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Gestehen wir uns doch alle ein: Fantasy-LARP ist altbacken geworden. Die Welt ist schon tausend Mal gerettet, der Oberdämon schon zigmal besiegt worden. Das klassische Fantasy-LARP ist zwar der Ursprung und althergebracht auch das Hauptstandbein des LARP-Hobbies, aber so langsam wirkt es einfach nur noch abgetragen. Nicht nur deswegen kommen immer mehr neue Genres auf. Zuallererst natürlich die Endzeit, als krasser Gegenpol zum Fantasy-Spiel konzipiert, beginnt doch auch hier der Putz abzubröckeln. Danach gibt es noch Steampunk, alternative Realitäten, Sci-Fi, Nordic-LARP mit experimentellen Settings und und und … Die Liste ist lang. Ich selbst war recht schnell kein riesen Fan von klassischen Fantasy-LARPs mehr, loten sie doch die Möglichkeiten des Mediums LARP meines Erachtens nach nur sehr rudimentär aus. Und so war ich doch sehr skeptisch, als mich Freunde fragten, ob ich mit zu einer neuen großen Fantasy-Conreihe fahren wolle. Ich fragte mich, was mir Fantasy-LARP und das Sanctuarium noch Neues bieten kann. Also schrieb ich einmal Kris von der Sanctuariums-Orga an und plauderte ein wenig mit ihm. Die Einblicke, die mir Kris gewährte, möchte ich jetzt mit euch teilen, denn vor allem wollte er mir nichts Neues bieten, sondern Altes.

Die harten Fakten

Sanctuarium 1: Der Ruf ist eine High-Fantasy-Con, die Anfang Mai (05.-08.05.2016) auf dem Zeltplatz Waldhambach in der Nähe von Karlsruhe stattfindet. Sie ist für 100 Spielerplätze und 50 NSCs ausgelegt und von Spielerseite her schnell ausgebucht gewesen, auf NSC-Seite sind momentan noch 20 Plätze frei. Sanctuarium spielt nach DKWD(D)K, und Leuten, die unbedingt ein Regelgerüst brauchen, wird als Maßstab DragonSys in seiner zweiten Edition ans Herz gelegt. Es ist eine Abenteuer-Con mit hohem Plot-Anteil und nicht wenigen Kampfeinlagen. Der Preis ist mit 89-109 EUR auf Spielerseite und 30 EUR auf NSC-Seite nicht gerade niedrig für einen Viertäger, zumal es mit Zeltunterkünften und Selbstverpflegung ist, insgesamt hält sich das Preislevel aber dennoch im gehobenen Mittelmaß.

Inhaltlich will sich Kris noch nicht wirklich äußern. Es wird ein Kampf „Gut gegen Böse“ werden, ein klassisches Thema also. Aber viel mehr war ihm einfach nicht zu entlocken. Er will, dass die Charaktere die Welt aus erster Hand erfahren und möglichst wenig kreativer Raum durch vorherige Beschreibungen weggenommen wird. Die Erwartungshaltung der Spieler soll nicht zu eng sein.

Die gesamte Conreihe ist auf sieben Akte ausgelegt und, auch wenn man die Cons unabhängig voneinander besuchen kann, darauf konzipiert, sich tiefer und längerfristig mit den Geschehnissen der Kampagne zu befassen. Somit ist Sanctuarium eher keine leichte Kost für zwischendurch, sondern als ordentliche Mahlzeit anzusehen, die den Spieler rundum zufriedenstellen will.

Die Orga selbst bringt mit ihren drei Mitgliedern in Summe mehrere Jahrzehnte Orga-Erfahrung mit, seien es nun größere Fantasy-Conreihen oder mehrere Vampire-Live-Domänen die man organisiert und geleitet hat. Grundlegend spricht also orgatechnisch nichts dagegen, dass das Ganze eine gute Con wird. Auch die Seite sieht professionell gestaltet aus, der Kontakt verläuft gut.

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Spielphilosophie oder: Was steckt dahinter?

Das Ganze klingt ja erstmal nicht schlecht …

Aber halt leider auch nicht wirklich einzigartig. Bisher klingt das nach wahrscheinlich guter Hausmannskost. Zumindest sehen der Koch und das Bild auf der Speisekarte gepflegt und appetitlich aus. Doch eigentlich mag ich Hausmannskost im LARP doch gar nicht so. Warum also soll ich jetzt auf dieses LARP? Ich frage Kris, was für ein Spiel mich auf der Con erwarten wird. Immerhin ist das Setting zwar wichtig, aber dann doch nicht mehr als ein Anstrich. Wenn das Grundgerüst stimmig ist, kann das vieles wettmachen. Vielleicht bietet Kris mir also doch noch etwas, das das Gesamtpaket außergewöhnlich macht.

Ich persönlich bin ein Fan von Grauzonen, von Schattierungen und unterschiedlichen Motivationen. Wenn Leute nicht immer zusammenarbeiten. Von daher kratze ich mich schon ein wenig am Kopf, als Kris mir sagt, dass das Sanctuarium eine klassische Schwarz-Weiß-Schiene fährt. Die Spieler gemeinsam gegen die NSC. Ich weiß nicht, ob ich das mag. Ich habe ja noch nicht mal einen passenden Fantasy-Charakter dafür … die sind alle eher … Dunkelgrau oder … Anthrazit. Doch als er weiterredet entdecke ich doch Einiges, dem ich zustimmen kann und das mir gefällt, an seiner Einstellung und dem, wie das Sanctuarium sein soll.

Wenn Kris redet, redet er davon, was er im deutschen Fantasy-LARP vermisst, von dem, was er wiederhaben will. Also organisiert er LARPs, auf denen er und Leute, die das Gleiche wollen, eben jenes bekommen können. Immer wieder fällt der Begriff Konsequenz. Dieses leidige Thema, das in LARP-Diskussionen mit einem Knüppel immer und immer wieder angebracht und immer und immer wieder totgeprügelt wird. Doch der Anspruch ist nicht schlecht. Sanctuarium will also konsequent sein. Das heißt für die Orga, man will diese ganzen schlechten Angewohnheiten, die sich über Jahre hinweg ins Fantasy-LARP eingeschlichen haben, wieder ausbügeln.

  • Nachts greifen die NSC eh nicht an? Vergiss es und deinen ruhigen Schlaf gleich mit!
  • die Guten ™ gewinnen am Ende eh? Nur, wenn sie sich anstrengen, denn auch die NSC haben Ziele, die sie frei verfolgen können.
  • Samstag 16 Uhr wird’s langsam Zeit für die Endschlacht? … vielleicht? Aber wo? Und ist das alles oder gibt es noch mehr?
  • etc.

 

Sanctuarium ZarulAuch um seinen Spaß oder vorankommen im Plot muss sich jeder Spieler selbst kümmern. Es wird keine großen Plotgeber-NSC geben, die den Spieler an die Hand nehmen oder am ersten Abend fast tot in der Taverne zusammenbrechen, um ihnen den Weg zum Plot zu zeigen. Es wird auch oft nicht die eine richtige Lösungsstrategie geben. Vielmehr stellt sich die Orga darauf ein, dass die Spieler kreativ werden und sie flexibel sein müssen. Hier kommt ein für mich sehr wichtiger Punkt zum Tragen. Der Spieler selbst ist für seinen Spaß verantwortlich. Wenn man so diffizil vorgehen will, muss einem natürlich als Orga klar sein, dass man dann genügend Hinweise streuen muss, da sie sicher öfter mal übersehen werden. Doch selbst wenn die Spieler nicht vorankommen, weil sie die Hinweise nicht finden, steht der Plot nicht still. Denn auch die NSC sind tatsächlich die gesamte Zeit IT und verfolgen strukturiert ihre Ziele weiter. Allzulange Pausen können sich die Spieler ergo nicht erlauben.

Grundsätzlich sollten sich also Spieler, die aufs Sanctuarium fahren, frei machen von alten Gewohnheiten. Es soll wieder bedrohlich sein für den Charakter, der Spieler soll die Angst wirklich fühlen können, nicht nur spielen. Ein löbliches Ziel, wie ich finde, auch wenn ich mir jetzt schon Sorgen mache, wie ich nach drei sehr kurzen Nächten am Montag im Büro aussehen werde, zudem kämpfen doch so gar nicht mein Ding ist … aber gut, dafür gibt es ja die Kämpfercharaktere, die mich beschützen.

An die Wächter der Flammen,

bringt mir die Worte meiner Mutter, erste Bewahrerin des Funkens, Botschafterin der A’shan’Dur, Trägerin des geheimen Wissens, Wahrerin der Flamme.
Sie hinterließ sie mir in ihren letzten Stunden als einzig verbliebene Zeugin ihrer Zeit. Der Zeit vor der großen Mauer und dem verschlossenen Tor.
Ihr Zauber verhinderte den Zugriff der Schatten, doch nun spüre ich Veränderungen nahen.
Mögen ihre Worte nie vergehen. Sie sind das was mir blieb und sie sollen mein Beweis im Kampf gegen den Zauber des Vergessens sein.
In Gedenken an Moira, Wächterin der Flamme und des Funkens, wagt die Reise und folgt den Hinweisen, die ich euch nannte.

In großer Dankbarkeit,
Merenja, Tochter von Moira

Fazit

Als “back to basic” könnte man Sanctuarium bezeichnen. Es geht um den Kampf „Gut gegen Böse“, es geht um Epik und um das Erleben, das wahrhaftige Erleben, nicht nur dabei sein, von Abenteuern. Dafür braucht es Bedrohungen und das Aufbrechen alter Gewohnheiten, das Zurückfinden zu vergessenen Stärken und den Mut, Selbstverantwortung zu übernehmen. Ich kann Kris in einigen Dingen nicht zustimmen und wir haben sicher unterschiedliche Vorstellungen, was das ideale LARP ist. Dennoch interessiert mich dieser Mut zum Rückschritt.

Klassisches Abenteuer-Plot-Fantasy-LARP wird mich wahrscheinlich nie wirklich packen. Es ist und bleibt nun einmal Hausmannskost. Doch Kris hat mich überzeugt, dass er vieles anders machen will als das, was heutzutage im Fantasy-LARP nun mal so schiefläuft. Ob besser oder nicht, sei mal dahingestellt, und lässt sich für mich erst beurteilen, wenn ich mir das Sanctuarium angeschaut habe. Der Koch hat mich zumindest überzeugt, dass er einige interessante Variationen an seiner Hausmannskost vorgenommen hat.

Interessierte finden weiterführende Informationen und Anmeldungen auf der Website des Sanctuarium-LARPs

Artikelbilder: sanctuarium-larp.de

 

4 Kommentare

  1. Dem Autor fehlt, wie sicherlich auch mir, die Zeit für einen vollständigen Überblick in der Larp-Szene. Was die Sanctuarium Orga sich wünscht ist tatsächlich größtenteils Vergangenheit. Es gibt aber noch immer kleine Insel, welche genau die Ziele hochhalten. Es sind kleinere Orgas wie die Dilettanten oder die Phönix Carta Kampagne. 24/7 mit allen Konsequenzen für SCs und Plot. Die SCs entscheiden sich nicht in den Dungeon zu gehen, dann wird dieser halt unbespielt wieder eingepackt. Die SCs wollen sich nicht in Gefahr begeben, dann wird der Plot halt nicht gelöst. Noch ist das MA/Fantasy nicht Tod, sofern sich SLs und SCs Mühe geben gute Plots zu erarbeiten, bzw. konsequent zu bespielen.

    • Wo sagt der Autor denn das es tod ist, er sagt nur das es ihn nicht so sehr interessiert.
      Es gibt wie Du sagst durchaus noch Cons in dem Genre und ich habe in den letzen 3 Jahren auch sehr gute Cons erlebt. Kleine Cons halt. 50 Spieler oder nur wenig mehr.
      Was ich bei der Con Beschreibung etwas schwierig finde ist das beide Gruppen NSC, SC Handlungsfreiheit genießen aber „nur“ 50% NSC auf 100% Spieler treffen.
      Damit ist eigenlich ein Sieg der Spieler schon vorgegeben oder man greift zu dem von mir wirklich nicht geliebten Dauerresporn der NSC. Aber NSC sind halt eine immer noch seltene Spezies.
      Schade das Karslruhe für mich wirklich weit weg ist, ich hätte mir sonst auch überlegt die COn zu besuchen.

  2. Ich betreibe ausschließlich Mittelalter-Fantasy-Larp … und das seit 1992. Ja … es hat sich einiges verändert … Ja … es wiederholen sich die Grundpfeiler … Aaaaaaaaaaaaaber …
    … solange eine Orga das gut macht und sich Mühe gibt, wird JEDER seinen Spaß haben … Völlig egal, ob man die Welt zum X-ten-Male rettet oder nicht …
    … WAS allerdings ein Problem aus meiner Sicht darstellt, ist, dass es immer weniger gute Veranstaltungen gibt! …
    … Mit „Gut“ meine ich … es gibt einen logischen, schlüssigen Plot, der durch ausreichend und gut eingewiesene NSCs gespielt wird … eine Spielleitung, die auf SC-Aktionen eingeht und diese ggf. auch honoriert … Aufbauten und Ausstattung – die müssen nicht riesig sein oder hoch-technisch ausgestattet sein … Nein … sie sollten wenigstens überhaupt VORHANDEN sein … und als B-Note brauchbar aussehen …
    Orgas müssen wieder lernen Geschichten zu erzählen, ein Setting glaubhaft darzustellen und einen Plot breit genug zu stellen, dass auch tatsächlich 80 SC etwas davon haben … nicht nur 5 …
    … Ich verfolge es jetzt schon über 20 Jahre und muss leider feststellen, dass die meisten Orgas leider keine guten Cons mehr machen – was nicht deren Schuld ist, denn sie erleben ja ebenfalls nur mäßige bis schlechte Veranstaltungen! …
    … Das Fässer „Großcons“ und „Reen-Larpment“ will ich jetzt besser mal gar nicht öffnen …
    Ich finde Mittelalter-Fantasy-Larp bietet nach wie vor hervorragende Möglichkeiten eine tolle, kreative und stimmungsvolle Larp-Zeit zu erleben … es muss nur wieder anständig gemacht sein.
    Was das Sanctuarium angeht … ich werde dort sein und es mir anschauen … :)

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