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Wir alle haben irgendwann einmal mit Rollenspiel angefangen. Oftmals blickt man etwas verklärt in die Vergangenheit und schwelgt gerne in der Erinnerung an die ersten Runde, sofern man sich noch erinnern kann.

An meine erste Runde erinnere ich mich, auch noch an den Charakter – aber welches Abenteuer haben wir damals doch gleich gespielt? Keine Ahnung. Spricht nicht unbedingt dafür, dass es besonders gut war. Aber „gut“ bedeutet ja für jeden etwas anderes. Wie sollte so ein Einstiegs-/Einsteigerabenteuer überhaupt aufgebaut sein, damit man sich als blutiger Anfänger auch zurecht findet?

Wir sind in der Podcastfolge Spielgeflüster #03 schon einmal kurz darauf eingegangen, aber es gab doch mehr zu sagen, als wir Zeit hatten. Also möchte ich nochmal näher darauf eingehen und meine Sichtweise darlegen.

Ich rede hier von Einstiegsabenteuern (in ein neues System) und Einsteigerabenteuern (Abenteuer für Rollenspielanfänger), da ich denke, dass viele Punkte sich überschneiden – außer vielleicht der Regelteil, denn als „Profi“ ist man schon etwas abgehärtet, was komplexere Regeln anbelangt.

Ich habe mir zu diesem Thema Gedanken gemacht, weil ich in letzter Zeit häufiger mal auf Einstiegsabenteuer gestoßen bin, die ich persönlich ungeeignet oder verbesserungswürdig fand. Die unten stehende Liste besitzt keine Allgemeingültigkeit, sondern ist lediglich das Ergebnis meiner persönlichen Überlegungen.

Ich freue mich, wenn ihr mit mir darüber in den Kommentaren diskutiert und vielleicht noch ein paar Vorschläge hättet, von denen ihr der Meinung seid, dass sie in einem Einstiegsabenteuer berücksichtigt werden sollten.

„Hier gibt’s Riesenechsen? Geiler Scheiß!“

Ein Einstiegsabenteuer sollte die Atmosphäre einer Welt transportieren können, das Besondere. Es gibt einzigartige Rassen oder Geschehnisse in der Vergangenheit, die die Welt maßgeblich prägen? Gab es Kriege? Ist die Welt zerstört? Ist Magie allgegenwärtig oder gibt es besondere Technik?

Dann sollte das auch im Einstieg klar werden. Schließlich gehört es vermutlich zum Allgemeinwissen der Charaktere und es könnte zu komischen Szenen kommen, wenn man nicht damit arbeitet. Außerdem belebt so etwas ja auch die Welt, verleiht ihr eine Seele und sorgt für Alleinstellungsmerkmale.

„Ich will dem Typ die Fresse polieren! Was muss ich jetzt würfeln?“

Die grundlegende Regelmechanik muss klar werden. Ein Einstiegsabenteuer sollte im Idealfall die Spieler und den Leiter schrittweise an die Regeln heranführen. Ähnlich wie bei Computerspielen, wo man anfangs ein Tutorial durchläuft, um sich mit der Steuerung vertraut zu machen, sollte auch ein Einstiegsabenteuer die Regeln von leicht nach schwer aufbauen, wenn es möglich ist.

Es nützt niemandem etwas, wenn man gleich im ersten Kampf mit allerhand Zusatzregeln konfrontiert wird, die das Geschehen nur unnötig kompliziert machen und man verwirrt das Handtuch schmeißt.

Solche Regeln können vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt Verwendung finden, wenn Spieler und Leiter schon eine ungefähre Ahnung haben, wie es laufen sollte. Ein paar gute Beispielsituationen sorgen dafür, dass man die Regeln durch Anwendung verinnerlicht. Modulare Regeln vereinfachen den Zugang.

„Der Kerl sieht irgendwie schon so hinterhältig aus. Der hat Dreck am Stecken!“

Wenn man neu in einer Welt ist, ist es immer hilfreich, wenn es klare Strukturen und Regeln gibt, an denen man sich als Frischling orientieren kann. Man weiß, auf welcher Seite man steht, wer die Bösen und die Guten sind. Stereotypen geben einem Sicherheit und als Neuling ist man froh, wenn man sich selbst in dieser neuen Welt klar positionieren kann. Auch wenn die Welt mehr als schwarz und weiß ist, ist man am Anfang in meinen Augen gut beraten, die Abenteuer nicht zu grau zu machen.

