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Ende letzten Monats las ich die Ausschreibung zu einer sechzehntägigen Tavernencon, die in der Jetzt-Zeit spielen sollte. Anscheinend läuft diese Con schon seit Jahrzehnten, aber es ist bislang immer an mir vorbeigegangen. Dass dort mehr Teilnehmerplätze ausgeschrieben waren, als beim Drachenfest und Conquest zusammen – wohlgemerkt, für ein Jetztzeit-Tavernencon! – , erweckte aber meine Aufmerksamkeit, und so fuhr ich hin.

Organisation

Die Orga beschritt nicht nur mit dem zeitlichen Rahmen der Con neue Wege, sondern auch in der Finanzierung: Die Con war komplett kostenlos, dafür wurden die Preise für Getränke und Speisen in den Tavernen angehoben. Insgesamt fand ich das Prinzip recht fair, bei anderen Cons habe ich mehr bezahlt. Trotzdem etwas gewagt, eine Con dieser Größe ohne Vorkassen-Staffeln zu planen.

Location

Die Location war interessant gewählt: eine abgeschlossene Wiese mitten in einer Großstadt. Aufgrund des kostenlosen Charakters der Con gab es keine Eintrittsbändchen, deshalb frage ich mich, wie viele Muggels sich ebenfalls einfach aufs Con-Gelände begeben haben, um mal zu gucken. Ich glaube nicht, dass von denen jemand in den Tavernen geblieben ist, bei den Preisen. Da die Spieler und NSC allerdings in Straßenkleidung herumlaufen konnten und auch ansonsten meistens „normale“ Dinge taten, zumindest tagsüber, war dies das erste Mal, dass Touris auf einem Con kein größeres Problem für mich darstellten.

Die meiste Zeit verbrachte man auf dem Con in den Großzelten, „Festzelt“ genannt. Ich bin mir ob der Größe nicht sicher, ob das „Fest“ hierbei von „zum Feiern von Festen“ oder von „fest installiert“ abstammt. Die Teile waren riesig, der logistische Aufwand für die Veranstaltung muss enorm gewesen sein. Einige Spieler bestätigten mir später auch, dass die Aufbauarbeiten länger andauerten, als das Con selbst. Diese Zelte boten eine gute Möglichkeit, die Spielermassen in überschaubare Gruppen einzuteilen, ähnlich der Lager anderer Großcons. Die Interaktion ging selten über die Zeltgrenzen hinweg, sodass hier eigentlich eher viele kleinere Cons liefen, die irgendwie zu einem großen verknüpft waren.

Ich fand das Konzept interessant, wenn auch neu und damit etwas verwirrend. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt. Allerdings bin ich trotzdem öfter zwischen einzelnen Zelten gependelt, da ich möglichst viele Eindrücke sammeln wollte. Dabei fiel mir auf, daß es einige Zelte gab, vor denen weitere Sicherheitskräfte den Einlass regelten. Den Zugang zu diesen Zelten musste man sich anscheinend erst erspielen. Ein interessantes Plot-Detail für die Langzeitmotivation, welches ich bei meinem rasanten Plot-Einstieg aber erstmal zur Seite gedrängt hatte. Nächstes Jahr vielleicht.

Die Orga hat es sich auch nicht nehmen lassen, zwischen den Zelten ein paar Attraktionen aufstellen zu lassen, um die Jahrmarktatmosphäre zu erzeugen, die man von Filmen wie Zombieland kennt. Hier war der Jahrmarkt allerdings nicht halb so verlassen – die blechern immer die gleichen Lieder dröhnenden Kirmesfahrgeschäfte verströmten aber trotzdem ihren ganz eigenen Flair.

Unterbringung

Die Con war zwar für 16 Tage ausgeschrieben, trotzdem wurde seitens des Veranstalters, was mir Anfangs noch unverständlich war, keine Übernachtungsmöglichkeit angeboten. Stattdessen wurden die Spieler auf nahegelegene Hotels, Pensionen etc. verwiesen. Da die Con in der Jetzt-Zeit spielte, war es allerdings auch kein Problem, in Gewandung zu den Übernachtungsstätten zu gelangen. Ob auch die Massen an NSC auf die umliegenden Hotels verteilt wurden, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jedoch stellte sich am zweiten Tag heraus, dass diese Art der Unterbringung für den Plot, der bespielt wurde, ziemlich genial gewählt war. Dazu sage ich weiter unten beim Plot noch etwas

Wem es gelang, die Ordner auszutricksen, konnte es auch schaffen, in einem der Zelte zu nächtigen – nur um dann am nächsten Morgen stilecht von einem Reinigungsteam geweckt zu werden. Die Orga hat echt an alles gedacht, Hut ab!

