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Die Liebe zwischen einer Menschenfrau und einem Vampir ist nicht erst seit dem Erfolg der Twilight-Serie ein Thema in der fantastischen Literatur, schon in Bram Stokers Dracula spielt entsprechende Anziehungskraft eine – wenn auch viktorianisch verklausulierte – Rolle.

Der Roman Mächtiges Blut erzählt ebenfalls von dieser klassischen Figurenkonstellation und von den Problemen, die entsprechende Beziehungen mit sich bringen können.

„Romantasy“ wird dieses Subgenre der Fantasy häufig genannt, bei dem eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer fantastischen Welt erzählt wird. Mitunter erlebt man als Leser dabei eine positive Überraschung, wie es Stefanie mit Engelseher erging, weil das Buch anders ist als erwartet. Aber in jedem Fall muss man sich auf eine große Dosis Romantik und Liebe einstellen, manchmal gewürzt mit erotischen Szenen. Dies ist bei Mächtiges Blut ganz klar der Fall.

Story

Louisa ist eine ziemlich normale, junge Frau mit einem netten Bürojob und einer gemütlichen kleinen Wohnung. Außerdem hat sie Angststörungen und ein Alkoholproblem, seitdem sie überfallen wurde. Dorian hat eine Villa, einen Butler und mehr Geld als er ausgeben kann. Außerdem ist er mehrere hundert Jahre alt, schließlich ist er ein Vampir.

In einer Diskothek begegnen sich die beiden und Dorian ist sofort von Louisa fasziniert. Diese jedoch lässt ihn nach einem Drink sitzen. Während Louisa nach der ersten Begegnung zwar an ihn denkt, doch noch ohne große Gefühle, braucht Dorian nicht lange, um sich einzugestehen, dass er sich in sie verliebt hat. Da er zutiefst romantisch veranlagt ist und Louisa ehrlich für sich gewinnen will, beschließt er, dafür auf die Verwendung seiner vampirischen Fähigkeiten zu verzichten. Denn mit diesen könnte er sie zwar dazu bringen, sich ihm hinzugeben, aber nicht, ihn wirklich zu lieben.

Hartnäckig umwirbt er Louisa fortan und sucht, anfangs scheinbar zufällig, ihre Nähe. Zwar lässt sie ihn immer wieder an sich heran, um ihn dann trotz ihrer eigenen Gefühle für ihn wieder zurückzuweisen. Sein Reichtum schreckt sie ebenso ab wie die Möglichkeit, verletzt zu werden.

Während Louisa und Dorian sich umkreisen, entwickelt sich eine Bedrohung für Louisa, denn Dorian ist nicht der einzige Vampir.

Trudy stammt aus sozial schwierigen Verhältnissen und ist noch nicht lange Vampirin. Durch Zufall kommt sie in die Stadt und beobachtet die erste Begegnung zwischen dem Liebespaar. Trudy ist neidisch, sie würde gerne mächtig und reich an Dorians Seite ihr Dasein verbringen. Aus diesem Grund entführt sie Louisa, um Dorian zu veranlassen, mit ihr zu sprechen.

Dorian hat wenig Interesse an anderen Vampiren und alle Artgenossen aus „seiner“ Stadt vertrieben. Darüber hinaus ist er naheliegenderweise wenig erfreut, dass jemand Louisa bedroht. Im Zorn setzt er seine herausragend mächtigen, vampirischen Fähigkeiten ein, um Louisa zu retten. Um ihr danach jedoch die Erinnerung an die Entführung zu nehmen, muss er sein übernatürliches Können erneut einsetzen.

Während sich Louisa und Dorian weiterhin näherkommen und einander ihre Geheimnisse anvertrauen, findet Trudy in der ehemaligen Geliebten Dorians, der Vampirin Mary, eine neue Verbündete. Und Mary brennt nur darauf, Dorian zu verletzen und ihm seine seltenen, überaus machtvollen Vampirfähigkeiten zu rauben.

Louisa ist eine sehr normale Figur, die nicht wie teilweise andere Frauen in diesem Genre als reines Opfer und wehrlose Jungfrau in Nöten auftritt. Sie hat zwar eine schlechte Erfahrung hinter sich, die zu Alkoholproblemen und Angststörung führt, doch lässt sich davon nicht aufhalten, sondern kämpft dagegen an. Sie hat eine Meinung, einen eigenen Willen und ist auch nach Dorians Auftritt weiterhin eine eigene Persönlichkeit. Er muss sie zwar retten, doch auch dabei ist sie mutig und trägt aktiv zu ihrer Rettung bei.

Dorian erfüllt alle Regeln des Genres. Er ist reich, gut aussehend, klug, mächtig und romantisch. Doch auch bei ihm gelingt es der Autorin, ihn nicht zu perfekt zu gestalten, denn er zeigt Charakterschwächen wie ein sterblicher Mann. So ist er unbeholfen und unsicher im Werben um Louisa und rasend vor Zorn, wenn sie bedroht wird.

Gegenüber den guten, differenzierten Hauptfiguren lassen die Nebencharaktere jedoch etwas nach. James, Dorians Butler, beispielsweise ist ein reines Klischee. Zwar ein ausgesprochen sympathisches, aber dennoch ein Klischee.

Wirklich bedauerlich ist, dass von den bösen Figuren ausgerechnet Dorians Erzgegnerin Mary ein eher flacher Charakter bleibt, ihre Motivation wird angerissen, aber neben einem durchaus fiesen Plan gegen Dorian zeichnet sie sich vor allem durch schlichte Gemeinheit aus. Auch wird sie für ihre Rolle als große Endschurkin zu spät aufgebaut. Beides ist schade, denn aus ihr hätte sich durchaus mehr machen lassen, was auch der Geschichte gutgetan hätte.

Die Welt des Romans selbst unterscheidet sich wenig von unserer Gegenwart. Das Buch spielt in einer nicht näher definierten Stadt am Meer, möglicherweise hat hier Kiel, die Heimatstadt der Autorin, teilweise Pate gestanden. Alles, was der Leser über Vampire, deren Fähigkeiten und Schwächen wissen muss, um das Buch zu verstehen, erklärt Dorian ganz einfach selbst. Kombiniert mit den sicher vielen Lesern vertrauten, recht generischen Handlungsorten wie einer Diskothek und den beschriebenen Wohnungen der Hauptfiguren hat der Leser keine Verständnisprobleme zu befürchten.

Auf gewisse Art und Weise ist das Ende des Buches vorhersehbar, doch da die eigentliche Frage bei Romantasy nicht lautet, ob Liebenden zueinander finden, sondern wann und wie, stört diese Vorhersehbarkeit nicht.

Denn dazwischen stehen einige Komplikationen, die sich aus dem Charakter der Hauptfiguren ergeben oder von außen an diese herangetragen werden. Die Spannungskurve schwankt dabei jedoch etwas zu sehr für meinen Geschmack. Nach einem gelungenen Aufbau der Figurenkonstellation und ihrer ersten Probleme verliert die Geschichte erst einmal an Fahrt. Im letzten Drittel steigt der Spannungsbogen dann wieder an und resultiert in einem Knall. Danach wird allerdings so ausgiebig aufgeräumt, dass jegliche Spannungskurve wieder verloren geht. Positiv gesehen bleibt dadurch kein Handlungsfaden offen (bis auf einen, sehr bewusst gesetzten). Aber leider wird durch das lange Aufräumen dem Finale die Kraft geraubt und der Leser klappt das Buch mit dem Gefühl zu, nur nett unterhalten worden zu sein.

Schreibstil

Das Buch ist größtenteils in der Ich-Perspektive geschrieben, wobei sich Louisa und Dorian abwechseln. Nur die Szenen mit Trudy sind aus außenstehender Erzählerperspektive verfasst.

Durch den Perspektivwechsel bekommt der Leser einige Szenen teilweise aus der teilweise völlig unterschiedlichen Wahrnehmung der Figuren doppelt präsentiert. Besonders am Anfang, aber nicht nur dort, sorgt dies immer wieder für überaus humorvolle Lesemomente. Außerdem verhindert dieser Kunstgriff, dass durch einseitige Wahrnehmung Dorian oder Louisa zu sehr idealisiert werden.

Generell lässt sich Mächtiges Blut entspannt lesen. Die Autorin verwendet eine moderne Sprache und mixt sie mit Anspielungen auf die aktuelle Popkultur, besonders in Bezug auf Dorian. So vergleicht er sich an einer Stelle mit Batman, auch sein Butler James wird mit Alfred verglichen. Nicht immer wird die Anspielung offen benannt, ist aber dennoch verständlich und auflockernd. Das Paradebeispiel dafür ist Dorians bewusster Verzicht darauf, Louisa ständig zu beobachten, da ihm selbst bewusst ist, wie das wirkt. (Für alle, die keine Romantasy lesen: in der Twilight-Serie benötigen Vampire keinen Schlaf, weswegen die männliche Hauptfigur wochenlang nachts bei der weiblichen Hauptfigur einsteigt, um ihr beim Schlafen zuzusehen, was verständlicherweise als Stalking kritisiert wurde.)

Gestört beim Lesen haben mich allerdings die Sexszenen. Nicht ihre Existenz, in einem Liebesroman für Erwachsene haben sie durchaus ihre Berechtigung. Doch was dabei wie geschieht und geschildert wird, ist streng nach guten und bösen Figuren mit positiv beziehungsweise negativ konnotiertem Geschlechtsverkehr getrennt. Sämtliche Intimität zwischen Louisa und Dorian ist harmonisch und lieb und wird sprachlich mehr angedeutet als benannt. Alles, was Trudy, Mary und die anderen, teilweise nicht namentlich benannten Vampire tun, ist das völlige Gegenteil. Bei ihnen gibt es nur Vergewaltigungen, Inzest, Nötigung oder wenigstens brutalen Verkehr mit einseitiger Befriedigung. Die verwendete Sprache passt zu diesem Verhalten und malt sämtliche Zärtlichkeiten zwischen Louisa und Dorian so in einem noch rosigeren Licht.

Generell ist alles zwischen den beiden tendenziell romantisiert und zuckersüß. Da es sich dabei eine Eigenheit des Genres handelt, ist dies dem Buch nicht anzulasten, macht es jedoch für einen anderen Geschmack eher unattraktiv.

Über die Autorin

Mächtiges Blut ist das Debüt der Kieler Autorin Sandra Florean und erster Band ihrer Nachtahn-Reihe. Die Hobbykostümschneiderin hat den Kieler Autorenstammtisch mitbegründet und arbeitet in der Verwaltung, wenn sie sich nicht vampirischer Literatur oder ihrer Familie widmet.

Im Dezember 2015 erschien mit Blutsühne der vierte und abschließende Teil der Nachtahn-Reihe.

Preis-/Leistungsverhältnis

Dieser Punkt ist schwierig zu beantworten, denn mit 15,99 EUR für knapp 400 Seiten liegt Mächtiges Blut im normalen, wenn auch höheren Preisbereich für eine Broschur. Kombiniert damit, dass ich mich von dem Buch gut unterhalten gefühlt habe, finde ich das Preis/Leistungsverhältnis angemessen. Allerdings gilt dies nur vor dem Hintergrund, die Druck- und Herstellungsqualität nicht beurteilen zu können, da mir nur ein E-Book vorlag.

Erscheinungsbild

Mächtiges Blut Sandra FloreanDas Cover wird von einer halb in der Dunkelheit verschwindenden Frau geziert, die den Betrachter anblickt. Neben ihr wird der dunkle Hintergrund von einem Vollmond durchbrochen, während unten die erleuchteten Hochhäuser einer nächtlichen Stadt zu sehen sind. Im Vordergrund schlängeln sich Ranken über das Cover, die aus dem Verlagslogo zu kommen scheinen. Die Gestaltung passt zum Buch, denn sie fügt Mächtiges Blut elegant in den Coverstil der Vampirromantik ein. Lediglich die Abweichung der Haarfarbe der Frau auf dem Cover von Louisas ließe sich bemängeln, aber das wäre schon sehr pingelig.

Das Korrektorat hat ordentlich gearbeitet, Rechtschreibfehler sind selten. Der Satz ist romantypisch schlicht und unaufgeregt. Über die Druckqualität kann ich keine Aussage treffen, da ich das Buch ausschließlich in elektronischer Form vorliegen hatte.

Etwas verwirrt hat mich der Titel selbst. Denn das machtvolle, alte Vampirblut Dorians spielt zwar eine Rolle, steht aber nicht im Zentrum der Handlung. Ein Titel, der stärker auf den Romantikaspekt der Handlung abzielt, würde das Buch besser charakterisieren.

Die harten Fakten:

  • Verlag: bookshouse
  • Autor(en): Sandra Florean
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Broschur
  • Seitenanzahl: 356
  • ISBN: 978-9963522590
  • Preis: 15,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf dem Blog der Autorin gibt es neben Lesungsterminen und einer Selbstvorstellung auch einige Leseproben aus anderen Werken von ihr. Außerdem wartet ein überaus unterhaltsames Interview mit Dorian auf die Leser der Nachtahn-Reihe.

Fazit

Das Genre des romantischen Vampirromans liegt in Mächtiges Blut in deutschsprachiger Reinform vor. Dabei punktet der Roman vor allem mit zwei realitätsnahen, nachvollziehbaren Hauptfiguren, zwischen deren Perspektiven gewechselt wird, was dem Leser ermöglicht, Szenen aus beiden Blickwinkeln zu erleben. Anders als in einigen anderen Büchern der Gattung ist die weibliche Hauptfigur keine zur Passivität verdammte Jungfrau in Nöten, sondern darf auch aktiv zu ihrer eigenen Rettung beitragen.

Leider lässt die Spannungskurve nach einem durch die Perspektivwechsel humorvollen Einstieg stark nach und auch das wieder wuchtige Finale wird nicht ausreichend vorbereitet. Besonders die eigentliche Hauptschurkin kommt recht plötzlich daher und bleibt blass in ihrer Motivation. Auch die Nebencharaktere verbleiben teilweise etwas zu sehr im Klischee. Gleiches gilt für die Sexszenen, die ebenfalls stereotyp zwischen guten und bösen Figuren unterscheiden.

Dennoch weiß der Roman zu unterhalten, besonders durch die Figuren, aber auch, weil die Welt der Geschichte gut und dennoch unaufdringlich erklärt wird.

Für alle, die einen fantastischen Liebesroman mit Vampiren und einer aktiv handelnden Frau als entspannte Lektüre suchen, ist Mächtiges Blut eine gute Wahl. Wer diesem Genre jedoch nicht viel abgewinnen kann: Finger weg!

Daumen3weiblich

Mit Tendenz nach oben

Artikelbild: bookshouse Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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