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Nicht Scott Lang ist Ant-Man in dieser Version der Geschichte, sondern Eric O’Grady. Eigentlich ist er Agent von SHIELD, kommt aber im Verlauf mehrerer unglücklicher Zufälle an Pyms Anzug. Danach geht so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Ein wilder Ritt durch die Lüftungsschächte des Helicarriers, an der Seite von Damage Control und letztendlich auch durch die Nase des Hulk. Der dicke Band spielt kurz vor und kurz nach dem Civil War – oder wie scherzhaft auch in den Panels bezeichnet, der „Civil Straßenprügelei“. Andere Episoden spielen während den Mighty Avengers-Bänden, eine andere während World War Hulk.

Wieso Ant-Man auch „The Irredeemable“ (engl.: „Der Unverbesserliche“) heißt, wird in dieser üppigen Sammlung mehr als deutlich. Die stolzen 292 Seiten enthalten die Nachdrucke und Übersetzungen von The Irredeemable Ant-Man 1-12, Civil War: Choosing Sides 1 (II) und Amazing Fantasy (2004) 15 (IV).

Handlung

Wie kann eigentlich jemand, der so sehr einen Hang zu illegalen Dingen hat und so leicht verlockbar von zweifelhaften Sachverhalten ist, Agent von SHIELD werden? Das fragt man sich schnell nach der Lektüre der ersten Seiten vom Ant-Man Megaband 1. Und gerade dieses wirklich unverbesserliche Verhalten ist es, verbunden mit der Leichtigkeit der Erzählung, die den Leser dazu bringt, Eric O’Grady doch irgendwie schnell zu mögen.

Ant-Man wurde bereits 1963 von Stan Lee und Jack Kirby erdacht. Der erste Ant-Man war Hank Pym (der auch viele andere Namen trug und als Gegenpol zu Tony Stark gedacht war), danach folgte der aus dem aktuellen Film bekannte Scott Lang. Schließlich, 2006, wurde Eric O’Grady zum neuen und aktuellen Ameisenmann. O’Grady ist de facto mehr Antiheld als Heros und streift oftmals, besonders im Umgang mit Frauen, die Grenze zum Schurken.

Der Macher der Comicvorlage zu The Walking Dead, Robert Kirkman zeichnet sich auch hier verantwortlich für die Geschichtsführung. Die Geschichte selbst bewegt sich auf zwei Zeitsträngen, die sich immer weiter aufeinander zu bewegen, bevor das Finale ausgelöst wird. Eines davon ist vor dem Supermenschen-Bürgerkrieg, eines danach.

Genau genommen beginnt alles damit, dass Eric O’Grady und Chris McCarthy, zwei Freunde und beides Agenten auf dem SHIELD-Helicarrier, für einen bestimmten Dienst eingeteilt werden. Dummerweise daten beide die gleiche Agentin, was sich im Verlaufe der folgenden Geschichte noch als folgenschwer herausstellen soll. Durch einen dummen Zufall schlagen sie Hank Pym bewusstlos und können den Anzug testen. Chris ist dabei etwas vorschnell, denn nicht nur Wolverine ist gerade als Gefangener an Bord (er wurde kurz vorher von HYDRA umgedreht), sondern etwas später greift auch Dr. Doom an. Dabei stirbt Chris durch einen Energiequerschläger (scheint es zumindest erst offenbar, mehr wird nicht verraten) und Eric „erbt“ den Anzug eigenmächtig.

Immer wieder springt die Handlung bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den verschiedenen Blickwinkeln und Zeitsträngen hin und her, was es bisweilen etwas anstrengend macht, eben jener Handlung zu folgen. Eric findet dabei alleweil mehr über die Funktionsweise des Anzuges heraus. Spätestens dann, als ein anderer SHIELD-Agent geschickt wird, herauszufinden, was mit dem Anzug passiert ist und selbst mit einem Prototypen ausgestattet wird, weiß er, wie er Ameisen beeinflussen kann.

Bis dahin geht es allerdings heiß her. Der Helicarrier wird von Dr. Doom angegriffen und stürzt ab. Diverse Frauen werden gedated oder beim Duschen bespannt, darunter auch Ms. Marvel – nein, keine Brüste unter dieser Dusche in den Panels. Eric schließt sich Damage Control an, einer Firma von schwächeren Supermenschen, die hinter den großen Gefechten aufräumen und lernt dort echte Liebe kennen. Hulk greift mit einer Armada von Außerirdischen an. Und letztendlich muss er seinen Jäger konfrontieren, Tony Stark überreden und einen arg zwielichtigen Weggefährten nach eigenem Verrat befreien.

Die gesamte Geschichte gewinnt erst ihre logische Struktur nach Vollendung der letzten Seiten, so oft springt sie hin und her. Hilfreich ist die humorvoll erzählte Zusammenfassung einer Ameise vor jedem Kapitel. Irgendwann verzweifelt aber auch diese angesichts der verzettelten Geschichte. Letztendlich ist es genau der anrüchige, menschlich-schwache Charme, der Ant-Man zu einem doch irgendwie liebenswerten und unverbesserlichen Helden macht. Ich meine, was würdest Du tun, wenn Du so klein, wie eine Ameise werden könntest?

Charaktere

Ganz klar im Fokus des Geschehens steht Eric O’Grady. Diesen Antihelden zu mögen, fällt nicht leicht. Er ist arrogant, selbstverliebt, achtet nicht auf Mitmenschen und behandelt zudem Frauen oft wie ein Stück Hundemist …

Nur sehr langsam wandelt er sich, legt die schlimmsten Züge ab. Am Ende gewinnt er sogar so etwas wie Verantwortungsbewusstsein für seine Taten. Bis dahin muss man jedoch immer wieder den Kopf schütteln und versteht nur allzugut, weswegen Ant-Man den Beinamen „Der Unverbesserliche“ trägt.

Leider gelingt es den Zeichnern nicht allzugut, emotionale Mimik der Akteure zu zeigen. Darunter leidet etwas, dass man den Werdegang von Eric gut nachvollziehen kann. Um die charakterliche Entwicklung von Eric zu stützen, interagiert er mit Laufe der Geschichte mit zwei Frauen und lernt dadurch. Von einer der beiden trennt er sich sogar, weil er erkennt, was er für ein verantwortungsloses Arschloch zu dem Zeitpunkt noch ist.

Zeichenstil

Die Pinselstriche der Künstler Phil Hester, Cory Walker und Khary Randolph haben eines gemein. Sie sind stark und konturieren Wichtiges im Bild überdeutlich. Dabei werden Schatten stark betont und fokussieren so den Blick des Lesers auf das Wesentliche. Oftmals gehen dabei aber auch Details am Rande des Bildes verloren und verschwimmen in einer Einheitsmasse. Mich spricht dieser Zeichenstil nicht stark an, erscheint er mit doch oft zu krude.

Deutlich wird dies vor allem bei den Damen, die Eric trifft. Hier erscheinen die Gesichter der Damen, die bestimmt attraktiv sein sollen, oft zu kantig und wenig filigran. Stellenweise wirken sie sogar nicht menschlich, so überbetont sind Kinn und Wangen. Hesters Stil ist hierbei deutlich erkennbar.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 28 EUR bekommt man wirklich viel Inhalt, der aufgrund der Komplexität der divergierenden und annähernden Zeitebenen wiederholten Leseanreiz bietet. Das Buch hat eine massive Dicke und möchte, vor allem deswegen, weil man als Leser doch Eric irgendwie mögen will, wiederholt gelesen werden.

Erscheinungsbild

ANTMANMEGABAND1_Softcover_245Umschlag und Druckqualität, wie auch Haptik des Papiers, entsprechen dem üblichen hohen Panini-Standard. Jedes Kapitel wird von seinem eigenen Originalcover eingeleitet. Textboxen mit erklärenden Worten zu Ende und Anfang des Bandes erklären die Handlung und geben weitere wertvolle Informationen. Das Cover zeigt Ant-Man im Kampf gegen seinen Jäger, umschwärmt von Ameisen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Robert Kirkman
  • Zeichner(in): Phil Hester, Cory Walker et al
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comic-Softcover
  • Seitenanzahl: 292
  • Preis: 28 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Außer den genannten Originalcovern und erklärenden Textboxen gibt es keinen Bonusinhalt.

Fazit

Wie soll man einen Helden mögen, der sich ganz und gar unheldenhaft verhält? An sich ist das gar nicht so schwer, denn mit Eric wird dem Leser der Spiegel vorgehalten und er überzeichnet die eigene Fehlbarkeit. Wie würden wir uns verhalten, wenn wir Teil der Party-Generation sind und Hand auf die Technologie des Anzugs legen könnten? Vielleicht zuerst nicht anders.

Und genau das macht Ant-Man, den ewig unverbesserlichen Ant-Man, so liebenswert, zumindest aus Männersicht. Und er ist dabei die Antithese zu Spider-Man, denn mit großer Macht kommt nicht immer große Verantwortung, sondern im Fall von Eric ordentlich viel Unfug. Sein Werdegang und die Formung seiner neuen Wesenzüge sind daher durchaus gut nachvollziehbar.

Hesters Zeichenstil, so ikonisch und bedeutsam er für die Zeichnerszene ist, spricht mich nicht besonders an. Oft zu stark konturiert und Merkmale der Gesichter so drastisch überzeichnet, dass sie eher an den Green Goblin erinnern, als an echte menschliche Gesichter. Dennoch passt er zu der kruden Verhaltensweise von Eric, der sich mehr als einmal wie eine offene Hose verhält.

Der Ant-Man Megaband 1 hat mir Freude bereitet bei der Lektüre, habe ich doch so viel mehr von der Geschichte der Pymschen Anzüge erfahren. Wegen seiner Spannungskurve und den beiden sich aufeinander zubewegenden Zeitachsen ist er ein lohnenswertes Erlebnis. Auch der Witz kommt nicht zu kurz.

In Summe ist der Sammelband ein gutes Stück Marvel-Geschichte, aber eben nicht das Beste.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Panini Comics

 

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