Geschätzte Lesezeit: 13 Minuten

Da ich zur Zeit selbst in einer Kampagne spiele, die von der Welt des hohen Nordens beeinflusst ist, hat mich die Neugier auf Yggdrasill gepackt. Eigentlich wollte ich mir das Quellenbuch The Nine Worlds besorgen, um mehr darüber zu erfahren, was man sich unter Niflheim, Asgard, Jotunheim oder Midgard vorstellen kann. Doch dann wollte ich doch wissen, ob auch das System was taugt, wenn das Basismaterial schon so vielversprechend klingt.

Die Spielwelt

Das Spiel siedelt sich in einem halbmythischen Skandinavien an. Es ähnelt dem Nordeuropa rund um das Jahr 800, ist aber mit Sagen und Mythen durchmischt. Die gewichtigste Abweichung ist bestimmt, dass alles, woran die Nordmänner und -frauen geglaubt haben, wahr ist. Also gibt es Trolle genau so wie die neun Welten auf der namensgebenden Weltesche Yggdrasill.

Worauf man sich einstellen kann, ist eine ziemlich gute Einführung in eine etwas angepasste und bereinigte Variante der nordischen Sagenwelt. Bis auf die Tatsache, dass viele Begriffe vor ihrer Einführung verwendet werden, liest sich das sehr gut und verschafft Überblick. Wie sich das auf das Spiel auswirkt, bleibt im Dunkeln. Es ist anzunehmen, dass das eigentlich Wichtige in The Nine Worlds nachgereicht wird.

Der Weltenbaum der nordischen Mythologie
Der Weltenbaum der nordischen Mythologie

Jenseits der anderen acht Welten beschreibt Yggdrasill die Landstriche Midgards sehr gut. Das Spiel zielt also eher auf Abenteuer in Scandia ab, vornehmlich im Ostseeraum, in den nordischen Königreichen und ihren unmittelbaren Anliegern. Für Kaperfahrten an weit entfernte Orte findet man hier nichts, und wer gerne Wikinger auf weiter Fahrt spielen würde, wird zu anderen Produkten greifen müssen. Yggdrasill ist einerseits quasi-historisch, aber auch mythisch, und wer sich für diese Region und Zielsetzung nicht erwärmen kann, dem wird Yggdrasill auch nicht gefallen. Ein Teil scheint in der Erweiterung Kings of the Sea nachgereicht zu werden. Bedauerlicherweise auch der Schiffskampf …

Was mir weiter auffällt, ist, dass einerseits das Leben der Menschen in Scandia detailreich beschrieben wird, aber an anderen Ecken riesige Lücken klaffen. Die Monsterliste ist eher beispielhaft und passt auf zwei Seiten. Mundanere Kreaturen wie Wölfe habe ich da nicht mitgerechnet. Das ist ziemlich dünn für ein Spiel mit einer dicken Zauberliste, also mit deutlich phantastischem Anspruch in diesem Bereich. Das Magiekapitel bringt es ja immerhin auf 24 Seiten.

Um das Ganze noch etwas bizarrer zu machen, enthalten das Grundregelwerk und die beiden genannten anderen Veröffentlichungen jeweils Teile einer fortlaufenden Kampagne. Anstatt diese also separat zu veröffentlichen, zieht sich diese durch die Quellenbände. Dies erspart einem aber immerhin das umgekehrte Debakel, dass sich bei The One Ring, auch aus dem Hause Cubicle 7, die Kampagnen ohne die separaten Quellenbände nicht spielen ließen.

Die Regeln

In Yggdrasill führt man Tests durch das Würfeln eines Pools aus W10 aus:

  1. Das Attribut (characteristic) bestimmt, wie viele W10 geworfen werden – zwischen 1 und 5.

  2. Wird auf einem W10 die 10 erzielt, wird der Wurf wiederholt und das Ergebnis hinzuaddiert, der Würfel explodiert (wie bei Savage Worlds).

  3. Aus den einzelnen Wurfergebnissen wählt der Spieler 2 bis 3 Würfe als sein Gesamtergebnis aus und addiert sie.

  4. Bei Skillwürfen wird der Skillwert hinzuaddiert. Zu Beginn höchstens 7, kann dieser bis zu 20 betragen.

  5. Hat der SL einen Modifikator vergeben, wird dieser auch aufgerechnet.

  6. Verglichen wird dieses Ergebnis mit einer vorherbestimmten Zielzahl.

Dieser Ablauf ist in der Praxis relativ schnell abzuwickeln, aber nicht ganz simpel. Bestimmte Charaktereigenschaften wie die eigenen Schicksalsrunen, Gaben und Schwächen beeinflussen, wie viele Würfel man werfen darf, welche Werte man ins Ergebnis aufnehmen darf, und ob man mehr Wurfergebnisse in das Endergebnis miteinrechnen darf. Nimmt man dies alles zusammen, kommt man zu einem System der Probenabwicklung, das ähnlich komplex erscheint wie das von Marvel Heroic, jedoch ohne die gleiche narrative Stärke zu zeigen.

Was werf‘ ich nur?

Im Kampf erhält man so viele Aktionen wie der eigene Agilitätswert + 1. Die erste Aktion gilt als primär und alle weiteren als sekundär. Je mehr sekundäre Aktionen ausgeführt werden, desto höher werden die Abzüge. Hierbei gilt zu beachten, dass auch der Versuch zu parieren oder sich wegzuducken eine Aktion kostet.

Die Initiativreihenfolge wird einmalig mit W10 + Reaction festgelegt. Hier sind die Zauberwirker klar im Vorteil, haben sie doch im Schnitt den höheren Reaction-Wert, der auf geistig-mentalen Attributen basiert. Es kommt jetzt jeder einmal dran, weitere sekundäre Aktionen werden in weiteren Runden im Wechsel ausgeführt, bis keiner mehr will oder kann.

Es gibt nun drei verschiedene Attackearten:

  1. Die Standardattacke, basierend auf dem Agilitätsattribut.

  2. Die Power-Attacke, basierend auf Stärke.

  3. Die präzise Attacke, basierend auf Wahrnehmung.

Variante 1) ist nur für Charaktere interessant, die keine besondere Stärke oder Wahrnehmung aufweisen können. Sie bringt nämlich keinerlei Bonus, nützt aber SC, die gerade dieses Attribut sehr hoch haben.

Variante 2) ist für Kämpfer, die mehr Schaden durch schiere Wucht erzeugen wollen. Sie können sich auch wahlweise den Wurf erschweren, um noch mehr Schaden zu machen.

Variante 3) ist für Kämpfer, die versuchen den Rüstungsschutz des Gegners zu umgehen. Auch hier kann man sich die Attacke erschweren.

Im Fernkampf kommen auch fünf Varianten zu tragen, wobei sich hier wahlweise auch das Attribut Instinkt auswirken kann. Generell wirkt das Ganze so, als wolle man nur möglichst viele Attribute mit verschiedenen Vorteilen bedienen, ist doch z. B. die Initiative gar nicht mit der Agilität verbunden – es geht also darum, schnell zu denken, nicht, sich schnell zu bewegen. Das wirkt mir etwas zu gewollt.

Es kommt dann zur Auswertung über Formeln:

Wurfergebnis (aus Attributspool) + Skill +/- Modifikator ist der Angriffswurf.

  1. Wird nicht pariert, ist die Erfolgsschwelle 14 + Abwehr (Physical Defence).

  2. Wird pariert, muss der Parierwurf übertroffen werden.

  3. Wird ausgewichen, muss der Ausweichwurf übertroffen werden.

Bei Erfolg bestimmt der Angreifer die überzähligen Punkte. Hierbei wird entweder Schwelle 1) oder das Ergebnis von 2) oder 3) herangezogen, je nachdem, was besser ist. Danach wird die Waffe draufgerechnet, die Panzerung abgezogen. Power- und präzise Attacken beeinflussen die Schadensformel auch noch.

Jetzt mal ehrlich – dieses Kampfsystem ist weder elegant, noch einfach, noch schnell auszuführen. Es hat schon ohne weitere Schnörkel wie Kampfmanöver zehn (!) mögliche Attackearten, wobei je nach Charakterkonzept kaum mehr als drei oder vier jemals zum Einsatz kommen dürften, wenn überhaupt. Auch die wunderschön wuseligen Erschöpfungsregeln für Berserker lass ich hier mal außen vor, und da sind ja auch noch Wundmodifikatoren und der Gesamtzustand des Charakters.

Das Steigerungssystem ist Banane

Ich bin der Meinung, dass eine von zwei Bedingungen in den meisten Steigerungssystemen gegeben sein sollte:

  1. Es wird regelmäßig und oft gesteigert.

  2. Wenn es zum Steigern kommt, sollte sich etwas signifikant verbessern.

Savage Worlds vergibt XP pro Spielsitzung, und im Schnitt lässt sich da alle zwei Sitzungen eine spürbare Verbesserung am Charakter vornehmen. Dungeons & Dragons und seine Varianten zögern manchmal den Stufenanstieg eher hinaus, dafür wird man mit mehr Sprüchen, Trefferpunkten, gestiegenen Trefferchancen reichlich belohnt.

Und in Yggdrasill? Da ist keines von beidem erfüllt. Einerseits gibt es Legendenpunkte nur pro Abenteuer, ein sehr dehnbarer Begriff, der sehr viele Spielsitzungen umfassen kann. Wenn am Ende des Abenteuers der SL einen sauschlechten Tag hatte, gibt es vielleicht nur 2 Punkte, aber auch bis zu 10 sind möglich, wobei mal wieder wachsweicher Blödsinn wie „hat zum Spiel beigetragen“ und „hat toll rollengespielt“ eher an das Zeugnis der Grundschule erinnert. Gehen wir mal davon aus, dass zwischen 5 und 10 Punkten vergeben werden. Wohlgemerkt nur nach einigen Spielabenden.

Kann man sich davon was Tolles kaufen? Nö. Eine Steigerung eines Attributs kostet 5 x neue Stufe, also 15, 20 und 25 für die Werte 3, 4 und 5. Naja, Attribute geben ja auch viele Vorteile, also z.B. in den Sekundärattributen und über viele Skills hinweg. Kann man vielleicht hinnehmen. Aber was kriegt man sonst Tolles für Legendenpunkte?

Skills sind auch schweineteuer, wenn man es mal durchrechnet. Sie kosten 2 x neue Stufe. Wer seine +7 in „Langwaffen“ auf +10 steigern will, muss also 8 x 2 + 9 x 2 + 10 x 2 = 54 Legendenpunkte einplanen für einen festen Ergebnisvorteil von +10 (und eine Steigerung von gerade mal +3). Mit anderen Worten, niedrige Skills steigern schnell, hohe Skills nicht. Wer seinem Berserker den Ochsenführerschein (Drive Skill) verpassen will, kann das billig. Aber wer an den eigentlichen Stellschrauben für einen besseren Berserker drehen will, der muss viel Geduld mitbringen, und das finde ich öde.

Das System scheint auf sehr lange Kampagnen ausgelegt zu sein, oder einfach nicht durchdacht. Der Verdacht kommt mir immer wieder bei Systemen, wo nach neue Stufe x 2 oder neue Stufe x 5 Steigerungspunkten gefragt wird. Man will wohl nicht, dass die SC richtig gut werden. Warum dann überhaupt ein Steigerungssystem? Leute, die gern immer ein bisschen am Charakter feilen, werden hier überhaupt nicht bedient, jedenfalls nicht in den Kernkompetenzen des SC.

Charaktererschaffung

Runenmagie spielt eine gewisse Rolle
Runenmagie spielt eine gewisse Rolle

Der erste Schritt ist zugleich der systemspezifischste: Man muss drei Runen erwürfeln, die das Schicksal (fate) des Charakters mitbestimmen. Man darf diese dann in den Charakterhintergrund miteinweben. Außerdem muss man entscheiden, ob sich diese eher positiv oder negativ auswirken, bei manchen Runen gibt es sowieso nur einen der beiden Aspekte. Die Runen schränken auch die Klassenwahl ein – nur mit Odins Segen kann man Berserker oder Zauberwirker werden. Die Wahl einer Klasse, hier Archetyp genannt, ist übrigens optional. Sie beeinflusst vor allem die verbilligten Skills.

Yggdrasill kennt 9 Attribute, auf die man 19 Punkte verteilen darf. Ein Wert von 2 ist Durchschnitt, 4 ist das Maximum für neu erschaffene Charaktere, und 5 der Höchstwert. Diese entsprechen auch den geworfenen Würfeln. Man sieht schnell, dass wenn man in einem Attribut nicht unterdurchschnittlich sein will, nur einen Extrapunkt verteilen kann. Kauft man sich höhere Werte durch Senken einiger Attribute auf 1 hat man in allen zugehörigen Skill-Kategorien nur 1 Würfel im Ergebnis. Umgekehrt sind hohe Attributwerte ein starker Vorteil in der gewählten Kategorie. Als Trost verbleibt, dass man ein niedriges Attribut schneller ausgleichen kann als ein hohes erhöhen.

Dump Stats versucht das System durch die vielen sekundären Attribute zu vermeiden, die aus den primären errechnet werden. In irgendeinem der zahlreichen Spielwerte oder Skills wird sich eine Schwachstelle ganz sicher rächen. Hierbei fallen die vielen Formeln auf:

  • Body = STR(ength) + AGI(lity) + VIG(our)

  • Mind = INT(ellect) + PER(ception) + TEN(acity)

  • Soul = CHA(risma) + COM(munication) + INS(tinct)

  • Hit Points (HP) = 3 x Body + 2 x Mind + 1 x Soul, Wounded = HP / 2, Severely Wounded = HP / 4, Dead = – HP / 4

  • REA(ction) = INT + PER + INS

  • Physical Defence (PD) = AGI + VIG + INS

  • Mental Defence (MD) = TEN + INT + INS

  • MOVE(ment) = AGI+VIG

  • ENC(umbrance) = STR x 2 + VIG

  • Furor Pool = (VIG + INS + TEN) / 2 oder VIG + INS + TEN oder VIG + INS + INT (je nach Klasse)

Die gleichen Formeln kommen zum Einsatz, sollte man ein Attribut steigern.

Man wählt eine Gabe (gift), oder zwei Gaben und eine Schwachstelle (Weakness). Man verteilt 35 Punkte auf Skills, wobei es je nach Archetyp verbilligte Skills gibt. Kein Skill darf höher als 7 sein. Zu guter Letzt kann man sich noch Kampfspezialfertigkeiten (combat feat) und Zaubersprüche kaufen.

Die Tüftelei, welche Attribute wichtig sind, ein kurzes Stöbern in der Liste der Gaben und Schwachstellen, und dann noch das Herumgeschiebe bei den Skills – Yggdrasill gehört bestimmt weder zu den schnellen noch den besonders langsamen Systemen beim Erstellen eines SC.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Wenn man jeweils die Liste der Kampfmodifikatoren und der Probenschwierigkeiten am Tisch bereithält, sollte sich Yggdrasill gut leiten lassen. Schwierig wird es werden, über all die Schicksalsrunen aller Spieler am Tisch, immerhin drei pro SC, den Überblick zu behalten, und sich diese dann noch in ihrer Bedeutung zu merken und das ins Spiel (und die jeweiligen Proben) einzuflechten.

Das Verwalten kleiner, umständlicher Sonderregeln wie Kampf mit zwei Waffen und den ganzen Manövern ist eher umständlich, und hier sind eindeutig auch die Spieler gefordert. Monster sind eher simpel gestrickt, erfordern aber manchmal etwas Nachschlagen und lassen sich dann nicht direkt aus der Beschreibung spielen.

