Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Auf dem Morpheus habe ich X-Com: Das Brettspiel entdeckt. Die Kombination aus kooperativem Spiel und Spielsteuerung durch eine App fand ich sehr interessant, deshalb habe ich das Spiel mal genauer unter die Lupe genommen.

Spielablauf

X-Com: Das Brettspiel ist ein kooperatives Spiel, bei dem bis zu vier Spieler mit klar festgelegten Aufgaben zusammenarbeiten, um einem Alien-Angriff auf die Erde abzuwehren. Das Spiel unterteilt sich dabei in eine Echtzeitphase, in der, unter Zeitdruck, aber möglichst in Absprache miteinander, schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, sowie eine Auswertungsphase, in der die Entscheidungen aus der Echtzeitphase umgesetzt und ausgewürfelt werden.

Der Spielverlauf wird vorgegeben durch eine App, welche zum einen die Zeiten prüft, zum anderen auch den Spielverlauf basierend auf den Ergebnissen der Spieler verändern kann. Es gibt verschiedene Schwierigkeitsstufen, die sich hauptsächlich durch die zur Verfügung stehende Zeit in der Echtzeitphase unterscheiden.

Das Spiel ist im Gange. Aliens stehen über mehreren Kontinenten und im Orbit, Abfangjäger sind bereit. Einsatztrupps kümmern sich um Basisverteidigung und einen Auftrag
Das Spiel ist im Gange. Aliens stehen über mehreren Kontinenten und im Orbit, Abfangjäger sind bereit. Einsatztrupps kümmern sich um Basisverteidigung und einen Auftrag

Die App beinhaltet auch die kompletten Spielregeln, sowie ein komplettes und gut aufgebautes Tutorial, in dem den Spielern ohne Zeitdruck in der Echtzeitphase das Prinzip des Spieles näher gebracht wird.

Die Entscheidungen der Echtzeitphase sind hauptsächlich strategischer Natur, die der Auswertungsphase eher taktischer.  Das Würfelprinzip ist einfach: Jede Einheit, die sich mit einem Problem befasst, liefert einen X-Com-Würfel mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 für einen Erfolg und 2/3 für einen Misserfolg.

Zusätzlich wird noch ein W8 als Bedrohungswürfel gewürfelt. Zeigt der Bedrohungswürfel eine Zahl kleiner oder gleich der aktuellen Bedrohung, ist die Aktion für diese Runde fehlgeschlagen. Gesammelte Erfolge bleiben erhalten, aber eingesetzte Einheiten sind verloren. Die anfängliche Bedrohung ist 1.

Ein Misserfolg ist kein Fehlschlag, man darf also versuchen, weiter zu würfeln und weitere Erfolge zu sammeln. Mit jedem Versuch steigt die Bedrohung um  1, was die Chance erhöht, die eingesetzten Einheiten zu verlieren.

Durch Forschung können Technologien entwickelt werden, die die eigenen Chancen beispielsweise durch Autoerfolge oder mehr X-Com Würfel verbessern.

Das Ausgangsszenario des Spieles wird von der App jedes Mal neu zusammengestellt. Unter anderem variiert sie:

  • den Standort des X-Com-Hauptquartieres, was dem Commander unterschiedliche Zusatzfähigkeiten bietet
  • den Invasionsplan der Aliens, was zu unterschiedlichen Nachteilen und einer unterschiedlichen End-Mission im Spiel führt
  • die im Spiel vorkommenden Gegnertypen, was die Entscheidungen des Einsatzleiters beeinflusst
  • Die Ausgangspanik der Kontinente, was viele Entscheidungen beeinflusst

Alleine die veränderte Ausgangslage sorgt schon dafür, dass keine zwei Partien X-Com: Das Brettspiel sich gleichen. Das, kombiniert mit der Reaktion der App auf Ereignisse im Spiel, sorgt für einen hohen Wiederspielwert.

Das Spiel ist auf vier Spieler ausgelegt. Mit weniger Spielern zu spielen, ist theoretisch möglich, allerdings nicht in beliebiger Rollenverteilung ratsam. Die App macht hier Vorschläge für die Verteilung der einzelnen Rollen auf weniger Spieler – dabei sollte man aber auch immer den Erfahrungsstand der Spieler beachten, da die Echtzeitphase sonst schnell überfordern kann.

Ausstattung

Die X-Com-Würfel bieten eine 2-zu-4-Chance für einen Erfolg, während der Alien-Würfel unter der steigenden Bedrohung bleiben muss
Die X-Com-Würfel bieten eine 2-zu-4-Chance für einen Erfolg, während der Alien-Würfel unter der steigenden Bedrohung bleiben muss

Die Box ist eine quadratische Standard-Box von Fantasy Flight Games. In der Box finden sich 95 kleine, 51 normal-große und 20 übergroße Karten mit verschiedenen Einsatzzwecken, 5 Würfel, 76 Token, 44 Plastik-Miniaturen, ein Spielplan und eine Einstiegs-Anleitung. Insgesamt also viel Material fürs Geld.

Alle Token haben eine stabile Stärke, und auch die Karten hinterlassen einen guten Eindruck. Lediglich die übergroßen Karten sind aufgrund ihrer Größe etwas labberiger, was aber in Ordnung ist, da diese seltener bewegt werden müssen. Das Design der Token ist gut, man kann sie auf den ersten Blick auseinanderhalten – obwohl dies für das Spiel gar nicht nötig ist, da jeder Spieler seine eigenen Token in seinen eigenen Spielzonen verwaltet. Die Miniaturen sind sehr detailliert, wobei die UFOs gegenüber den Abfangjägern oder Soldaten etwas zurückfallen. Der stabile Spielplan ist in verschiedene Zonen gegliedert und bietet jedem Spieler seine „Station“.

Die Einstiegs-Anleitung erklärt das Spielmaterial und den Spielaufbau, nennt Bezugsquellen für die App und verweist dann auf das in der App angebotene Tutorial.

Zum Spielen wird zusätzlich ein Gerät mit Android, iOS, Windows oder MacOS benötigt. Vorsicht, dies gilt auch für die Webbrowser-Variante der App, da diese auf den Unity Web Player aufsetzt, welcher dazu erst als Plug-in installiert werden muss. Die App ist – mit Ausnahme der Web-Variante – nicht auf eine Internetverbindung angewiesen.

X-Com Brettspiel BoxDie harten Fakten:

  • Verlag: Heidelberger Spieleverlag
  • Autor: Eric M. Lang
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch (Englisches Original von Fantasy Flight Games)
  • Format: Brettspiel + dazugehörige App (Android, iOS, PC, MAC, Webbrowser)
  • EAN: 4015566021686
  • Preis: 44,95 EUR
  • BezugsquelleAmazon

 

Die App

Die App steuert den Schwierigkeitsgrad des Spieles, der beim Start des Spieles festgelegt werden kann. Dies wirkt sich hauptsächlich auf die verfügbare Zeit pro Aktion in der Echtzeitphase aus, allerdings werden auch Gegnertypen anders ausgesucht oder der finale Einsatz hinausgezögert.

Sehr schön ist der Schwierigkeitsgrad „Tutorial“, bei dem man an keinerlei Zeitlimit gebunden ist und bei dem die App jeden Schritt ausführlich erklärt. So findet man schnell sowohl ins Spiel als auch in die Bedienung der App.

Die XCom-App fürs Brettspiel
Die XCom-App fürs Brettspiel

Die App reagiert dynamisch auf Ereignisse im Spiel. Beispielsweise steigt mit jedem durch den Einsatzleiter abgeschlossenen Einsatz die Chance, dass der finale Einsatz zur Verfügung steht. Je mehr Ufos im Orbit stehen, desto seltener bekommt der Central Officer Tipps, wo Angriffe bevorstehen. Wenn die Spieler in der Echtzeitphase die Zeiten nicht einhalten, quittiert die App das durch ein stärkeres Durcheinanderwürfeln der Aktionen in der nächsten Echtzeitphase. Das bedeutet dann, dass man auch schon mal seine Abfangjäger platzieren muss, ohne dass man weiß, wo Ufos auftauchen werden. Je mehr (Pausen-)Zeit die Spieler über behalten, desto „wohlwollender“ ist das Feedback durch die App.

Die App kündigt jede Aktion, gerade in der Echtzeitphase, nicht nur visuell an, sondern auch durch Abspielen eines passenden Samples. Sobald das Team eingespielt ist, reichen diese Samples, um zu wissen, dass man handeln muss, noch bevor der Central Officer ansagt was zu tun ist. Dies mag nur ein kleiner Vorteil – aber es ist einer.

Schlussendlich bietet die App auch einen passenden und durchaus stimmungsvollen Soundtrack, der sowohl die Atmosphäre, als auch den Zeitdruck, gekonnt unterstreicht. Dieser lässt sich aber bei Nichtgefallen auch abschalten.

Eindrücke aus den Testspielen

Im Spiel gibt es vier Rollen, deren Verteilung auf die Spieler gut überlegt erfolgen sollte:

  • Der Commander verwaltet das Geld der Spieler und sollte in der Lage sein, in der Hektik der Echtzeitphase den Überblick zu bewahren. Außerdem setzt er die Abfangjäger ein.
  • Der Einsatzleiter ist für die Basisverteidigung und die Durchführung von Missionen zuständig. Da seine Truppen bei Fehlschlägen zerstört werden, sollte er die Wahrscheinlichkeiten einschätzen können.
  • Der Forschungsleiter unterstützt das Team durch die Erforschung neuer Technologien. Je besser der Spieler das Spiel kennt, desto besser kann er abschätzen, welche Technologie im Augenblick die meisten Vorteile bringen kann.
  • Der Central Officer hat während des Spieles die Aufgabe, die App zu bedienen. Er ist auch für die orbitale Verteidigung zuständig, aber damit hat er weniger zu tun als die anderen Rollen mit ihren jeweiligen Aufgaben. Damit es in der Hektik der Echtzeitphase nicht zu Bedienfehlern in der App kommt oder Kommunikationsfehlern mit den anderen Mitspielern kommt, ergibt es Sinn, den erfahrensten Spieler mit dieser Rolle zu betrauen. Ansonsten bleiben Vorteile, wie etwa die Vorschau auf kommende UFO-Angriffe, eventuell ungenutzt.

 

Idealerweise sitzt jeder Spieler vor einer eigenen Seite des Spielplanes, allerdings sind alle Bereiche gut erreichbar, so dass man auch mit zwei Personen pro Seite gut spielen kann, wenn man die Sitzordnung an die Rollen der Spieler anpasst. Jeder Spieler verfügt über einige Karten, die seine Rolle und spezielle Fähigkeiten beschreiben, die er zum Einsatz bringen kann. Diese muss er in seinem Blickfeld offen auslegen, so dass entsprechend weiterer Platz um das Spielbrett nötig ist.

Kritikpunkte

Mein Hauptkritikpunkt an dem Spiel betrifft nicht einmal das Spiel selbst, sondern das Layout der App. Die App wurde ursprünglich für Mobiltelefone konzipiert und funktioniert deshalb nur hochkant. Das ist auf Tablets noch zu verschmerzen, aber spätestens, wenn der heimische PC oder Fernseher zum Spielen genutzt werden soll, wird der Platz auf dem Bildschirm nicht optimal ausgenutzt. Ein (zusätzliches) 16:9-Layout würde der App sicher gut stehen und gerade den Spielern zugutekommen, die größere Bildschirme zum Spielen einsetzen möchten.

Die App beinhaltet zwar ein komplettes Tutorial, jedoch leider keine durchgängig lesbaren Regeln. Die Regeln sind zwar komplett in der App vorhanden, allerdings in Form eines alphabetischen Indexes, so dass man zu Schlagworten schnell die passenden Regeln nachlesen kann. Ein Regelheft zum „schmökern“ gibt es damit leider nicht.

Die deutsche Übersetzung der App ist teilweise etwas holprig. Das Menü bietet beispielsweise einen Punkt „Speicher“ an. Gemeint ist aber „Store“, denn hinter dem Punkt verbergen sich Links zu weiteren digitalen Produkten von Fantasy Flight Games im AppStore.

Der Central Officer muss vorlesen, was die App ankündigt. Hier hätte man, zumindest bei Mobilgeräten, auch auf Sprachausgabe setzen können, um den Spieler zu entlasten. Andererseits kann dies auch eine Entscheidung zugunsten der Atmosphäre gewesen sein. Wenn Ihr das Spiel habt, schreibt doch einfach mal in die Kommentare, ob Ihr für oder gegen eine Sprachausgabe in der App wärt.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für knapp 45 EUR bekommt man eine Menge an gut verarbeitetem Spielmaterial. Die Karten sind stabil, die Figuren sind schön detailliert, Figuren und Marker sind griffig. Selbst dem teilweise raueren Umgang in der Hektik der Echtzeitphase ist das Spielmaterial gewachsen.

Durch die zufälligen Startaufstellungen und Ereignisse auf dem Spielfeld und in der App kommt keine Langeweile auf, der Wiederspielwert ist hoch.

Die App ist nicht an einen Kauf des Spieles gebunden, so dass die Möglichkeit besteht, das Tutorial durchzuklicken oder die Spielregeln zu lesen, bevor man die Kaufentscheidung trifft.

Fazit

X-Com: Das Brettspiel überzeugt durch die gelungene Umsetzung eines App-gesteuerten Spiels. Die App und auch das generelle Spieldesign unterstreichen die militärische Science-Fiction-Atmosphäre gut. Die App hilft durch ihren Tutorial-Modus schnell ins Spiel, und der durchdachte Aufbau der App lässt das Spiel nicht langweilig werden. Die App reagiert auf Geschehnisse auf dem Spielbrett, verlangt aber in der zeitkritischen Phase nahezu keine Eingaben. Alle relevanten Geschehnisse finden auf dem Spielbrett, bzw. mit den Würfeln in den Händen der Spieler statt.

Der Zufall der Würfelwürfe lässt sich durch gute Planung und geschickten Einsatz der Ressourcen kompensieren. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kommunikation zwischen den Spielern und das kooperative Vorgehen, vor allem in der zeitkritischen Phase.

Daumen4Maennlich

Produkt: Heidelberger Spieleverlag
Artikelbild und Fotografien: Henning Lechner
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

11 Kommentare

  1. Die fehlende Sprachausgabe fehlt mir an der Stelle nicht wirklich. In Computerspielen finde ich sowas manchmal tatsächlich nervig, wenn ich abwarten muss bis die Sprachausgabe beendet ist, bevor ich weiterklicken kann.

    Was die App am PC angeht kann ich nichts dazu sagen, kann aber die Formatproblematik nachvollziehen.

    Ich find’s auf jeden Fall ein geiles Spiel.

    • Ich habe sowohl die PC-App ausprobiert, als auch den Bildschirm mal ans Handy angeschlossen — es ist leider in etwa das selbe Bild: Die App steht hochkant in der Mitte des verfügbaren Bildschirmes.

  2. Klingt ziemlich interessant, ist auch schön geschrieben, aber kannst Du noch ein wenig darauf eingehen, was die Spieler in der „Echtzeitphase“ eigentlich genau machen müssen?

    • Klar.
      In der Echtzeitphase treten alle Ereignisse auf, und alle Reaktionen darauf werden entschieden, aber noch nicht abgehandelt.

      Hier werden Krisenkarten gezogen, und der Commander entscheidet, welche in den Krisenstapel wandern. Ufos tauchen auf, Abfangjäger werden gestartet, Soldaten werden auf EInsätze geschickt, Forschungen werden zugewiesen etc. Quasi alle wichtigen Entscheidungen werden in der Echtzeitphase abgehandelt.

      Die Auswertungsphase ist nur noch dafür da, die Ereignisse der Echtzeitphase auszuwürfeln und ihre Auswirkungen festzuhalten. Die einzigen Entscheidungen hier sind, ob man neue Truppen rekrutiert und wie oft man Würfe wiederholt, um die benötigten Erfolge zu sammeln .. oder ob man das Würfeln für diese Runde aufhört und die Konsequenzen hinnimmt, die sich natürlich danach richten, was genau man nicht geschafft hat.

      Ich hoffe, das hilft Dir weiter?

    • Ein klares Jein.
      Es gibt in jeder Echtzeitphase eine Pausenzeit, die je nach Schwierigkeitsgrad unterschiedlich üppig ausfällt. Wenn man einen Countdown anhält, läuft stattdessen die Pausenzeit runter, die ebenfalls nicht unterschritten werden darf. Wenn man Aktionen schneller ausfüllt, als geplant, gibt je nach Schwierigkeitsgrad auch wieder Boni auf die Pausenzeit.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein