Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

In meiner Kolumne „Die Letzte Seite“ möchte ich in regelmäßigen Abständen Schlaglichter auf Phantastik und Co. werfen. Heute geht es im weitesten Sinne um Veröffentlichungsdaten und den Nachteil, der sich daraus ergibt.

Manche Tage streicht man sich rot im Kalender an: Die Veröffentlichung eines langerwarteten Musikalbums, eines Buchs, eines Spiels – und dergleichen mehr, je nach Neigung. Es ist zu großen Teilen der Vorfreude geschuldet, auch wenn es im Grunde keinen Unterschied macht, ob man zu jenen gehört, die ein Produkt in der ersten Stunde oder einige Tage/ Wochen später in den Händen halten konnte. Aber das wäre sicherlich eine eigene Kolumne wert. Heute soll es mir um eine ganz andere Sache gehen, nämlich die Veröffentlichungsdaten selbst – und alle Vor- und Nachteilen die sich daraus ergeben.

Es ist schön, wenn alles funktioniert. Wenn ich zum angekündigten Stichtag mein Wunschprodukt wirklich in den Händen halten kann. Die Realität lehrt uns aber auch, dass dies nicht immer der Fall ist. Gerade im sehr überschaubaren Rollenspielmarkt sind Verschiebungen von Produktveröffentlichungen nicht ungewöhnlich. Und manchmal geht es da nicht um Tage oder Wochen, sondern auch mal um Monate. Schlimmstenfalls geht es um noch längere Zeitspannen.

Mir ist bewusst, dass es immer wieder Sonderfälle geben kann, die eine massive Verschiebung rechtfertigen. Wenn es außergewöhnliche Umstände gibt – Krankheitsfälle, Todesfälle, finanzielle Verwerfungen meinetwegen – dann ist es leicht, dafür Verständnis aufzubringen. Geschieht eine Verschiebung/ Nichteinhaltung jedoch unkommentiert oder führt sie gleich zur nächsten Verschiebung, dann ist es vor allem eins: ärgerlich.

Das Erscheinungsdatum – Ein Damoklesschwert

Erinnert sich jemand an Duke Nukem Forever (DNF)? Das gesamte Spiel ist wohl ein Paradebeispiel dafür, wie sehr die (schlechte) Arbeit mit Veröffentlichungsankündigungen in die Hose gehen kann. Wer nicht im Thema ist, bekommt eine kurze Zusammenfassung. DNF wurde 1997 auf der E3 angekündigt und sehr positiv aufgenommen. Nun braucht die Entwicklung eines guten Computerspiels (oder eines guten Produkts im generellen) eben Zeit, doch was mit DNF passierte, geht wohl auf keine Kuhhaut.

Denn im Laufe der Entwicklung gab es zahlreiche Probleme, den Wechsel von Grafikengines, die vorübergehende Einstellung, die Wiederaufnahme, die Präsentation neuen Bildmaterials und nicht weniger als vier Entwicklerstudios, die an DNF gearbeitet hatten. Erschienen ist das Spiel dann 2011 – also 14 Jahre nach der Erstankündigung. Das ist nicht nur eine ganze Menge Holz, das Spiel wurde damit auch zu einer Art Zombie. Und als der dann letztlich auf die Welt losgelassen wurde, war er von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Der Grund dafür ist einfach: Wenn ich 14 Jahre lang ein Produkt immer wieder verschiebe, die potenziellen Kunden anfüttere (und andere nur noch zu einem hysterischen Kichern und einem entnervten Abwinken bringe), dann sind die Erwartungshaltungen enorm hoch. Dass ein Spielkonzept, das Ende der 90er erfolgreich war, Anfang der 10er jedoch scheitern muss, das hätte den Entwicklern vielleicht zwischendrin auffallen müssen. Ihre Bestrebungen, das bestmögliche Produkt abzuliefern, führten in diesem Zusammenhang zu Ernüchterung. Nicht wenige blickten fassungslos auf ihre Bildschirme und waren sich sicher, dass DNF gemessen an der Entwicklungszeit ziemlich schlecht war.