Hinweise an den SL gibt es kaum, ein eigenes Kapitel über das Leiten des Spiels fehlt, aber dafür gibt es ein umfangreiches Abenteuer als ersten Teil einer Kampagne, die sich über alle Bände erstreckt.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Das System lässt den Spieler vieles entscheiden, aber wer Berserker oder Zauberwirker werden will, braucht Würfelglück – nur das Erwürfeln der Ansuz-Rune erlaubt es Spielern, diese Pfade mit seinem Charakter zu beschreiten. Die Chance hierfür ist 1 aus 8. Nachdem man alles andere außer den Runen selbst bestimmen darf, beißt sich das deutlich mit dem Rest der Charaktererschaffung.

Genauso frustrierend dürften einige Macken des Systems sein, wie z.B. das Verwerfen guter, eventuell sogar explodierter Würfe beim Wirken einer negativen Rune. Die Regeln sind auch nicht einheitlich und symmetrisch: Eine Gabe erlaubt einen Würfel mehr zu werfen, eine Schwäche erzwingt es, den schlechtesten Wurf ins Ergebnis zu rechnen. Die Erfolgsschwellen sind zwar eine mathematische Reihe, aber zusammen mit den Modifikatoren sind die Zielzahlen krumm und unintuitiv. Solche Dinge erschweren das Einprägen und flüssige Spielen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Cubicle 7 hat auch bei The One Ring eher hohe Preise, aber das Verhältnis zwischen Preis und Leistung fällt bei Yggdrasill schlechter aus. Für den PDF-Preis, den ich als eher hoch empfinde, will ich mehr Illustrationen, da muss alles noch mal eine ganze Ecke besser sein.

Spielbericht

Es fand kein Testspiel statt.

Erscheinungsbild

Yggdrasill RPG Cover Cubicle 7Das Produkt hat ein sehr schönes Layout, der Text ist gut lesbar und selbst auf reinen Textseiten fühlt man sich nicht erschlagen. Das Produkt ist in Sepiatönen gehalten und gefällt. Die vorhandenen Illustrationen sind richtig gut und stimmungsvoll. Schade, dass die meisten Buchseiten ohne sie auskommen müssen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cubicle 7
  • Autor(en): Neko, Florrent, Kristoff Valla
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF | Hardcover
  • Seitenanzahl: 241
  • ISBN:978-0-85744-054-9
  • Preis: PDF für 24,99 USD | Print ab 44,95 EUR
  • Bezugsquelle: Print @ Amazon | PDF @ DriveThruRPG | Print @ Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Ein Charakterbogen, eine Landkarte und einen Auszug aus The Nine Worlds gibt es auf der Cubicle-7-Homepage. Das neueste Produkt der Reihe, Uppsala, fehlt hier, ist aber auch erhältlich. Wer sich für andere Produkte des französischen Verlags 7éme Cercle interessiert, der sollte auch bei Qin – The Warring States oder Keltia (gleiche Regeln wie Yggdrasill) reinschauen.

Fazit

Nur mit gutem Willen mag ich Yggdrasill mit dem gelben Daumen bewerten.

Ein kluges, gut formuliertes und recherchiertes Setting trifft hier auf ein Regelsystem, das unnötig komplex ist, ohne dabei dem Spieler einen Mehrwert zu bieten. Durch die Formeln und Zahlenwerte wird das Spiel weder besonders realistisch noch besonders variantenreich. Starke Kämpfer verlassen sich auf ihre Stärke, agile Kämpfer auf ihre Gelenkigkeit. Über die Multi-Aktionen pro Kampfrunde müssen die Spieler auch buchführen. Die ganze Komplexität wirkt krampfhaft und beinahe wie „l’art pour l’art“, als würde sie um ihrer selbst willen betrieben. Die zahlreichen Schwellen und Modifikatoren im Spiel wirken willkürlich und sind nicht gut zu merken, und die überreiche Vielfalt an Attributen, Sekundärattributen, Fertigkeiten, Manövern, usw. wirkt einfach nur unübersichtlich.

Dem eher zweifelhaften Regeldesign (eine klare Zwei) steht die Spielwelt gegenüber, in die man sich gut einfühlen kann. Der Fluff-Anteil ist eindeutig gut geschrieben und würde sich meinem Geschmack nach gut mit einer Savage-Worlds-Konversion spielen lassen. Quasi-Historisches und Mythen, diese Mischung gefällt und sollte durchaus Freunde finden können. Ich habe diesen Teil mit Genuss gelesen, und denke mal, dass sich The Nine Worlds dementsprechend auch als Anschaffung lohnen könnte. So ein Setting mit Bezug auf eine existierende Sagenwelt aufzubereiten ist ja nicht trivial, und das wurde hier durchaus gut geleistet.

Daumen3maennlich

Artikelbilder:  Cubicle 7

 

4 Kommentare

  1. Mannomannomann, die Formeln sind ja erschreckend Spätachtziger/Frühneunziger-Realismus-Schule. Warum muss sich ein Spiel, in dem es um Mythen geht, mit derart simulatorischem Kram belasten…?

    • Frag‘ ich mich auch, zumal es auch nicht besonders realistisch oder simulationistisch rüberkommt, jedenfalls nicht mehr als D&D oder die meisten Rollenspiele. Sie sind halt einfach nur unnötig kompliziert…

  2. Ich kann dieses Review weder nachvollziehen, noch diesem zustimmen.

    Wo genau soll das kompliziert sein? So viele W10 wie man Attribut hat, davon 2 höchstens zwei behalten + Skill Wert. Ist das so schwer?
    Was die Formeln beim Charaktererschaffen anbetrifft, sind das simple Additionen. Ich bin weiß Gott nicht Mathematik affin, aber um das als Schwer oder kompliziert zu erachten….

    Simulatorisch ist an dem Spiel gar nichts. Um ein Spiel aber wirklich beurteilen zu können, sollte man es schon auch mal gespielt haben.

    In diesem Spiel ist die Frage, ob die Regeln die Besonderheiten des Settings gut einfangen können und das Können sie, sicherlich besser als der Einheitsbrei deer momentan so im Modee ist.

    Was die Erfahrungspunkte und Aufstiegsgeschwindigkeit anbetrifft, so ist das die Entscheidung der Gruppe und nicht des Regelwerkes.

    • Ich denke mal, ich habe das alles bereits ziemlich klar in der Rezension selbst klar dargelegt.

      Ich habe über die Probe „relativ simpel auszuführen“ gesagt. Was ich hauptsächlich bemängele, ist, dass sie nicht elegant ist und den Spieler sogar dazu nötigen kann, außergewöhnliche Ereignisse wegzuwerfen. Elegant ist sie auch nicht, weil man zwei unnötige Stellschrauben gibt, um an der Schwierigkeit zu drehen – Modifikatoren und Zielzahlen. Eine reicht.

      Das bezieht sich im Übrigen auf das Spieldesign und nicht darauf, dass das irgendwer nicht kann – was ich ja auch nicht behauptet habe. Die Hauptkritik am Regeldesign ist dann auch nicht die Probe, sondern das Kampfsystem.

      Ich habe auch die Formeln aus der Charaktererschaffung nur dargestellt, damit sich jeder selbst eine Meinung bilden kann. „Hierbei fallen die vielen Formeln auf“ ist dabei alles, was ich mir an Wertung erlaube. Steht da „schwer“ oder „kompliziert“? Nö. Ich empfand es ja auch nicht als schwer oder kompliziert, sondern nur erwähnenswert.

      Das Wort „simulatorisch“ habe ich selbst nie benutzt, man kann es also der Rezi nicht anlasten.

      Die Steigerungsgeschwindigkeit ist nur dann Entscheidung der Gruppe, wenn man die Regeln nicht ernst nimmt – ein Standpunkt, den ich bei einer Rezension nicht einnehmen kann.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein