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Steve Jackson verfasste in den 1980er Jahren zusammen mit Ian Livingstone die legendäre Fighting Fantasy-Reihe von Abenteuerspielbüchern. Eines von Jacksons Werken war die vierteilige Serie Sorcery!, die 1986 beim Thienemann-Verlag als „Die Analand Saga“ auf Deutsch erschien. Nun legt der Frankfurter Mantikore Verlag diese Reihe unter ihrem originalen Titel erneut auf. Den Anfang macht Band 1: Die Shamutanti-Hügel.

Handlung

Die Königreiche von Analand, lange untereinander zerstritten, konnten erst friedlich geeint werden, als die sogenannte Krone der Könige den Herrschern Weisheit und einen Sinn für Gerechtigkeit verlieh. Jahr um Jahr wechselte das Artefakt von einem Regenten zum nächsten, bis schließlich der finstere Erzmagier von Mampang die Krone entwenden konnte. Sollte er es schaffen, mit ihrer Hilfe die gesetzlosen Gebiete Kakhabad zu einen, so wäre Analand dem sicheren Untergang geweiht.

Noch ist der Diebstahl der Krone nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, aber erste Unsicherheit und Unruhe machen sich bereits breit, so dass Eile geboten ist. In der Rolle eines Freiwilligen liegt es nun am Leser, die lange Reise nach Kakhabad anzutreten und die Krone zurückzugewinnen. Wie schon der Titel des Bandes verrät, führt die erste Etappe durch die Hügel von Shamutanti, an deren Ende die Hafenstadt Kharé – und somit Band 2 – wartet.

Auf 456 Abschnitten reist der Abenteurer durch das Wilderland gen Norden. Eine Karte hilft bei der groben Orientierung, denn durch zahlreiche Abzweigungen ergeben sich viele Wege, das Ziel zu erreichen. Kleine Siedlungen, in denen der Held zu Ruhe kommen kann, wechseln immer wieder mit abwechslungsreichen Begegnungen mit mehr oder weniger gefährlichen Bewohnern der Hügellandschaft. Während die elfenhaften Elvins auf harmlosen Schabernack aus sind, kann sich eine zurückgezogene alte Frau schnell als Hexe erweisen, die den Helden mit einem Fluch belegt. In den Ruinen des Dorfes Lia-Ki hausen inzwischen Riesen, in den Minen des Schankerhügels graben die Goblins nach Erzen, und nahe dem Dorf Kristatanti treiben Menschenfresser ihr Unwesen. Gegen Ende der Reise allerdings laufen die Pfade spürbar zusammen, so dass man hier kaum noch über den Weg zum Ziel entscheiden kann und sich schließlich in einem kleinen Finale einem äußerst mächtigen Monster gegenüber sieht.

Ist die Lektüre durchweg herausfordernd und spannend, so wird Die Shamutanti-Hügel an einer Stelle im ersten Drittel des Abenteuers doch regelrecht unfair. Hat der Held es mit Glück vermieden, in eine Fallgrube zu stürzen, so tritt er im nächsten Abschnitt unausweichlich in eine Dornenfalle, die seinen sofortigen Tod bedeutet. Tatsächlich muss man an dieser Stelle Pech haben, soll die Lektüre nicht zu einem abrupten Ende kommen.

Der Spieler darf sich zu Beginn seines Abenteuers entscheiden, ob er lieber einen Krieger oder einen Magier verkörpern möchte. Ist die Lektüre als Kämpfer noch recht gradlinig, so eröffnet gerade die Entscheidung für einen Zauberer zahlreiche Zusatzoptionen für die immer wieder auftauchenden Scharmützel. So findet sich im Anhang des Buches ein vollständiges Zauberbuch von 48 Sprüchen, jeder aus einer Kombination von drei Buchstaben bestehend, die der Spieler sich einprägen soll. Viele davon sind zum Glück recht einfach zu merken, weisen sie doch grob auf den Effekt hin: So beschwört KRA ein schützendes Kraftfeld, ILL lässt eine kleine Illusion zur Ablenkung erscheinen, oder DOK vermag den Helden zu heilen. Einige Sprüche benötigen zusätzlich noch einen bestimmten Gegenstand, um zu funktionieren.

Gerade der Umstand, dass der Leser die Kombinationen für die Zauber tunlichst im Kopf behalten soll – so weist das Spielbuch darauf hin, dass der Held in der Hitze eines Gefechts ja auch nicht schnell im Spruchbuch nachschlagen kann – macht den großen Reiz aus, sich den Herausforderungen von Sorcery! mit einem Magier zu stellen. Auch sorgt der Band dafür, dass man nicht willkürlich eine Kombination raten kann: Hat man die Möglichkeit, einen Zauber zu wirken, so stellt der entsprechende Abschnitt immer fünf verschiedene Kombinationen zur Auswahl – und mindestens zwei davon sind zumeist völliger Humbug und kosten den Helden nur unnötig Kraft.

