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Wenn ich mir fürs LARP eine neue Rolle ausdenke, muss ich mir neben Rasse, Aussehen und Beruf auch überlegen, wie sie sich gegenüber anderen Charakteren verhalten soll. Soll sie arrogant sein oder unterwürfig? Weise oder naiv? Ruhigen Gemüts oder aufbrausend? Was sind ihre Überzeugungen und was die Bereiche, in denen sie… flexibel ist? Kurzum, ich muss mir über den Charakter Gedanken machen und wie sich dies im Spiel in meinem Verhalten widerspiegelt, wenn ich den Charakter darstelle. Das ist notwendig, damit auch andere den Charakter so wahrnehmen, wie ich das gerne hätte und mir das Spiel liefern, das ich gerne hätte. Einer der wichtigsten Faktoren hierbei ist der soziale Status. Oftmals interpretiert man diesen als absoluten Standpunkt in einer Hierarchie. Ist man König eines Landes, Baron, oder Bauer?

Ist man Hauptmann in einer Armee, Feldwebel, Soldat oder Rekrut? Doch der Status ist mehr als der Stand in einer Hierarchie, auch wenn das ein sehr guter Ansatzpunkt sein kann. Doch dazu später mehr. Die Frage, die sich jedoch unweigerlich stellt ist: Wie zeige ich meinen Stand? Welche Möglichkeiten habe ich, meinen hohen oder tiefen Status aufzuzeigen? Ich habe letztens auf einem Workshop zum Thema Improtheater sehr viel Interessantes zu diesem Thema gesehen und möchte dies mit euch teilen. Ich möchte auch in Zukunft mit weiteren Artikeln diese LARP-Toolbox gemeinsam mit meinen Kollegen füllen und euch und mir Möglichkeiten an die Hand geben, was man schauspielerisch darstellen kann und wie. Doch beginnen wir erst einmal am Anfang.

Der Status im Improtheater – flexibel, nicht absolut

Im Improtheater wird der Begriff „Status” als das Machtgefälle zwischen zwei beteiligten (Bühnen-)Personen definiert. Dieses ergibt sich erst durch das Verhalten der Personen untereinander, nicht aber durch soziale Statussymbole wie Rang oder Titel, welche aber den Status durchaus mit beeinflussen können. Da das Machtgefälle immer zwischen zwei Personen existiert, kann und muss der Status immer wieder variieren, relativ zu den handelnden Personen sowie der jeweiligen Situation. Hierbei kristallisiert sich bei den zueinander in Relation stehenden Personen immer ein Hochstatus und ein Tiefstatus heraus. Jemand, der in einer Szene gerade noch im Hochstatus war, kann in der nächsten auch direkt in den Tiefstatus verfallen, nur weil er mit einer anderen Person redet. Die Improtheater-Leute haben hier einen Spruch, sehr ähnlich unserem „Häuptling-Indianer-Prinzip“: „Hochstatus kann man sich nicht nehmen, Hochstatus wird angespielt.“ Allein das zeigt schon, wie flexibel der Status sein kann. Aber: Er ist immer da. Es gibt keine Abwesenheit von Status.

Doch warum fange ich hier überhaupt mit Improtheaterkram an, wenn wir doch eigentlich über LARP reden wollen? Wir müssen uns bewusst machen, dass das Improtheater darauf ausgelegt ist, dass der Zuschauer möglichst gut und direkt erkennen kann, wie die auf der Bühne agierenden Personen zueinander stehen und miteinander umgehen. Es bleibt keine Zeit für lange Erklärungen, alles muss auf den Punkt gebracht werden. Daher sind Werkzeuge, die das ermöglichen, auch im LARP sehr wirksam, da sie auf maximale Effizienz ausgelegt sind.

Ich möchte beim Charakterspiel im LARP doch sehr offensichtlich mein gewähltes Charakterkonzept darstellen und meinem Gegenüber durch mein Spiel eine möglichst klare Projektionsfläche bieten, auf die er reagieren kann. Mittels der gleich vorgestellten Grundprinzipien kann ich meinem Publikum (in diesem Fall sind das meine Mitspieler) sehr schnell klarmachen, welchen Status ich meinem Charakter gerade gebe und kann so (hoffentlich) die gewünschten Reaktionen provozieren beziehungsweise das Spiel für alle in diese Richtung improvisieren.

Allerdings hat LARP im Gegensatz zum Improtheater eine neue Qualität dahingehend, dass die einzelne Szene in einen größeren Kontext gesetzt wird und nicht für sich allein steht. Die Figuren existieren nicht nur für den Moment, sondern mindestens für diese Con und oftmals auch über mehrere Cons hinweg. Ein direkter krasser Wechsel von Hoch- und Tiefstatus würde daher für viele Spieler immersionsstörend wirken. Von daher soll der Einsatz von Hoch-/Tiefstatus eher erweiternd gedacht sein, um das Repertoire an Darstellung zu vervollkommnen, es aber nicht zu ersetzen.

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass vieles was gleich folgen wird, zwar für hohen bzw. niedrigen Selbstwert der Rolle spricht, jedoch beispielsweise im Hochstatus nicht unbedingt mit Arroganz gleichzusetzen ist. Jemand mit wahrhaften Hochstatus hat es nicht nötig, andere Leute noch zu erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen. Er ist sich seiner selbst so bewusst, dass er die Bestätigung durch überzogenes Verhalten nicht benötigt.  Auch kann ein Status sich nicht nur gegenüber anderen Personen äußern, sondern durchaus auch gegenüber Objekten und Räumen. So kann man mittels der Körpersprache auch ausdrücken, ob man sich an einem Ort wohl fühlt oder eher beklemmt.

Hoch vs. Tief – Wie stelle ich Status dar?

Wie bereits oben geschrieben basiert das Statusspiel viel auf Selbstbewusstsein. Simpel lässt sich also sagen, dass man mit dargestelltem (oder tatsächlichem) großen Selbstbewusstsein gut Hochstatus bzw. umgekehrt mit dargestelltem niedrigen Selbstbewusstsein Tiefstatus spielen kann, doch das wäre mir zu einfach. Ich werde kurz die jeweiligen Grundprinzipien erläutern, nach denen man Status darstellen kann und dann, wie diese im Speziellen angewandt werden können, um Hoch- und Tiefstatus exemplarisch nach außen zu tragen. Wichtig ist hierbei auch zu wissen, dass vieles auch genau umgekehrt wirken kann, wenn die Rahmenbedingungen es so vorgeben. Die Liste erhebt also weder Anspruch auf Vollständigkeit noch darauf, dass sie jederzeit zutrifft.

Die Raumnutzung

Raumnutzung ist eines der offensichtlichsten und mächtigsten Prinzipien wenn es darum geht, Status darzustellen. Hierbei geht es darum, dass der Tiefstatus meist möglichst wenig, der Hochstatus möglichst viel Raum einnehmen will. Man kann sich dies gut mit einer „Angriffsfläche“ oder „Zielscheibe“ visualisieren. Als Hochstatus zeigt man möglichst viel von sich, präsentiert sich selbst, da man keine Angst vor Angriffen haben muss oder hat, während der Tiefstatus darauf bedacht ist, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und sich klein zu machen.

Hochstatus

breiter Stand; möglichst hoch stehen; Raum während des Gespräches durchschreiten; ausladende Gestik; extrem: Über Tische gehen; sich auf Plätze setzen, die nicht für einen vorgesehen sind (Hier spielt man damit, IT wie OT gesellschaftliche Normen zu brechen und so gezielt noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dazu muss man sich oftmals erst überwinden.)

Tiefstatus

Schultern hängen lassen; sich zusammenkauern; sich in Ecken aufhalten und setzen; sich eher wenig bewegen oder sich zurückziehen; extrem: Überhöhte Formen des Hochstatus anwenden, um Stärke zu zeigen und sich damit aber der Lächerlichkeit preiszugeben (Klettern auf Schränke beispielsweise)

Der persönliche und der intime Raum

Jede Person hat einen persönlichen sowie einen intimen Raum. Der intime Raum hat einen Radius von etwa 15 cm und wir fühlen uns nicht wohl, wenn jemand ungefragt in diesen eindringt. Wir fühlen uns angegriffen und erlauben das nur Leuten, die uns sehr nahe stehen. Der persönliche Raum hat einen Radius von etwa 45 cm und ist ähnlich privat wie der intime Raum, jedoch bereits für enge Freunde und Familie „reserviert“. Um den Status zu demonstrieren, kann ich nun entweder in besagte Räume ungefragt eindringen, oder das Eindringen in meine eigenen Räume ungestraft zulassen. Auch wäre es als Tiefstatus möglich, die Räume des Anderen übermäßig zu respektieren und höhere Radien einzuhalten.

Auch hier ist, wie bei der Raumnutzung weiter oben, eine Komponente enthalten, soziale Konventionen zu übergehen. Spieler, nicht nur Charaktere, könnten sich unangenehm angegriffen fühlen und es könnte ein negativer Bleed-out-Effekt entstehen. Das bedeutet, dass Emotionen aus dem Spiel in die „Realität“ hinüberschwappen. Andererseits ist durch das erhöhte Risiko auch der Effekt dieser Stilmittel um ein Vielfaches höher.

Hochstatus

Fusseln von der Kleidung des Gegenübers entfernen; dem Gegenüber übers Haar streichen; eine Hand auf die Schulter, einen Finger auf den Mund des Gegenübers legen; das Gegenüber wegstoßen

Tiefstatus

sich Eindringen gefallen lassen; Fluchtreaktionen zeigen; keine Abwehr

Selbstberührungen

Oftmals sind Selbstberührungen eine Form, Unsicherheit zu zeigen. Daher ist für den Hochstatus solch eine Form von Verhalten selten akzeptabel, es sei denn, es wird sehr gezielt eingesetzt, um einzelne Aussagen/Aktionen zu unterstreichen. Oftmals werden solche Berührungen auch als „Verlegenheitsgesten“ bezeichnet

Hochstatus

keine bis sehr wenige, gezielte und akzentuierte; hier geht es vor allem darum, etwas Außergewöhnliches zu tun.

Tiefstatus

Verlegenheitsgesten wie am Ohr kratzen, sich durchs Haar fahren, an den Fingern herumnesteln, über die Lippen lecken; der Tiefstatus hat hier definitiv viele Möglichkeiten.

Blickkontakt

Wie bereits weiter oben angemerkt, kommt hier vieles auf das Selbstbewusstsein an und darauf, eine Angriffsfläche zu bieten beziehungsweise zu vermeiden. Durch einen geradlinigen Blickkontakt beweise ich Bereitschaft, mich auf eine Konfrontation einzulassen, Härte und Selbstvertrauen; wenn ich wirr hin und herfahre mit dem Blick, einen Blick nicht erwidern kann etc. dann  versuche ich, Angriffsflächen so gut es geht zu minimieren und begebe mich in den Tiefstatus.

Hochstatus

starrer Blick; Blickkontakt halten; sozial angemessene Blickdauer; Ignorieren von Personen

Tiefstatus
Blickkontakt vermeiden; umherspringender Blick, wirr und unstet

Gesprächsführung

In einer Gesprächsführung übernimmt der Hochstatus automatisch die Kontrolle. Er führt das Gespräch in die Richtung, die er für richtig erachtet, der Tiefstatus versucht den Konflikt zu vermeiden und folgt gehorsam.

Hochstatus

Fragen stellen, um das Gespräch zu führen; Reaktion auf den Gesprächspartner mit Verzögerung und langsam; tiefe, gelassene Stimme, kontrolliert

Tiefstatus

Nachfragen aus Unverständnis; Verwirrung; sofortige und übereilte Reaktion; nicht zielstrebig; hohe Stimme, unkontrolliert, stotternd

Fazit

Natürlich ist dies nur ein kleiner Anriss dessen, was möglich ist. Der Artikel soll bewusst machen, dass man mit Status bewusst spielen und nach welchen Grundprinzipien man ihn darstellen kann. Experimentiert damit herum und findet heraus, was für euch am besten funktioniert. Status, ein Begriff aus dem Improvisationstheater, kann im LARP genutzt werden, um das Machtgefälle zwischen zwei Charakteren darzustellen und Reaktionen zu provozieren.

Hierzu setzt man Mimik, Gestik, Artikulation und noch einiges mehr ein und sich auch mal über soziale Grenzen hinweg. Es ist nicht immer etwas, das einem direkt flüssig von der Hand geht, doch durchaus ein Werkzeug, das viel Eindruck und tolle Szenen bringen kann, wenn man geübt darin ist, es einzusetzen.

Artikelbild: J Boontje | freeimages.com

 

1 Kommentar

  1. Vieles davon kenn ich selbst noch aus dem Impro- und Schultheater. Die aufgezählten Tipps erscheinen einem beim Lesen durchaus als logisch und offensichtlich, doch ist es sicherlich sehr hilfreich, diese auch mal direkt zu lesen und darauf aufmerksam gemacht zu werden, was „gute Spieler“ ™ ohnehin intuitiv machen. Ich hoffe sehr, dass es mehr Artikel über solche Improtheater Prinzipien geben wird! Vor einiger Zeit hab ich einen ausgesprochen guten Artikel über Spielimpulse gelesen. Leider finde ich den aber nicht mehr. :-)

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