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Langeweile auf Cons ist so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren kann. Die Zeit, für die man nicht mal Geld bekommt, sondern sogar etwas bezahlt, geht nicht rum, wahrscheinlich ist es auch noch zu heiß oder es regnet und überhaupt, Abwasch machen ist doof und die anderen spielen nicht aus, blablabla … Wir alle kennen das, wir alle hassen das. Und wir alle kennen auch den Urheber dieser Krise: man selb… wait – WHAT?

Selbst ist der LARPer

„Meinst du nicht die Orga?“, will der durchschnittliche LARPer da fragen. Und genau da liegt der Hund auch schon begraben. Ich möchte den Leuten, die so etwas fragen, gerne entgegnen, ob sie Lack gesoffen hätten. Das würde zumindest einiges erklären wie die irrsinnige Annahme, dass jemand anderes dafür verantwortlich wäre, wenn man selbst nichts tut um Spaß zu haben. Eine Orga gibt euch Spielern Spielzeuge an die Hand, mit denen man Spaß haben kann. Sie heißen standardmäßig „Plot“, „Setting“, „NSC“ etc. Ob und wie ihr mit ihnen spielt, bleibt euch überlassen. Aber, und das vergessen viele leider immer wieder, das sind nicht die einzigen Dinger, die ihr zum Spielen habt. Werdet aktiv und kreativ im Umgang mit den Spielsachen!

Auf einer der letzten Cons, auf der ich Spielleitung war, führte ich ein Gespräch, das exemplarisch für dieses Phänomen ist. Ich fragte einen Spieler, wie es ihm gehe und ob er Spaß habe. Seine Antwort war, dass er schon Spaß habe, aber er sich wünschte, es würde gegen Abend noch einmal so richtig knallen. Auf meine Frage, ob er dann vorhabe, etwas dafür zu tun, damit es knallt, erwiderte er: „Nein, dazu ist mein Charakter zu neutral.“ Für weitere potentielle Erwiderungen der gleichen Kategorie setzen sie bitte Dinge ein wie „nicht in der richtigen Position“ oder „nicht wichtig genug.“ Ich möchte mir die Mütze runterreißen und die Haare raufen bei solchen Aussagen.

Kein Charakter ist zu unwichtig, um Unfug zu treiben und Dinge eskalieren zu lassen. Gerade die nichtbeachteten Charaktere können sehr leicht viel aus dem Gleichgewicht bringen, gerade da sie nicht beachtet werden. Ein kleiner Alchemist kann sehr schnell hohe Persönlichkeiten vergiften, ein einzelner „bedauerlicher Einzelfall“ die diplomatischen Verhandlungen zweier Parteien zunichtemachen. Traut euch was! Macht was! Habt keine Angst, sondern verbreitet sie! Denn das erzeugt Spannung, das erzeugt Spiel. Das ist es doch, was wir auf einem LARP haben wollen. Emotionen. Aber da sitzen und sich zu beschweren, dass nichts passiert, während man selbst nichts tut, ist sinnfrei in meinen Augen. Selbst beim Fernsehen muss man selbst aktiv werden, um den Kanal auszusuchen.

Das „zerstörte“ Spiel Anderer

Das nächste Argument, bei dem ich nur noch die Augen verdrehen kann, ist, dass man damit das Spiel anderer zerstört. Etwas, das weiter entfernt von der Realität ist, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Solange man Ansatzpunkte bietet zu agieren, bietet man mehr Spiel und nicht weniger. Ja, man rührt einmal in der Suppe, um Bewegung reinzubekommen, aber man macht nichts kaputt, sondern schaut, dass hier alle etwas von dem großen Knall haben, den sie sich wünschen. Sonst wäre es ja, wie oben beschrieben, langweilig, und niemand bezahlt Geld, damit ihm langweilig ist.

Wenn ich also einen Charakter diffamiere und ihn als Ketzer bezeichne, zerstöre ich nicht sein Spiel. Er hat mehr Spiel, weil er darauf reagieren muss, sich herauszureden oder zu beweisen versucht, dass er keiner ist. Im Gegenzug hat er die Möglichkeit auf mich zu zeigen und zu sagen, ich hätte versucht, ihn aus dem Weg zu schaffen, was mir wiederum mehr Spielangebote bringt und Möglichkeiten, Spaß zu haben. Was wir zerstören, ist also nicht das Spiel anderer, sondern den herrschenden Status Quo. Aus dieser Zerstörung erschaffen wir Bewegung, erschaffen wir Spiel. Denn wenn der Status Quo so unbeweglich ist, dass den Spielern langweilig ist, gehört er zerstört. Ergo hier ein Aufruf an euch alle dort draußen:

 

Zerstört öfter den etablierten Status Quo und generiert so Spiel für euch und Andere!

