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Herbst. Die Blätter fallen, der Regen ebenso. Unsere Welt wird grauer und schon in den letzten beiden Jahren war das der Zeitpunkt, zu dem man im Kino seinen Blick hinaus ins Weltall richten konnte. Zuerst 2013 mit Gravity, dann letztes Jahr mit Interstellar. Und auch dieses Jahr schickt sich wieder ein Film an, eine dramatische Geschichte ums Überleben vor stellarer Kulisse zu zeichnen.

„Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ beruht auf einem Buch gleichen Titels von Andy Weir. Wobei das mit dem gleichen Titel nur bedingt stimmt, denn aus unerfindlichen Gründen musste im Deutschen mal wieder ein unnützer Untertitel hinzugefügt werden, den es weder im Original noch im Falle des Buches gibt. Ein weiteres Beispiel in der langen Reihe der fürchterlichen deutschen Titel. Aber genug davon, mit dem eigentlichen Film hat das nichts zu tun.

Inszeniert wurde der Film von Ridley Scott (Alien, Prometheus), also einem Altmeister der Science-Fiction. Aber seine letzten Filme waren alle nicht wirklich das, was man erhofft hatte. Und seine Ausflüge in die Science-Fiction waren auch stets eher Fiction als Science. Konnte er mit diesem Hard-Science-Fiction-Streifen zu alter Form zurückfinden?

Story

In der nicht näher datierten nahen Zukunft befindet sich die Ares III Mission der NASA gerade auf dem Mars. Proben werden genommen, untereinander Sprüche geklopft, alles scheint gut zu laufen. Doch dann naht plötzlich ein Sturm, der viel stärker ist als prognostiziert, und die Mission muss abgebrochen werden.

Bei der Evakuierung wird Mark Watney (Matt Damon, Bourne-Trilogie, Good Will Hunting), der Botaniker des Teams, von einem Trümmerteil getroffen und geht im Sturm verloren. Da die Zeit knapp ist und vom Biomonitor seines Anzugs keine Lebenszeichen mehr gesendet werden, wird die Suche nach ihm bald abgebrochen und die restlichen Astronauten entkommen dem Sturm in die Umlaufbahn des Planeten, von wo aus sie sich, im sicheren Glauben, ihren Kollegen verloren zu haben, auf den Rückweg zur Erde machen.

Doch wie sich herausstellt, hat Watney wie durch ein Wunder überlebt und schafft es trotz beschädigten Raumanzuges, sich in das Habitat zu retten und sich dort selbst medizinisch zu versorgen. Schon bald geht ihm aber die Problematik seiner Lage auf: Er hat keine Möglichkeit, das Schiff oder die Erde zu kontaktieren, die nächste Marsmission wird 3200 km entfernt von ihm heruntergehen, und selbst wenn er es bis zu diesem Ort schaffen würde, hätte er nicht genug Lebensmittel, um bis dahin zu überleben. Außerdem hat er als Unterhaltung auch nur die Musiksammlung der Missionsleiterin, die im Gegensatz zu ihm total auf Disko steht.

Viele dieser Probleme geht Watney nun nach und nach an, findet Wege, sich zu ernähren und sogar, zu kommunizieren. Aber es kommen auch beständig weitere Probleme hinzu, so dass sein Überleben stets ungewiss bleibt.

Während er auf dem Planeten um sein nacktes Überleben kämpft, findet auf der Erde ein anderer Kampf statt: Die NASA versucht, mit der Situation bestmöglich klarzukommen, Risiken abzuwägen, Möglichkeiten zur Rettung zu finden, und ein PR-Desaster zu vermeiden. Maßgeblich daran beteiligt sind der NASA-Direktor Teddy Sanders (Jeff Daniels, Dumm und Dümmer, Newsroom), der Leiter der Mars-Missionen Vincent Kapoor (Chiwetel Ejiofor, 12 Years a Slave, Serenity), der Flugdirektor des Hermes-Raumschiffs Mitch Henderson (Sean Bean, Der Herr der Ringe, Game of Thrones) sowie die PR-Chefin der NASA Annie Montrose (Kristen Wiig, Brautalarm).

