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Montagmorgen acht Uhr. Ich sitze im Büro und formuliere verschlafen den Satz: „Etwas mehr Magie im Alltag wäre auch nicht schlecht!“ – „Splittermond“, antwortet mein Kollege. Ich schaue ihn irritiert an und wiederhole: „Splittermond? Das klingt gefährlich, so nach Meteoritenschauer und adieu Menschheit.“ – „Nein“, sagt er, „ich meine das Rollenspiel Splittermond. Das musst du einfach mal ausprobieren, da ist Magie allgegenwärtig. Und es gibt extra eine Einsteigerbox für Neulinge.“ „Was Rollenspiele angeht, bin ich kein Neuling, sondern alter Hase, aber ich schau es mir mal an!“, verspreche ich. Gesagt, getan.

Inhalt

An manchen Tagen beneide ich den Paketboten nicht. Das Wetter ist viel zu heiß, die Pakete sind viel zu schwer. Und ja, auch das Päckchen in meinen Händen wiegt mehr als erwartet. Ungeduldig zerre und reiße ich am Karton, um Sekunden später eine hübsche, überwiegend blaue Box in Händen zu halten. Splittermond Einsteigerbox – Aufbruch ins Abenteuer ist darauf zu lesen. „Aufmachen, ganz schnell aufmachen“, sagt die Stimme in meinem Kopf, die seltsamerweise immer nur dann erscheint, wenn ich neues Rollenspielequipment gekauft habe. Also schnell ins Arbeitszimmer und der Stimme Folge leisten, denn sie zu verärgern, weiß ich aus Erfahrung, bringt Kopfschmerzen.

Langsam hebt sich der Deckel und zum Vorschein kommen einige Hefte, Würfel und anderes Beiwerk. Obenauf liegt ein vierseitiges Faltblatt mit ein paar Worten zum Geleit. Was halte ich da eigentlich in Händen? Und wie fange ich jetzt am besten an? Diese Fragen sind dort kurz und bündig beschrieben und geben einen Wegweiser durch die Box. Besonders schön ist der Hinweis, dass es sich um ein Spiel ohne Brett handelt. Ja, diese Box ist wirklich an Neueinsteiger ins Genre gerichtet.

Die Welt von Splittermond

Vargische Waldläufer - eine der neuen Archetypen
Vargische Waldläufer – eine der neuen Archetypen

Der Titel des Heftes weckt meine Neugier als erstes. Er klingt nach einer Weltbeschreibung voller Kreaturen, Helden und Hintergrunddetails für unzählige Abenteuergeschichten. Die ersten 19 Seiten befassen sich dann aber erst einmal mit dem etwas nüchternen Thema des Rollenspielens und dem Spielleiten an sich. Im Grunde ist es also eine Hilfestellung für Spielleitende, die nicht nur auf die verschiedenen Spielstile eingeht, sondern auch ausführlich erklärt, wie ein Spielabend vorbereitet wird und welche Quellen beispielsweise für Abenteuerideen taugen.

Interessant für Neueinsteiger, weniger für mich. Das soll sich aber beim Weiterblättern ändern, denn schon bald stoße ich auf erste Sonderregeln, etwa Splitterpunkte oder Risikowürfe. Vielleicht hätte ich mit dem Lesen der Regeln beginnen sollen, aber selbst ist der Redakteur – also querfeldbeet durch die Box.

Die restlichen der insgesamt 55 Seiten beschreiben dann tatsächlich, wenn auch nur sehr kurz, den Kontinent Lorakis und die Arwinger Mark, in der auch die beigelegten Abenteuer stattfinden sollen. Und tatsächlich hier finde ich auch einen Absatz zur „allgegenwärtigen Magie“, die nicht nur „Männern mit spitzen Hüten“ zur Verfügung steht, sondern (wenn auch nur als einfache Sprüche) auch dem „Wirt zum Kühlen seines Bieres“ oder dem „Schmied zum Heizen seiner Esse“.

Die Regeln von Splittermond

Mit 59 Seiten das zweitdickste Heft, beinhaltet es die Beschreibungen der Spielmechanismen von Splittermond. Ich versuche mich beim Lesen der Regeln ganz besonders anzustrengen, aus der Sicht eines Neulings zu schauen, denn die Komplexität und der Schwierigkeitsgrad des Verständnisses machen gerade bei einer Einsteigerbox meiner Meinung nach viel aus. Doch auch mit ausgeschaltetem, geschultem Rollenspielerverstand wird mir schnell klar, dass ich es bei den gekürzten Regeln mit einem einfachen und leicht verständlichen Regelsystem zu tun habe. Attribute wie Ausstrahlung, Stärke oder Willenskraft bilden die Grundlage für abgeleitete Werte (zum Beispiel Lebenspunkte oder Widerstandswerte) und unterstützen Proben auf Fertigkeiten wie Nahkampf, Diplomatie oder Handwerk.

Wer zudem in einer Fertigkeit besonders gut ist, also einen entsprechend hohen Wert besitzt, kommt in den Genuss, spezielle Fähigkeiten, so genannte Meisterschaften, erlernen zu dürfen. Ein besonders guter Fernkämpfer kann so beispielsweise Schnellschütze werden und früher oder später mit Gezielter Treffer den Schaden seiner Angriffe verbessern.

Wer Splittermond spielt sollte mehr als nur einen „Tick“ haben. Die astronomische Bezeichnung für eine Zeiteinheit wird im Kampfsystem ausführlich erläutert und mit Hilfe eines Zeitstrahls, der Tickleiste, während des Kampfes dargestellt, um Spielern und Spielleitenden einen besseren Überblick über den zeitlichen Ablauf einer Situation zu gewähren. Eine hervorragende Idee.

Der letzte Part des Heftes ist auf die Magie fokussiert, welche im Grunde nicht viel anders als der Umgang mit den Fertigkeiten funktioniert. Nun ja, nur eben etwas komplizierter, denn es handelt sich ja schließlich um arkane Künste und die sind erstaunlicherweise in vielen Rollenspielen immer etwas komplexer. Mit einer Hand voll Magieschulen und Zauber wird das gekürzte, aber dennoch hervorragende, Regelwerk abgerundet.

Die Abenteurer von Splittermond

Was den Wolf wohl im Abenteuer in den Käfig brachte?
Was den Wolf wohl im Abenteuer in den Käfig brachte?

Eine nette Geste der Redakteure von Splittermond ist die Ergänzung der Box um eine Charaktererschaffung. Wo andere Einsteigerboxen und -bände nur mit Archetypen auskommen, hat man sich hier wohl gedacht, wir setzen noch einen obendrauf und bieten mehr. Und das ist auch gelungen. Das 31 Seiten umfassende Heft bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erschaffung des eigenen Abenteurers. Dabei ist die Auswahl auf den ersten Blick auch nicht sehr eingeschränkt. Als Rassen stehen Alben, Menschen, Gnome, Zwerge und die wolfsartigen Varge zur Wahl und mit jeweils sieben Kulturen und Ausbildungen komme ich nach Adam Riese auf mathematische 245 verschiedene Möglichkeiten der Charaktererschaffung. Wobei dies eine vollkommen theoretische Zahl ist, die auch einen „zwergischen Waldläufer aus dem Albischen Seebund“ beinhalten würde, was in der Tat schon vom Namen her etwas seltsam anmutet.

Auf den letzten Seiten des Heftes ist dann erneut etwas zu den Splitterpunkten zu lesen, welche mich entfernt an die Schicksalspunkte des neuen DSA5-Werkes erinnern. Splittermond war jedoch früher da. Ein paar Listen und Bilder von Ausrüstungsgegenständen schließen das Heft ab.

Abenteuer in der Arwinger Mark

Der Pfad durchs Seelenmoor lese ich auf dem nächsten Heft und habe schon eine ungefähre Ahnung was mich erwartet. Das „Abenteuer für einen einzelnen Abenteurer“, welches mit nur 15 Seiten auskommt, soll, dem Autor nach, besonders für Einsteiger geeignet sein, weil es ohne Regeln auskommt. Ich fange an zu lesen und habe mich schnell in den undurchdringlichen Nebeln des Moores verfangen, in denen monströse Kreaturen und die eine oder andere Überraschung auf mich warten. Ein kleines, aber spannendes und gut durchdachtes Abenteuer, das Lust auf mehr macht.

Auch Kettenrasseln, der 71-seitige Kampagnenband, der mit vier aufeinander aufbauenden Abenteuern in der Arwinger Mark aufwartet, hält mich schnell in seinem Bann gefangen. Es wird Zeit, meine Rollenspielgruppe zusammenzutrommeln und den Geheimnissen der Drachlinge auf die Spur zu kommen.

Würfel und anderes Beiwerk

Neben den oben beschrieben Heften findet sich noch anderes nützliches Beiwerk in der Splittermond Einsteigerbox. So ist zum Beispiel mit 3W10 und 2W6 für ausreichend Würfelglück gesorgt. Passend zur Farbe der Box sind auch die Würfel blau (mit weiße Augen). Für die Charaktererschaffung wurde ein ausreichend großer Stapel doppelseitiger DIN-A5-Charakterdokumente hinzugefügt, die übersichtlich gestaltet sind und sich mir schnell erschließen. Im selben Format findet sich die Auswahl von sieben Archetypen, zu denen zum Beispiel der Selenische Schwertrichter Cederion von Falkenberg gehört oder aber auch Su Yini, die Ränkeschmiedin aus dem fernen Zhoujiang. Neben dem dazugehörigen Charakterdokument beinhalten diese Archetypen auch eine individuelle Hintergrundgeschichte, sodass Neueinsteiger sich schnell mit den Charakteren identifizieren können. Gerade für Anfänger ist die kleine Regelübersicht eine willkommene Hilfe, welche auf zwei Seiten die wichtigsten Regeln zu Kampf, Zaubern, Proben und Regeneration zusammenfasst.

Ebenso hilfreich ist die bereits erwähnte Tickleiste, auf deren Rückseite sich eine Karte des Kontinents Lorakis verbirgt. Und wer die Box bis zum Boden durchforstet, der findet letztendlich verschiedene Marker (je 2x die Archetypen, nebst einigen Monstern), für das Spiel mit dem Zeitstrahl.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit 24,95 EUR ist die Box im Verhältnis zu ihrem Inhalt nicht sehr teuer, immerhin hat man es hier gleich mit einem komplett überarbeiteten Regelwerk zu tun, das extra für Einsteiger angepasst wurde. Eine Einsteigerbox zum Mondscheintarif sozusagen.

Erscheinungsbild

SpliMo-Box-3D1Die Box ist in Vollfarbe gestaltet und mit zahlreichen, hübschen Illustrationen geschmückt. Die Schriftart und –größe sind gut leserlich und wichtige Regeln oder Hinweise werden in blauen Kästen hervorgehoben. Blau ist generell die vorherrschende Farbe, was dem Splittermond geschuldet ist, aber dem Erscheinungsbild keinen Abbruch tut, sondern den guten Gesamteindruck abrundet. Die Entscheidung, eine Box in ca. DIN-A5-Größe zu verkaufen, entspringt sicherlich dem Gedanken, dass auch Nicht-Rollenspieler Interesse an der Spiele-Box haben könnten und ist zumindest kommerziell gut überlegt. In meinen Schrank passt die Box aufgrund ihres Formates, aber natürlich mal wieder nicht hinein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor(en): Uli Lindner
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: deutsch
  • Format: DIN A5
  • Seitenanzahl: 71 + 15 (Abenteuer), 31 (Charaktererschaffung), 59 (Regeln), 55 (Welt); insgesamt ca. 250 Seiten (inkl. Beiwerk)
  • ISBN: 978-3-95867-001-3
  • Preis: 24,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeisters Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Boni oder Downloadcontent sind nicht vorhanden.

Fazit

Splittermond? Nein, es ist kein Meteoritenschauer, sondern ein hervorragend ausgearbeitetes, detailreiches und stimmiges Rollenspiel. Mag die Einsteigerbox auch nicht alle Wünsche und Träume erfüllen, weil einige Regeln der Einfachheit halber gekürzt wurden, so ist es dem Uhrwerk Verlag dennoch gelungen eine Publikation auf den Markt zu bringen, die vollends begeistert.

Ein Stück „Alltagsmagie“ aus der Box, welches sich bestens für Einsteiger eignet und, wie der Name schon sagt, auch auf diese erfolgreich zugeschnitten wurde. Aber ganz unter uns, wer nicht ganz so unentschlossen ist oder sowieso schon weiß, dass er Splittermond spielen will, der sollte sich vielleicht gleich die großen Regelwerke kaufen. Die passen nicht nur in den Schrank, sondern enthalten noch viel mehr Informationen dieser magischen Welt.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag

 

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