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Letztes Jahr erschien Degenesis: Rebirth, die aktuelle Version des Primal Punk-Rollenspiels. Wir waren begeistert von der Spielwelt und der schicken Optik. Doch wie geht es weiter in der Post-Postapokalypse? Was hat es mit den Marodeuren auf sich und was lauert jenseits von Europa und Afrika? Nach den ersten Ankündigungen des Erweiterungsbandes Black Atlantic war es lange Zeit still um Degenesis. Zur Spiel 2015 erschien statt der Erweiterung dann das erste Abenteuer In Thy Blood. Kurz darauf gab es die Ankündigung zur englischen Version und den Trailer zu Sacrifice Everything. Zeit, beim Chef persönlich nachzufragen …

Marko Djurdjevic
Marko Djurdjevic

Marko Djurdjevic begann mit 17 Jahren seine Karriere als Illustrator. Als Freelancer arbeitete er zunächst für Rollenspiel-Publikationen (Feder & Schwert, White Wolf, FanPro) und wurde später Gründungsmitglied des Studios Massive Black. Von Kalifornien aus arbeitete er als Konzeptkünstler unter anderem für Marvel Entertainment (Blade, Avengers, Wolverine). 2006 gründete er die  Konzeptart-Firma Sixmorevodka in Berlin, die 2014 Degenesis: Rebirth herausbrachte. Postapokalypse ist sein Lieblings-Genre und Degenesis sein Herzensprojekt.

Markos Anfänge als Rollenspieler:

Spoiler

„Rollenspiel ist für mich eines der angenehmsten und kreativsten Hobbys, die man haben kann. Ich selbst habe damals auf dem Schulhof mitbekommen, wie da Das Schwarze Auge gespielt wurde. Da war ich vielleicht dreizehn. In einem Spieleladen habe ich dann Runequest entdeckt. Es hat keine 50 Sekunden gedauert, dann war ich drin und hab mich in das System verliebt. Dann mit 15 kam Vampire: the Masquerade, das erste Rollenspiel, das optisch alles weg gehauen hat. Das hat mich fasziniert, dass es da Leute gab, die solche Universen entwickelten und optisch untermalten.

Ich bin dann als Meister ein richtiger Perfektionist geworden und habe monatelang Abenteuer vorbereitet, Charaktere skizziert und mir Artefakte ausgedacht. Leider wurden die Illustrationen der Bücher mit der Zeit immer schlechter. Auch deshalb habe ich mich damals bei Oliver Graute von Feder & Schwert beworben: ‚Ihr habt Rollenspiele mit Illustrationen, die nicht so toll sind und ich brauch‘ Geld.‘ Schon hatte ich meine ersten zwei Aufträge in der Tasche.‘

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Interview

Die Kampagne "In thy Blood"
Die Kampagne „In thy Blood

Teilzeithelden: Der Trailer zu Sacrifice Everything ist richtig gut gelungen und zugleich ungewöhnlich für ein Tischrollenspiel. Wie ist es dazu gekommen?

Marko: Wir wollten dieses Mal so richtig auf die Kacke hauen. Dazu haben wir diesen wundervollen Bunker gefunden in einem uralten Wasserwerk. Für die Außenszenen sind wir in ein Waldstück außerhalb von Berlin gefahren, wo sie vor ein paar Jahren auch Grimms Märchen verfilmt haben. Das Budget haben wir dann in Kostüme, Makeup und Visual Effects gesteckt. Insgesamt haben da 60 Leute aus der ganzen Welt mitgearbeitet – unser Spitalier kam aus Prag, wir haben einen Wrestler aus New York engagiert! Das ‚Making Of‘ ist gerade im Schnitt und dürfte in den nächsten Wochen online gehen.

Teilzeithelden: Der Trailer erzählt ja auch irgendwie eine Geschichte …

Marko: Richtig. Wir wollten mit mehr Story arbeiten und die Geschichte des Psychonauten weitererzählen. Der Spitalier Falberg ist der erste Charakter, den ich für die Rebirth Edition gebastelt habe.

Teilzeithelden: Hat Hollywood schon angeklopft?

Marko: Tatsächlich sind wir mit vielen großen Filmfirmen und TV-Häusern in Verhandlung und haben auch schon ein langes Screenplay entwickelt. Wir waren von Beginn an davon überzeugt, dass Degenesis sich für einen Film oder eine Serie eignet! Auch deshalb wollen wir nächstes Jahr gezielt in die Welt einsteigen, unsere Protagonisten ausdefinieren und den Charakteren Gesichter und Namen geben. Wir sind wollen zeigen, dass man aus einer Tischrollenspielwelt ein Szenario für alle Medien schaffen kann. Für uns ist das ein großes multimediales Experiment: In was lässt sich Degenesis alles verwandeln?

Teilzeithelden: Dabei wäre es fast gar nicht zu Degenesis gekommen, oder?

Marko: Stimmt. Nach Endland wollte ich eigentlich gar kein Rollenspiel mehr machen. Da hatte ich ziemlich viel Zeit reingebuttert. Aber ich kannte Christian und der war knallhart. Er ist unangemeldet in Berlin aufgetaucht und zeigte mir einfach alles, was er für Degenesis schon gemacht hatte: einen Stapel von losen Zetteln und Ideen. Er verschwand dann einfach mittags zu Freunden und ließ mich damit allein. Ich hab‘ ein ganzes Wochenende damit verbracht alles neu zu ordnen, wie es mir persönlich zusagte. Quasi am nächsten Tag haben wir den Startknopf für Degenesis gedrückt.

Degenesis 2016 und der Metaplot

Degenesis Rebirth Edition - das Grundregelwerk
Degenesis Rebirth Edition – das Grundregelwerk

Teilzeithelden: Und seitdem wächst die Welt. Die Rebirth Edition war ja ein großer Schritt. Aber wie geht es denn jetzt weiter?

Marko: Im November gibt es zunächst einmal unseren Verlagskatalog. Darin steht dann, was Fans im Jahr 2016 für Degenesis erwarten können. Drei Degenesis-Bücher kann ich für das Jahr bestätigen und zwei davon werden Kampagnenbände sein.

Teilzeithelden: Kampagnenbände klingt spannend, aber auch nach Metaplot. Für manche Spieler ist das ja ein Reizwort, andere finden gerade den Metaplot bei Degenesis interessant. Wird der weitererzählt?

Marko: Tatsächlich befasst sich einer der kommenden Bände ausschließlich mit dem Metaplot. Wir haben das lange vorbereitet und wollen richtig tief in den Metaplot einsteigen. Hier im Studio haben wir dafür eine riesengroße Wand aufgebaut, wo alle Namen und Ereignisse aufgelistet sind – wie in so einem Krimi. Das alles zusammenzuführen war für mich eine Herzensangelegenheit.

Teilzeithelden: Im Degenesis-Forum wird ja über den Metaplot heiß diskutiert. Hat denn einer von ihnen richtig geraten?

Marko: Sie sind schon auf dem richtigen Weg. Bei Details haben sie manchmal ins Schwarze getroffen, liegen kurz darauf aber wieder ganz daneben. Wir betrachten das ganze von außen und freuen uns. Was die Spieler nach und nach verstehen werden ist, dass die ganze Katastrophe auch ein großes menschliches Drama war. Gerade auf diese Enthüllungen haben wir lange hingearbeitet.

Teilzeithelden: Wird es denn noch freie Regionen nur für Spieler geben?

Marko: Klar! Trotz Metaplot werden wir Degenesis nie so ausdefinieren können, wie es beispielsweise Das Schwarze Auge mit Aventurien macht. Da müssten wir das Team verzehnfachen und das wollen wir ja auch gar nicht.

Teilzeithelden: In der ersten Edition war zumindest die „Hauptstadt“ Justinian sehr ausdefiniert. Wie wäre es denn mit einer Neuauflage des Städtebandes?