Natürlich sind aber auch die Kollegen von Watney auf der Hermes von dem Ganzen nicht unberührt, und müssen selbst die ein oder andere Entscheidung treffen und Probleme lösen. Die Crew dort besteht aus Captain Melissa Lewis (Jessica Chastain, Zero Dark Thirty), Chris Beck (Sebastian Stan, Captain America), Rick Martinez (Michael Peña, Ant-Man, American Hustle), Alex Vogel (Aksel Hennie, Hercules von 2014) und Beth Johannson (Kate Mara, Transcendence, Fantastic Four).

Darsteller

Eine ganze Menge mehr oder weniger große Namen. Und neben den gerade aufgezählten gibt es noch ein paar weitere Nebenrollen. Denn sie alle sind genau nur das: Nebenrollen. Es wäre unrealistisch gewesen, eine Mars-Mission mit weniger Leuten zu fliegen, aber für den Film an sich ist ein Großteil der Astronauten so egal wie austauschbar. Dennoch geben sich die Schauspieler redlich Mühe in ihren Rollen und sind alle durchweg glaubhaft. Warum für den deutschen Astronauten Alex Vogel jedoch ein Norweger genommen wurde und nicht gleich ein Deutscher, erschließt sich mir nicht.

Die Crew auf der Erde hat ein ähnliches Schicksal wie die auf der Hermes: Viele Namen, die auch alle jeweils Funktionen haben, die bei der NASA in so einer Situation wichtig sind. Aber über weite Strecken des Films eben doch eher unwichtig, wenn auch gut dargestellt. Und durch die Auswahl der Schauspieler entstand hier sogar ein Lacher, der im Buch nicht vorhanden war. Denn eine der Rettungsaktionen trägt den Namen „Elrond“, welcher dann von niemand anders als Sean Bean erklärt werden muss. Aber außer ein paar Nerds wie mir, fand das vermutlich auch niemand wirklich lustig.

Aber kommen wir nach all den Nebenrollen zur einen großen Hauptfigur des Films: Mark Watney, gespielt von Matt Damon. Schon in Interstellar im letzten Jahr stellte er einen einsam auf einem Planeten verbliebenen Wissenschaftler dar. Doch anders als dieser ist Mark Watney alles andere als boshaft. In jeder noch so schlimmen Situation hat er einen flotten Spruch auf den Lippen. Der Charakter wirkt die ganze Zeit über sehr sympathisch, aber es gelingt Damon durchaus, auch den langsam einsetzenden Wahn anklingen zu lassen, der einen so einsamen Menschen irgendwann ereilen würde. Diese Seite der Geschichte wird aber nie tiefer betrachtet, so dass sie nur eine Randnotiz bleibt.

Kritik an der Darstellung des titelgebenden Charakters habe ich jedoch im weiteren Verlauf des Films. Die Rationen muss er stets weiter zurückfahren, so dass er eigentlich immer mehr ausmergelt. Aber anstatt sich selbst herunter zu hungern, wurde für Matt Damon ein Body Double engagiert. Dieses hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem eigentlichen Darsteller, und die Szenen, in denen der Körper zu sehen ist, sind absolut eindeutig als jemand anders zu erkennen. Auch wird nicht einmal versucht, das Gesicht von Matt Damon so zu schminken, dass es zu diesem Körper passen würde. Da wäre eindeutig mehr möglich gewesen!

Inszenierung

Der Film ist in 2D und 3D verfügbar, ich habe ihn mir in 2D angesehen, kann also zu den räumlichen Effekten wenig sagen. Außer vielleicht, dass ich nicht den Eindruck hatte, dass 3D den Film auch nur ansatzweise besser oder schlechter gemacht hätte. Nur teurer auf jeden Fall.

Die optischen Effekte sind durchweg gelungen. Gerade die Szenen an Bord der Hermes mit ihrer rotierenden Sektion und der dadurch erzeugten „Schwerkraft“ sind interessant anzusehen.

Auch der rote Planet sieht glaubhaft aus. Bis auf die Tatsache, dass überhaupt keine Anstalten gemacht wurden, die niedrigere Schwerkraft in irgendeiner Form zu inszenieren oder auch nur zu erwähnen.

Musikalisch wurde der Film von Harry Gregson-Williams in Szene gesetzt. Seine Arbeit ist gewohnt gut und stimmungsvoll. Abgesehen von der üblichen Hintergrundmusik sind auch ständig Songs aus den 1970er Jahren zu hören – eben jene Musik, die Watney als einzige zur Verfügung steht.

