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Chris Birch
Chris Birch

Das Infinity Tabletop von Corvus Belli (von nun an CB) glänzt seit seiner Anfangszeit mit aktionsgeladenen Posen und einer hohen Rollenspieltauglichkeit seiner Miniaturen. Letztlich kein Wunder, denn es ist nichts anderes als die ursprüngliche Sci-Fi-Rollenspielrunde der Firmengründer. ModiphiusGründer Chris Birch wusste dies nicht, als er anfragte, daraus ein Rollenspiel zu machen. Das war aber nicht die einzige Überraschung des Interviews.

 

 

Chris Birch gründete 2012 zusammen mit seiner Frau Modiphius. Seitdem haben sie mehrere erfolgreiche Kickstarter finanziert, darunter Achtung! Cthulu und das Mutant Chronicles RPG. Vorher war er Ko-Autor bei Titeln wie Starblazer Adventures and Legends of Anglerre, und ist selbst ein dezidierter Spieler von Rollen- und Brettspielen.

Interview

Teilzeithelden: Zunächst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, ein Interview für unsere Leser zu geben. Die erste Frage im Raum ist natürlich die Offensichtlichste. Warum Infinity?

Chris: Ich erinnere mich daran, wie ich regelmäßig in Spieleläden war, um diese wunderbaren Miniaturen in coolen, verrückten Aktionsposen zu sehen. Immer wieder dachte ich mir: Das ist so eine coole Rollenspielminiatur.

Zudem liebe ich das Artwork. Als ich dann die Bücher sah, und das Universum dahinter, war ich begeistert. Für über ein Jahr dachte ich wieder und wieder, wenn ich es sah, dass ich liebend gerne ein Rollenspiel dazu machen würde.

Dann habe ich einfach Kontakt mit Corvus Belli aufgenommen und herausgefunden, dass es ursprünglich ihre Rollenspielrunde daheim gewesen war, sie sich aber entschieden hatte, zunächst das Tabletop zu veröffentlichen. Wir sind dann nach Spanien gefahren und haben ihnen die hohe Qualität unserer Achtung! Cthulu Bücher gezeigt. Sie waren von der Qualität der Bücher und von unserer Detailverliebtheit begeistert. Unter anderem dadurch konnten wir ihr Vertrauen gewinnen, mit dem Universum gut umzugehen. So hat es dann angefangen.

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Teilzeithelden: Das Infinity-Universum ist recht umfangreich und die Updates im Kickstarter zeigen deutlich euren Zugriff auf die Originalnotizen von CB. Haben sie all ihre Notizen preisgegeben, oder halten sie lieber noch was zurück, um nicht zu viel von der Zukunft von Infinity zu verraten? Wie viel Freiheiten habt ihr beim Schreiben, muss alles abgesegnet werden oder dürft ihr etwas spielen?

Chris: CB hat mehrere Kampagnen mit großen Veränderungen der Geschichte in Planung, die noch kommen werden. Was wir dagegen haben, ist eine gewaltige Menge von Audioaufzeichnungen über Geschichten, Schiffe, Plots und weiteres. Ich befragte sie nach ihren alten Spielrunden und Storylines. Daher haben wir auch soviele coole Abenteuer, die auf den originalen Spielen basieren, die sie gemacht haben. Auch die vorgefertigten Charaktere basieren alle auf den ursprünglichen Helden der CB-Mitarbeiter.

Wir haben sehr viele Information über das Universum und genießen das Vertrauen, dass wir es richtig machen werden. Wir stehen aber in regem Kontakt mit Gutier (Creative Director von CB und Originalerfinder des Settings), um sicher zu gehen. CB hat noch viele Informationen, die sie zurückhalten, wie z.B. die Karte der menschlichen Sphäre. Wir füllen diese Lücken.

 

Teilzeithelden: So arbeitet ihr also gemeinsam daran, all die Lücken zu füllen.

Chris: Ja, und wir lassen es langsam angehen, um nicht zu viel zu verraten, von dem was noch kommt. Es ist wie mit dem Conan-Rollenspiel: Um ein authentisches Conan-Rollenspiel zu machen brauchen wir Leute, die Experten für die Welt sind, damit das neue Material, das wir ab einem gewissen Punkt werden machen müssen, sich auch wie Conan anfühlt. Wie etwas, das Robert E. Howard wirklich geschrieben haben könnte.

