Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Während im Advent die Innenstädte gefühlt fast jeden Sonntag um Weihnachtseinkäufer buhlen, sind wir Phantasten doch froh, dass es auch im Winter angenehmere Alternativen für uns gibt. Wie beispielsweise Steamtropolis – „The Winter Fair“, ein eintägiger Jahrmarkt im Zeichen des Steampunks.

Die erste Veranstaltung der Reihe von Funkelglanz, unter dem Motto „die magische Zeitreise in eine dampfbetriebene Parallelwelt“, fand am zweiten Maiwochenende in diesem Jahr statt und stieß auf positive Resonanz, so dass ein Folge-Event nicht verwundert. Gespannt, was dort zu finden sein würde, machte ich mich auf den Weg. Leider ohne Kamera, da diese ausgerechnet direkt vor der Hinfahrt ihren Betrieb endgültig einstellen wollte. Die Artikelbilder mussten daher leider mit Handy-Kameras aufgenommen werden, was sich generell und besonders bei den Innenaufnahmen bemerkbar macht.

Location und erste Eindrücke

Matrix Bochum, die größte Diskothek der Stadt, bietet sich als Kulisse für eine derartige Veranstaltung durchaus an: Beheimatet in einem ehemaligen Brauereigebäude aus dem 19. Jahrhundert und bekannt für Veranstaltungen alternativer Szenen, insbesondere der verwandten Gothic-Szene. Entsprechend stimmig präsentiert sich der Veranstaltungsort im Inneren: Ein wenig verwinkelt, fließende Übergänge zu den Hallen, Steinfassaden. Abseits von bunten Lichtern könnte man sich die Matrix in den meisten Teilen tatsächlich noch als Industriebau des 19. Jahrhunderts vorstellen, was ihr speziellen Charme verleiht und hervorragend mit der Thematik des Events harmoniert.

Vor stimmigen Hintergrund wird gewerkelt.
Vor stimmigen Hintergrund wird gewerkelt.

Pünktlich zur Eröffnung stand man dann um 12 Uhr vor der Tür, der Einlass verzögerte sich jedoch etwas und es wirkte vor der Tür doch erstaunlich leer. Nur rund 20 Leute hatten sich dort versammelt, was jedoch wohl der Tageszeit geschuldet war. Im Laufe des Tages wurde es nach und nach deutlich voller, und insgesamt dürften meiner Einschätzung nach Besucher im mittleren bis höheren dreistelligen Bereich dort gewesen sein.

Ein elegantes Paar vor der Matrix.
Ein elegantes Paar vor der Matrix.

Mit steigender Besucherzahl fielen auch schnell die vielen Gewandungen auf, die sich allesamt individuell, atmosphärisch und detailreich zeigten. Von viktorianischen Kleidern bis zu Militäruniformen war alles vertreten – wenn natürlich auch Klassiker wie Schweißerbrillen, Zylinder und Westen besonders häufig zu sehen waren. Grob geschätzt präsentierte sich die Hälfte der Besucher in der einen oder anderen stilgerechten Form – was der Atmosphäre sehr zugute kam. Sehr schön: Auch die Gäste ohne Gewandung fielen durch dezente Kleidung auf, so dass kein auffälliger Kontrast zu den Damen und Herren in Steampunk-Optik auftrat.

Eine wahrlich detailreiche Gewandung.
Eine wahrlich detailreiche Gewandung.

Was ebenfalls schnell auffiel: Die Lichtverhältnisse innerhalb der Matrix. Verschiedene Lichtquellen in diversen Farben, im Gesamten jedoch eher dunkel. Was für Fotos (mit Handykamera) unpraktisch war, kam dem Gesamtbild wiederum zugute. Auf der Gratwanderung zwischen „zu dunkel, um gut zu sehen“ und „zu hell für gediegene Atmosphäre“ wurde überwiegend die goldene Mitte getroffen.

Weniger gut getroffen wurde das Angebot an Speisen. Während es an Trinkbarem, wie bei einer Diskothek zu erwarten, eine gute Auswahl gab, wurden im Café lediglich Cupcakes und Brezel angeboten. Für eine Tagesveranstaltung definitiv zu wenig.

Aussteller und Programm

Beim Schlendern durch die Gänge und Hallen konnte man sich wirklich wie auf einem Markt fühlen: Viele Stände, an denen präsentiert und überwiegend auch verkauft wurde. Angenehmerweise keine Massenware, sondern handgefertigte Unikate, phantasievoll und hochwertig. So machte alleine das Ansehen Freude, wenn auch der Erwerb erwartungsgemäß eine pralle Geldbörse empfahl.

Was gab es nicht alles zu sehen – Kleider und Korsetts, wunderschöne Taschen, kreativ veredelte Hüte, gut gestaltete (Spielzeug-)waffen und steampunkige Elektronik. Jedem Stand waren Herzblut und Liebe anzumerken, sowohl bei den Produkten, wie auch bei den gewandeten Verkäufern.

 

Lobenswert war auch der Umgang mit Kunden, wie ich zumindest bei Syrestria erfahren durfte: Dort erwarb ein Freund einen handgefertigten USB-Stick mit Glasverkleidung, der ihm später zu Boden fiel – wodurch das Glas leider zersprang. Dieser wird nun vom Hersteller repariert und neu verkleidet, und soll bereits in dieser Woche wieder bei ihm sein – für die schmale Aufwandsentschädigung inklusive Porto von nur 5 EUR. Sehr kulant und sympathisch!

Eine handgefertigte Tastatur im viktorianischem Stil – bei Syrestria.
Eine handgefertigte Tastatur im viktorianischem Stil – bei Syrestria.

Verkauft wurde auch am späten Nachmittag, bei einer Auktion. Dort gab es einige Unikate und stilvolle Teile, wie auch (sehr ungeliebte) rosafarbene Hüte, von denen der letzte (von dreien) selbst für nur 5 EUR keinen Abnehmer mehr fand. Generell wurden viele Artikel sehr günstig versteigert. Das angekündigte Highlight am Ende, eine handgefertigte Echtleder-Notebook-Tasche mit Metallbeschlägen, ein Unikat, fand sogar erst nach Aufhebung des Mindestgebots von 100 EUR einen Käufer und wechselte für billige 55 EUR den Besitzer. „Es zerreißt mir das Herz“ kommentierte ein Besucher die Auktion.

Drei von vielen stilvollen Damen.
Drei von vielen stilvollen Damen.

Abseits des Marktgeschehens gab es auch einige Auftritte und Präsentationen. Für Freunde phantastischer Literatur fanden ganztägig Lesungen im Café statt, was einerseits Entspanntes sitzen ermöglichte, andererseits jedoch zwangsläufig zu einer Geräuschkulisse führte, die einer Buchlesung nicht so ganz gerecht wurde.

Besser traf es da den Autoren Marco Ansing, der seine Auftritte (ein „interaktives Mitmach-Märchen für Kinder“ und ein „inszeniertes Steampunk-Weihnachts-Hörspiel“) in einer eigenen Halle aufführen konnte, wo es entsprechend wesentlicher ruhiger war. So konnte man sich gänzlich auf die Aufführung einlassen.

Marco Ansing und seine Unterstützung, Merle Brose, haben sichtbar Spaß beim Hörspiel.
Marco Ansing und seine Unterstützung, Merle Brose, haben sichtbar Spaß beim Hörspiel.

Auch musikalisch wurde etwas geboten. Zum einen der Liedermacher Ronnie Pop, der zwei Auftritte gab, zum anderen Daniel Malheur, der  seinen „Monokelpop“ sehr charmant ans Publikum brachte. Unterstützt wurde er bei seinem ersten Auftritt dabei von der Tänzerin Aela mit einem „Marlene Dietrich Bellydance“. Gegen Abend konnte man sie noch ein weiteres Mal mit einer „Wild West Performance“ sehen, im Anschluss an die „Steampunk Tank Demonstration“ ihres Mannes David Lee. In dieser wurde von ihm ein Steampunk-Gefährt für einen fiktiven James Bond des 19. Jahrhunderts gezeigt und dessen Technik erläutert. Laut Präsentation sogar fahrtüchtig, wenn auch nur für wenige Meter, bevor der Strom aufgebraucht ist. Eine Fahr-Vorführung gab es jedoch leider nicht.

David Lee vor dem Gefährt.
David Lee vor dem Gefährt.

Sonstiges und Fazit

Eine schöne Veranstaltung, die jedoch noch etwas Luft nach oben hat. Pünktlicher Einlass, von Beginn an funktionierende Technik, eine bessere Auswahl an Speisen und Buchlesungen in ruhigerer Kulisse wären wünschenswert. Im Gesamten jedoch war es eine gute Veranstaltung: Neben einigen Auftritten punktete die Veranstaltung vor allem mit ihren kreativen und stimmungsvoll gewandeten Besuchern und den vielen liebevollen Waren und Marktständen. Auch Aussteller wie die Steampunk Expeditionsgesellschaft, die Funde ihrer fiktiven Expeditionen zeigten und Geschichten zu diesen erzählten, bereicherten den Gesamteindruck.

 

Auch maskiert kann man sich sehen lassen.
Auch maskiert kann man sich sehen lassen.

Für den fairen Eintrittspreis von 6 EUR im Vorverkauf konnte man einen angenehmen Tag in schöner Atmosphäre verbringen, der sich durch seine ruhige und gediegene Atmosphäre nicht nur von verkaufsoffenen Sonntagen, sondern auch anderen phantastischen Veranstaltungen absetzte. Auffällig auch das weite Spektrum an Altersklassen: Bis hin zu Besuchern an der Grenze zum Rentenalter fand man, generell auffällig, viele Gäste im höheren Alter. Harmonisch vereint im Setting; ein Event der tatsächlich für Jung und Alt war, ohne dass jemand altersmäßig aus dem Rahmen gefallen wäre – sehr schön!

So freue ich mich schon auf die nächste Steamtropolis, die nächstes Jahr zu Himmelfahrt wieder zweitägig stattfinden wird (am 4./5. Mai 2016), und hoffe auf ein ebenso schönes und stimmiges Event.

Fotografien: Michael Fuchs
Logo: Funkelglanz Events

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein