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Ich habe lange keine Science-Fiction angefasst, da ich jedes Mal von Technobabbel und flachen Figuren abgeschreckt wurde. Erst die große Dame der amerikanischen Science-Fiction, Ursula K. LeGuin, konnte mich davon überzeugen, wie vielschichtig das Genre ist. Seitdem begeistern mich Raumschiffe, sprechende Computer, Laserpistolen, exotische Spezies und ferne Welten immer wieder aufs Neue; ganz gleich, ob sie englisch- oder deutschsprachiger Herkunft sind. Es ist also an der Zeit, einen Blick auf eine entsprechende, deutschsprachige Neuerscheinung zu werfen.

Story

Die Erde in etwa 6.000 Jahren, beherrscht von den intelligenten Maschinen des Clusters, des zentralen Maschinenbewusstseins. Die verbliebenen Menschen sind unsterblich und müssen sich um nichts mehr kümmern, da die Maschinen ihnen jede Arbeit abnehmen. Doch nicht bei allen Menschen funktioniert die Unsterblichkeitsbehandlung am 30. Geburtstag, bei einigen versagt sie. Diese Sterblichen werden zu sogenannten Mindtalkern. Sie sind die Einzigen, deren Bewusstsein kontrolliert auf einen anderen Planeten in einen Maschinenkörper transferiert werden kann, ein Prozess, den die Psyche unsterblicher Menschen nicht aushalten würde. Mindtalker unterstützen die Maschinen bei der Expansion in der Milchstraße und der Suche nach den Hinterlassenschaften der Muriah, einer untergegangenen Hochkultur, deren Erbe der Cluster antreten will.

Einer dieser Mindtalker ist Adam, ein alter Mann kurz vor dem Tod, betreut und umsorgt von dem Maschinenavatar Bartholomäus. Dieser schickt Adam zu Beginn des Buchs auf eine besonders wichtige Mission. Unerwartet ist ein Schiff am Rand des Einflussbereichs des Clusters aufgetaucht, dessen Herkunft und Ziele unklar sind. Neben Adam gibt es eine zweite Hauptfigur, eine unsterbliche Menschenfrau namens Evelyn. Diese steht den Maschinen, und vor allem der Herrschaft des Clusters, skeptisch gegenüber und hinterfragt deren Motive, besonders in Bezug auf die Menschheit. Sie sucht Kontakt zu Adam und versucht ihn für ihre Ansichten zu gewinnen. Währenddessen baut sich eine Bedrohung im Hintergrund auf, die sich im Verlauf der Handlung immer weiter zuspitzt. Dennoch gibt es relativ wenig klassische Actionszenen, wer Weltraumschlachten erwartet, ist hier falsch.

Das Schiff liest sich ausgesprochen spannend, auf den letzten Seiten konnte ich gar nicht mehr aufhören. Der Handlungsbogen beginnt relativ langsam und voller Andeutungen und nimmt immer mehr Tempo auf. Für den Leser entwickelt sich vieles erst nach und nach, er weiß zwar mehr als die einzelnen Hauptfiguren, aber auch nicht alles. Stückweise fügen sich Details zusammen, bis sie schließlich ein Gesamtbild ergeben. Anfangs wirken einige Dinge rätselhaft und wirr, diese klären sich jedoch im weiteren Verlauf, einige früher und einige erst ganz am Ende.

Die Handlung begleitet die beiden Hauptfiguren Adam und Evelyn sehr eng, wodurch sich über lange Strecken zwei verschiedene Storyebenen ergeben, die sich immer wieder überschneiden und beeinflussen. Alle Figuren sind enorm glaubhaft, die Menschen mit ihren Schwächen, Stärken und Sehnsüchten, ebenso wie die emotionslosen Maschinen. Zwischendurch kann einen zwar das Bedürfnis überkommen, Adam oder Evelyn von einer Handlung abhalten zu wollen, weil man schlechte Konsequenzen befürchtet. Doch auch in einer solchen Situation sind die Figuren in ihren Motiven nachvollziehbar. Weder Haupt- noch Nebenfiguren laufen Gefahr, ins Klischeehafte abzugleiten. Obwohl Adam mit seinen über 90 Jahren ein alter Mann ist und dazu an Neurodegeneration leidet, ist er weder ein greiser Weiser noch ein dementes Opfer. Evelyn wirkt trotz ihrer Unsterblichkeit jung, braucht jedoch keine Führung durch Adam. Auch ihre Skepsis den Plänen des Clusters gegenüber entspringt logischen Überlegungen und Beobachtungen, es ist kein kindlicher Trotz. Beide Hauptfiguren agieren und begegnen sich gleichberechtigt.

Schreibstil

Das Schiff lässt sich einem Schwung durchlesen, bei mir wurde der Drang dazu immer größer, denn jedes Kapitel endet mit neuen Fragen oder Erkenntnissen, die weitere Fragen aufwerfen. Der Sprachstil ist verständlich und obwohl Technik eine große Rolle spielt, wird der Leser weder von Technobabbel erschlagen, noch braucht er ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium.

Andreas Brandhorst behandelt einige anspruchsvolle Themen wie das Altern oder Künstliche Intelligenz, das Buch ist nicht nur Science-, sondern auch Social-Fiction. Moralische Fragen spielen eine große Rolle aufgrund dieser Themen und bringen einige philosophische Fragestellungen mit sich, ohne dass dem Leser eine Weltanschauung aufgedrängt wird.

Die Erzählperspektive liegt klar und deutlich auf den beiden Hauptfiguren Adam und Evelyn. An einigen, wenigen Stellen wird die Perspektive von anderen Figuren beleuchtet, vorwiegend des Avatars Bartholomäus.

Preis-/Leistungsverhältnis

Das Schiff hat mit 14,99 EUR einen Standardpreis für ein Taschenbuch, das E-Book ist mit 11,99 EUR nur unwesentlich billiger. Dafür bekommt man fast 550 Seiten mit einer spannenden Geschichte.

Erscheinungsbild

BRandhorst das SchiffDa ich das Buch als E-Book gelesen habe, lässt sich über die Druckqualität nichts sagen. Satz und Lektorat sind gut, das Layout ist schlichter Standard.

Auf dem Buchcover schwebt ein dunkles Raumschiff drohend über einer Wasseroberfläche, während oben und unten halbtransparente Steueroberflächen zu erkennen sind. Im Hintergrund geht ein weiterer Planet auf. Das Cover gibt das Thema des Buchs an sich gut wieder, ein mysteriöses, vielleicht gefährliches Schiff, fremde Planeten und Steuerkonsolen. Doch der eigentliche Fokus, der auf den Hauptfiguren liegt, kommt auf dem Cover leider zu kurz.

Das Buch hat ein Glossar mit Ortsnamen, Personen und technischen Begriffen. Da sich das Glossar hinten im Buch befindet, habe ich es erst am Ende entdeckt – die schlechte Angewohnheit, vorzublättern, gewöhnen mir E-Books etwas ab. Aber auch ohne Glossar ließen sich die technischen Begriffe beim Lesen verstehen, das Glossar hat mehr eine Übersichts- und Nachschlagefunktion.

Andreas Brandhorst ist eine bekannte Persönlichkeit der deutschen Science-Fiction und Fantasy als Autor von über 30 Romanen, die populärsten von ihnen sind sicherlich die im Kantaki-Universum. Außerdem schrieb er für die Heftromanserien Perry Rhodan und Die Terranauten und verfasste 1985 den ersten Roman, der jemals für Das Schwarze Auge erschien (und mit dem heute bekannten Aventurien wenig zu tun hat). 2013 wurde Andreas Brandhorst für seinen Roman Das Artefakt mit dem Deutschen Science-Fiction Preis ausgezeichnet. Tatsächlich kennen viele Phantastikleser seinen Namen jedoch auch aus einem anderen Kontext: Er ist seit den achtziger Jahren auch als Übersetzer tätig, unter anderem für Star Trek-Romane und die Werke von Ian M. Banks und Terry Pratchett.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper Verlag
  • Autor(en): Andreas Brandhorst
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Klappbroschur
  • Seitenanzahl: 544
  • ISBN: 978-3492703581
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Verlagsseite stehen die ersten 16 Seiten als Leseprobe bereit. Sie gingen bereits vor Veröffentlichung online.

Fazit

Das Schiff ist ein spannender Page Turner, der mit seinen glaubwürdigen Figuren und der bis ins letzte Detail durchkomponierten Handlung überzeugt. Das Setting mit der Herrschaft der intelligenten Maschinen und auch die Handlung werfen eine Reihe moralischer Fragen auf, die auch Raum bekommen, ohne den Leser zu erschlagen. Damit reiht sich Das Schiff in die Tradition amerikanischer Social-Science-Fiction ein.

Große Schlachten im Weltraum bleiben ebenso aus wie kleinteilige Technikbeschreibung, auch wenn Action und Technik eine Rolle spielen.

Daumen5weiblich

Artikelbilder: Piper Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Brandhorst_Banner Blogtour

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogtour „Das Schiff“ von Literaturschock. Es gibt noch andere, spannende Beiträge dazu, schaut sie euch doch mal an.

 

Gewinnspiel

Beantworte folgende Frage und du erhälst das erste Wort für deinen Lösungssatz, welchen du am Ende der Tour per Mail an info@literaturschock.de einschicken kannst. Der Einsendeschluss ist der 13. Oktober 2015.

Mindtalker, Muriah und auch Terranauten, welches Wörtchen haben alle drei gemeinsam?
1. Antwort 1 (Der)
2. Antwort 2 (Die)
3. Antwort 3 (Das)

Zu gewinnen gibt es natürlich auch etwas

Verlost werden am Ende der Tour unter allen TeilnehmerInnen:

1. bis 3. Preis: je eine Science-Fiction-Tasse & ein Exemplar von „Das Schiff“
4 & 5. Preis: je ein Exemplar von „Das Schiff“

Dazu bekommt ihr noch ein paar galaktische Displayputzer.

 

5 Kommentare

  1. Hm, interessante Geschichte und ich bin gespannt, ob die Sache zwischen Mensch und Maschine gut ausgeht.
    Ich persönlich bin da immer am Zweifeln..

    LG..Karin..

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