Bei Infinity ist es dasselbe. Alles Neue, was wir machen, muss sich wie Infinity anfühlen. Es muss authentisch sein. Wenn man es ansieht, muss man denken: Das ist Infinity!

Teilzeithelden: Ihr habt natürlich den Vorteil, das Gutier im Gegensatz zu Howard noch am Leben ist.

Chris: Auf jeden Fall, und hoffentlich arbeiten wir ihn nicht zu Tode, mit all den neuen Büchern.

Reverend Custodier - eines der neuen Artworks
Reverend Custodier – eines der neuen Artworks

Regeln und Ausblicke

Teilzeithelden: Das will wirklich keiner. Kommen wir zu etwas Neuem. In der Beschreibung des Paradisobuches steht, dass es Regeln für Raumschlachten enthalten wird. Ist das ein Hinweis darauf, dass CB ein Raumkampfspiel im Infinity-Universum herausbringen möchte?

Chris: Nun, das Massenschlachtensystem zielt auf eine viel größere Ebene ab. Innerhalb des Abenteuers ist es möglich, dass man Teile der Flotte oder die ganze Flotte kommandieren kann. Es geht nicht um so fünf kleine Schiffe, sondern eher in der Art: So, du hast die Kreuzer, du hast die Schlachtschiffe usw. Damit stellt man sich dann Herausforderungen, die auftreten, wie: Oh mein Gott, 1000 Schiffe der Aliens sind gerade durchs Wurmloch gekommen. Was tut ihr?

Es geht darum, mit seinen Kommandofähigkeiten den Unterschied in der Schlacht auszumachen, nicht um taktische Bewegungen. Wie kommandiere ich die Flotte? Welche Schiffe schicke ich wohin? Wie halte ich die 200 Schiffe auf, die gerade den Perimeter durchbrochen haben?

Es geht um die Geschichte, die große Strategie, nicht um die Taktik des Raumkampfes.

Teilzeithelden: Einzelne Schiffe spielen demnach eher keine direkte Rolle?

Chris: Der Maßstab kann sich natürlich ändern. Ein massives Tarnschiff ist gerade durchgebrochen. Was nun? Man springt also in sein großartiges, neues O-12-Schiff und fliegt hinterher.

Dasselbe gilt für die Geschichten am Boden. Wir wollen nicht das Tabletop nachspielen. Ihr seid in dieser zerstörten Stadt und die Kommandanten sind tot. Die ariadnischen Truppen müssen geführt werden. Ihr habt 200 Mann und ein paar Panzer. Wie haltet ihr die Stadt, bis die panoceanischen Verstärkungen da sind?

Es geht um die großen Schlachten des Infinity-Universums und nicht die kleinen Scharmützel des Tabletop.

Teilzeithelden: Bezüglich der Regeln: Das 2W20-System ist das hauseigene Regelsystem von Modiphius. Gab es je einen Zweifel, nicht eher das Infinity-Regelsystem als Grundlage zu nutzen?

Chris: Das ist ein witziger Punkt, denn unser Regelsystem ist vom Infinity-Regelsystem inspiriert, weil es mehrere W20 benutzt. Als wir anfingen, eins zu kreieren, fanden wir die Idee mehrerer W20 sehr gut. Wir haben uns für zwei entschieden, weil die Wahrscheinlichkeiten extrem schwanken, wenn man mehr nimmt. Man kann mehr Würfel kriegen, aber zu einem Preis. So gleicht sich die bessere Chance sehr schön mit den negativen Folgen aus.

Teilzeithelden: Letztlich ist es also eine Art von “Zurück zu den Wurzeln”-Geschichte?

