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Jedes anständige Fantasy-Rollenspiel braucht natürlich ein Quellenbuch, in dem eine (möglichst große) Auswahl an Bestien und Antagonisten präsentiert wird. Denn ohne mächtige Gegner, die es zu besiegen gilt, hält sich der Ruhm unserer Helden und Heldinnen in denkbar kleinen Grenzen.

Mit dem Aventurischen Bestiarium ist Ende vergangenen Jahres nun endlich auch ein passendes Werk für DSA5 erschienen – oder zumindest der erste Teil eines größeren, zusammenhängenden Werkes. Denn für die 5. Edition hat der Verlag eine wichtige Entscheidung getroffen: Es wird keine thematisch zusammenhängenden Quellenbände wie das „Zoo-Botanica“ oder „Tractatus contra Daemones“ mehr geben, sondern mehrere Bestiarien, ähnlich wie bei Pathfinder.

Ich persönlich stehe diesem Ansatz eher kritisch gegenüber. Erstens liegt das an der erschwerten Suche nach einer bestimmten Kreatur. Denn während ich bei thematisch sortierten Bänden sofort weiß, dass ich einen Dämon auch im Quellenband für Dämonen finde, habe ich bei gemischten Bänden das Problem mit der Nadel im Heuhaufen – oder in diesem Fall Monsterhaufen. Zweitens wird durch den gemischten Aufbau der Spieler in gewisser Weise dazu gezwungen, für eventuell gar nicht benötigte Informationen zu bezahlen. DSA hat sich schon immer durch seine große Vielfalt an Spielstilen ausgezeichnet: Kleine Lokalhelden lassen sich genauso gut abbilden wie reine Seefahrer-Gruppen oder überlebensgroße Helden, die es am laufenden Band mit den mächtigsten Gegnern aufnehmen. Aber wozu braucht eine kleine Gruppe von Lokalhelden Spielwerte zu mächtigen Dämonen? Und warum soll sich eine Seefahrer-Gruppe ein Buch auf den Verdacht hin anschaffen, dass darin eventuell ein paar Seeungeheuer enthalten sind? Mit thematisch getrennten Quellenbänden lässt sich so etwas umgehen.

Nachdem ich nun aber meine anfängliche Skepsis zum Ausdruck gebracht habe, möchte ich mich nun endlich für euch dem Bestiarium widmen, denn das kann ja wohl nichts für Entscheidungen von Verlagsseite aus… oder doch?

Inhalt

Der Band lässt sich in vier Teile untergliedern, von denen sich allerdings nur zwei auch tatsächlich um Kreaturen drehen.

Der erste Teil beschäftigt sich – nach einem Grußwort von Alex Spohr – mit dem Aufbau der Kreaturenbeschreibungen und der Erklärung von im folgenden verwendeten Abkürzungen. Außerdem werden hier einige Kampfsonderfertigkeiten, wie „Anspringen“, „Flugangriff“ oder „Überrennen“ vorgestellt. Diese sind allerdings, wie man sich bei den Bezeichnungen sicherlich schon denken kann, nicht für Spielerhelden, sondern ausschließlich für Raubtiere und andere Bestien gedacht.

Der Laraan - Verderber von Fleisch und Geist
Der Laraan – Verderber von Fleisch und Geist

Im nächsten Abschnitt geht es dann richtig los. Groß prangt die Überschrift „Ungeheuer“ über dem kurzen Einleitungstext, was aber eigentlich etwas irreführend ist. Zwar werden hier 40 verschiedene Kreaturen ausführlich vorgestellt, allerdings sind nicht alle davon wirklich Ungeheuer und einige davon sind sogar Humanoide. Ich habe an dieser Stelle nachgezählt, wie sich diese 40 Kreaturen zusammensetzen: sechs Dämonen, vier Feenwesen, zwei niedere und drei höhere Drachen, fünf Untote, dazu einige weitere kulturschaffende Wesen wie Grolme oder Marus. Was dann noch übrig bleibt, darf größtenteils auch tatsächlich als Ungeheuer bezeichnet werden, sei es nun ein Basilisk, ein Schlinger (Anmerkung der Redaktion: oder auch einfach nur T-Rex genannt) oder ein Säbelzahntiger. Nicht alle dieser Lebewesen sind bösartig – insbesondere Feenwesen, Grolme und Yetis – und anderen Zweibeinern gegenüber im Regelfall neutral, wenn nicht sogar freundlich eingestellt. Der Begriff Ungeheuer ist hier also sehr weit gefasst.

Die einzelnen Kreaturen werden sehr detailliert vorgestellt und ich habe den Eindruck, dass man sich hier strukturell an den Meisterpersonen-Bänden der letzten Edition orientiert hat. Jedes Wesen wird detailliert auf einer Doppelseite vorgestellt, wobei jeder Eintrag von einer kleinen Geschichte eingeleitet wird. Meistens handelt es sich hier um Auszüge aus inneraventurischen Büchern oder Märchen. Besonders amüsant fand ich beispielsweise den Eintrag zu Höhlendrachen, in dem einer Drachin der schönste Jüngling des Dorfes – ob er noch Jungfrau ist weiß niemand so genau – als Opfer angeboten wird, und sie diesen kurzerhand entführt anstatt ihn zu verspeisen. Gefolgt wird das Ganze von einem Fließtext, der die Verbreitung und Lebensweise genauer beschreibt. Hier finden sich Informationen zum generellen Verhalten, Beziehungen zu anderen Kreaturen, Fressgewohnheiten und vielem, was man außerdem noch über dieses Wesen wissen sollte. Die „harten Fakten“, also die spielmechanisch relevanten Werte werden in farblich abgesetzten Kästen präsentiert. Neben den Eigenschafts- und Fertigkeitswerten sind hier auch Informationen zu Größe und Gewicht, Kampfverhalten und eventuell zurückbleibender Beute angegeben. Außerdem finden sich hier auch Einträge, wie viel man bei welcher Fertigkeitsprobe über die jeweilige Kreatur herausfinden kann.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit gewöhnlichen Tieren, die auch bei uns existieren oder in grauer Vorzeit schon einmal existiert haben. Vom Alligator über den Kampfhund bis hin zu Reittieren ist hier das Wichtigste der Tierwelt vertreten. Die Fließtexte zu den Tieren sind knapp und die Einträge pro Tier nur eine Seite lang, aber die Wertekästen sind ebenso ausführlich wie im vorangegangenen Kapitel.

Den Abschluss bildet ein Anhang, der neben einigen neuen Vor- und Nachteilen wie „Drachentöter“ oder „Raubtiergeruch“ auch generelle Regelinformationen zu Kreaturentypen, wie zum Beispiel Geistern oder Feen beinhaltet. Außerdem werden hier Sonderfertigkeiten und Informationen zur Beuteverwertung präsentiert, was vor allem für Jäger und Alchemisten praktisch sein dürfte.

Auch gewöhnliche Tiere, wie ein Jaguar fanden ihren Weg in das Buch
Auch gewöhnliche Tiere, wie ein Jaguar fanden ihren Weg in das Buch

Doch was ist nun vom Inhalt im Allgemeinen zu halten? Mit der Darreichungsform habe ich überhaupt kein Problem, diese wurde meiner Meinung nach vorbildlich gewählt. Sehr wohl habe ich allerdings mit der Auswahl der Kreaturen ein Problem. Es ist nicht nur so, dass lediglich eine recht geringe Anzahl angeboten wird, sondern es fehlen auch grundlegende Wesen, die in Aventurien sehr oft auftauchen. Der Krakenmolch zum Beispiel kommt in fast jedem Seefahrts-Abenteuer vor, ist aber nicht vorhanden, ebenso wenig wie die Seeschlage. Dafür hat man Wesen mit aufgenommen, die nur lokal begrenzt vorkommen, wie zum Beispiel die Grolme. Ich weiß ja, dass dieses Buch nicht der letzte Kreaturenband zur aktuellen Edition sein wird.

Trotzdem hätte ich – gerade beim ersten Teil – erwartet, dass die am häufigsten vorkommenden Kreaturen vollständig enthalten sind, und unbekanntere Wesen in späteren Veröffentlichungen nachgereicht werden. Was mir auch nicht einleuchten will, sind die aufgeführten humanoiden Spezies. Informationen zu Marus und Krakoniern sind ja schön und gut, aber wenn man schon solche Exoten aufnimmt, hätte man auch gleich den Ork-Räuber, den bösen menschlichen Schwarzmagier oder eine Goblin-Schamanin samt ihrer Sippe behandeln können. Diese tauchen sehr viel häufiger auf, und hätten sich eine Erwähnung eigentlich mehr als verdient – und dass man den Begriff Bestiarium hier ohnehin nicht so ernst genommen hat, müsste ja mittlerweile klar sein.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für einen vollfarbigen und gut verarbeiteten Quellenband mit zahlreichen Illustrationen ist ein Preis von knapp 28 EUR eigentlich akzeptabel… aber günstig ist er bei einer Stärke von gerade einmal 128 Seiten auch nicht wirklich. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist in diesem Fall also eher als durchschnittlich einzustufen.

Erscheinungsbild

DSA Bestiarium Ulisses Spiele CoverAn der Gestaltung des Bestiariums habe ich gar nichts auszusetzen, im Gegenteil: Einmal mehr zeigt sich hier, dass die Entscheidung, die Bände der 5. Edition in Vollfarbe erscheinen zu lassen, richtig war und bleibt. Dabei wirkt die Farbgestaltung stets dezent und ist weder zu knallig noch zu blass. Zusammen mit der angenehmen Papierstärke wird hier ein durchweg positives Leseerlebnis geboten.

Die einzelnen Kreaturen werden sehr übersichtlich auf jeweils einer Doppelseite präsentiert. Allgemeine Informationen werden – inklusive einer (sehr) kurzen Geschichte – als Fließtext präsentiert, während genaue Spieldaten und Zusatzinformationen in eigenen Kästen farblich abgesetzt sind.

Über den Stil der Illustrationen kann man sich, wie so häufig, natürlich streiten. Ich finde aber, dass diese stilistisch bis auf wenige Ausnahmen wie aus einem Guss wirken, trotz der Tatsache, dass sie von einem guten Dutzend unterschiedlicher Künstler erstellt wurden. Außerdem halte ich sie auch thematisch für gut passend: Bei gutmütigen magischen Wesen eher etwas weicher und verspielter, bei Dämonen und ähnlichem deutlich düsterer gestaltet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autoren: Dominic Hladek, Marie Mönkemeyer, Alex Spohr, Jens Ullrich
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 128
  • ISBN: 978-3-95752-116-3
  • Preis: 27,95 EUR (Druck), 14,99 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister, Ulisses-Ebooks

 

Fazit

Eigentlich ist dieses Buch durchaus zu empfehlen. Es stellt einen Grundstock an aventurischen Kreaturen ziemlich ausführlich vor, wobei es stets sehr übersichtlich strukturiert ist. Die vollfarbige Gestaltung und die thematisch gut passenden Illustrationen ergeben zusammen mit einer guten  Verarbeitung einen schönen Quellenband. Neueinsteiger in die Welt des Schwarzen Auges werden hier wahrscheinlich voll auf ihre Kosten kommen.

Eigentlich. Denn massiv störend ist die teilweise unpassende Auswahl an Kreaturen, zusammen mit der generell zu kleinen Anzahl an vorgestellten Wesen. Anstelle von einigen wichtigen, weil in vielen Abenteuern auftauchenden Kreaturen, wurden lieber Exoten mit aufgenommen. Weiterhin sind in diesem gemischten Kreaturenband keinerlei Spielwerte für häufig auftauchende zweibeinige Antagonisten enthalten, auch wenn ausgefallenere humanoide Spezies behandelt werden.

Somit wurde bei diesem eigentlich großartig konzipierten Band großes Potential verschenkt. Schade eigentlich, es hätte sehr viel mehr daraus gemacht werden können.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Ulisses Spiele
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4 Kommentare

  1. Die von dir angesprochenen fehlenden Kreaturen, sind im Aventurischen Almanach schon behandelt. Warum sollte man sie dann in jedem Buch nochmal finden.

    Gruß Daniel

  2. Schade, hier wird ganz offensichtlich ein Buch abgewertet, weil dem Rezensenten die Auswahl an Kreaturen und das Bandkonzept nicht gefallen. Es ist auch absolut legitim, das anzumerken. Diese Kritik zieht sich aber durch die ganze Rezension, das hemmt zumindest für mich den Lesespaß erheblich. Ist für mich ähnlich wie ein Menü zu besprechen. Das Essen kann gut sein, die Menüfolge mag der Rezensent jedoch einfach nicht. Die Verbesserungsvorschläge passen dafür in meinen Augen noch viel weniger.

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