Anfänger (egal ob Rollenspielanfänger oder Profis, die Systemneulinge sind) brauchen erst mal etwas Zeit, um sich einzufinden und sind anfangs sicher viel mit dem eigenen Charakter und seinen Fähigkeiten beschäftigt, mit Regelfragen etc. Das bedeutet nicht, dass der Plot und die NSCs langweilig-simpel sein müssen, aber es sollte klar werden, wofür die NSCs stehen und wie die Gruppe weiter vorgehen sollte.

„Was geht denn jetzt ab?!“

Das Abenteuer sollte typisch sein für die Welt, in der es spielt. Niemandem ist geholfen, wenn ein falsches Bild von einem Rollenspiel vermittelt wird, schließlich möchte man es ja kennenlernen, um für sich zu entscheiden, ob man weiterspielen will oder nicht. Ein Run auf einen Konzern in Shadowrun oder ein Dungeoncrawl in einem OSR-System vermitteln einen guten Eindruck von dem, was einen als Spieler auch im weiteren Verlauf erwartet.

„Da sind wir in 5 Minuten wieder raus!“

Wenn man als Anfänger nur mal in ein System reinschnuppern möchte, eigenen sich kurze Abenteuer über ein, zwei Abende sicherlich am Besten, vor allem wenn die Spielzeit begrenzt ist wie z.B. auf einer Con.

Lange Kampagnen eignen sich in meinen Augen nicht wirklich, weil sich solche Abenteuer eher langsam aufbauen, man einen Neuling aber gleich am Anfang „einfangen“ muss, um sein Interesse zu wecken und ihn zu motivieren.

„Wo geht’s lang?“

Auch ein Spielleiter freut sich, wenn er von einem gut durchdachten Abenteuer Hilfestellung bekommt – schließlich kann auch er neu in einem System sein. Oder vielleicht ist er auch totaler Anfänger.

Da sind Hilfen in Form von guten Karten, gut ausgearbeiteten NSC oder vielleicht ein alternativer Lösungsweg (wenn die Gruppe in eine völlig andere Richtung läuft, als vorhergesehen) sinnvoll und erleichtern der Spielleitung ihren Job enorm. Auch eine kurze Zusammenfassung des Abenteuers kann nicht schaden (ich rede nicht vom Klappentext…).

„Ich will doch nur Spaß“!

Hört sich selbstverständlich an, ich sag’s aber trotzdem nochmal: schlussendlich soll so ein Einstiegsabenteuer auch einfach richtig rocken! Es soll ja dazu führen, dass man das System weiterspielen will und das schafft man natürlich nur mit einem gelungenen Einstieg.

Eine langweilige oder konfuse Story, zu komplizierte Lösungswege oder unglaubwürdige NSC führen zu Frustration oder Resignation und sind daher kontraproduktiv. Aber mal ehrlich: das gilt ja nicht nur für Einstiegsabenteuer, aber auch wenn der Schwierigkeitsgrad was Komplexität etc. bei fortgeschrittenen Gruppen gerne anziehen darf. Sonst kommt vermutlich schnell Langeweile auf.

Ich hatte vor einigen Wochen die Frage nach guten Einstiegs-/Einsteigerabenteuern in den sozialen Netzwerken (Facebook | Google+) gestellt und habe einige Empfehlungen erhalten. Auch hier scheiden sich die Geister: was der eine total anfängerfreundlich findet, ruft bei dem anderen sofortige Gänsehaut hervor. Getestet habe ich kaum eines dieser Abenteuer, daher kann ich dazu wenig sagen. Aber ich möchte euch die Liste der Empfehlungen nicht vorenthalten, vielleicht findet ja der ein oder andere von euch hier noch ein nettes Kleinod.

Viele der nachfolgenden Abenteuer gehören zu einer Kampagne. Auch wenn ich mir damit selber widerspreche (zu dem Punkt, dass Kampagnen eher ungeeignet als Einstieg sind) liste ich sie trotzdem – jeder muss letztendlich selber entscheiden, ob er eine Kampagne anbietet oder nicht.

Linkliste zu Einsteigerabenteuern

AD&D

 

DSA

 

Midgard

 

nWoD

 

Pathfinder

 

Shadowrun

 

Gerrit Reininghaus hat sich auch mit dem Thema auseinandergesetzt und das Ganze am Beispiel eines DSA-Abenteuers erläutert. 

Artikelbilder:  Dusan Kostic (c) fotolia

 

6 Kommentare

  1. Ich finde es etwas ungünstig das hier vor allem Produkte erwähnt werden die es so regulär nicht mehr gibt, oder wenn, dann nur als Nachdrucke oder sehr teuer im Antiquariat – gibt es denn so wenig aktuelle Beispiele?

  2. Also, unter den gelisteten Links kriegst Du die genannten Abenteuer alle mindestens als PDF. Ok, die Preise für die DSA Abenteuer sind teilweise jenseits von Gut und Böse, aber vielleicht gibts das ein oder andere davon noch bei ebay & co. Ob es gute, aktuelle Einstiegsabenteuer gibt kann ich leider nicht ausreichend beantworten, da ich keins gespielt habe. Viele stricken sich ihre Einstiegsabenteuer ja auch selber, eben weil sie mit den angebotenen oft nicht zufrieden sind. Aber ich guck mal, ob ich die Liste vielleicht noch um ein paar aktuellere Abenteuer ergänzt bekomme.

  3. Ich finde es gut, dass im Artikel zwischen Einstiegs- und Einsteigerabenteuer unterschieden wird, denn m. E. sollte verlagsseitig hier noch stärker differenziert werden.

    Für komplette neue Rollenspieleinsteiter erwarte ich eine detaillierte Einführung in das Spielprinzip an sich und die Aufgaben der einzelnen Teilnehmer (Spielleiter/Spieler). Es ist in meinen Augen richtig, wenn der Spielleiter an die Hand genommen wird und das Abenteuer – zumindest am Anfang – eher linear verläuft, damit sich alle mit den Regeln, der Darstellung ihres Charakters etc. vertraut machen können. Sehr gut gelungen sind in dieser Hinsicht die Einsteigerboxen von FFG/Heidelberger zum Star Wars-Rollenspiel; überhaupt finde ich Boxen mit allem Material, das man zum Spielen braucht (Würfel, Charakterbögen, gerne auch Karten etc.) für Einsteiterprodukte am besten.

    Als alter Hase stört fühle ich mich von solchen Abenteuern aber schnell eingeschränkt und möchte den Fokus auch eher auf eine Einführung in die Welt und die typischen Spielweisen gelegt sehen, damit ich entscheiden kann, ob das Spiel für meinen Spielstil was taugt. Und während es in meinen Augen gerade in den letzten Jahren immer bessere Einsteigerabenteuer gibt, hat sich bei den Einstiegsabenteuern m. E. nicht wirklich viel getan…

    • Ich finde die Grenze zwischen Einsteigerabenteuer und Einstiegsabenteuer ja eher fließend. Ich denke, es gibt ganz klar Abenteuer, die definitiv für Einsteiger geschrieben wurden, wo sich dann ein alter Hase, der nur das System kennenlernen will schnell langweilt, weil er dieses oder jenes schon x-mal erlebt hat, da in anderen Abenteuern/Systemen gespielt – und dann gibt es wiederum Abenteuer, die die Gratwanderung zwischen ausreichend einfach und dennoch spannend gut beherrschen. Aber ja, ich stimme Dir zu, es könnten ruhig ein paar mehr sein :)

  4. Kann ich so eigentlich komplett unterschreiben, meine Liste der Kriterien hätte wohl nicht anders ausgesehen. Ich hätte der Wichtigkeit halber wohl Spaß an den Anfang gesetzt. Und wir haben wohl unterschiedliche Vorstellungen von “kurz“, denn bei mit müsste so ein Abenteuer ganz klar und auf jeden Fall in einem Abend zu spielen sein. Für eine Con sogar in 4h, denn das ist für mich das Maximum für einen typischen Con-Slot. Und bei Abenden kann es schwer sein von Neulingen gleich die Zusage für zwei Abende zu kriegen, bzw. Es fehlt oft an der Zeit.

    “Falkengrunds letzte Hoffnung“ (oder “Falkenschund“) ist so ein Abenteuer an dem sich mein Geist scheidet. Es ist ziemlich linear konzipiert, was aber im Text nirgendwo erklärt wird, so dass man an manchen Stellen beim Lesen echt Schwierigkeiten beim Verstehen hat und für Spieler kann es auch schnell doof werden, da man durchaus von der vorgesehen Linie abweichen kann. Kacka ;)

    • Puh, 4 Stunden find ich aber ganz schön knapp. Da bin ich grad mal warm geworden :) Aber ich sehe ein, dass man auf Cons natürlich nicht viel Zeit hat und deswegen möglichst zeiteffizient vorgehen muss. Falkengrunds letzte Hoffnung war Greifenklaue-Ingos Empfehlung :)

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