Chris: Gewissermaßen schon. Wir wurden oft gefragt, warum wir nicht das Infinity-Regelsystem nehmen. Nun, wir wollen nicht das Tabletop nachbauen. Man soll zwei, drei Infinity-Spiele innerhalb einer Sitzung abhandeln können und dabei mit Leuten reden sowie die Welt erkunden können. Es muss also schneller gehen – viel schneller. Das Spiel ist cineastisch gestaltet. Man soll von einem Gebäude springen können, dabei fünf Leuten ins Gesicht treten und gleichzeitig die nächsten bösen Jungs unter Feuer nehmen können.

Die Kickstarter exklusiven Miniaturen
Die Kickstarter exklusiven Miniaturen

Teilzeithelden: Infinity ist ein Hard-Sci-Fi-Setting und im Kickstarter schreibt ihr von PsyWar. Klingt nach Psionik. Das ist etwas, das bisher nicht in Erscheinung getreten ist, in Infinity. Womit haben wir es hier also zu tun?

Chris: Das beantworte ich am besten mit einem Beispiel aus unserer letzten Testrunde. Einer der Charaktere hat die Fähigkeit “Stimme der Autorität”. Da war diese Bande Yu-Jing-Gangster und als wir sie stellen wollten schreit er sie an: Waffen fallen lassen! Auf den Boden! Sonst seid ihr tot!

Effektiv benutzt er seine Kommandofähigkeit, um damit anzugreifen. Eine solche Attacke geht gegen die Entschlossenheit der Feinde. In der Situation erstarrten zwei der Gangster in der Art von: “Oh, wir gehen drauf.” Ein weiterer floh, weil seine Moral zusammenbrach und der Boss der Bande erschoss ihn fürs Weglaufen. Schon hat man zu Beginn des Kampfes drei Gegner weniger. Das ist Psywar.

Teilzeithelden: Also keine psionischen Kräfte?

Chris: Nein, es ist psychologische Kriegsführung. Es geht um Einschüchtern, Überreden und solche Dinge. Wenn ich mich in eine Basis hineinreden möchte zum Beispiel. Es muss nicht immer zum Kampf kommen. Wir alle schießen gerne mit unseren Kombigewehren um uns, aber manchmal muss man leise sein.

Teilzeithelden: Infinity hat einen sehr großen Pool an verschiedenen Einheiten. Wie viele davon werden ihren Weg ins Spiel finden? Wie ist es mit den Sonderregeln? Infinity hat eine große Menge davon. Geht ihr eher von den Regeln aus und verändert sie, um ins Rollenspiel zu passen, oder geht ihr von den 2W20-Regeln aus und kreiert damit Regeln, die denen im Tabletop gleichen?

Chris: Wir versuchen vom 2W20 System auszugehen, um das Gefühl zu schaffen, Infinity zu spielen. Zum Beispiel Gegenfeuer (ARB im Tabletop, die Fähigkeit im gegnerischen Zug zurückzuschießen), das 2W20-System erlaubt das – zu einem Preis. Du kannst es machen, aber nicht dauerhaft, jedoch fühlt es sich dadurch wie Infinity an. Wir wollen es vermeiden, unnötige Regelschichten anzuhäufen.

Gefühl und Hintergund

Teilzeithelden: Wie ist das mit den Fraktionsbüchern? Hat jedes Fraktionsbuch einen anderen Autor? Wie stellt ihr sicher, das Gefühl der Fraktion einzufangen?

Chris: Jedes Buch hat eigenen Autor, jeder dieser Autoren ist richtig „eingetaucht“ in diese Fraktion. Sie lesen und absorbieren alles, was es zu dieser Fraktion gibt, und schreiben auch die dazugehörigen Abenteuer.

Teilzeithelden: Zum Gefühl gehört natürlich auch Artwork. Arbeitet ihr ausschließlich mit Leuten zusammen, die beriets mit CB gearbeitet haben, oder sind auch viele Neue am Werk?

Chris: Beides. Wir haben einen Art Direktor, der genaue Anweisungen gibt. Darüber hinaus segnet CB jedes einzelne Bild ab, so dass wir genau das herausbekommen, was wir haben wollen. Und wenn ein Gewehr nicht so aussieht, wie es soll, dann ändern wir das. Letztlich geht es um die Erweiterung des Infinity-Universums.

Zusammenarbeit wie sie sein sollte - ebenfalls eines der neuen Artworks
Zusammenarbeit wie sie sein sollte – ebenfalls eines der neuen Artworks

Teilzeithelden: Zur Technologie. Was ist mit Cyberware? Nehmt ihr euch existierende Universen wie Shadowrun oder Cyberpunk als Ausgangspunkt oder erschafft ihr frei von der Seele weg? Wie viele Einschränkungen habt ihr dabei? Wie kreativ dürft ihr sein?

Chris: Ich hatte lange Gespräche über die Technologie von Ariadna, Yu-Jing usw. Wir haben Antworten auf die meisten Fragen, und von dort aus gehen wir weiter und gestalten die Technologie. Gutier überprüft alles und schreibt uns, was ihm nicht gefällt. Als Seitenbemerkung gestatte ich mir hier zu sagen, dass wir sehr wenige Schreiben von ihm haben, in dieser Richtung, weil er sehr zufrieden ist mit dem, was wir tun.

Teilzeithelden: Das klingt doch sehr vielversprechend.

Chris: (lacht) Das hoffe ich doch sehr.

Auslieferung

Teilzeithelden: Zum Thema Versprechen. Was ist mit der Auslieferung des Kickstarters? Da die Fraktionsbücher eigene Autoren haben, ist die Chance also gegeben, dass sie gleichzeitig erscheinen. Wie ist der Plan?

Chris: Nun, im Februar sollen das Grundregelwerk, das Spielerhandbuch und die erste Kampagne sowie alle bis dahin fertigen Fraktionsbücher ausgeliefert werden. Juli ist für die restlichen Fraktionsbücher vorgesehen, als auch der Spielleiterschirm. All die anderen Bücher über T.A.G.s und Raumschiffe sind für die letzte Welle, damit auch alles in Ruhe von CB überprüft werden kann.

Die PDFs werden in dem Moment an die Unterstützer versendet, in dem sie fertig sind.

Wir wollen uns aber lieber mehr Zeit nehmen, um Fehler zu suchen, anstatt ein unfertiges Produkt auszuliefern.

Teilzeithelden: Bücher sind ein gutes Thema. Wo druckt ihr und, für unsere Leser besonders interessant, habt ihr einen deutschen Vertrieb?

Chris: Wir drucken in Lettland, Polen und Großbritannien, also alles innerhalb Europas. Unsere englischen Produkte werden in Deutschland über unsere bisherigen Partner vertrieben, was Ulisses Spiele beinhaltet. Zudem verhandeln wir gerade über die deutsche Übersetzung, und wie es damit aussieht, werden wir nach dem Kickstarter verkünden können.

Teilzeithelden: Vielen Dank nochmal für deine Zeit und weiterhin viel Erfolg.

Chris: Gerne und dankeschön.

Der Kickstarter läuft noch bis Sonntag, den 17.10. Für alle, die sich das Spiel zulegen wollen, sind wie bei Kickstartern üblich, einige gute Deals dabei.

Artikelbilder: Modiphius Entertainment | Corvus Belli

 

2 Kommentare

  1. Oh je, das sieht gut aus und das klingt auch noch gut. Aber das Englisch in meinen Runden bzw. bei mir… ich weiß nicht.
    Und bis zur Deutschen Version, da heißt es warten, und ob sie den coolen großen Umfang auch nur annähernd hinbekommen wird wie die Englische, wage ich zu bezweifeln :(

  2. Erstmal Daumen hoch für ein interessantes Hintergrund-Interview. Das ganze sieht in der Tat so ausgereift und gut aus, dass ich auch Backer bin.
    @ Thorsten: Die Sprache ist natürlich gerade bei einem Rollenspiel wichtig, zumindest wenn es um die Hintergrund-Bände geht. Aber das Regel-PDF kannst du dir als Interessent auf jeden Fall für relativ wenig Geld angucken. Ulisses Spiele wäre wohl für die deutsche Lokalisierung zuständig, da muss jeder selbst wissen, ob das dann besser wird. Wobei ich da eben leider nichts aus der Tabletop-Reihe sagen kann, da ich nur die englischen Bücher von Corvus Belli habe.

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