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Rollenspiel ist ein großartiges Hobby. Und jetzt alle „Rollenspiel ist ein großartiges Hobby!“ Amen. Aber es gibt sie da draußen, die Spieler, die den Satz kaum mehr als genuschelt rausbringen und dabei insgeheim an ihren Frust denken. Sie sind enttäuscht von ihrer Spielrunde, vom ewigen Diskutieren und müssen sich vielleicht sogar selbst überreden, zum nächsten Spielabend zu erscheinen. Das ist fürs Hobby in etwa so gesund wie Kelmon-Gift für die Vitalität eines DSA-Helden. Auch ich hatte solche Momente. Die hat jeder früher oder später. Nichts Wildes also. Oder?

Nach meiner Erfahrung ist es oft genug keine kurzzeitige Phase, sondern ein tiefer sitzendes Problem. Wenn man nichts dagegen tut, weitet sich der Frust aus und verdirbt einem im schlimmsten Fall die Laune am Spielen, nicht nur in der eigenen Spielrunde, sondern überhaupt. Natürlich könnte man nun in Foren meckern, bei Freunden motzen oder anfangen, die eigene Sammlung auf eBay zu verscherbeln. Aber wozu? Rollenspiel ist ein großartiges Hobby und eines, für das es sich gegen den eigenen Frust zu kämpfen lohnt! Die folgenden 10 Tipps haben mir jedenfalls geholfen, den Spaß am Spiel immer wiederzufinden:

1. Durch Rituale auf den Spielabend einstimmen

Stress im Büro, Wut im Bauch? Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für Spaß am Spieltisch. Hier können kleinere Rituale helfen, den Alltagsstress vor der Tür zu lassen. Vorher gemeinsam kochen und essen, Kerzen aufstellen oder eine gewohnte „Titelmusik“ als MP3 laufen lassen signalisieren dem Hirn: „Sorry, Bro, deine Sorgen in allen Ehren, aber es geht gleich nach Aventurien.“ Auch Outgame-Zankereien, Telefonanrufe genervter Verwandter, Meckereien über Verlagsentscheidungen und ausladende Regeldiskussionen sind eher hinderlich und bereiten eine schlechte Bühne für Spielspaß. Bei uns gilt deshalb: Am Spieltisch wird gespielt.

2. Sich am Spieltisch mehr einbringen

Wir alle haben sie: die Gewohnheiten und Klischees am Spieltisch. Schade nur, wenn wir uns durch sie im Handeln unserer Charaktere einschränken lassen. Dann kommt schnell das Gefühl der Ohnmacht auf: Der Barde, der beim Kampf in der Ecke steht, der Krieger, der am Hof den Mund nicht aufkriegt. „Mein Charakter ist aber so.“ Unfug! Was einen Charakter definiert und motiviert, bestimmt man immer noch selbst und da gibt es, wie bei realen Personen auch, immer mehrere Optionen. Jeder Spieler kann sich in jede Szene einbringen und sei es nur mit Vorschlägen für die Mitspieler. Wer aktiv mitspielt, ist am Ende des Spielabends glücklicher, als wer nur zuschaut. Wer aber nur rumsteht und darauf wartet, dass einer einem den Ball zuspielt (man möge mir diese Schulsport-Metapher verzeihen), wartet häufig vergeblich.

3. Sich auf ungewohnte Situationen einlassen

Manche von uns spielen schon länger Rollenspiel und haben die Welt öfter gerettet, als das Bad geputzt. Aus Gewohnheit werden bald Langeweile und Frust. Dagegen hilft, sich und seinen Charakter in ungewohnte Situationen zu bringen. Niemand muss dazu auf die Kreativität des Spielleiters warten, sondern kann selbst aktiv werden: Ein Barde, der plötzlich Selbstzweifel entwickelt und nicht mehr spielen will; ein Krieger, der sich in die Wirtin des nächsten Dorfes verliebt. Mit einer kreativen und spontanen Spielrunde ergibt das von sich aus Plot für mehrere Spielabende. Im besten Fall bringt es alle Spieler in eine ungewohnte Situation, in der sie neue Aspekte an ihren Charakteren entdecken und aus sich hinausgehen können. Der nächste Dungeon kann auch mal warten; Weltretten vier minus, aber Spaß dabei!

4. Regelmäßiger spielen

Für viele Spielrunden sind zu lange Pausen zwischen den einzelnen Spielabenden ein großes Ärgernis. Man vergisst Details, verlegt Notizen, muss Regeln nachschlagen und komplexer Plot ist nahezu unmöglich. „Äh, wie war das nochmal? Ist ja auch egal.“ Auch findet mancher Spieler erst am Ende des Abends wieder in den Charakter hinein. „Ja, aber mein Beruf, die Kinder, da hab ich Urlaub“ – das sind alles gute Gründe für Terminschwierigkeiten. Doch eine Spielrunde funktioniert regelmäßig einfach besser! Oder würden wir fünf Wochen auf die nächste Folge unserer Lieblingsserie warten wollen? Meiner Erfahrung nach sind oft ein bis zwei Spieltermine mehr pro Monat locker drin, wenn sich alle nur mehr Mühe geben, ein paar Kompromisse eingehen oder einen Spieler in Abwesenheit auch mal als NSC mitführen. Mit dem mehr an Spielzeit intensiviert sich die Erfahrung, erhöht sich die Komplexität des Plots, vertiefen sich die Beziehungen zwischen den Charakteren und das führt am Ende zu mehr Spaß.

5. Mal was ganz anderes dazwischenschieben

Manchmal geht gar nichts mehr: Der Plot hängt und so richtig Lust hat auch keiner. Wer sich nun zwingt, dürfte am Spielabend kaum Spaß haben. Warum nicht einfach spontan was anderes spielen? Es gibt genug spannender One-Shot-Rollenspiele, die kaum Zeit zur Einarbeitung benötigen. Besonders lohnen sich dabei heitere und schräge Titel wie Fiasko, Los Muertos, Ratten! oder Paranoia, um Stress abzulassen und sich daran zu erinnern, dass Rollenspiel auch anders gehen kann. Und wer gar keine Lust auf Rollenspiel hat, kann immer noch zu Brettspielen greifen oder einfach mal einen Spielabend quatschen. Das Thema? Rollenspiel, na klar!

6. Den Charakter wechseln

„Ich kann die Nase von meinem Krieger einfach nicht mehr sehen.“ Regelmäßiger Frust am Spieltisch kann durch die eigene Charakterwahl entstehen. Vielleicht hat man sich zu hohe Ziele gesteckt, sich die Rolle anders vorgestellt oder fühlt sich von der Gruppendynamik ausgeschlossen. Kein Problem – Charakterwechsel! Kein Spielleiter, auch nicht die Monate-Vorausplaner, dürfte sich gegen einen Wechsel sperren, wenn ein Spieler dadurch glücklicher wird. Dazu kommt dann der Reiz, eine neue Rolle zu erlernen, was vielen Spielern an sich Spaß macht. Nur sollte man nicht denselben Fehler zweimal machen. Besser ist es, die störenden Punkte des alten Charakters vorher zu analysieren und beim neuen zu vermeiden. „Kleinere Nase, check.“

7. Dem Spielleiter deutlich sagen, worauf man Lust hat

Rollenspiel ist kein Kinofilm. Man sitzt nicht einfach da und schaut sich das an, was irgendein Regisseur fabriziert. Normalerweise läuft die Handlung nur in die Richtung, die die Charaktere auch zulassen. Mancher Spieler aber wünscht sich insgeheim bestimmte Szenen, hätte eigene Ideen oder kommt mit bestimmten Themen einer Kampagne nicht gut klar. Das Schlüsselwort hier heißt: KOMMUNIKATION (und zwar großgeschrieben!). Warum nicht einfach vor oder nach einer Runde ein kurzes Feedback geben, was man gern sehen würde oder was einem bisher nicht so gefallen hat. Besonders wichtig ist das bei Spielelementen, die einen emotional runterziehen. So ist es nicht die klügste Idee, den Hund von Baskerville auftauchen zu lassen, wenn der vierbeinige Liebling eines Spielers gerade gestorben ist. Autsch! Das Dumme daran ist, nur wenn der Spielleiter das weiß, kann er solche Fettnäpfchen umschiffen und dafür sorgen, dass alle mehr Spaß haben.

Flags und Kopfgelder

Es kann auch eine spannende Idee sein, die Kommunikation zwischen Spielleiter und Spieler in die Regeln einzubinden – das bedingt aber etwas Metagaming. Ich habe schon mal in einer Spielrunde gespielt, in der jeder Spieler zwei „Flags“ auf seinen Charakterbogen schrieb, die bestimmte Interessen oder Themen beinhalten. Etwa „Mehr auf die Nase!“ und „Der Nekromant muss sterben!“. So spielen alle Spieler mit offenen Karten und sehen, was der jeweils andere so möchte. Gerade bei uns ist die Möglichkeit des Spielleiters beliebt, Kopfgelder auszugeben. Das sind unscharf definierte Nebenquests wie z.B. „eine Liebesgeschichte“, „eine heldenhafte Ansprache“. Schaffen es die Spieler, eine Szene so zu gestalten, dass diese Quest im Vordergrund steht, erhalten sie eine Anzahl an Gummipunkten (je nach System Fatepoints, Schicksalspunkte, Willenskraft etc.). Gezwungen wird natürlich keiner.

8. Sich auf Hausregeln einigen

Hand aufs Herz. Manchmal nerven Regeln. Manchmal sind Regeln einfach mies. Wenn eine solche Regel allen Spielern auf den Keks geht, gibt es eigentlich keinen Grund, warum man sie behalten sollte. „Die Autoren haben sich sicher etwas dabei gedacht?“ Ja, möglich. Aber die Autoren sitzen eben nicht in der eigenen Spielrunde und deren Spielspaß ist nun mal wichtiger, als gedruckte Worte. Wichtig ist dabei nur, dass alle Spieler die Änderungen mittragen, sie gesammelt werden und jederzeit einsehbar sind und nicht während einer laufenden Spielrunde passieren – das erzeugt sonst Verwirrung und Frust. Es gibt halt einen Grund, warum die meisten Runden in DSA4 ohne Ausdauer gespielt haben …

9. Den Schauplatz wechseln

Jetzt wird es ernst, jetzt geht es an echte Änderungen. Manche Spielerunden kennen nämlich „ihr“ Rollenspiel so auswendig, dass die geliebte Vertrautheit auf Dauer zu Langeweile wird. Dann muss ein Tapetenwechsel her! Die meisten Welten haben genug Regionen oder exotische Ecken, an denen ein ganz anderes Spielgefühl aufkommt. Warum nicht eine Reise ins ferne Farukan in Splittermond? Wie wäre es mit einem Auftrag in Hong Kong in Shadowrun? Das muss ja nicht auf Dauer sein, sondern kann auch als Zwischenabenteuer in einer längeren Kampagne dienen. Nur wenn das Rollenspiel an sich nervt, wird es schwierig. Hat keiner mehr so wirklich Lust drauf, ist ein Wechsel früher oder später unvermeidlich. Warum nicht ein neues Genre ausprobieren und die Streitaxt gegen einen Detektivmantel bei Dresden Files eintauschen? Ein Wechsel ist dabei gar nichts Schlimmes, im Gegenteil! Ein neues Rollenspiel gibt viel zu Entdecken und erzeugt damit ein wenig jenes Pioniergefühl, das wir wohl alle in den ersten Tagen des Hobbys empfunden haben.

10. Mitspieler auf der eigenen Wellenlänge suchen

Worst-Case-Szenario: An jedem Spielabend pulsiert regelmäßig die Halsschlagader, an Spaß ist nicht zu denken. Wenn das nicht an Spiel, Stress oder Setting liegt, passt vielleicht die Spielrunde einfach nicht. Der Krieger wacht nur auf, wenn es was zu würfeln gibt, der Zwerg möchte am liebsten in einer Taverne hocken bleiben und der Magier hintergeht regelmäßig die Gruppe? Viele dieser Probleme lassen sich mit einem offenen Gespräch lösen, wenn alle Beteiligten bereit sind, aufeinander einzugehen. Manchmal trifft man sie aber halt am Spieltisch, die sturen, egomanischen Munchkins. Dann hilft nur der Abschied von der Spielrunde, bevor die Mitspieler einem den Spaß am ganzen Hobby verderben. Aber auch das ist keine Krise: Über Suchdienste wie Spielerzentrale.de, Foren wie World of Nerds oder einen Aushang im nächsten Spieleladen findet man oft Ersatz. Und wenn der ausbleibt, kann man immer noch andere Freunde überzeugen, mit dem besten Hobby der Welt anzufangen.

„Ich denke, dass der Sinn des Gamings darin besteht, glücklich zu sein und mit Chummern Spaß zu haben. Wenn das nicht gegeben ist, muss halt irgendwer oder irgendwas geiced werden.“

– Dalai Lamma, Shadowrunner

Artikelbild: (c) Gribanov | fotolia

 

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