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Alle Jahre wieder im Oktober dreht sich in Frankfurt am Main alles um das geschriebene, gedruckte oder digital publizierte Wort, denn es ist Buchmesse.

Diese ist nicht nur eine der größten Buchmessen in Deutschland, sondern auch in Europa. Hier werden Neuerscheinungen präsentiert, Verlage, Buchscouts und Agenten treffen sich, um sich auszutauschen und Geschäfte abzuschließen.

Grund genug also für die Romanredakteurinnen der Teilzeithelden, sich auf die Messe zu begeben und nach den neuesten Trends und brandheißen Erscheinungen der Phantastik Ausschau zu halten.

Auf ins Gedränge

Hochmotiviert stürzten wir uns also ins Gedränge, nahmen die Tische, Aufsteller und Regale auf den Verlagsständen in Augenschein und befragten Verlagsmitarbeiter.

Dabei entdeckten wir eine Menge Neuerscheinungen, doch leider war es alles andere als einfach, wirklich aktuelle, neue Trends innerhalb des Genres zu entdecken. Es scheint keiner so recht zu wissen, wohin der nächste Trend in der Phantastik wirklich geht.

Ein seltener Moment der Ruhe für dieses Regal.
Ein seltener Moment der Ruhe für dieses Regal.

Die großen Verlage setzten alle auf Bewährtes und bei den kleinen Verlagen war generell eher wenig Fantasy zu finden. Regale und Tische wurden von eher klassischer Fantasy und vor allem etablierten Autoren dominiert, auf Deutsch beispielsweise Michael Peinkofer, Andreas Brandhorst, dessen aktuellstes Buch wir hier neulich rezensiert haben, Markus Heitz oder Bernhard Hennen. Daneben lagen Übersetzungen von Patrick Rothfuss, Sergej Lukianenko, Scott Lynch, Brent Weeks, Brandon Sanderson und, natürlich, George R.R. Martin. Dieser dominiert die Phantastik für Leser wie Autoren zur Zeit wie kein anderer und macht es auch allen schwer, denn so ziemlich jedes Buch muss sich im Kopf der Leser mit dem Lied von Eis und Feuer messen – oder eher mit der Fernsehserie Game of Thrones.

Obwohl sich kein wirklicher Trend erkennen ließ, gab es doch einige Tendenzen zu beobachten.

Junge Autoren und Romantik im Weltall

Die erste und offensichtlichste Tendenz ist die Science-Fiction, die vielleicht sogar der nächste Trend sein könnte.

Halle 3, das wichtigste Jagdgebiet für unsere Redakteurinnen.
Halle 3, das wichtigste Jagdgebiet für unsere Redakteurinnen.

Denn bei allen größeren Verlagen, die Phantastik verlegen, war Science-Fiction zu finden, teilweise von renommierten Autoren. Einige Science-Fiction-Reihen wurden offensichtlich im Gefolge entsprechender Verfilmungen beworben, z.B. Maze Runner. Doch daneben dominierte sehr deutlich wissenschaftlich fundierte, realitäts- und teilweise gegenwartsnahe Lektüre. Große Raumschlachten suchte man vergebens.

Bei dieser wird wohl neben bekannten Autoren und (hoffentlich) guten Büchern auch auf den Sogeffekt der Verfilmung von Andy Weirs Der Marsianer  gehofft, dieser war ebenfalls mit einem neuen, an das Filmplakat angepassten, Cover zu sehen.

Deutlicher zu erkennen war, dass die Welle der romantischen Fantasy am Abflauen ist. Selbstverständlich gibt es sie weiterhin und wird es auch in 30 Jahren noch geben, doch die große Schwemme der romantischen Vampire, Gestaltwandler und Zombies (ja, das gibt es!) ist vorbei.

Am deutlichsten sichtbar war dies beim Verlag Egmont Lyx, der vor zwei Jahren das Topbanner des Standes noch mit der Werbung für eine romantischen Fantasyserie dekoriert hatte. In diesem Jahr war jedoch nicht nur das Topbanner schlicht mit dem Verlagsnamen versehen, die gesamte, präsentierte Fantasy war auf ein einzelnes, schmales Regal zusammengeschrumpft. Immerhin gab es mit der Säule voller Minecraft-Bücher einen leicht nerdigen Ersatz.

Der Kopfgeldjäger aus Legosteinen beobachtet scharf die Besucher der Buchmesse.
Der Kopfgeldjäger aus Legosteinen beobachtet scharf die Besucher der Buchmesse.

Optisch und haptisch schöne Bücher erfreuen sich weiterhin größter Beliebtheit. Sei es die Serie Endgame mit den reliefartig geprägten Buchcovern, der über 200 Seiten starke, reich illustrierte Band zu Spiegelwelt von Cornelia Funke oder die deutsche Version der Darkmouth-Reihe mit schwarzem Schnitt und dadurch scheinbar schwarzen Seiten. Auch die illustrierten Neuauflagen einiger Tolkien-Kurzgeschichten lassen sich zu diesen Büchern zählen.

Das Projekt Oetinger34 präsentierte auf der Buchmesse die erste Veröffentlichung: die Reihe Kings & Fools der Newcomer-Autoren Natalie Matt und Silas Matthes.

