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Deathstroke der Terminator, der tödlichste Söldner im DC-Universum, war das dann persiflierte Vorbild für den bekannteren Deadpool aus dem Marvel-Universum. Doch statt markanter Sätze und beständiger Witze erwarten den Leser hier brutale Action und abgebrühte Sprüche.

Deathstroke wurde 1980 in einer Teen Titan-Geschichte eingeführt und erfreut sich seitdem eines beständig wachsenden Fankreises. Tony S. Daniel, bekannt durch Zeichnungen für die Serien Batman und Superman/Wonder Woman, entwickelt nun eine neue Serie, die Slade Wilson aka Deathstroke neu beleuchtet. Die neue Suicide Quad von Harley Quinn spielt dabei eine große Rolle. Mit dabei: Batman, Rose, Bronze Tiger, Jericho und Slades Vater.

Handlung

Deathstroke, gealtert, ein Auge verloren und ausgebrannt, agiert mit Angelica zusammen (seinem Kontakt aus Russland, mit der er eine Affäre hatte) während eines Auftrags. Doch dabei gerät er in eine Falle und muss gegen Horden von Gegnern kämpfen, die Masken tragen, welche ein riesiges Auge quer über das Gesicht zeigen. Äußerst brutal und actionreich geht es direkt zum Start des Sammelbandes los. Dabei wird nicht an Blut und fliegenden Körperteilen gespart. Doch durch die Kämpfe nach der von Possum gestellten Falle wird Deathstroke so schwer verletzt, dass sogar seine Selbstheilung nicht mehr reicht.

Er sucht I-Ching auf und wird von diesem zusammengeflickt. Dabei ändert sich einiges, denn durch die mystischen Kräfte, die I-Ching kontrolliert, wird Deathstroke wieder jung. Sogar sein zerstörtes Auge ist nachgewachsen. Was genau passiert ist, wird nicht erklärt. Das zurückgekehrte Auge stört Slade auch anfangs, war er doch die mangelnde Tiefensicht seit Jahren gewohnt.

Kurz danach tritt der Auftraggeber der so gescheiterten Mission auf die Bühne. Aber auch dessen Erklärungen zu den Hintergründen des gesamten Vorfalls werfen mehr Fragen als Antworten auf. Und wieder geht es mit viel Blut und abgetrennten Köpfen zur Sache. Für zarte Gemüter ist dieser Comic sicher nichts.

Auf der Suche nach Antworten auf seinen derzeitigen neuen Zustand, dem Strippenzieher hinter den Kulissen und dem Namen Odysseus kommt es dabei zu einigen Storysprüngen. So nimmt Slade zum Beispiel auf einem Panel mitten im Schnee ein Serum, nur, um dann plötzlich in der Wüste zu erwachen. Deathstroke selbst reagiert genauso verwirrt auf diesen Szenewechsel wie der Leser. Diese Wechsel häufen sich, bis Deathstroke plötzlich seinem gefangenen Sohn Jericho begegnet. Dabei wirkt die Geschichte zu diesem Zeitpunkt nicht hanebüchen zusammengeflickt, nein, als Leser behielt ich immer das Gefühl, dass alles einem größeren Plan folgt. Doch letztendlich offenbart sich die Identität des Strippenziehers als Odysseus – es ist niemand anderes als sein Vater.

Jericho jedoch wird das alles zu viel und so verschwindet er. Die Spuren weisen nach Gotham, wo es zu einem furiosen Kampf zwischen Batman und Slade kommt. Fans von Harley Quinn kommen auch auf ihre Kosten. Doch was alles dazwischen und danach passiert und wie die Lücken dieser knappen Zusammenfassung geschlossen werden – das lest ihr besser selbst.

Der Band fasst die von Dezember 2014 bis Mai 2015 erschienenen Bände Deathstroke #01 bis #06 zusammen.

Charaktere

Deathstroke spricht wenig – und nur dann, wenn er wirklich muss. Doch das heißt nicht, dass der Leser wenig über ihn erfährt. Stets begleiten ihn seine Gedanken als orangefarbene eckige Sprechblasen. Sie führen Slade Wilson erst richtig ein, zeigen, wie sehr er intern ausgebrannt ist und sich dabei dennoch seine Professionalität erhält.

Dabei kommt ein unnachahmliches Noir-Gefühl auf. Ich kann mir diese Gedanken auch in monotoner Stimme von einem Privatdetektiv aus den 40er Jahren vorgetragen vorstellen.

Im Grunde genommen wird nicht nur Slade eingeführt, sondern seine gesamte Familie. Seine uneheliche Tochter Rose, die die Kräfte von Superwesen schwächen kann, sein Sohn Jericho, der unglaubliche Energien kontrolliert und letztendlich sein Vater, der als Odysseus ein wunderbarer Erzschurke ist.

Nach der Lektüre des Bandes hatte ich ein gutes Gefühl für die Familie Wilson und konnte mir die Interaktionen erklärend herleiten.

Zeichenstil

Die Geschichte, die sowohl von Tony S. Daniel entworfen wie auch illustriert wurde, ist bombastisch gezeichnet. Mimiken lassen sich jederzeit lesen, um festzustellen, wie die Akteure gerade fühlen. Actionszenen sind furios inszeniert. Wenn Deathstroke klingenwirbelnd zu seinen Sprungattacken ansetzt, wenn Körperteile blutig durch die Panels fliegen, wenn Batman sich mit Slade prügelt – da steht einem schon manchmal der Mund vor Staunen auf.

Gut gelungen ist vor allem auch der Wechsel vom alten zum jungen Slade. In der Tat könnte man sich Deathstroke mit Mitte Zwanzig vorstellen. Bewegungsdynamiken, Tiefenunschärfe und Detailgrad gehören zum Besten, was ich jenseits des Fotorealismus gesehen habe. Dabei setzen Daniel und Sandu Florea auf feine filigrane Striche, die vor allem die Gesichter um so lebendiger wirken lassen.

Preis-/Leistungsverhältnis

14,99 EUR ist der Preis. Dafür bekommt man eine in Stellen verwirrende Geschichte, die sich jedoch zusehends verständlicher auflöst. Zeichnerisch gehört sie zum Besten, was ich in den letzten Monaten in den Händen halten durfte. Sie ist jedoch nicht abgeschlossen, sondern endet mit einem Cliffhanger. Wer brutale Action und abgebrühte Antihelden mag, wird die Ausgabe des Geldes nicht bereuen.

Erscheinungsbild

DEATHSTROKE1_Softcover_353Passend zu den brutalen Gefechten im Rahmen der Handlung watet Slade Wilson in voller Gefechtsmontur über einen Berg von Schrott und Blut, während starker Regen auf ihn niedergeht. Handwerklich liefert Panini hier bekannt hohe Qualität. Der Druck ist scharf und kontrastreich, das Papier hat eine gute Haptik. Die einzelnen Cover der Originalausgaben trennen die Abschnitte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Tony S. Daniel
  • Zeichner(in): Tony S. Daniel, Sandu Florean
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover, geklebt
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Als Trenner zwischen den einzelnen Abschnitten des Reprints agieren die Originalcover der ehemaligen Ausgaben. Wie von Panini bekannt, geben Textboxen am Ende und Anfang des Bandes erklärende Zusatzinformationen.

Fazit

Starker Tobak – anders kann man diese Gewaltorgie nicht bezeichnen. Was Marvel mit Deadpool noch witzig, aber stets geschmacklos, aufzieht, macht DC mit sachlicher Brutalität. Das, verbunden mit den noiresquen Gedankengängen von Slade Wilson, machen den Comic zu einem erwachsenen, aber doch besonderen Ereignis.

Die Geschichte selbst ist zeitweilen verwirrend bis obskur und lange sucht man als Leser nach dem roten Faden, der alles verbindet und zeitgleich mehr sein will als „nur der Grund, Deathstroke zu rebooten“. Das will dann auch erst am Ende der Erzählung gelingen, lässt aber viel Luft nach oben.

Zeichnerisch ist die Rache gegen Slades Vater ganz am obersten Spektrum, kurz vor dem Fotorealismus, angesiedelt. Selten hatte ich eine so gut gezeichnete Geschichte in der Hand.

Wer also eine Geschichte nicht scheut, deren endgültige Auflösung noch kommen wird, und zudem erwachsenen Gewaltexzessen etwas abgewinnen kann, der ist bei Deathstroke #01 genau richtig.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Panini Comics

 

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