Aber nicht nur die Kreaturen der Wildnis und die Anstrengung durch das Wirken von Magie setzen dem Helden zu, auch die Reise selbst ist strapaziös. Deshalb muss der Held stets dafür sorgen, dass er ausreichend schläft und Rationen zu sich nimmt, will er nicht seiner Erschöpfung erliegen.

Am Ende der Reise schließlich hat man die Hafenstadt Kharé erreicht, die in Band 2 im Mittelpunkt steht. Findige Leser können bereits auf ihrer Reise durch die Shamutanti-Hügel diverse Hilfestellungen erhaschen, die ihnen die Erkundung der Metropole erleichtern werden.

Regeln

Die Regeln werden vor Beginn des eigentlichen Abenteuers knapp und übersichtlich erklärt. Der Held verfügt über die drei Attribute Gewandtheit, Ausdauer und Glück. Die Ausdauer beträgt zu Beginn der Reise immer 12, Glück wird mit einem W6+6 ermittelt. Bei der Gewandtheit wird zwischen Kämpfer und Magier unterschieden: erstere nehmen einen W6+6, letztere einen W6+4. Waffen können dieses Attribut zusätzlich steigern.

In einem Kampf gibt der entsprechende Abschnitt Gewandtheit und Ausdauer des Gegners an. Der Spieler würfelt für seinen Helden und das Monster jeweils 2W6 und addiert deren Gewandtheit. Derjenige mit dem niedrigeren Ergebnis wird getroffen und zieht 2 von seiner Ausdauer ab. Dies geht so lange, bis die Ausdauer eines der Kontrahenten auf 0 gesunken ist.

Die Ausdauer sinkt aber auch, wenn der Abenteurer nicht regelmäßig rastet und Nahrung zu sich nimmt. So sollte der Leser genau darauf achten, wie viele Rationen er noch im Gepäck hat, denn das Verpassen sowohl der regelmäßig abgefragten Nachtruhe als auch der Mahlzeiten kostet Ausdauer.

Immer wieder wird der Leser im Spielverlauf aufgefordert, sein Glück zu versuchen. Schafft er es mit 2W6 nicht, über seinen aktuellen Glückswert zu würfeln, so geht die Situation gut für ihn aus, allerdings muss er sein Glück um einen Punkt reduzieren. Ansonsten hat er Pech gehabt und die Geschichte entwickelt sich zu seinem Nachteil. Auch im Kampf darf man jederzeit sein Glück versuchen: Gelingt dies, reduziert man erlittenen Schaden um 1, beziehungsweise erhöht ausgeteilten Schaden um 1. Hat man Pech, ist es umgekehrt.

Genau einmal während der Lektüre der Shamutanti-Hügel darf man zudem die Göttin Libra um Hilfe anflehen. Entweder setzt diese reduzierte Attribute wieder auf ihre Anfangswerte zurück, oder sie heilt alle Gifte oder Flüche, die den Helden während seiner Reise befallen haben. Bei einigen besonders bedrohlichen Abschnitten des Buches steht dem Leser auch die Option frei, die Göttin um die Rettung des Helden anzuflehen.

Im Anhang schließlich ist die Magie ausführlich erklärt. Jeder Spruch, der aus einer Kombination von drei Buchstaben besteht, kostet den Helden je nach Mächtigkeit bis zu fünf Punkte Ausdauer. Einige Zauber benötigen zudem weitere Hilfsmittel: So kann man ein Monster zur Unterstützung im Kampf etwa nur beschwören, wenn man einen Zahn dieser Kreatur bei sich führt. Fünf grundlegende Sprüche werden auf einer kompakten Seite erklärt, wagemutige Leser können versuchen, sich alle 48 aus der anschließenden Liste zu merken. Allerdings weist das Buch auch darauf hin, dass nicht alle Zauber in diesem Band zur Anwendung kommen.

Schreibstil

Man merkt, dass Auto Steve Jackson ein Veteran der Abenteuerspielbücher ist: Die Abschnitte von Die Shamutanti-Hügel sind kurz und knackig geschrieben, treiben die Handlung gut voran und sind durchweg abwechslungsreich. Obwohl diese eigentlich nur aus einer simplen Reise durch abgelegenes Wilderland besteht, sorgen die zahlreichen Begegnungen mit einer großen Bandbreite an fantastischen Kreaturen dafür, dass die Wanderung nicht langweilig wird. Die unterschiedlichen und mitunter verschlungenen Routen, die man durch die Shamutanti-Hügel nehmen kann, erhöhen zudem den Reiz, das Buch erneut in die Hand zu nehmen, bis man wirklich jeden Winkel bereist hat. Nur am Ende wird der Leser arg deutlich auf den vom Autor gewünschten Pfad gedrängt, auf dass er auch ja nicht die Konfrontation mit dem finalen Gegner nicht verpasse, aber dies ist zu verschmerzen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis für Die Shamutanti-Hügel ist mit 12,95 EUR vergleichbar mit ähnlichen Werken im Taschenbuchformat. Durch den Anreiz, die zahlreichen Zaubersprüche zu meistern und wirklich die gesamte Wildnis bereits zu haben, wird der Leser den Band auch nicht so schnell zur Seite legen.

Erscheinungsbild

Sorcery 1 AnalandDie Shamutanti-Hügel erscheint im klassischen Taschenbuchformat. So liegt es gut in der Hand und verträgt das für Spielbücher typische Blättern sehr gut. Lediglich der Schutzüberzug des Umschlags hat sich bei meinem Exemplar aufgrund der ausgiebigen Nutzung angefangen, sich am Rand leicht zu lösen.

Etliche einseitige, in schwarz-weiß gehaltene Illustrationen und kleine Vignetten von Zeichner John Blanche lockern den Text auf. Blanches unverwechselbarer Stil ist einem größeren Publikum vor allem durch seine Arbeit für Games Workshop bekannt, wo er die Optik der Warhammer Fantasy- und 40K-Universen maßgeblich mitprägte. Auch hier schmücken überzeichnete Monstrositäten und Schreckgestalten die Seiten von Die Shamutanti-Hügel, die mit ihrem ziselierten Strich aber auch nicht jedermanns Sache sind. Mir jedenfalls gefallen sie, verleihen sie doch der beschriebenen Welt der Serie ein ganz eigenes Flair.

Zwei Übersichtskarten sowohl der Shamutanti-Hügel selbst als auch der gesamten Welt helfen bei Orientierung und lassen auch erahnen, welchen Umfang die komplette Sorcery!-Serie haben wird. Ein Charakterbogen ist ebenfalls enthalten.

Allerdings haben sich in Die Shamutanti-Hügel auch einige Fehler eingeschlichen. So ist etwa Illustrator John Blanche gar nicht im Titelblatt erwähnt. Schwerer wiegt jedoch, dass im Buch selbst einige Abschnittsverweise schlicht falsch sind, so dass die Handlung an dieser Stelle nicht mehr ohne weiteres fortgesetzt werden kann!

Um anderen Lesern den Frust zu ersparen: So ist mir etwa bei Sektion 234 aufgefallen, dass der Leser nicht wie beschrieben bei 211 oder 83, sondern in Wirklichkeit bei 221 oder 82 fortfahren muss. Derartige Ausrutscher bin ich vom Mantikore-Verlag eigentlich nicht gewohnt, der schließlich seit Jahren vortreffliche Spielbücher produziert.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Steve Jackson
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 260
  • ISBN: 978-3-945493-20-5
  • Preis: 12,95 EUR (Taschenbuch)
  • Bezugsquelle: Amazon (Taschenbuch)

 

Fazit

Mit Die Shamutanti-Hügel präsentiert Autor Steve Jackson einen guten Auftakt in die vierteilige Sorcery!-Reihe von Abenteuerspielbüchern. In einem klassischen Überlandabenteuer sieht sich der Leser einer abwechslungsreichen Menagerie von fantastischen Kreaturen gegenüber, während er seine Reise zur nächsten Etappe bewältigt. Vielseitige Routen, herausfordernde Begegnungen und die Notwendigkeit, auch an ausreichend Schlaf und Nahrung zu denken, sorgen für ein reizvolles Abenteuer.

Insbesondere der originelle Einsatz von Magie regt die grauen Zellen an und fordert den Leser heraus, muss dieser sich doch die Kombinationen für die zahlreichen Sprüche sorgsam einprägen.

Umso ärgerlicher ist, dass der gute Gesamteindruck von kleinen Fehlern geschmälert wird, wenn etwa bei einer Entscheidung auf einen völlig falschen Folgeabschnitt verwiesen wird.

Dennoch macht der erste Band Lust auf mehr und so freue ich mich jedenfalls schon jetzt darauf, im nächsten Teil die Geheimnisse der Stadt Kharé zu erkunden.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

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