Das Spiel hat sich durch seine Odyssee nicht nur Kritiker und Skeptiker aufgebaut, sondern eben auch die eigene Messlatte sehr hoch gesetzt. Wenn DNF 14 Jahre in der Entwicklung war, dann muss es sich doch um einen Meilenstein handeln, oder? Dieser legendäre Status wurde dem Spiel wohl auch – oder hauptsächlich – zum Verhängnis.

Hätten sich die beteiligten Entwicklerstudios einen Gefallen damit getan, nicht von ihrer Arbeit zu berichten? Wahrscheinlich. Das Problem liegt aber auch hier auf der Hand: Als Publisher/ Entwickler/ Verlag/ Autor brauche ich Werbung, muss in aller Munde sein und meiner Community auch zeigen, dass ich eben produktiv bin. Erwähne ich geplante Projekte nicht, dann können sich Leute abwenden und ihr Interesse auf mögliche Konkurrenten legen. Es geht daher darum, die „Fans“ bei der Stange zu halten.

Ist der Ruf erst ruiniert …

Zurück in die Szene und damit zum überschaubaren Rollenspiel- und Phantastikmarkt. Während die immer weitere Verschiebung der Veröffentlichung im Falle von DNF ersteinmal nicht so problematisch war, da potenziell ein Millionenpublikum anvisiert wurde, ist es in unserer Ecke doch ein bisschen anders.

Es gibt eben nicht Millionen deutscher Rollenspieler/ Brettspieler/ Leser. Die Szene ist beinah familiär. Was gerade in der Kommunikation durchaus von Vorteil sein kann, wird im Falle der Nichtveröffentlichung von Produkten zu einem echten Nachteil. Denn die Community verzeiht nicht so schnell. Hat sich ein gewisser Ruf erst einmal etabliert, dann ist es eine schier herkulische Aufgabe, den wieder loszuwerden. Es kostet Zeit, Kraft und sicherlich auch Geld, sich das Vertrauen wieder zu erkämpfen.

Aufwand, den man an anderer Stelle weit gewinnbringender und produktiver einsetzen könnte. Aber im Grunde greifen in unserer Welt die gleichen Gesetze wie überall: Als Autor/ Verlag/ Publisher will man eben auch werben, zeigen, dass es einen noch gibt und nichts anderes, als seine Fans bei der Stange halten. Je kleiner die Szene, umso wichtiger ist dieser Aspekt in meinen Augen, da sich eben nicht unbegrenzter Nachschub an Fans schaffen lässt (wie beispielsweise bei den Computerspielen oder Filmen).

Kann die Lösung also sein, einfach keine fixen Erscheinungsdaten bekannt zu geben, und sich dann auf den im Titel dieser Kolumne zitierten Ausspruchs von id-Software (also den Erschaffern von DNF) verlassen, die im Zuge des oben erwähnten Debakels eben einfach dazu übergingen „It’s done, when it’s done!“ zu antworten?

Frust auf allen Seiten

Wie zu Beginn erwähnt: Manchmal sind Verschiebungen sinnvoll und notwendig. Ein Datum auf Gedeih und Verderb einhalten zu wollen, ist sicherlich auch nicht die gesündeste Herangehensweise, wie die Computerspielbranche seit Jahren beweist. Unfertige Spiele abzuliefern, die dann quasi nachgepatched werden müssen, ist mittlerweile ja leider gängige Praxis. Natürlich will man ein qualitativ hochwertiges Produkt auf den Markt werfen – nur sollte man sich dann darüber im Klaren sein, dass man sich mit der Nennung eines Stichtags gleich ins Kreuzfeuer begeben wird, wenn dieser Tag nicht eingehalten werden kann. Oder wenn das Produkt fehlerbehaftet ist.

Das Ergebnis: Frust, und zwar auf allen Seiten. In der Rollenspiel- und Phantastikszene wird der Verlag sich über massive (wenn auch berechtigte) Kritik ärgern. Der Käufer ärgert sich, weil er nicht das bekommen hat, was er sich erhofft hat. Entweder, weil es fehlerbehaftet ist oder weil es eben verschoben wurde. Aber es gibt auch noch eine dritte Komponente, die gerade im Hinblick auf Bücher ins Gewicht fällt, nämlich den Autor. Und auch bei dem wird es am Ende wohl auf Frustration hinauslaufen.

Jede Seite ärgert sich irgendwie und die Situation wird immer verfahrener.

Imageschaden

Am Ende von Ankündigungen, die nicht eingehalten werden können und Produkten, die immer wieder verschoben werden – und dann vielleicht in der Versenkung versinken – steht vor allem ein nachhaltig beschädigtes Image.

Ein Verlag kann das unter Umständen noch wegstecken, für einen Autor (der ja vertraglich an den Verlag gebunden ist) sieht es jedoch anders aus. Und das kann schon ärgern. Wer seine Manuskripte fristgerecht abliefert und dann sehen muss, wie sie letztlich irgendwo einstauben, der ärgert sich. Und er steht vor seiner Leserschaft blöd da: Bücher, die für ein bestimmtes Datum angekündigt sind, dann aber doch nicht erscheinen, fallen irgendwann immer auf den Autor zurück. Er ist immerhin derjenige, der hauptverantwortlich ist und somit ist der gedankliche Sprung, ihm die Mitschuld an der verschobenen Veröffentlichung zu geben, nicht mehr sonderlich weit.

Das Problematische ist dann ja auch: Was sagt man der willigen Leserschaft in diesen Momenten? Als Verlagsautor steckt man ja in einer Zwickmühle. Erstens wirkt es nicht sonderlich professionell, bei solchen Fragen auf den Verlag zu deuten und die Schuld schieben zu wollen (auch wenn eine Änderung seites des Verlegers ebensowenig professionell ist), zweitens will man das Verhältnis zu dem- oder denjenigen, die die eigenen Ergüsse tatsächlich veröffentlichen wollen, nicht belasten. Wer kann denn sagen, ob man wieder jemanden findet, wenn man sich einmal überworfen hat? Eben.

Sicherlich kann man auf das Verständnis der Leserschaft hoffen, daran glauben, dass die wirklich treuen Fans es einem nachsehen werden, wenn sich Bücher verschieben. Allein: Es ist eine Hoffnung, mehr nicht. Wenn der Ruf erst einmal beschädigt ist und der Autor aufgrund der Entscheidungen und Fehler seites eines Verlags als unzuverlässig gilt, dann ist es sicherlich schwer, dieses Image wieder abzustreifen.

„It’s done, when it’s done!“

Ein Patentrezept in diesem Fall ist sicherlich nicht zu finden. Nach einigen Erfahrungen der letzten Monate habe ich mir aber angewöhnt, die bereits zitierte Aussage von id-Software zu kopieren. Damit nimmt man sich mitunter selbst den Druck und erspart sich möglicherweise Frust und Imageschaden. Der Clou dabei ist wohl, die Leser zwischendrin trotzdem bei der Stange – also auf dem Laufenden – zu halten.

Die Grundlage ist Kommunikation. Verlage müssen davon abrücken, vorschnell Termine in den Äther zu blasen und sich vielleicht einfach auf das in diesem Artikel immer wieder zitierte Mantra besinnen. Autoren müssen das letztlich auch. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es einen in den Fingern juckt, möglichst schnell zu veröffentlichen, wenn ein Projekt abgeschlossen ist. Aber es schadet doch nicht, statt eines fixen Datums einfach mal weniger konkret zu sein. Oder den Konjunktiv zu verwenden. Das kleine Wort „Wahrscheinlich“ kann schon eine Menge ändern.

G.R.R.M. macht es mittlerweile ja ähnlich – und bekanntlich ist die Leserschaft seiner Fantasy-Saga damit zufrieden und der Hype darum ungebrochen. Das wichtige Stichwort ist und bleibt dann wohl: Entschleunigung. Und das wäre im Sinne aller.

Artikelbild: vasakna | fotolia.de

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein