einmal werden die Spielercharaktere auf bestimmte Handlungspfade genötigt.

Für Spielgruppen, die gerne dem vorgegebenen Plot folgen, bietet die Kampagne zwar einige spannende Momente, ist an vielen Stellen aber schlicht unlogisch. Allein die Tatsache, dass die Spielercharaktere dem Vollstrecker der Abrechner mehrmals in die Arme laufen und überleben, gibt schon viel über die verquere Logik der Kampagne preis. Grundsätzlich erhalten die Spieler nur dann Informationen oder Gegenstände, wenn die Geschichte es vorsieht, auch wenn ein wichtiger Charakter vollkommen grenzdebil dafür agieren muss. Damit werden den Spielern Dinge in den Schoß geworfen, die sie sich nicht einmal erarbeiten müssen. Wirklich befriedigend ist das nicht.

Als wäre das alles nicht schlimm genug, sterben im Laufe der Kampagne zahlreiche Persönlichkeiten des unheimlichen Westens – und das wie die Fliegen. Als Spieler hat man – einen Spielleiter, der dem Script folgt vorausgesetzt – keine Möglichkeit, dem irgendwie Einhalt zu gebieten. Man munkelt, es soll eine neue Storyline geben und dass daher das Feld ausgedünnt wird. Über Jahre hinweg gehegte und gepflegte Charaktere im Nebensatz einfach zu killen, hinterlässt aber einen schalen Beigeschmack.

Die folgenden Savage Tales verbessern die eher maue Kampagne leider nicht. Töte dies, mach das platt, oder suche nach X. Die meisten lesen sich wie eine x-beliebige Quest aus einem MMORPG – nur dass es bei denen zumindest eine Belohnung gibt.

Der Band schließt mit einem kurzen Kapitel, in dem die meisten Charaktere mit einem Stat-Block versehen werden. Außer ein bis zwei rühmlichen Ausnahmen gibt es aber nicht viel Neues zu entdecken.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit 30 USD für ein Vollpreisprodukt ordnet sich dieser Kampagnenband im Premiumsegment ein. Die PDF ist allerdings für den halben Preis zu haben, was sie halbwegs erschwinglich macht. Für denselben Preis erhält man andererseits aber auch vollständige Savage Worlds Settings. Für den gelieferten Inhalt sind 15 USD in jedem Fall zu hoch gegriffen.

Erscheinungsbild

Stone and a hard place deadlands reloaded coverStone and a Hard Place setzt die Reihe aller Deadlands Reloaded-Produkte optisch fort und vermischt neue Reloaded-Grafiken mit kolorierten Classic-Grafiken. Die Qualität ist in der Regel ordentlich, die unterschiedlichen Stile sind aber deutlich erkennbar, was den ganzen Band unruhig wirken lässt. Neue Illustrationen sind darüber hinaus eine Seltenheit. Natürlich sind die Bilder immer noch schön, wer aber durch ein paar andere Deadlands-Produkte geblättert hat, wird keine Überraschungen mehr erleben. Dies gilt auch für die Hintergrundgestaltung, die in der gesamten Produktlinie einheitlich ist.

Der Gesamteindruck ist gewohnt gut. Die Illustrationen sind professionell und wenn schon nicht neu, dann immerhin an den richtigen Stellen platziert. Die Lesbarkeit ist wie bei den vorangegangenen Settingbänden gut, sieht man von der merkwürdigen „Western-Font-auf-Holzhintergrund“-Unterüberschrift ab, die den Lesefluss empfindlich stört. Der Band verfügt über ein voll verlinktes Inhaltsverzeichnis sowie einen Index und erfüllt damit jegliche Standardkriterien für ein gelungenes PDF.

Das Erscheinungsbild für sich genommen überzeugt. Neue Impulse und spannende Grafiken hätten dem Band und dem Setting jedoch gut getan.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pinnacle Entertainment Group
  • Autor(en): Matthew Cutter
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 162
  • ISBN: –
  • Preis: 30 USD (Print) / 15 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Fazit

Insgesamt ist das Beste an diesem Kampagnenband der frei verfügbare Players Guide. Die neuen Regeln und die Hexslinger-Charakterklasse bieten viel Potential für die eigene Deadlands-Runde.

Die Kampagne ist leider eine echte Enttäuschung. Obwohl sie stark beginnt, verliert sie sich schnell in Plotlöchern und schlicht unlogischem Handeln. Besonders ärgerlich sind die fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten von Spielerseite. Einsteigen bitte! Und die Hände während der Fahrt auf der Plotschiene bitte nicht aus dem Wagen halten! Die gesamte Kampagne fußt darauf, Stone bis zum schwachen Ende hinterher zu hecheln und zu tun, was die Story vorgibt. Immerhin darf man noch sagen was man will – es ändert am weiteren Verlauf ja eh nichts.

Ein besonders misslungener Abschnitt verdammt die Spieler praktisch zum Spielball höherer Mächte und es gibt kaum eine Einflussmöglichkeit, die eigene Situation zu verbessern – gerade für proaktive Spieler eine bittere Erfahrung nahe der Frustrationsgrenze.

Aus den Schwächen der bereits erschienenen Kampagnenbände wurde nichts gelernt. Immer noch dieselben, mittlerweile verbrauchten Illustrationen und dieselben ärgerlichen, schlecht lesbaren Unterüberschriften. Qualitativ immer noch völlig in Ordnung, aber es ist keinerlei Weiterentwicklung zu spüren. Der Inhalt legt nahe, dass die Cash Cow Deadlands noch einmal ordentlich gemolken werden soll. Die Veränderung des Metaplots durch das Ausdünnen der Nichtspielercharaktere erinnert mehr an Kahlschlag als ein gesundes Zurechtschneiden. Da diese Morde fast alle im erzählerischen Off stattfinden, haben die Spieler auch keinerlei Einflussmöglichkeiten, was die Tode nur noch sinnloser erscheinen lässt.

Preislich steht dieser Band den anderen Settingbänden in nichts nach, wohl aber in der Qualität.

Insgesamt kann dieser Band nur Fans der Serie empfohlen werden. Wer nach einer spannenden Deadlands-Kampagne sucht, greift besser zu The Flood und Last Sons – oder wirft doch noch einmal einen Blick auf Deadlands Classic.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Pinnacle Entertainment

 

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