Erzählstil

Wie bereits oben erwähnt, verbringt der Film den Hauptteil seiner Zeit an drei verschiedenen Orten. Leider ist von der Handlung her eigentlich nur einer dieser drei spannend, so dass die anderen beiden ruhig noch etwas mehr in den Hintergrund hätten gedrängt werden können. Vielleicht hätte man dort das ein oder andere Problem einfach überspringen können. Dann wäre der Film auch nicht 144 Minuten lang gewesen, was ihm in Summe gut getan hätte.

Apropos Probleme: Die komplette Handlung des Films ist eigentlich nur eine Aneinanderreihung von Problemen und deren Lösungen. Das macht eine Zeit lang auch eine Menge Spaß, da die Lösungen durchaus interessant sind. Aber nach und nach ermüdet diese Struktur dann doch, so dass versucht wird, mit immer krasseren Problemen und Lösungen die Aufmerksamkeit zu halten. Das gelingt leider nicht ganz, so dass am Ende die Absurdität der Lösungen – auch wenn diese vielleicht wissenschaftlich gesehen funktionieren könnten – in den Vordergrund drängt. Zumal es etwas unglaubwürdig wirkt, dass die Probleme immer erst wenige Minuten vor ihrem Auftreten überhaupt bedacht werden, so dass jede Lösung wieder eine Improvisation erfordert, und nicht eine sorgfältige Planung.

Trailer

YouTube

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Preis-/Leistungsverhältnis

DerMarsianer-RettetMarkWatney_Poster_CampD_SundL_700Durch die große Überlänge zahlt man einen gewissen Zuschlag, so dass eine 2D Kinokarte in der Großstadt mit knapp 10 EUR zu Buche schlägt. Dafür wird man dann etwa 2 Stunden gut unterhalten. Und auch die restlichen 20 Minuten des Films langweilt man sich nicht wirklich. Insgesamt also keine Geldverschwendung.

Bonus/Downloadcontent

Es gibt einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem in kurzen Videos die Vorgeschichte der Ares III Mission erzähl wird. Hier kann man sich ein wenig mit den Charakteren vertraut machen, erfahren, dass der Film irgendwann in den 2030er Jahren spielt, und dass der deutsche Astronaut in Küntzelsau geboren wurde. Auch gibt es ein Video mit einem älter geschminkten Neil deGrasse Tyson zu sehen, der die Marsmission erklärt sowie Szenen, die eigentlich in den Film gehört hätten.

In diesen, nur auf englisch verfügbaren, Videos wird auch schnell klar, dass die Synchronisation dem Film einiges genommen hat. Die Dialoge wirken einfach viel besser im Original.

Fazit

Der Marsianer – Rettet Mark Watney ist ein unterhaltsamer Film, der kleinere Schwächen hat. Etwas weniger Probleme, und damit ein kürzerer Film, wären eine gute Sache gewesen. Dazu hätten Szenen, die über den oben genannten YouTube-Kanal zu finden sind, in den Film gehört, da sie ein paar Dinge erklären oder zeigen, die dem Film an sich fehlen. Aber auch so kommt zu keiner Zeit Langeweile auf und die offenen Fragen halten sich in Grenzen.

Der Film ist vor allem eines: Eine Liebeserklärung an die Wissenschaft. Egal, wie groß das Problem, man kann es mit Wissenschaft lösen. Und wenn es auch viele Probleme sind, dann fängt man einfach mit einem davon an. Das ist eine gute und nicht oft genug zu verbreitende Botschaft. Dafür alleine hat der Film es verdient, geguckt zu werden.

Wem es weniger um die Botschaft geht, der kann hier aber auch eine Menge zu lachen finden. Und schöne Bilder.

Was jedoch nicht zu finden ist, sind besonders tiefe Charaktere oder eine diffizile Beschäftigung mit den psychologischen Problemen, die Mark Watney eigentlich verspüren müsste. Wer also einen Film mit psychologischem Tiefgang erwartet, sollte sich lieber etwas anderes ansehen. Für die meisten anderen Leute aber ist Der Marsianer ein sehenswerter und guter Zeitvertreib.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: 20th Century Fox

 

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