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Bisher hatten die Abenteuerbände des taktischen Rollenspiels CONTACT trotz aller inhaltlicher Varianz (sowohl natürlich was die Spielorte angeht als auch der bevorzugte Spielaspekt, denn in einigen Abenteuern waren statt kämpferischer eher soziale Fähigkeiten gefordert) genau zwei gleichbleibende Konstanten: Die Abenteuer spielten auf der Erde und wir Teilzeithelden vergaben im Durchschnitt mittelgute Wertungen. Im Krater der Verderbens wird zumindest mit einer dieser beiden Konstanten gebrochen, denn diesmal geht es für die Spieler ab auf den Mond! Und ohne jetzt viel spoilern zu wollen, dort wird es für die Jung-Astronauten noch gefährlicher als auf der Erde.

Das Abenteuer

OMEGA, die geheime Alienjägerorganisation, betreibt eine neue Ufo-Frühwarnbasis auf dem Mond. Die Spieler sind im Rollenspiel CONTACT – Das Taktische UFO-Rollenspiel kampferprobte Mitglieder eben jener Organisation und werden aufgrund ihrer Erfolge zu Astronauten befördert. Im vorliegenden Abenteuerband Krater des Verderbens durchleben die Spieler nun ein spannendes Abenteuer auf dem Mond. Achtung, ab hier beginnen die Spoiler: Schon bei der Vorbereitung auf der Erde, besonders aber in der dortigen Mondbasis MB-Prime läuft dann aber nichts nach Plan. Chaotische Zustände durch einen neuen, noch gefährlicheren Feind lassen die Spieler diesmal ein Survival-Horror-Abenteuer erleben, das sie so schnell nicht vergessen werden.

Aufgebaut ist die Handlung des Abenteuers als Dreiakter. Begonnen wird mit einem umfangreichen Prolog auf der Erde: Eine Woche, bevor die Spieler ins Weltall starten, kommen sie zum abschließenden Training am Raumhafen in Houston, Texas. Dieser Teil dient einerseits dazu, die Spieler schon mit den ersten der fast 30 im Verlauf der Geschichte vorkommenden NSCs bekannt zu machen. Andererseits wird hier auch schon der Grundstein für die düstere Stimmung des Abenteuers gelegt. Denn in dieser Trainingswoche läuft nichts glatt, jeden Tag passieren mysteriöse Unfälle und es kommt zu dramatischen Rückschlägen. Die Verantwortlichen wollen davon erstmal nichts wahrhaben und versuchen die Geschehnisse herunterzuspielen. Fleißig ermittelnde Spieler können das Rätsel auf eigene Faust lösen oder einfach abwarten, denn der Prolog verläuft linear und am Ende offenbart sich der Saboteur sowieso.

Ist der Übeltäter gestellt, geht es in den Weltraum und damit zum Hauptteil des Abenteuers. Auch wenn es im Abenteuer so nicht dargestellt wird, kann man die Handlung hier als zweigeteilt betrachten: Im umfangreichen Mittelteil wird Stimmung aufgebaut, um dann im letzten Teil die Konflikte aufzulösen, beziehungsweise die Hintergründe aufzuklären.

Dabei ist der Mittelteil in der Mondbasis der spielerisch beste Teil des gesamten Abenteuers. Von einem groben Handlungsfaden ummantelt (Reparatur der Rückflugmöglichkeit), kann der Spielleiter hier nach und nach in freier Reihenfolge zahlreiche Ereignismodule einfließen lassen. Beispielsweise muss man einen NSC vom Selbstmord abhalten, die Mondbasis vor anfliegenden Aliens und Asteroiden verteidigen, Halluzinationen erdulden und sogar einen „klassischen“ Kriminalfall lösen. Und was wäre CONTACT, wenn nicht fiese Aliens heimlich die Mondbasis infiltrieren würden?

Es gibt also ordentlich was zu tun, wobei sehr viele Aufgaben durch soziale Interaktion und Ermittlungsarbeit lösbar sind. Gekämpft wird eher selten. Diese Ereignismodule sollte ein Spielleiter sehr dosiert einsetzen und die Spieler auch mal einen Tag lang stupide Routinearbeiten durchführen lassen. Dies erhöht die Wirkung der Schockeffekte und schon bald wird die Stimmung sowohl ingame als auch outgame ins Beklemmend-Paranoide kippen. Denn irgendwie werden alle in der Raumstation verrückt – inklusive der Spieler!

Im letzten Teil sollte sich dann alles aufklären. Natürlich haben die ganzen Zwischenfälle sowohl auf der Erde als auch in der Mondbasis einen Ursprung. Und hier liegt die große Schwäche im Krater des Verderbens. Ist das Abenteuer bisher äußerst detailliert ausgearbeitet, bleibt nun dem Spielleiter vollkommen selbst überlassen, wie er die Geschichte beenden will. Und das ist eine ganz schön komplizierte Aufgabe, wenn man denn den Spielern einen befriedigenden Abschluss der durch verschiedene Hinweise und Ereignisse aufgeworfenen Fragen ermöglichen möchte. Man hat fast den Eindruck, als fehlten zwei oder drei Seiten. Ich habe deshalb darüber mit einem der Autoren gesprochen, und das ist durchaus so beabsichtigt, um die Kreativität anzuregen. Ein lobenswertes Unterfangen, ich fühlte mich aber ziemlich alleingelassen. In meiner Testrunde musste ich mich ziemlich weit verbiegen und den Spielern meinen teuflischen Plan wie ein schlechter James Bond-Bösewicht ausgiebig durchkauen, damit sie die Zusammenhänge bis hin zum Prolog-Saboteur verstanden. Da benötigt man als Spielleiter zur Ausarbeitung ja fast so viel Zeit wie für das eigentliche Abenteuer, welches ich bei raschen Gruppen bei ca. vier vierstündigen Spielsitzungen verorten würde.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Zugegeben, nachdem ich mir das Abenteuer das erste Mal durchgelesen hatte war ich leicht am Zweifeln ob ich der Herausforderung wirklich gewachsen bin. Knapp 30 NSCs im Zaum zu halten, dabei noch die verschiedenen, unbemerkt im Hintergrund laufenden Geschehnisse zu managen (ich zweifle daran, dass eine Spielgruppe alle Geheimnisse von sich aus herausfindet, es sei denn am Ende legt der Oberbösewicht seinen teuflischen Plan offen nach dem Motto „Ach übrigens, da ganz am Anfang die Zwischenfälle, das war ich auch! Und ich hab dies hier alles nur veranstaltet, weil…“) und mir nebenbei noch ein vernünftiges Ende auszudenken, das erforderte schon ziemlich viel Zeit für die Ein-/Ausarbeitung.

Dabei bemüht sich Krater des Verderbens ja mit kleinen Infotexten und Übersichtsgrafiken sichtbar, mir zur Hand zu gehen. Ich jedenfalls hatte den Willen mich darauf einzulassen und wurde anschließend dadurch belohnt, genüsslich mit Anzuschauen wie meine Spieler falschen Fährten folgten und sich die lockere Stimmung am Spieltisch hin zu Paranoia veränderte.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Das Feedback der Spieler aus meiner Testrunde war durchaus positiv. Die Verlagerung des Schauplatzes auf den Mond wurde sehr euphorisch aufgenommen und auch die düstere und beklemmende Survival-Horror-Atmosphäre stieß auf Begeisterung (ein Spieler gab hinterher an, die nächsten drei Nächte nicht mehr richtig schlafen zu können!). Gemischt wurde aber der grundlegende Verlauf der Handlung aufgenommen. Denn wie im Spielleiterabschnitt schon erwähnt, wurden einige Zusammenhänge erst durch die „Offenbarungsrede“ des Endgegners ersichtlich. Ich kann mir aber vorstellen, dass Spieler mit Freude an intensiven Ermittlungen auch so die meisten Puzzleteile zu einem großen, schrecklichen Ganzen zusammenfügen werden.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 14,95 EUR gibt es 80 Seiten als Softcover, für 7,95 EUR kommt dieses spannende Abenteuer als digitaler Download. Neben einer stimmungsvollen Kurzgeschichte als Einstimmung und dem gut 30-seitigen Abenteuer mitsamt Hilfstexten (11 Seiten Prolog auf der Erde, 26 Seiten Hauptteil auf dem Mond) bekommt man einen mit 16 Seiten recht umfangreichen Regel- und Informationsteil. Dazu gesellen sich noch 21 Seiten an ausgearbeiteten NSCs und vorgefertigten Spielcharakteren. Und zu guter Letzt, denn das darf in keinem CONTACT-Abenteuer fehlen, noch einige (in diesem Abenteuer vier) Seiten mit neuer Hightech-Ausrüstung. Dem Käufer wird also genug geboten, dass man den Preis gerade bei so einem kleinen Nischensystem durchaus in Ordnung finden kann.

Erscheinungsbild

Contact Hamberger Krater des Verderbens CoverDas Abenteuer ist ein Softcover mit vollfarbigem Umschlag und graustufigem Innenteil, optisch ansprechend gestaltet. Die Texte sind in gut lesbarer Schrift zweireihig gegliedert. Die diesmal nur vereinzelt auftauchenden Bilder zeigen zum Spielgeschehen passende Bilder und vermitteln trotz ihrer kühlen Detailarmut eine passende Atmosphäre. Um es kurz zu machen: Wie bei allen CONTACT-Publikationen gibt es hier nichts zu meckern.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor(en): Robert Hamberger, Frank Sauer, Christopher Dröge
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache:Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 80
  • ISBN: 978-3942012829
  • Preis: 14,95 EUR (Print), 7,95 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeisters Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der offiziellen CONTACT-Webseite gibt es verschiedene Hilfsmittel wie Excel-Tabellen, Charakterbögen, Errata und Regelerweiterungen zum Download. Speziell zu diesem Abenteuer gibt es aber, anders als beispielsweise bei Zug um Zug, nichts.

Fazit

Der CONTACT-Abenteuerband Krater des Verderbens hinterlässt bei mir nach Abwägung aller Stärken und Schwächen einen eher positiven Eindruck. Die größte Stärke ist dabei das neue Setting mit der Spielkonzept-Änderung weg von der Rumgeballer-Taktik hin zu sozial orientiertem Horror. Genau für dieses spezielle Setting passen auch die als Handlungsort gut ausgearbeitete Mondbasis, die zahlreichen NSCs und die ergänzenden Regel- und Ausrüstungserweiterungen. Das Problem hierbei ist aber, dass man all dies außerhalb dieses Abenteuers, beispielsweise in einer Kampagne, eher weniger benötigt. Und der Mond ist als Handlungsort halt zu eingeschränkt, um dort eine ausufernde Kampagne durchzuführen. Nichtsdestotrotz wird das Verlassen der Erde im Rahmen einer laufenden CONTACT-Kampagne zweifelsohne das Highlight sein, an das man sich noch lange erinnern wird.

Die wirkliche Schwäche ist aber das Fehlen einer Handlungsauflösung. Das Abenteuer an sich fordert ja schon einiges an Einarbeitung vom Spielleiter, aber nun muss er sich noch dazu ein vernünftiges Ende ausdenken, welches im Idealfall auch die diversen im Hintergrund laufenden Zusammenhänge verdeutlicht. Von einem Kaufabenteuer zum (für CONTACT-Verhältnisse) Vollpreis erwarte ich da schon deutlich mehr als „reagiere auf die Handlungen der Spieler und denk dir was aus“.

Meine Wertung wirkt auf den ersten Blick ein wenig zu negativ für das Beschriebene. Und da ich dem anderen CONTACT-Abenteuerband Zug um Zug die bessere Wertung gab und dies im direkten Vergleich „runder“ wirkt, wird diesmal abgerundet. Diese Wertung gilt aber nur für den Spielleiter, die Spieler werden für diese Mondreise zweifelsfrei die volle Punktzahl geben.

Daumen3maennlich

Mit Tendenz nach oben

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag

 

1 Kommentar

  1. Nein, nein, nein – wenn ich schon ein Abenteuer mit Geheimnissen und Detektivplot kaufe, dann erwarte ich auch eine mitgelieferte Handlungsauflösung. Davon profitiert das Spiel erfahrungsgemäß mehr, als von der x-ten Raumbeschreibung und der Vorstellung aller möglichen NSCs. Und wenn ich meine Kreativität ausleben möchte, nehme ich kein Kaufabenteuer. Aber danke für die Warnung!

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