Oetinger34 ist eine verlagsbegleitete Kreativplattform für junge Autoren, Lektoren und Illustratoren, die sich dort austauschen und über Projekte und Verlagsarbeit lernen und diskutieren können. Dabei stehen ihnen erfahrene Fachleute als Paten zur Seite, im Fall von Kings & Fools war es Bernhard Hennen. Aus der Oetinger34-Community entstehende Bücher sollen es zukünftig immer wieder per Abstimmung in die Verlagsveröffentlichung schaffen. Ob es genau so laufen wird, muss sich zeigen, das Projekt läuft erst seit März 2014 und ist noch in der closed Beta. Unabhängig von diesem ungewöhnlichen Hintergrund ist Kings & Fools für Fans der Phantastik interessant, denn die Reihe wird als High-Fantasy-Reihe mit Mysteryelementen bezeichnet und scheint bei einem ersten Reinlesen dem auch gerecht zu werden.

Star Wars und Pratchett

Deutlich wirft Star Wars – Das Erwachen der Macht seinen Schatten voraus, nicht nur an der Supermarktkasse beim Überraschungseikauf, sondern auch auf der Buchmesse. Jeder Verlag, der irgendwelche Star-Wars-bezogenen Rechte besitzt, nutzt diese offensichtlich, um damit Bücher und andere Artikel zu machen und sie zeitlich passend vor dem Kinostart auf den Markt zu bringen. So gab es Star Wars-Romane, -Comics, Star Wars-Lego-Romane, ein Star Wars-Lego-Lernspiel, Plakate und ein Vorabcover für den Roman zu Das Erwachen der Macht zu bestaunen, dekoriert mit Postern und Lichtschwertern, einige sogar bewacht von einem Kopfgeldjäger aus Legosteinen.

Tod, Rincewind, die Hexen und die Wache auf einem Schuber vereint.
Tod, Rincewind, die Hexen und die Wache auf einem Schuber vereint.

Dezenter, aber ebenfalls deutlich lag der Schatten von Sir Terry Pratchett auf der Messe. Des Autors, der im März diesen Jahres verstarb, wurde mehrfach gedacht. Auf dem Stand der Random House Verlagsgruppe (u.a. Heyne, Blanvalet, Penhaligon) lag sogar ein digitales Kondolenzbuch aus!

Deutsche Versionen seiner Bücher, seien es Abenteuer von der Scheibenwelt oder auch die Reihe um die Lange Erde, waren bei allen Verlagen, die Veröffentlichungsrechte besitzen, zu sehen. Unter diesen stach der Piper Verlag heraus, dieser hat offensichtlich neun von Pratchetts Büchern mit neuem Sammelcover herausgebracht. Es gibt sie einzeln oder als Sammelausgabe samt hübschem Schuber, in dem das Bild, das sich auf den Buchrücken aller Bände nebeneinander zusammenfügt, besonders gut zur Geltung kommt.

Und der BuCon?

Am Buchmesse-Samstag ist traditionell in der Stadthalle in Dreieich, wo auch die Dreieich-Con stattfindet, der BuCon oder Buchmesse-Con. Dieser widmet sich in Con-Atmosphäre der phantastischen Literatur kleinerer Verlage und der Verleihung des dpp, des Deutschen Phantastik Preises.

Leider war es keiner unserer Redakteurinnen möglich, auf den BuCon zu fahren, obwohl er ein rundes, nämlich sein 30., Jubiläum feierte. Dennoch wollen wir unseren Lesern die Gewinner nicht vorenthalten:

  • Bester deutschsprachiger Roman: Bernd Perplies: Imperium der Drachen – Das Blut des Schwarzen Löwen (Rezension und einem Interview mit dem Autor)
  • Bestes deutschsprachiges Romandebüt: Silke M. Meyer: Lux & Umbra 1 – Der Pfad der schwarzen Perle
  • Bester internationaler Roman: Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße
  • Beste deutschsprachige Kurzgeschichte: Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser: “Der letzte Gast” (aus Dunkle Stunden)
  • Beste Original-Anthologie: Steampunk Akte Deutschland
  • Beste Serie: DSA – Das Schwarze Auge
  • Bester Grafiker: Arndt Drechsler
  • Bestes Sekundärwerk: Christian Humberg & Andrea Bottlinger: Geek, Pray, Love: Ein praktischer Leitfaden für das Leben, das Fandom und den ganzen Rest
Newcomer Natalie Matt und Silas Matthes und ihr Autorenpate Bernhard Hennen signieren Kings & Fools.
Newcomer Natalie Matt und Silas Matthes und ihr Autorenpate Bernhard Hennen signieren Kings & Fools.

Fotografien: Marie Mönkemeyer

 

2 Kommentare

  1. […] Anders als im letzten Jahr können wir diesmal einen klaren aktuellen Trend benennen: Die vorsichtig geäußerte Tendenz zur Science-Fiction hat sich klar bestätigt. Science-Fiction hatten alle der großen Verlage, die Romane verlegen, im Angebot. Vieles davon scheint auf epische Raumschlachten zu verzichten und eher in näherer Zukunft zu spielen. Andy Weirs Der Marsianer hat hier möglicherweise die Richtung eingeleitet, die jetzt in allen Buchläden steht. Wir haben aufgrund dessen beschlossen, aus dem November den Science-Fictionember zu machen und zwei Bücher zu rezensieren, die sich beide mit der Zukunft beschäftigen. […]

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