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05Wer Erfahrung als Spieler mehrerer Pen&Paper Runden hat und eine Live Rollenspielgruppe leitet, sollte ohne Probleme in der Lage sein, selbst eine Pen&Paper Kampagne aus dem Ärmel zu schütteln. Ideen gibt es zu Hauf, das Regelwerk war bekannt – gar keine Schwierigkeit. Dachte ich.

Ganz so einfach ist das natürlich nicht, wie mir bald klar geworden ist. Ich hatte zum Glück eine erfahrene SL, die mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Insgesamt ist mir sehr schnell klar geworden, dass ein gelungener Spielabend insbesondere eines braucht: ein gewisses Maß an Organisation.

Einigt Euch, was Ihr wollt

Und damit meine ich nicht das System, das gespielt werden soll. Wenigstens ebenso entscheidend ist, dass alle mit dem grundlegenden Spielstil der Runde einverstanden sind: Soll die Runde eher rollenspiellastig sein, oder liegt der Fokus mehr auf Kampf und Taktik? Wird eine Welt mit wenig Magie bespielt, oder kann man an jedem Laden um die Ecke magische Artefakte kaufen? Wird ein Setting bespielt, in dem die Ressourcen dauerhaft knapp sein werden, oder wird es einen Überfluss geben? Müssen sie mit ständiger Verfolgung und Paranoia zurechtkommen, oder werden sie die klassischen und allseits beliebten Helden sein (können)? Wo soll sich das Powerlevel der Charaktere bewegen, sprich werden epische Level angestrebt oder bleiben die Helden durchgängig niedrigstufig?

Du musst natürlich nicht im Detail klären, was im Laufe der Kampagne passieren wird. Nicht zuletzt nehmen die Charaktere im Laufe des Spiels mehr oder weniger großen Einfluss ihre Umwelt, so dass sich einiges ändert. Aber das Grundgefühl – das Grundsetting – sollte am Anfang jedem Spieler bekannt sein. Ansonsten drohen Frustration und Enttäuschung.

KISS – Keep it simple, stupid

Je komplexer etwas ist, desto umständlicher und unverständlicher wird es. Für ein flüssiges Spiel ist eine hohe Komplexität oft eher hinderlich, wenn NSC verwechselt werden oder lange Pausen entstehen, in denen Regeln nachgeschlagen werden müssen. Auch außerhalb des Spiels lenken zu komplizierte Dinge schnell ab. Halte es deshalb einfach und ergänze im Laufe der Zeit nur das, was deine Runde wirklich braucht.

KISS im Spiel

Wirklich. (Fast) Jeder Extraschlenker im Metaplot macht die Sache unnötig kompliziert, und verstehen wird es meist eh niemand außer dir selbst. Während des Spiels kommen wie von selbst noch weitere Handlungsstränge hinzu. Du wirst überrascht sein, in welche Richtungen kreative Spieler rennen, wenn man ihnen den Raum dafür lässt.

Ja, eine komplexe Welt mit vielschichtigem Hintergrund ist super. Aber bei 23 verfeindeten Magiergilden, von denen wenigstens 17 bei Vollmond im 8. Jahr nach Entfesselung des göttlichen Artefaktes an verschiedenen Punkten der Welt gemeinsam ein Ritual durchführen müssen, während die Spieler die 94 Kristallsplitter des heiligen Schwertes zusammenfügen, um damit das Urböse besiegen zu können, wird es ein wenig viel.

Wesentlich überzeugender ist ein Antagonist, der ein klar definiertes Ziel hat: König anstelle des Königs werden, einen mächtigen Dämon beschwören, alle guten Drachen ausrotten… Spätestens, wenn die Heldengruppe ihm in die Quere kommt, wird es richtig spannend, denn dann muss er neue Pläne entwerfen, um sein Ziel doch noch zu erreichen. So entsteht ganz von selbst eine dynamische Komplexität. Außerdem kannst du dadurch, dass du dich auf ein einfaches, konkretes Ziel konzentrierst, die Begegnungen und Personen wesentlich bedeutender mache: Der eine Erzmagier, dem die Gruppe manchmal begegnet, ist spannender, als wenn sie fünf oder sechs Erzmagier in ihrem Umfeld hat.

Finde also den passenden Mittelweg. Es ist wie bei einem guten Film oder Buch: Der Hauptplot zieht sich vom Anfang bis zum Ende. Davon zweigen einzelne Nebenplots ab, aber der Zuschauer oder Leser (oder bei dir der Spieler) verliert nicht den Hauptplot aus den Augen. Für alle Beteiligten ist es meist schöner, wenige Handlungsstränge konzentriert und intensiv zu erleben, als von zu vielen parallelen Plots immer nur die Oberfläche zu sehen.

Kiss außerhalb des Spiels

KISS gilt auch für das Umfeld des Spiels. Verzichte auf eine komplizierte Musikanlage und aufwändige Dungeonmodelle, die stundenlang aufgebaut werden müssen, außer du hast alles vor dem Spiel vorbereitet. Alles, was später den Spielfluss unterbricht, nervt.

Konzentrier dich auf die Basics und ergänze sie später. Insbesondere für Runden, die gerade erst zusammengefunden haben und deren Spieler noch nicht viel Erfahrung haben, brauchst du keine perfekte Ausstattung. Charakterbögen, Stifte, Würfel, ein Bodenplan und irgendetwas als Spielfigur, dazu Musik und Knabberkram, und fertig ist die Rollenspielrunde. Darauf aufbauen kann man jederzeit, angepasst an die eigenen Bedürfnisse.

Eine einfache und kostengünstige Methode, große Gegnerhorden darzustellen, sind kleine Plättchen mit Nummern. In verschiedenen Farben gehalten sorgen sie für die nötige Übersicht auf dem Bodenplan: Die 20 grünen Plättchen sind Orks, die 6 schwarzen sind Schreckenswölfe, die 20 blauen sind Goblinkrieger… Gerade, wenn die Helden nicht jedes Monster sofort töten, erleichtert es deine Arbeit die Trefferpunkte im Blick zu behalten ungemein, wenn die Monster durchnummeriert sind.

Weniger ist mehr

Gerade frische SL tappen schnell in die Falle, ihre Welt und das Abenteuer zu überfrachten. Jedes Regelwerk enthält Myriaden von fantastischen, großartigen, ja gigantischen Möglichkeiten die bespielte Welt zu bereichern. Fantastische Rassen, seltene magische Artefakte, exquisite Ausrüstungsgegenstände und Sonderklassen soweit das Auge reicht. Ein Rat: Lass es.

Manche SL sind bei so etwas wie Elstern, die alles einsammeln, das irgendwie ein bisschen glitzert: Sie packen alles in ihre Welt, das irgendwie besonders und spannend ist. Schau dir die verschiedenen Möglichkeiten ruhig an und lass dich inspirieren, aber nutze nicht alles, nur weil es toll aussieht. Eine schwierige Übung, ich weiß, und mir gelingt sie auch nicht immer.

Aber eine Welt, in der es vor besonderen Wesen nur so wimmelt, wirkt schnell überladen. Wenn in einem 150 Seelen Grenzdorf fernab der Hauptstadt Dreiviertel aller Nationalitäten des Kontinents vertreten sind, sich dort drei Halbdrachen, ein Werbär, ein Einhornzüchter und zwei Dryaden finden, lockt der Anblick eines guten Drow niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Das kann natürlich Absicht sein, aber meist sind solche Orte eher überfrachtet als wirklich spannend. Die Charaktere deiner Spieler sind dann keine Ausnahmepersonen mehr, sondern nur ein paar bemerkenswerte Charaktere unter vielen. Die Show sollte aber ihnen gehören, also lass sie auch glänzen.

Auch für Welten mit sehr viel Magie wäre eine solche Überfrachtung übertrieben. Wer noch die Baldurs Gate Spiele kennt, erinnert sich vielleicht auch daran, dass zwar jedes Dorf einen Händler mit zumindest einer Grundausstattung magischer Güter hatte, aber ein Großteil der Bevölkerung trotzdem nur normale Bauern mit ganz normalen Problemen waren.

Oder anders gesagt: Etwas Besonderes ist besonders, weil es selten ist. Zuviel Besonderes auf einem Fleck führt dazu, dass es gewöhnlich wird. Wenn du nicht genau diesen Effekt willst, reiß dich lieber zusammen – so schwer es auch fallen mag.

Vorbereitung und Flexibilität

Bereite einen Abend oder ein Wochenende vor. Nichts ist schlimmer, als mitten im Geschehen stundenlang in irgendwelchen Büchern oder Notizzetteln suchen zu müssen, oder am Sonntagabend festzustellen, dass niemand ein Abendessen vorbereitet hat. Sicher, man kann nicht alles vorhersehen. Aber eine gute Planung macht vieles einfacher.

Bereite das Spiel vor

Gehe das kommende Spiel im Kopf durch und bereite die Punkte vor, die vermutlich anfallen werden. Dazu gehören im Prinzip alle Dinge, die den Spielern in der Spielwelt begegnen und mehr sind als eine oberflächliche Beschreibung:

  • Würfle die Trefferpunkte der Gegner aus. Auch die von den Gegnern, die nur eventuell auftauchen werden. Schreibe dir alle notwendigen Werte raus.
  • Vermerke, wo es welche Schätze für die Spieler zu finden gibt.
  • Skizziere die Pläne von Orten, die deine Spieler mit ihren Charakteren begegnen werden.
  • Drucke ggf. Bilder der Monster auf, die deinen Spielern begegnen.
  • Schreibe dir die Namen der NSC auf, die auftauchen werden, und notiere dir die wichtigsten Informationen über sie.
  • Erstelle eine Namensliste, um spontan auftauchende NSC mit einem Namen abzurunden. Oder erstelle gleich ein paar grobe NSC Beschreibungen (Magda, die gedrungene und übellaunige Frau mit kurzen Haaren; Haaron der hagere Kerl mit der Adlernase und der Zahnlücke…). Benötigst du einen NSC im Spiel schnappst du dir eine dieser Beschreibungen und versiehst sie mit dem gerade benötigten Beruf.

 

Kurzum: Gehe im Kopf das anstehende Spiel durch und bereite alles so weit vor, dass das Spiel selbst flüssig ablaufen kann.

Sei im Spiel flexibel

Nur mit Vorbereitung alleine bist du aber nicht gewappnet. Wie man so schön sagt, überlebt der beste Plan den ersten Feind- oder eher Spielerkontakt nicht. Bleib locker und improvisiere. Klingt erst gruselig, ist aber nicht so schlimm wie befürchtet. Ich wage kaum es zu schreiben, aber von den ca. 6 Goblin Spähtrupps, die meine Gruppe während ihrer ersten Kämpfe gegen Goblinclans aufgespürt und erledigt hat, war nur einer wirklich geplant. Die anderen 5 standen auf meiner Monsterliste und ich wusste ungefähr, wo ich mit ihnen hinwollte. Aber wie genau sie auftauchen habe ich erst im laufenden Spiel entschieden. Wenn du „Monsterpakete“ vorbereitest, denen deine Spieler gewachsen sind, kannst du ein wenig spontan bleiben, wie und wo sie letzten Endes auftauchen.

Eine gewisse Flexibilität wird das ganze Spiel sehr bereichern. Deine Pen&Paper Kampagne ist hoffentlich nicht wie ein Computerspiel, in dem deine Spieler keine andere Wahl haben, als einen fixen Plot Punkt für Punkt abzuarbeiten. Sicherlich sollten die Rahmenpunkte feststehen, nicht zuletzt weil der Antagonist der Kampagne ja seine eigenen Ziele verfolgt und vorantreibt.

Aber wenn deine Spieler das Gefühl bekommen, bloß die Statisten in deinem Masterplan zu sein, vergeht ihnen wahrscheinlich schnell der Spaß an der Sache. Gib ihnen also die Chance durch ihre Handlungen Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen. Wenn sie durch Zufall genau den schmierigen Händler auffliegen lassen, von dem der gesuchte Meuchelmörder sein Gift bezieht, ist es viel spannender, wenn dieser Meuchelmörder sich nun etwas Neues einfallen lassen muss, um den Baron zu töten. Lass deine Spieler immer wieder merken, dass die Handlungen ihrer Charaktere die Spielwelt beeinflussen.

Bereite das Umfeld vor

Zur Vorbereitung gehört aber auch das Umfeld des Spiels. Mach dir rechtzeitig Gedanken darum, wo du mit deiner Runde spielen wirst. Wenn ihr einen Bodenplan nutzt braucht ihr einen Tisch, der groß genug ist. Wenn du Neuspieler hast, frage vorher nach, ob du Würfel für sie organisieren musst. Eventuell ist es für Neulinge auch hilfreich, wenn du ihnen die wichtigsten Regeln auf einem Blatt zusammengefasst ausdruckst. Auch für dich wird es nützlich sein, im Spiel wichtige Regeln schnell nachschlagen zu können.

Wenn ihr ein ganzes Wochenende zum Spielen habt, plane Mahlzeiten ein, die schnell zuzubereiten sind, oder hebe ein paar Flyer vom Bestellservice auf. Und sorge dafür, dass genug Kaffee da ist.

Organisation

Du wirst schnell Schwierigkeiten bekommen, wenn deine Spieler bei ihrem nächsten Händlerbesuch diesen einen Edelstein verkaufen wollen, den sie damals bei diesem einen Kampf gegen die Oger gefunden haben. Oder wenn sie nach mehreren Spielabenden in einen Dungeon zurückkehren, dessen Plan du längst weggeworfen hast.

Es lohnt sich, wichtige Notizen zu archivieren, um bei Bedarf wieder auf sie zurückgreifen zu können. Ob platzsparend digital oder altmodisch auf Zetteln in einem Ordner ist egal. Hauptsache du hast einen Ort, um diese Notizen, Karten und Ideen für neue Abenteuer zu sammeln. Das geht einher mit einem weiteren wichtigen Tipp: Schreib es auf. Egal, wie sicher du dir bist, dir eine gute Idee oder den Namen eine NSC merken zu können, du wirst es spätestens nach ein paar Tagen vergessen haben.

Tipp für Schätze: Nummerier Edelsteine und nicht eindeutige Wertgegenstände aus Schätzen durch. Die Spieler bekommen die Diamanten #1 bis #3 und die zwei Goldketten #4 und #5. Du führst eine Liste mit diesen Nummern und dem dazugehörigen Wert. Die Spieler wissen so nicht, wieviel ihre Schätze wert sind, während du diese Frage noch Monate später beantworten kannst. Für das mystisch blau leuchtende Schwert mit der Drachenschuppe im Knauf ist das nicht nötig, aber bei generischen Schätzen wie Edelsteinen sehr praktisch.

Benenne einen Chronisten

Oder übernehme den Job selbst. Egal, wie begeistert deine Runde dabei ist, wenn nach dem letzten Spiel erst ein paar Tage vergangen sind und man sich mit den ganz alltäglichen Dingen beschäftigt hat, vergisst man Details unglaublich schnell. Wenn es um die Farbe der Tunika eines NSC geht oder darum, ob die Gruppe fünf oder sechs Tage im Wald unterwegs war, ist es meist nicht so schlimm. Wenn die Charaktere aber wichtige Termine wahrnehmen müssen oder es auf bestimmte Details ankommt, ist es ärgerlich wenn sich niemand Notizen macht. Wenigstens du solltest die wichtigen Dinge aufschreiben, um später nachschlagen zu können.

Es muss kein ausführliches Tagebuch sein, Stichpunkte reichen vollkommen. Ein Gruppen“tagebuch“ hat den Vorteil, dass jeder Spieler noch einmal nachlesen kann, wie genau etwas vonstattengegangen ist. Wie genau deine Gruppe dies löst kann individuell gehandhabt werden. Meine Gruppe hat anfangs einen Dropbox Ordner genutzt, ist nun aber auf ein privates Wiki umgestiegen. Probiert aus, was am besten zu euch passt.

Fazit

Die Zeit, die du in die Vorbereitung deiner Kampagne und der einzelnen Spielsessions steckt, sparst du hinterher um ein Vielfaches. Nicht zuletzt erlaubt dir eine gute Planung auch im Spiel flexibler zu sein, und gemeinsam mit deinen Spielern die Session genießen zu können. Denn je besser die Vorbereitung, desto weniger Unterbrechungen kommen im Spiel zustande.

Artikelbild:  strixcode | fotolia.de

 

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