Verpflegung

Wie bereits erwähnt, war die Verpflegung etwas teurer als man das von anderen Cons gewohnt ist, und eine Vollverpflegung oder wenigstens eine Verpflegungsflatrate wurde auch nicht angeboten. Da sich die Orga anscheinend über diese Preise finanziert hat, fand ich sie allerdings angemessen.

Geboten wurde für jeden Geschmack etwas. In den Zelten waren sogar riesige Küchen aufgefahren, die zusätzlich noch jeweils eine Auswahl an Speisen boten – für Abwechslung war also gesorgt. Die Idee, die Con nicht von einer Großküche aus zu betreuen, sondern die natürlich Einteilung der Spieler durch die Großzelte auch für die Essensausgabe zu benutzen, indem nahezu jedes Zelt seine eigene Küche erhielt, fand ich ziemlich gut. Ansonsten gab es aber auch noch kleinere Buden, ähnlich den Verpflegungsständen auf anderen Großcons, wo man sich abseits der Zelte mit Nahrung eindecken konnte. Prima gelöst. Die Getränkeversorgung verlief ähnlich, auch hier waren die Preise deutlich angehoben. Zudem schien die Getränkeversorgung zusätzlich in den Plot eingebunden zu sein, was ich für eine gute Idee hielt.

Sicherheit

Die Sicherheit wurde durch eine große Truppe aus Ordnern und NSC in Polizei-, Rettungsdienst- und Feuerwehr-Rollen sichergestellt. Das Auftreten dieser NSC war durchweg professionell, was ihre Autorität zusätzlich unterstrich. Zu bemängeln war lediglich, dass es leicht zu Verwechslungen mit echten Polizisten oder Rettungskräften hätte kommen können. Die Waffenchecks am Eingang zum eigentlichen Spielgelände waren sehr ausführlich. Ich persönlich bin ein Freund davon, nichtsdestotrotz führte dies bei der Masse an Teilnehmern natürlich zu – überraschend kurzen – Warteschlangen. Die hatte man allerdings leider jeden Tag, wenn man es nicht geschafft hatte, auf dem Gelände zu übernachten.

Plot

Ich dachte eigentlich, am Freitag kommt man erst mal gemütlich an und findet sich in die Atmosphäre ein – aber nein, etwa 18 Minuten nach Öffnung des Geländes, gegen 14:30 Uhr, tauchte ein erster Zombie auf – oder besser: lag herum und leutete damit den Anfang des Endes ein. Im Laufe der folgenden Tage verwandelten sich mehr und mehr Personen in Zombies. Am Anfang verloren sie ihre Fähigkeit, zusammenhängend zu sprechen, kurze Zeit später konnten sie dann auch nicht mehr vernünftig laufen. Das Perfide: Sie versuchten nicht, Gehirne zu essen (was ja zugegebenermaßen auch etwas abgedroschen ist). Stattdessen versuchten sie, andere Spieler zur Einnahme von Getränken zu bewegen, die wiederum auch bei diesen die Zombifizierung auslöste. Einige Zombies versuchten auch, andere Spieler mit einer übel riechenden Flüssigkeit anzuspucken – was das auslöste, habe ich nicht mitbekommen, ich habe immer rechtzeitig das Weite gesucht.

Im Folgenden versuchte, herauszufinden, wo dieser Trank gebraut wird, wie er – vermutlich – ins Bier gelangte, und vor allem: in welches Bier er gelangte. Für die meisten Spieler, die ich darauf ansprach, war diese Theorie allerdings völlig neu, was mich darin bestätigte, auf ein Plot-Element gestoßen zu sein. Der eine oder andere Spieler ließ auch tatsächlich nach unserer Unterhaltung sicherheitshalber sein Bier stehen.

Ein Spieler – oder NSC? – faltetete mir sogar einen Hut aus Aluminium-Folie. Ich weiß zwar nicht, was der bezwecken soll, aber ich trage diesen jetzt sicherheitshalber unter meiner Baseball-Mütze – wer weiß, wann der noch mal wichtig wird.

Der Plot schien dabei einer Art Zeitschleife zu folgen. Jeder Tag lief halbwegs gleich ab: Früh am Tag schien alles normal, und mit fortschreitender Stunde nahm die Anzahl der Zombies unweigerlich wieder zu. Die Unterbringung der Spieler in den umliegenden Hotels war deshalb, wie bereits erwähnt, eine ziemlich gute Idee. Dadurch sind die Spieler jeden Tag von neuem angereist, um eine anscheinend gleiche, bei genauerer Betrachtung allerdings an einigen Stellen veränderte, Situation vorzufinden. Als ich das einmal verstanden hatte, suchte ich jeden Tag nach dem Ankommen gezielt nach Hinweisen für die Zeitschleife, und fand beispielsweise heraus, dass einige Änderungen an der Kulisse auch am nächsten Tag noch erhalten waren.

Tiefer bin ich leider nicht zum Plot vorgedrungen, ich denke, da hätte die SL mehr Hinweise streuen können. Überhaupt herrschte auch bei den Mitspielern einige Ratlosigkeit über den Plot. Die meisten waren, wie ich, davon ausgegangen, dass es sich um eine harmlose Tavernen-Con handelte, waren aber ebenfalls besorgt um die Anzahl der Zombies und Leichen um uns herum. Die Ordner beschwichtigten immer wieder und bestanden darauf, dass das „nur“ Alkoholleichen seien, was die Vermutung einer Vertuschung nur noch weiter anfeuerte. Leider konnten auch die meisten Mitspieler mit dem Plot nicht viel anfangen. Anscheinend fährt die Orga den gleichen Plot seit Jahren, und bislang konnte er nicht gelöst werden.

So wurde es für mich nur zu einem Survival-LARP, bei dem ich behaupten kann: Ich wurde weder zum Zombie, noch wurde ich von einem Zombie mit diesem Trank angespuckt. Und vielleicht fahre ich nächstes Jahr noch mal hin und versuche herauszufinden, was da eigentlich geschehen ist.

Spieler und NSC

Die Spielerschaft war sehr inhomogen, es war so ziemlich alles vertreten. Vom motivierten Gewandungs-LARPer, der stilecht in einer seltsam anmutenden Lederkluft oder in tief ausgeschnittenen Kleidern auflief, über den Touristen, der dauernd im Weg stand und Fotos machte, bis hin zum Plotmuffel, der nur dasitzen und sein Bier trinken wollte. In dieser Fraktion versteckten sich die meisten späteren Zombies, ein Punkt, dem ich nächstes Jahr mal nachgehen werde! Die NSC waren genial, man nahm sie kaum als solche wahr, bis sie zum Einsatz kamen. Sehr schön fand ich dabei auch, dass jeden Tag andere NSC aktiv wurden, während NSC, die noch am Tag zuvor für Aufsehen gesorgt hatten, am nächsten Tag unscheinbar unter den Gästen saßen. So wurde klar, dass die Zeitschleife nicht linear lief. Prima gemacht!

Fazit

Ich hatte sehr aufregende, aber auch schöne Tage. Die Teile des Plots, die ich mitbekommen habe, waren sehr verwirrend, auch habe ich nicht mal ansatzweise herausfinden können, welchen Hintergrund diese Zeitschleife hat. Die Orga sollte überlegen, da mehr Hinweise zu streuen, sodass die Spieler den Plot irgendwann mal lösen können, bevor er zu abgedroschen ist. Andererseits: Andere Großcons fahren auch über Jahrzehnte exakt den selben Plot, und es funktioniert auch da.

Da die Con nichts kostet, kann ich jedem empfehlen, sie sich einmal anzuschauen. Lediglich Unterbringung und Verpflegung müssen bezahlt werden, was dank der gehobenen Preise leider deutlich zu Buche schlägt. Das Preis/Leistungs-Verhältnis ist also ausgewogen, nicht gut.

Daumen3maennlich

Arti­kel­bild: Caio Schiavo, Flickr, CC-Lizenz

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2 Kommentare

  1. Ich habe tatsächlich erst bei den NSC in verschiedenen Polizei- Feuerwehr- und Rettungsdienst-Rollen gemerkt, dass es ein fantastischer Conbericht zum Oktoberfest ist :-D

    #Wertvoll!

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