 

Die vielgelobte Charakterkonsequenz

Seriously? Die Charakterkonsequenz? Das Thema ist ein alter Hut. Nie im Leben hat ein Charakter nur eine einzige konsequente Reaktionsmöglichkeit. Die Wege, die ein Charakter von einem bestimmten Punkt aus gehen kann, sind mannigfaltig. Warum beschränken sich die meisten dann in ihren Überlegungen und Argumenten auf nur einen einzigen? Die anderen Spieler wissen nicht, was in eurem Charakter vorgeht. Sie können nur vor den Kopf sehen, nicht hinein. Dementsprechend wisst nur ihr, was wirklich konsequent ist. Außerdem seid ihr nicht euer Charakter. Euer Charakter kann Fehler machen, wie einen Knoten aus Versehen nicht festzubinden und so die Fesseln zu locker zu machen. Die Absicht dazu kommt von euch, und euer Charakter hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, nämlich konsequent.

Und auch ansonsten wird meist bei Argumenten mit der Konsequenz einfach darauf verwiesen, das Gegenteil der Handlung wäre inkonsequent. Ja! Wäre sie wahrscheinlich! Aber in der Regel fordert auch niemand, das Gegenteil dessen zu tun, was der Charakter getan hat. Nein, es geht um Iterationen mit kleinen Abweichungen, die ein positives Ergebnis für alle beteiligten Parteien beinhalten. Entscheidet euch den Spion nicht zu köpfen, sondern ihm eine große Gerichtsverhandlung zu geben, oder setzt ihn unter Druck als Doppelspion ein bei seinen Auftraggebern oder lasst ihn entkommen, um ihn zu seinen Auftraggebern zu verfolgen. Warum muss es immer gleich die destruktivste Konsequenz sein, die ein Charakter zieht?

Fazit

Tut etwas! Und zwar schnell! Sucht keine Ausreden, warum ihr es nicht tut. Es gibt nur einen validen Grund, nichts zu tun (neben der Gesundheit), und das ist das eigene „Nichtwollen“. Wer aber nicht will bzw. keinen Bock hat selbst aktiv zu werden, der darf sich nicht über Langeweile beschweren. Geht zurück zu eurem Lagerfeuer und trinkt euren Met. Und für die, die endlich ihren Arsch in die Luft bewegen, um etwas zu tun und Spiel für sich und andere zu generieren: Bravo, wir sehen uns auf der Con, ich freu mich. Zerstört den Status Quo und kreiert durch die Zerstörung etwas Neues, an dem alle Spaß haben! Frage nicht, was dein LARP für dich tun kann …

Fotografie: Tamara Steeg, Broken Crown III, Burg Lohra, 2015

 

6 Kommentare

  1. Ich finde das einen sehr guten Artikel und kann dem so nur zustimmen, allerdings muss ich auch sagen, dass als LARP-Neuling ohne Gruppenanschluss es schwer fällt eigene Ideen zu haben, sich zu trauen sie umzustzen, oder sie einfach nur umzusetzen. Auf Cons schaffe ich es auch nicht, den Plot mitzugestalten – irgendwie geht es an mir vorbei (obwohl ich Versuche unternehme, mich daran zu beteiligen, die aber ins Leere laufen). Habt Ihr vielleicht Tipps, wie man da besser vorgehen kann?

    • Hallo Matt.
      Danke für den Zuspruch.
      Zu deinem Anliegen. Man könnte ganze Artikel über das Problem schreiben (ich glaube, dass mach ich auch einfach mal). Hier ein paar grobe Tipps:

      1. Such dir die Kommandostruktur
      Oftmals gibt es ein paar Leute aus mehreren Gruppen, die sich zusammensetzen und den Plot koordinieren,,die Aufgaben verteilen etc. du hast Nun zwei Optionen: mit ihnen arbeiten oder an ihnen vorbei.

      Wenn du mit Ihnen arbeitest, geh hin und biete deine Fähigkeiten an und was du weißt und kannst und sag, dass du helfen willst. Wohlwollende Spieler nehmen dich dann mit und geben dir Aufgaben.

      Wenn du an ihnen vorbeiarbeitest bist du auf dich allein gestellt, kannst aber unter Umständen wichtiger werden als in der Gruppe, da du plotstücke erarbeitest, die dann den anderen fehlen. Das sind interessante Konfliktpunkte, aber nicht jeder hat da seinen Spaß dran, besonders auf kleineren und plotlastigen Veranstaltungen.

      2. wenn das nichts bringt, geh zur SL
      gute Spielleitungen sind darauf aus, dass alle Spieler Spaß haben. Wenn du also hingehst und deine Sorgen berichtest, wird eine gute SL dir helfen… Sie wird dir beispielsweise plothooks an die Hand geben oder dich auf welche hinweisen, damit du ins Spiel kommst… Oder sie gibt dir Infos, an wen du dich wenden kannst von deinen Mitspielern um reinzukommen oder sie spricht Vlt mit einem oder zwei und deutet an, dass du Hilfe bräuchtest ins Spielgeschehen zu kommen. Auf dem DF kam dieses Jahr eine Anfängerin zu mir und meinte sie wollte Magierin werden aber käme nicht ins Spiel, also habe ich einen Spieler den ich kenne angesprochen und das mitgeteilt dass er sie da mal drauf anspielen solle, dass er ihren Funken entdeckt hat oder sonstwas…. Eine halbe Stunde später war sie im Spiel integriert…

      3. Wenn alles nichts nützt oder du nicht so vorgehen willst: such dir dein eigenes Spiel abseits des Plots… Wie ich schrieb in dem Artikel: der Plot ist nicht alles. du hast viele Möglichkeiten und in einer Welt passiert mehr als dieser eine Hauptfaden…. Such dir Spiel mit anderen etc. aber werde aktiv. Schau was du für Möglichkeiten hast gerade und was du damit cooles anstellen könntest um Spiel zu generieren…. Und dann tus einfach und denk nicht zu lange Nach. ;)

      Ein guter Bekannter schrieb mal, dass er in den 90ern als kleiner unbedeutender Ambiente-NSC 3 Dekoäpfel im Wald versteckt hatte… Nur damit er Spielern eine Aufgabe stellen konnte, falls sie ihm was fragen…. 3 Stunden später suchte das gesamte Lager nach den „verwunschenen Äpfeln um sie der Feenkönigin zu geben und das Königreich zu retten“…. Aus kleinsten Dingen ist Spiel entstanden… :)

      Viel Erfolg,
      Betty

  2. Guter Artikel, guter Mann.

    Ist mir auch schon passiert obwohl ich eher als unangepasst und Revoluzzer gelte.
    Ich glaube in solchen Fällen ist die _eigentliche_ Motivation für das Nichthandeln Bleed-In: Unsicherheit, Angst, (imaginärere?) sozialer Druck, usw. der SpielerIn

    Diese Zweifel können natürlich berechtigt oder unberechtigt sein. Kommt auf die anderen Spieler und die Kultur an.
    Als SL/Orga hat man, auch wenn man nicht will, viel Macht und kann hier natürlich schon vorab den Leuten gut zureden :)

  3. Hallo Betty, vielen Dank für diese TIpps. Das mit den Kommandostrukturen hat für mich auf dem DF nur bedingt funktioniert (auf dem ZdL gar nicht), das eigene habe ich versucht, habe auch schon Ideen, das nächstes Mal zu stärken (als Newbie so aufzutreten, fällt mir noch ein wenig schwer), werde z.B. meine Dienste IT als Schwerttrainer anbieten (spiele einen Ritter), vielleicht fruchtet das, um Kontakte zu knüpfen. Und das mit der SL ist ein sehr guter Tipp, das hätte ich mich gar nicht getraut. Vielen Dank! :-)

  4. Das erinnert mich an eine meiner ersten Rollenspielerfahrungen…
    Ich war erst das zweite Mal auf einem Larp und hatte mich für den relativ hohen Posten des Hauptmanns der Torwache beworben. Am Ende waren wir drei Leute. Ich war immer in der Nachtschicht da, von Mitternacht bis 11 Uhr. Einer der anderen Hauptmänner trug mich dann ohne mein Wissen für eine andere Schicht ein und erklärte mich dann für Fahnenflüchtig. Das darauf folgende Konfliktspiel war sehr interessant, aber für mich als neuen Spieler auch überfordernd, sodass ich auch OT sehr erschöpft war. Dazu kam das die Spielergruppe der ich mich angeschloßen hatte mich nicht unterstützte sondern mich deren Anführer auch unter Feuer nahm (Im Nachhinein zerriß die Gruppe sogar daran…). Ich war dann am letzten Tag sehr baff, als der andere Hauptmann auf mich zukam und sich für das interessante Konfliktspiel bedankte. Dadurch habe ich erst IT & OT Trennung richtig verstanden und gelernt.

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