Marko: Das war mein Lieblingsbuch aus der ersten Edition. Wenn man genau sucht, kann man schon Spuren eines möglichen neuen Bandes dazu finden. Ich will mich da jetzt nicht aus dem Fenster lehnen, aber jeder hier im Team liebt dieses Buch und glaubt an eine Wiedergeburt.

Leviathan-Konzeptzeichnung für Black Atlantic: Das Chakra der Leviathanik ist die erste Form der Fäulnis, welche nicht über Sporen verbreitet wird, sondern symbiotisch und parasitär auf den Wirt überspringt.
Leviathan-Konzeptzeichnung für Black Atlantic: Das Chakra der Leviathanik ist die erste Form der Fäulnis, welche nicht über Sporen verbreitet wird, sondern symbiotisch und parasitär auf den Wirt überspringt.

Wo bleibt Black Atlantic?

Teilzeithelden: Ein noch unbekannter Flecken in der Spielwelt ist ja der schwarze Atlantik. Was ist eigentlich nach der Ankündigung von Black Atlantic daraus geworden?

Marko: Tja, das hängt noch in der Produktionsschleife, weil Chris Anfang des Jahres spontan beschlossen hat, ein Café zu gründen. Das Unternehmertum spannt ihn seit Monaten total ein und er kommt nicht zum Abschluss des Buches. Deshalb haben auch Malik und ich die Chefredaktion übernommen und wir haben In Thy Blood vorgezogen. Black Atlantic liegt also erst mal auf Eis.

Teilzeithelden: Das Café hat aber nichts mit Primal Punk zu tun, oder?

Marko: (lacht) Nee. Eher mit einer Gelegenheit und einer lukrativen Waldstrecke. Chris hat da auch ein Händchen für und das schlägt gerade ein, wie eine Bombe.

Teilzeithelden: Da kann er sich natürlich nicht auf die Tiefen des Atlantiks und die zwei noch fehlenden Plagen konzentrieren …

Marko: Genau. Das haben wir auch schon im Forum klar gemacht: Black Atlantic ist das nächste Chakra und der Leviathan-Raptus. Außerdem enthält der Band viel Material, das wir noch nicht beleuchtet haben, beispielsweise ein Kapitel über England (Britain) und die Zone von Argyre. Das sind für Spielleiter schon krasse Locations. Deshalb ist es auch wichtig, dass Chris den Band fertigschreibt, denn er hat das Ganze auch ausgetüftelt. Ich möchte da einfach nicht ab der Hälfte übernehmen.

Pictons-Konzeptzeichnung für Black Atlanctic: Der Klan der Pictons ist Argyre ergeben. Bemalt mit Sternensymbolen, machen sie Jagd auf Schläfer und Abenteurer, die wahnsinnig genug sind, Britains Grenzen zu nahe zu kommen.
Pictons-Konzeptzeichnung für Black Atlanctic: Der Klan der Pictons ist Argyre ergeben. Bemalt mit Sternensymbolen, machen sie Jagd auf Schläfer und Abenteurer, die wahnsinnig genug sind, Britains Grenzen zu nahe zu kommen.

Die englische Version

Teilzeithelden: Und bis Chris wieder da ist, macht ihr mit der englischen Version von Degenesis weiter?

Marko: Richtig. Wir sind gerade mit der Ankündigung gestartet und müssen den Ansturm bewältigen. Wir haben uns schließlich dazu entschieden, die komplett im Alleingang zu machen. International haben wir einfach keinen zufriedenstellenden Partner finden können – was uns wirklich genervt hat. In allen Gesprächen haben die Verlage versucht, die Produktionskosten runterzuschrauben und Degenesis als Softcover anzutesten. Das ist aber nicht unsere Qualität und an was wir glauben. Ich denke einfach, dass man auf einem ganz anderen Niveau arbeiten kann, als bisher im Rollenspielbereich gemacht wird. Die einzige Ausnahme war Edge, die die französische und spanische Version machen. Bei den amerikanischen Partnern war aber einfach nicht der Mut da, die Produktionskosten aufzubringen.

Teilzeithelden: Andere Firmen, die ohne großen Verlag Projekte stemmen benutzen ja Kickstarter. Warum habt ihr euch bewusst dagegen entschieden?

Marko: Ehrlich, ich habe so eine Aversion gegen Kickstarter! Das widerspricht jedem Unternehmergeist, den ich habe. Wenn du ins Risiko gehst, gehst du auch in die Kreativität rein und denkst über deine Schritte fünf Mal nach. Wenn etwas vorfinanziert ist, dann ist es auch egal. Für mich ist der Reiz beim Erschaffen von neuen Produkten gerade nicht weit im Vorfeld zu wissen, wie etwas einschlägt. Nur so, glaube ich, kann man das bestmögliche Produkt abliefern. Ich meine, ich würde ja auch Degenesis machen, wenn es nicht erfolgreich wäre. Ich will es mir einfach von der Seele schreiben und malen und wenn es am Ende funktioniert, ist das umso besser.

Teilzeithelden: Wird es für den amerikanischen Markt auch eine Artist-Edition geben?

Marko: Die englische Black Edition ist aktuell ja unser Bestseller, die sieht ja auch schon edel aus. Da haben wir sogar noch Bestellungen aus Deutschland bekommen – was ich unglaublich gut finde und was mir zeigt, was wir für eine tolle Fanbase haben. Bei der Artist Edition überlegen wir gerade noch.

Teilzeithelden: Wie ist denn die englische Fanbase?

Marko: Verglichen mit den Verkaufszahlen der deutschen Version haben wir uns gerade vervierfacht. Die Resonanz geht durch’s Dach. Für uns ist das ein unerwarteter Erfolg und auch ein Zeichen, dass man mit Qualität Leute begeistern kann. Wenn die sehen: Die Macher sind authentisch und glauben an ihr Produkt, sind die auch bereit Geld auszugeben.

Der Marodeur Argyre und Herrscher über ganz Britain. Seine Residenz: London. Seine Agenda: Unbekannt.
Der Marodeur Argyre und Herrscher über ganz Britain. Seine Residenz: London. Seine Agenda: Unbekannt.

 

Die ferne Zukunft & Die Fans

Teilzeithelden: Und was kommt nach 2016? Magst du uns da eine Vorschau geben?

Marko: Aktuell verhandeln wir über das Rollenspiel hinaus die ersten sammelbaren Zinnminiaturen, eine Kartenspiellizenz und eine Brettspiellizenz.

Teilzeithelden: Wie steht es denn mit einem Degenesis-Soundtrack?

Marko: Wenn wir irgendwann den richtigen Musiker finden, steht das außer Frage, dass der Soundtrack kommt. Im Augenblick wollen wir uns aber auf das Storytelling konzentrieren.

Teilzeithelden: Das sind ziemlich viele Ankündigungen für Degenesis-Fans …

Marko: Das wollte ich sowieso sagen: Unsere Fans! Das sind einfach Hammertypen. Wenn ich sehe, was die mit ihrem LARP-Kostüm machen oder ein ganzes Wiki aufziehen und dort Artikel schreiben … das begeistert uns bei der Arbeit immer wieder. Deshalb werden wir demnächst auch SIXMOREVODKA für die Fans öffnen und einen Tag der offenen Tür machen.

Teilzeithelden: Das klingt spannend. Danke für das Interview.

Artikelbilder: SIXMOREVODKA

 

2 Kommentare

  1. Ich hab damals schon Degenesis gespielt und bin auch sofort Vorbesteller des neuen Buches geworden und ja, was die da an Qualität abliefern und wie auf welche Weise die Jungs diese Welt zum Leben erwecken ist einfach nur der Hammer und sucht definitiv Seinesgleichen.

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