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Das zweite von Ulisses Spiele veranstaltete Vampire Live setzte den Plot des V-20-Release-LARPs fort und konfrontierte jahrhundertelang verfeindete Sekten mit einem Widersacher, der sie beide gleichermaßen bedrohte. Es wurden Bündnisse geschlossen und gebrochen, dunkle Rituale abgehalten und allerorten schossen spontane Intrigen aus dem Boden. Kurz: Vampire Live, wie man es sich vorstellt.

Die Kommandeursburg wird zur Ordensburg

Der dunkle Raum wird von bläulich-violettem Licht und leichtem Dunst durchzogen. In seiner Mitte thront ein massiver Tisch mit einer großen mittelalterlichen Karte Aachens. Darauf – hölzerne Spielfiguren in verschiedenen Farben. Sie dienen der Entwicklung eines Schlachtplans, symbolisieren aber ebenso, dass alle Beteiligten Bauern in einem großen Schachspiel sind. Eingeschlossen ist die Halle des mysteriösen Ordens von hohen, kalten Mauern.

Der Ort der Veranstaltung war für ein Vampire Live wie gemacht. Die Kommandeursburg in Kerpen war von Ulisses Spiele für den gesamten Tag gemietet worden und bildete den Rahmen für das etwa vierstündige Event. Der Hauptvortragsraum wurde zum Empfangsraum der Hüter des Blutes umdekoriert und bildete damit die Hauptspielfläche. Die Veranstalter hatten sich sehr viel Mühe gegeben, den Raum passend einzurichten und auszuleuchten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und bildete eine schöne Bühne für die Interaktion der Spieler.

Die Außen- und Nebenbereiche wurden, aufgrund der Teilnehmerzahl, relativ wenig genutzt, aber auch hier war überall eine geübte und kompetente Hand sichtbar. Ob ein mystischer Orden ein zentrales DJ-Pult in der Mitte des Raumes braucht, sei nun einmal dahingestellt, aber die musikalische und Lichtuntermalung haben es definitiv wettgemacht, dass man dieses Detail wohlwollend übersehen konnte.

Die Vorgeschichte: Crowdfunding-Aktion und Regeln

Alle Unterstützer des Crowdfundings hatten die Möglichkeit sich auch für das LARP anzumelden. Um als Neugeborener teilzunehmen, war insgesamt ein Pledgelevel von 150 EUR, für Ancillae 250 EUR und für Ahnen 500 EUR notwendig. Die Charaktere selbst wurden dann vor Ort von der SL in einem überraschend simplen und schnellen Verfahren abgenommen. Die stark vereinfachten Regeln erlaubten einen schnellen Einstieg in das Spiel und stellten das Erlebnis in den Mittelpunkt. Abhängig vom Clan bekam man kleine, schön illustrierte Karten mit Fähigkeiten, die den Clansdisziplinen entsprachen. Neugeborene konnten hierbei die erste Stufe, Ancillae die erste und zweite und Ahnen alle drei Fähigkeitenstufen nutzen. Möglichkeiten zur Abwehr der Disziplinen gab es nicht. Sobald der Einsatz der Kraft angesagt worden war, gab es kein Zurück mehr und das Gegenüber musste den Einsatz ausspielen. Diese Vereinfachung mag nicht jedem gefallen haben, aber in der Praxis lief der Einsatz übernatürlicher Fähigkeiten damit im Spielbetrieb flüssig und mit einem Minimum an SL-Unterstützung ab.

Die Vorgeschichte: Der Plot

Das LARP war inhaltlich eine Fortsetzung des letzten von Ulisses Spiele organisierten Vampire Live zur Feier der 20-Jahre-Editionen. Die Hüter des Blutes, ein mysteriöser Orden, der unabhängig von den Sekten agiert, hatte Vertreter von Camarilla und Sabbat dazu bringen können, einen Friedensvertrag zu schließen. Die jahrhundertealte Fehde sollte begraben werden, um einem Feind gegenübertreten zu können, der beide Sekten gleichsam bedrohte. In Aachen schlugen seit einiger Zeit Jäger zu, die Kainskinder töteten und dabei keine Rücksicht auf Sekten- oder Clanszugehörigkeit zu nehmen schienen. Beunruhigt von dieser Entwicklung, die die Ahnen an die Feuer der Inquisition erinnerten, wurden Vertreter von Camarilla, Sabbat und Anarchen unter dem Schutz des Ordens in dessen Burg gerufen, um sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Dass es nicht ohne Konflikte zugehen würde, wenn man knapp 50 einander größtenteils unbekannte Kainskinder in einen Raum steckt, dürfte jedem vorher klar gewesen sein. Der Orden schien aber bereit zu sein, das Risiko einzugehen, um die verfeindeten Sekten gegen den gemeinsamen Feind einzuschwören und eine neue Inquisition zu verhindern. Zeitgleich hatte der Orden Unterstützung von einem alten Lasombra angeboten bekommen, der mittels eines Rituals die Schatten zu einer Waffe bündeln wollte, um diese gegen die Jäger zu wenden. Hierfür benötigte er noch weitere Artefakte, deren Anwesenheit er bei dieser Zusammenkunft vermutete.

Einstimmung auf den Abend

Ehe der eigentliche Spielbetrieb beginnen konnte, ließ es sich Martin Ericsson, seines Zeichens neuer Lead Storyteller bei White Wolf, nicht nehmen, die Teilnehmer auf den Abend einzustimmen. Er leitete mehrere Übungen, bei denen sich die Spieler gemäß den Selbsteinschätzungen ihres Charakters in verschiedene Bereiche des Raumes begeben sollten: Monster in die eine, Menschenfreunde in die andere; Camarilla nach rechts, Sabbat nach links usw. Diese dem Theater entlehnten Übungen sorgten dafür, dass man sich auch nach einem langen Contag auf das LARP einlassen konnte und in seinen Charakter fand. Kurz darauf wurde der offizielle Start verkündet und es konnte losgehen.

Etwas ganz Besonderes war es natürlich, dass viele der Stargäste der Veranstaltung auch an dem LARP teilgenommen haben. Man hatte hier also die seltene Chance, einmal mit einem unterwürfigen Ghul zu interagieren, der von Justin Achilli gespielt wurde, oder Martin Ericsson die Wände hoch zu jagen. Für den Fan war es natürlich schön zu sehen, dass den alten wie neuen Machern der Welt der Dunkelheit das Produkt so sehr am Herzen liegt, dass sie sich mehrere Stunden in ein LARP eingefunden haben, in dem sie auch „nur“ ein Spieler unter vielen waren. Aber nun wurdet ihr genug auf die Folter gespannt und wir wollen nun dazu übergehen, von den tatsächlichen Ereignissen auf dem LARP zu berichten. In der Folge werden wir euch den Abend einmal aus der Sicht eines Spielers der Camarilla und eines Spielers des Sabbats schildern, da in den gut vier Stunden so viel passiert ist, dass ein einzelner unmöglich alles mit bekommen konnte.

Die Veranstaltung aus der Sicht der Camarilla

Kaum hatte der Abend angefangen, sah man sich direkt ins kalte Wasser geworfen. Um einen herum wurden Schatten lebendig und verschluckten Kainskinder, es wurde geschrien, einer der Gastgeber war offensichtlich aus dem Clan Tzimisce und gefühlt fand sich an jeder Ecke ein Lasombra. So dürfte sich kein Camarilla-Mitglied ein Elysium, einen friedlichen Ort der Zusammenkunft, vorgestellt haben. Erschwerend kam hinzu, dass zunächst einmal zu klären war, wer denn nun eigentlich „Freund“ und wer „Feind“ auf dieser Veranstaltung war. Als sei die Lage damit nicht schon kompliziert genug gewesen, so stellte sich relativ schnell heraus, dass die Camarilla ohne Fürsten, Primogensrat oder ähnliches dastand und in Aachen ein nicht unbeträchtliches Chaos herrschte, da man sich die Stadt nicht nur mit Sabbat und Anarchen, sondern auch noch mit angriffslustigen Jägern teilen musste. Letztere wurden dann im Laufe des Abend allerdings nicht dargestellt, so dass die theoretische Bedrohung durch die Jäger schnell durch die sehr konkrete Bedrohung durch die Schattenwesen ersetzt wurde und am Ende des Abends die Jäger lediglich unter „ferner liefen“ auftauchten.

Die verstreuten Vampire der Camarilla waren zunächst vollauf damit beschäftigt, einen Sinn in die Geschehnisse des Abends zu bringen. Es tauchten seltsame Artefakte auf, die die Aggressivität der Anwesenden steigerten. Im Zentrum des Raumes standen Ahnen aller Sekten feldherrengleich um einen Stadtplan des mittelalterlichen Aachen herum und diskutierten mögliche Aktionen gegen den einen oder anderen Feind. Je nachdem, wer gerade das Wort führte, war „Feind“ aber auch eher eine fließende Kategorie.

Im Laufe des Abend gelang es den anwesenden Sektenmitgliedern, sich so weit selbst zu finden und zu organisieren, dass man sich zusammensetzen und einen Fürsten bestimmen konnte. Kaum aber war man so weit gekommen, überschlugen sich die Ereignisse und der neue Camarillafürst von Aachen hatte alle Hände voll zu tun, um nicht direkt unter die Räder zu kommen. Die in der Zwischenzeit gefundenen Artefakte wurden dem Orden unter nicht unerheblichem Druck ausgehändigt und man hatte sich ferner wohl mit der Bereitschaft des Sabbats verkalkuliert, die Stadt tatsächlich zu verlassen, so dass man sich plötzlich in einer politisch sehr brisanten Situation wiederfand. Als dann noch die Lasombra die Durchführung des Rituals an sich reißen und das Ergebnis der Camarilla gar nicht gefallen konnte, endete der Abend auch bereits. Für die Camarilla auf einer eher traurigen Note.

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Video von Orkenspalter.tv

Die Veranstaltung aus der Sicht des Sabbats

Von Alexander Jaensch

Der Sabbat als Fraktion war eher verstreut wahrzunehmen, was aber durchaus zum Konzept des „Tu, was du willst“ der Sekte passte. Zugleich war der Kardinal Aachens in beiden großen Plotsträngen des Abends involviert gewesen, was eine geteilte Aufmerksamkeit und auch Ressourcen bedeutete. Zum einen galt es im bereits oben erwähnten politischen Ränkespiel um Aachen, Stellung zu beziehen, zum anderen spielten die Schatten verrückt, was in Zusammenhang mit dem Ritual des alten Lasombras zu stehen schien, was wiederum auf den gesamten Clan Lasombra zurückfiel.

Nach kurzem Hin und Her erneuerte der Sabbat unter Führung des Kardinals sein Angebot, sich an den Rand Aachens zurückzuziehen. Die Anarchen und Camarilla sollten sich des Jägerproblems annehmen. Schlussendlich war es, ob der Ränkeschmiede seitens der Camarilla, allerdings nicht möglich zusammenzuarbeiten und der Abend endete von Sabbatseite aus politisch mit ungelösten Problemen. Da die Camarilla das Angebot des Rückzugs als (so nicht intendierte) Aufgabe des Hoheitsanspruchs sah und direkt einen Prinz Aachens ernannte, sah man sich gezwungen klarzustellen, dass dies so nicht geduldet werden würde. Anstatt also am Ende zu einer Übereinkunft zu kommen, waren die Fronten nun verhärtet und man bleckte die spitzen Eckzähne.

Doch damit nicht genug. Bevor man diesen Streit beilegen konnte, eskalierte die Situation um das Schattenritual. Mehrfach waren am Abend Mitglieder aller Fraktionen von wildgewordenen Schatten angegriffen worden, welche sich der Kontrolle der Lasombra entzogen, was mehr und mehr Druck auf den Kardinal und damit auch den Sabbat ausübte. Der Sabbat fand zwei der gesuchten Artefakte und übergab sie dem Orden. Hierbei zeigte sich eine, den Umständen entsprechende, erstaunliche Effizienz – zumindest, was die Artefakte betraf, leider nicht bei der Schattenbekämpfung selbst. Nach einer durch den Sabbat dominierten Abstimmung wurde erkämpft, dass der Clan Lasombra und nicht der Orden das Ritual durchführte, was in einer herbeigerufenen Schattengestalt und einer geopferten Lasombra-Antitribu des Ordens endete. Besagte Schattengestalt zeichnete sich für die wild angreifenden Schatten verantwortlich, hatte allerdings nicht viel Zeit zu agieren. Nur Sekunden nach ihrem Auftauchen wurde sie von dem Lasombra, der das Ritual überhaupt erst dem Orden vorgeschlagen hatte, überwältigt und ausgesaugt. Ein nun ungemein mächtigerer Lasombra-Ahn schien unaufhaltbar und verschwand manisch lachend in der Dunkelheit. Nach diesem Schock, selbst für den Sabbat, endete das Spiel und die politischen Belange schienen auf einen vertagt werden zu müssen. Wir dürfen gespannt sein, was die Zukunft noch für Aachen bereithalten wird.

Fazit

Insgesamt war das Tenebrae Noctis-LARP eine sehr schöne Veranstaltung. Das Gelände war ruhig gelegen und atmosphärisch schön dekoriert. Der Plot war so gestaltet, dass er nach kurzer Zeit griff und möglichst viele Spieler mit unterschiedlichen Konzepten ins Spiel einbinden konnte. Auch die Gewandung und insgesamt der Aufwand, der von Spielerseite betrieben worden war, konnten sich sehen lassen. Das gemeinsame Spiel mit den Autoren und Verantwortlichen war ohnehin etwas ganz Besonderes, das man in dieser Form wohl so schnell nicht noch einmal erleben wird.  Natürlich sind am Ende eine Menge Fragen offengeblieben. Dass es unklar ist, ob und wenn ja in welcher Form es mit dieser LARP-Reihe weitergeht, dürfte dann wohl der einzige Wermutstropfen bei einer ansonsten sehr gelungenen Veranstaltung sein.

Artikelbilder: Ulisses Spiele
Fotografien: Orkenspalter.TV
Der Eintritt auf dieses Event wurde gesponsort.

Über die Autoren

Marcus RosenfeldMar­cus Rosen­feld ist seit dem Tag, an dem die erste DSA-Box im Spiel­wa­ren­la­den gefun­den hat, ein lei­den­schaft­li­cher Rol­len­spie­ler. Der gelernte Buch­händ­ler und stu­dierte His­to­ri­ker pro­biert dabei gerne alle Spiel­ar­ten des Hob­bys aus. Vom einem der Gezeich­ne­ten, über Schwei­ne­hir­ten und Vam­pire im LARP bis hin zu elfi­schen Go-Gangern hat er dabei im Laufe der Jahre schon viele ver­schie­dene Dinge aus­pro­biert und ist immer noch auf Neues gespannt. 

 

 

 

Marina WeisbandMarina Weis­band arbei­tet in der poli­ti­schen Bil­dung und spielt seit 13 Jah­ren Pen&Paper und live. Wie man Poli­tik macht, hat sie bei Vam­pire: The Mas­quer­ade gelernt. Die Diplom-Psychologin nähert sich über Rol­len­spiel der Jugend– und Erwach­se­nen­bil­dung. Das behaup­tet sie jeden­falls immer, um dar­über hin­weg­zu­täu­schen, dass sie eigent­lich ein­fach nur gern dafür näht, bas­telt, illus­triert und vor allem schauspierlert.

 

 

 

7 Kommentare

  1. Schade, als Außenstehender hat man jetzt ca. 3% verstanden.
    Das nächste Mal vielleicht ein bisschen mehr Hintergrundwissen hinzufügen, damit auch unwissende Heiden wie meine Wenigkeit was verstehen ;-)

  2. Ahhh. Pay-to-Win jetzt auch in der WoD? Ansonsten klingt es leider nach der furchtbaren Crossover-Krankheit, die mit die Tiefe in der alten WoD gekillt hatte. Schade.

  3. […] Das beinhaltet nicht nur die klassischen Bereiche des Pen&Paper Rollenspiels, sondern auch die Bereiche der Computerspiele und des LARP. Gerade im Bereich des LARPs konnten die schwedischen weißen Wölfe bereits ihre ersten Fußabdrücke hinterlassen. Eure Teilzeithelden waren mit dabei und berichteten: Tenebrae-Noctis Ein Larp in Dunkelheit. […]

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