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„Das Leben ist voller kleiner Überraschungen“

Pandora (nach Hesiod)

Schon mit der Ankündigung der Publikation Legatin des Bösen spaltete sich die Fangemeinde in zwei Lager. Die einen waren der Meinung, dass bereits der Untertitel, „Ein Myranor-Soloabenteuer für eine hochelfische Heldin der Stufe 21+“, ein wahrer Gaumenschmaus sei, die anderen hingegen waren der Protagonistin und dem Handlungsort gegenüber skeptisch eingestellt.

Und so verwundert es kaum, dass sogar das Vorwort mit den Worten „Ein Soloabenteuer aus Sicht der Pardona ist eine vollkommen bescheuerte Idee!“ beginnt. Allerdings machen die beiden Autoren, Nicolas Mendrek und Mháire Stritter lediglich darauf aufmerksam, dass sie diesen Satz in letzter Zeit häufig gehört haben und dennoch diesen Schritt wagten. Und das mit Erfolg.

Handlung – Ein Leben in vier Akten

Gut, es geht also um Pardona. Wer das ist? Nun, das ist eigentlich keine so schlechte Frage und deshalb widmet sich ein kurzer Einführungstext, direkt nach dem Vorwort, der Antwort. Für die Neulinge in der Welt des Schwarzen Auges ist diese Erklärung wohl ebenso wichtig wie für alteingesessene Myranor-Spieler, die mit der aventurischen Pardona wenig anfangen können.

Pardonas Zelt (c)  Janina Robben - Uhrwerk Verlag
Pardonas Zelt (c) Janina Robben – Uhrwerk Verlag

Pardona ist eine Hochelfe, die bereits mehrere Jahrtausende auf Dere wandelt. Ihre Machenschaften, die hauptsächlich in Aventurien ihre Kreise gezogen haben, reichten immer auch bis in das ferne Güldenland. Einst vom goldenen Drachen Pyrdacor als perfektes Wesen Pyrdona geschaffen, sollte sie das Volk der Hochelfen verführen. Ihre Pläne reichten aber viel weiter, da sie vom Namenlosen, dem Widersacher des zwölfgöttlichen Pantheons, korrumpiert worden war. So führte sie den Untergang der hochelfischen Kultur herbei.

Auch als Chimärologin (Kreaturenschöpferin) machte sie sich einen Namen, sie erschuf unteranderem die Harpyien, Gletscherwürmer und Dunkelelfen (Nachtalben). Letztlich beging sie allerdings einen schwerwiegenden Fehler – nicht ihr erster – und wurde vernichtet. Naja, fast vernichtet. An dieser Stelle setzt das Abenteuer ein.

Kapitel 1 – Vor der Schlacht

Das erste Kapitel beginnt inmitten der Vorbereitungen auf eine Schlacht oder, besser gesagt, auf die Eroberung eines Tempels. Pardona zeigt sich in einer göttlichen Gestalt, um Verbündete zu gewinnen und der Spieler bekommt erste Beschreibungen ihres momentanen Zustandes. Dieser ist alles andere als perfekt, denn Makel haben ihren Körper entstellt. Doch Pardona wäre nicht Pardona, wenn sie diese nicht ignorierte, denn sie weiß, dass es nur ein Frage der Zeit ist, bis sie wieder genug Macht besitzt die Makel zu tilgen. Bis dahin ist es am Spieler, mit ein paar Opfern die Gunst des Namenlosen zurückzugewinnen.

Kapitel 2 – Was zuvor geschah

Der größte Teil des Abenteuers spielt sich auf den Seiten 12 bis 46 ab und umfasst 180 Abschnitte. Der Spieler oder Leser wird zunächst darüber aufgeklärt, was mit Pardona geschehen ist und wie sie fast besiegt wurde. Danach kann der Spieler in die Rolle der stark geschwächten Pardona schlüpfen. Schnell wird klar, dass es der Protagonistin wirklich nicht sehr gut geht und zwar körperlich wie auch geistig. Ihr Köper ist zerschunden und entstellt, der Namenlose hat sie allem Anschein nach verlassen und ihre magischen Kräfte reichen gerade aus, um ihren Körper als Astralleib zu verlassen. Genau der richtige Zustand, um den Ort zu erkunden, an dem sie sich befindet.

Die kleine Stadt Ankonion, die unlängst von einem Drachen angegriffen wurde, wird somit zum Suche-und-finde-Spiel. Nach und nach kann sich der Spieler in Form von Pardonas Astralkörper die verschiedenen Lokalitäten anschauen und mehr über die Stadt herausfinden. So nimmt er zum Beispiel Kontakt mit der Garde auf, besucht den Drachen in seinem Gefängnis oder stattet dem Palast einen Besuch ab. Und je länger er mit Pardona unterwegs ist, umso mehr wird klar, dass es ihr Ziel ist, ihre Macht und die Gunst des Namenlosen wiederzuerlangen.

Um ihr Ziel zu erreichen, benötigt sie aber nicht nur diverse Gegenstände, sondern muss auch den einen oder anderen Körper für geraume Zeit übernehmen. Und selbst das gestaltet sich mal mehr oder mal weniger zu einer Herausforderung für den Spieler.

Kapitel 3 – Die Eroberung des Tempels

Das dritte Kapitel knüpft an das erste an und bringt den Spieler, als Pardona, wieder in die Situation kurz vor der Eroberung des besagten Tempels. Eine weitere Tat, mit der Pardona die Gunst des Namenlosen zurückerobern will. Von den Entscheidungen des Spielers hängt es ab, ob und wie (oder wie schnell) der Tempel letztlich erobert wird.

Kapitel 4 – Heimat!

Pardona im Kampf gegen einen Troll (c)  Janina Robben - Uhrwerk Verlag
Pardona im Kampf gegen einen Troll (c) Janina Robben – Uhrwerk Verlag

Das vierte und letzte Kapitel findet zeitlich etwas später statt und behandelt Pardonas Rückkehr in den Norden. Sie hat sich mittlerweile eine beträchtliche Armee zusammengesammelt und auch ihre Macht ist wieder erstarkt, wenngleich sie noch lange nicht so mächtig ist wie einst. Doch ein herzliches Willkommen in der Heimat scheint ihr nicht vergönnt zu sein und so bleibt ihr oder besser dem Spieler nichts anderes übrig, als sich erneut in den Kampf zu stürzen.

Ob das, was Pardona am Ende erreicht, wirklich ein Sieg ist, weiß wahrscheinlich nur der Namenslose. Und auch der Epilog gibt wenig Aufschluss über die Zukunft der einst so hohen Elfe.

Im Anhang findet der Leser Personenbeschreibungen, eine Karte der Ortschaft (Kapitel 2) und auch die Möglichkeit, das Soloabenteuer in ein Gruppenabenteuer zu verwandeln.

Regeln – Die Würfel sind gefallen, oder nicht?

Das Besondere an dieser Publikation ist wohl in erster Linie die Tatsache, dass die Spieler sich nicht als ein typischer Held versuchen, sondern auf eine Meisterperson zurückgreifen. Seit über 20 Jahren ist Pardona eine Antagonistin in verschiedenen Werken gewesen und nun dürfen sich Spieler in ihre Rolle wagen. „Eine Hochelfe der Stufe 21+“, wie es so schön heißt, ist nach DSA- oder Myranor-Maßstäben schon als mindestens halbgöttlich zu bezeichnen. Deshalb ist es weniger verwunderlich, dass die Autoren auf das Würfeln von Proben verzichtet haben. Um die damit einhergehenden Einschränkungen wieder wettzumachen, greifen die Autoren auf verschiedene Spielmechanismen zurück, die es dem Spiel trotzdem erlauben, ein gewisses Maß an Spannung zu erzeugen. Das Führen eines Inventars, das Erreichen von Zielen oder das Erlangen bestimmter Zustände ist ebenso maßgeblich für das Bestehen verschiedener Aufgaben wie die Truppenstärke oder die Gunst des Namenlosen für den Sieg oder die Niederlage einer Schlacht.

Pardonas Totenbett (c)  Janina Robben - Uhrwerk Verlag
Pardonas Totenbett (c) Janina Robben – Uhrwerk Verlag

Ebenso eine Besonderheit bieten die verschiedenen Nichtspielercharaktere wie Irdoran, Karneos oder NiRauMo, in deren Körper Pardona und somit auch der Spieler eine Zeit lang schlüpft. Die Idee dahinter, die verschiedenen Fähigkeiten der Einzelnen zum Lösen verschiedener Aufgaben zu nutzen, ist gut gedacht. Dass der Spieler dabei eventuell anfängt eine leichte Schizophrenie zu entwickeln, ist auch akzeptabel, denn so kann man sich später leichter in die wirren Gedanken Pardonas hineinversetzen.

Schreibstil – Mystisch und vorhersehbar

Der Schreibstil von Nico Mendrek und Mháire Stritter ist gut zu lesen und schafft es über das gesamte Buch hinweg das gleiche Niveau zu liefern. Die Szenerien und Beschreibungen der Orte und Personen sind durchweg detailliert und erschaffen im Geiste des Lesers eine phantastische und zugleich realistisch wirkende Gesamtdarstellung. Die Handlungsstränge sind relativ einfach gestrickt, sodass auch Einsteiger sich ohne Weiteres im Abenteuer zurechtfinden. Leider ist diese Vereinfachung auch dafür verantwortlich, dass die Handlung relativ linear verläuft und somit leicht zu durchschauen ist. Oder anders gesagt, viele Wege und Handlungen sind offensichtlich und nur weniges ist für den Spieler überraschend. Vermutlich wäre es der Publikation besser bekommen, wenn sie als Zweiteiler etwas mehr Inhalt bekommen hätte.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 12,95 EUR ist für das 78 Seiten umfassende Buch angebracht. Der Inhalt kann sich sehen lassen und wer keine Angst hat, dass das Geld dem Namenlosen geopfert wird, dem sollte es der Spielspaß wert sein. 

Erscheinungsbild – Entzücken und Entsetzen

LegatinDesBoesenDas Coverbild des kürzlich verstorbenen Künstlers Wayne England schafft es nicht nur Entsetzen und Entzücken zugleich in das Gesicht des Betrachters zu zaubern, es ist auch erstklassig auf den Inhalt des Abenteuers abgestimmt. Von dem Makel der Pardona zeichnet bis hin zu den Spielsteinen, welche die verschiedenen Rollen verkörpern, die durch Pardona gesteuert werden, passt einfach alles. Auch innerhalb des Bandes lassen sich tolle Bilder zu den verschiedenen Charakteren und Handlungsort finden, und insbesondere die Zeichnungen von Janina Robben unterstützen die Atmosphäre, die das Buch erzeugen will. Schriftart und Schriftgröße sind für DIN A4 gut gewählt und lesbar.

Die Abschnitte sind zusätzlich zu den Zahlen mit Buchstaben versehen, sodass sie sich leicht den Kapiteln zuordnen lassen. Lediglich die schon öfters bemängelte Abschnittsangabe (zuzüglich zur Seitenangabe) fehlt, ist aber aufgrund der relativ linearen Handlung zu vernachlässigen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor(en): Nicolas Mendrek, Mháire Stritter
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 78 Seiten
  • ISBN: 978-3-95867-012-9
  • Preis: 12,95 EUR gebundene Ausgabe
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Boni oder Downloadcontent sind nicht vorhanden.

Fazit

Bei Legatin des Bösen handelt es sich um ein rundum gelungenes Werk. Was dem Soloabenteuer an inhaltlicher Vielfalt fehlt, macht es durch interessante Spielemechanismen und die facettenreiche/n Protagonistin/en wieder wett. Die Idee, aus Sicht einer Meisterperson wie Pardona ein Abenteuer zu erleben, wurde hervorragend umgesetzt. Das Werk eignet sich sowohl für alte Hasen, die Pardona vielleicht bereits aus Aventurien kennen, als auch für Neueinsteiger.

Das Setting Myranor ist dabei schon fast nebensächlich. Lediglich die Erzählweise ist teilweise sehr linear und vorhersehbar aufgebaut, was die Spannung an einigen Stellen etwas mindert. Dennoch gehört Legatin des Bösen  zu den besten Soloabenteuern der letzten Jahre und ist ein Muss für alle Fans der liebreizenden Hochelfe und des Namenlosen.

Daumen4Maennlich

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

4 Kommentare

  1. „Eine Gänsehaut bereiten“ tut mir vor allem die Frage, wie man der Figur einen Namen geben kann, indem man bei „Pandora“ zwei Buchstaben vertauscht. Das ist einfach nicht lustig (wie die vielen anderen Wortspiele auch) und reißt mich als Spieler automatisch aus dem Hintergund.

    • Hallo Andreas,
      Da es sich bei „Legatin des Bösen“ um ein Solo-Abenteuer handelt, halten sich die Anforderungen an den Spieler in Grenzen. Dies gilt auch für Hintergrundwissen zum myranischen Kontinent.
      Auch aventurisches Hintergrundwissen zur Hauptfigur ist nicht erforderlich, bringt aber eventuell den ein oder anderen AHA-Effekt mit sich. ;)

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