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Endlich ist er da, der Aventurische Almanach, die Weltbeschreibung zu Aventurien. Und eines kann ich schon vorwegnehmen: Das Warten hat sich definitiv gelohnt!

Die hauptsächliche Zielgruppe für diesen Band sind natürlich Neu- und Wiedereinsteiger in DSA, die sich einen guten und schnellen Überblick über das Setting verschaffen wollen. Aber auch alte Hasen werden ihre Freude am Almanach haben … gut gemachte Weltbeschreibungen stellt sich schließlich fast jeder Rollenspieler gerne ins Regal. Außerdem wird Besitz und Kenntnis des Almanachs für den Großteil der vorhandenen und zukünftig erscheinenden Abenteuerbände vorausgesetzt, wodurch er ebenso elementar für das System ist wie das Grundregelwerk.

Bevor ich aber zur eigentlichen Rezension komme, möchte ich noch einen Kommentar zu meiner Rezension des Aventurischen Bestiariums im letzten Monat abgeben. Dort hatte ich bemängelt, dass sowohl einige der bekanntesten Monster, als auch häufige humanoide Gegner nicht behandelt werden. Diese sind nun aber im vorliegenden Almanach enthalten, was mir zum Zeitpunkt der Veröffentlichung meiner Rezension nicht bekannt war. Ich möchte mich für dieses Versäumnis entschuldigen, sowohl bei Ulisses als auch bei Lesern, die dies verärgert hat.

Nun aber weiter im Text, Aventurien wartet auf uns.

Inhalt

Die Bezeichnung „Weltbeschreibung“ wird dem Aventurischen Almanach nicht wirklich gerecht, eher müsste es „Settingbeschreibung“ heißen. Denn neben den geographischen Eigenschaften Aventuriens werden hier auch Götter, Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen, Flora und Fauna, Kosmologie und eine Vielzahl anderer Details behandelt, die dem Leser einen bunten und lebhaften Gesamteindruck von diesem wundersamen Kontinent geben. Die anderen Kontinente Deres werden zwar erwähnt, aber nicht näher beschrieben.

Von Land(schaften) und Leuten

Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit den geographischen Gegebenheiten Aventuriens. Die unterschiedlichen Landschaften werden grob beschrieben, von den nördlichen Wäldern über die gemäßigten Gebiete des Mittelreichs bis zu den dampfenden Dschungeln und tückischen Meeren des Südens. Zu jedem Gebiet werden auch einzelne, wichtige Städte und die jeweils dominierende Herrschaftsform genannt. Ergänzt wird dieses Kapitel durch Informationen zu klimatischen Verhältnissen – natürlich samt regeltechnischer Auswirkungen – und Besonderheiten zum Reisen. Denn unter einer Landstraße stellt sich der heutige Mitteleuropäer etwas völlig anderes vor als ein Bewohner des hochmittelalterlich geprägten Mittelreiches.

Der nächste Teil beschäftigt sich mit den verschiedenen Völkern und Spezies. Neben den im Grundregelwerk enthaltenen Menschen, Elfen und Zwergen werden hier auch Orks und Goblins vorgestellt, allerdings ohne Spielwerte. Bis auf die beiden Letztgenannten erfährt aber jemand, der sich auch schon einmal das Grundregelwerk angesehen hat, nicht wirklich etwas Neues, da die Beschreibungen sehr allgemein gehalten sind.

Der nächste Abschnitt mit dem Titel „Land & Leute“ gehört für mich zu den besten Teilen des Buches. Im einleitenden Text am Anfang des Kapitels wird erklärt, dass jede der beschriebenen Regionen gleichzeitig ein eigenes Setting darstellt, was ich nur bestätigen kann. Denn das Spielgefühl hängt sehr stark davon ab, ob die Handlung in den mittelalterlich geprägten mittelreichischen Provinzen, den orientalische-märchenhaften tulamidischen Stadtstaaten oder dem von Piraten und mutigen Händlern bevölkerten Südmeer spielt. Diese Diversität ermöglicht eine hohe Anzahl möglicher Spielstile und so freut es mich, dass hierauf besonderer Wert gelegt wurde.

Aventurien in seiner ganzen Schönheit
Aventurien in seiner ganzen Schönheit

Jede Region wird dabei nach dem gleichen Schema beschrieben. Am Anfang jedes Eintrages steht immer ein farblich hervorgehobener Kasten, in dem Meinungen verschiedener Leute zu diesem Landstrich in Form von Zitaten wiedergegeben werden. Das bringt den Leser nicht nur das eine oder andere Mal zum Schmunzeln, sondern lässt ihn auch oft die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gebieten erahnen. Danach werden die Landschaft und die Ausdehnung der Region beschrieben, mit besonderem Augenmerk auf geographische Besonderheiten. Darauf folgend sind die Hauptstadt und andere große oder aus anderen Gründen wichtige Städte aufgeführt.  Nicht fehlen dürfen natürlich die (groben) Angaben zur Bevölkerungsgröße, und da Aventurien ja bekanntermaßen nicht nur von Menschen bewohnt wird, wird hier die Population sämtlicher ansässiger Spezies aufgeführt. Weiter geht es mit der eventuell vorhandenen Zugehörigkeit zu anderen Staaten und der Beschreibung der Regierungsform.

Der Glaube bestimmt das Verhalten der Menschen in erheblichem Maße, weshalb zu jeder Region auch verehrte Gottheiten angegeben sind. Auch wird die Wirtschaft in Form der am häufigsten ausgeführten Handelswaren grob umrissen. Als letzter Punkt der „harten Fakten“ wird das irdische Vorbild des beschriebenen Gebietes angegeben, was meiner Meinung nach vor allem dem Spielleiter bei der Schaffung der richtigen Atmosphäre eine enorme Hilfe sein kann. Komplettiert wird jeder Eintrag durch einen farblich hervorgehobenen Kasten. Zum einen finden sich hier für diese Region typische Helden, zum anderen Angaben, für welche Art von Abenteuer die Gegend geeignet ist. Die Einträge in diesem Kapitel bieten allesamt einen guten und knappen Überblick über die Regionen Aventuriens.

Ebenfalls in diesem Kapitel findet sich eine Auswahl wichtiger Städte, sei es nun wegen ihrer schieren Größe, ihrer Funktion als Hauptstadt oder einer anderen wichtigen Funktion. Zwar werden hier auch Daten wie Bevölkerungsgröße und wichtige Wahrzeichen genannt, interessanter finde ich aber die Beschreibungen zu den Bewohnern und dem Flair der Stadt. Denn sei es nun das emsige Treiben Festums, die orientalische Märchenhaftigkeit Khunchoms oder die überschäumende Lebensfreude Belhankas: Jede Stadt hat ihren eigenen Zauber und ihre eigenen Geschichten – und das ist ja letzten Endes das, worauf es aus rollenspielerischer Sicht ankommt.

Bräuche, Götter und Zauberkram

Praktische Tipps für den Umgang mit Respektspersonen
Praktische Tipps für den Umgang mit Respektspersonen

Welche wichtigen Feiertage gibt es in Aventurien? Was ist die korrekte Anrede für einen Geweihten? Was wird wo auf Aventurien gegessen? Um diese Fragen kümmert sich das nächste Kapitel des Buches, das sich mit Kultur und Wissenschaft beschäftigt. Hier findet man neben regeltechnischen Angaben zu Krankheiten und alchemistischen Mitteln überwiegend Informationen zum Umgang der Aventurier untereinander. Themen wie Adelsstrukturen und Armeeorganisation werden hier ebenso behandelt wie die Besonderheiten verschiedener Sprachen und der Aberglaube der verschiedenen Völker. Das folgende, eher kurze Kapitel liefert Informationen zu Rechtsprechung und Handel, wie etwa die Wechselkurse von Münzgeld, den Ablauf verschiedener Gerichtsverfahren oder die Erhebung von Zöllen.

Nachfolgend werden wichtige Tier- und Pflanzenarten beschrieben, von der als Heilpflanze begehrten Einbeere bis hin zum von Seeleuten gefürchteten Krakenmolch. Außerdem sind hier die Werte für (als Antagonisten auftretende) Orks und Goblins enthalten.

Götter waren schon immer von elementarer Wichtigkeit bei der Beschreibung von Fantasy-Settings, weshalb sich das folgende Kapitel ausführlich mit ihnen beschäftigt. Aber nicht nur den Zwölfen wird hier Aufmerksamkeit geschenkt, sondern ebenso ihren Gegenspielern, den Erzdämonen und dem Namenlosen, dem bösen dreizehnten Gott. Außerdem werden hier auch die Halbgötter und der Glauben der Naturvölker beschrieben. Das folgende Kapitel widmet sich der für Aventurien ebenso wichtigen Magie. Neben den verschiedenen magischen Traditionen werden hier auch das Verhältnis des gemeinen Aventuriers zur Magie und verschiedene magische Artefakte behandelt.

Aventurien bietet auch Platz für ganz normale Wesen
Aventurien bietet auch Platz für ganz normale Wesen

Im vorletzten Kapitel geht es um wichtige Persönlichkeiten des Kontinents, von der Kaiserin des Mittelreiches über die mysteriöse Zauberin Nahema bis hin zum Aikar Brazoragh, dem obersten Anführer der Orkstämme. Zu jeder Figur gehört neben einem kurzen Beschreibungstext auch ein sehr schön gemachtes Porträt. Weiterhin wird hier das „Garadan-System“ erklärt, welches die Wichtigkeit eines NSC für die lebendige Geschichte Aventuriens festlegt. Die Figuren werden hierfür mit verschiedenen Schachfiguren gekennzeichnet: Der König steht für Unantastbarkeit durch die Helden, der Springer ist beinahe ebenso wichtig, kann aber durch den Meister durch eine andere Figur mit der gleichen Funktion ersetzt werden. Bauern und Türme sind für den Metaplot unerheblich und unterscheiden sich dadurch, dass der Bauer nur in einem bestimmten Abenteuer, der Turm hingegen in einer ganzen Kampagne eine Rolle spielt.

Das letzte (offizielle) Kapitel enthält einen Überblick über die Geschichte Aventuriens, wobei die jüngere Vergangenheit natürlich genauer beschrieben wird, da sie für den momentanen Stand sehr wichtig ist. Nach dem Index schließlich befindet sich ein weiterer Teil, der ausschließlich für den Spielleiter gedacht ist. In ihm werden sowohl die Hintergründe einiger Mysterien, als auch die mehr oder weniger schmutzigen Geheimnisse der zuvor beschriebenen Meisterpersonen beschrieben.

Das Buch enthält auch zwei herausnehmbare Karten: eine kleinere im DIN-A3-Format, die Grenzen zwischen den Regionen zeigt und eine doppelt so große, auf der auch die wichtigsten Städte eingezeichnet sind. Beide sind sehr gut lesbar, aber das verwendete Papier erscheint mir für einen dauerhaften Gebrauch dann doch nicht stabil genug.

Preis-/Leistungsverhältnis

Machen wir uns nichts vor: Knapp 40 EUR sind für ein Buch mit unter 300 Seiten kein kleiner Preis … aber im Vergleich mit den Weltbeschreibungs-Bänden anderer Systeme auch kein Wucher. Zudem rechtfertigen meiner Ansicht nach die angenehme Haptik, die liebevolle Gestaltung und der gute Gesamtüberblick über das Setting den Preis durchaus.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass Ulisses auch eine Softcover-Version für knapp 20 EUR anbietet, allerdings muss man bei diesem Preis auch in Kauf nehmen, dass das Buch dann nur in schwarz-weiß ist.

Erscheinungsbild

DSA5 Almanach CoverLangsam komme ich mir wie ein Papagei vor, aber ich kann es nicht anders sagen: Auch dieses Buch ist in der Gestaltung so ansprechend und liebevoll gestaltet, wie es bei den anderen Büchern der 5. Edition der Fall ist. Die vollfarbige Gestaltung bleibt dezent und unaufdringlich, die Schrift ist gestochen scharf und in einer angenehmen Größe gewählt. Das Papier ist seidenmatt und besitzt eine vertrauenerweckende Stärke, was meiner Erfahrung nach keine Selbstverständlichkeit bei vollfarbigen Rollenspielbüchern ist.

Ein besonderes Lob muss ich an dieser Stelle auch wieder für die Illustrationen aussprechen: Es gibt nämlich nicht nur viele davon, sondern die überwiegende Mehrheit ist thematisch gut passend und handwerklich schön ausgeführt. Des Weiteren sind sich die Abbildungen – obwohl sie von gut zwei Dutzend unterschiedlichen Künstlern erstellt wurden – ähnlich genug, um wie „aus einem Guss“ zu wirken.

Mein einziger Kritikpunkt an dieser Stelle: Das Lektorat hätte deutlich sorgfältiger ausfallen können. Wortdopplungen, vergessene Leerzeichen und Fehler bei der Groß- und Kleinschreibung kommen zwar nicht auf jeder Seite vor, aber doch häufig genug, um störend aufzufallen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autor(en): Florian Don Schauen, Daniel Simon Richter, Eevie Demirtel, Alex Spohr et al
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 264
  • ISBN: 978-3-957-52233-7
  • Preis: 39,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon,Ulisses Ebooks, Sphärenmeister

 

Fazit

Hier gibt es tatsächlich kaum etwas zu beanstanden. Die Kapitel der Setting-Beschreibung behandeln nicht nur die geographischen Gegebenheiten dieses fantastischen Kontinents, sondern vor allem die verschiedenen Völker und ihre Mentalitäten, wundersame Orte und all jene Details, die Aventurien wirklich lebendig erscheinen lassen. Auch der Überblick über wichtige Persönlichkeiten und die Abhandlung über die Geschichte tragen dazu bei, dass sich der Leser das beschriebene auch wirklich bildlich vorstellen kann.

Kurzum: Der Aventurische Alamanach ist vor allem ideal für Neueinsteiger in DSA, aber auch alte Hasen werden ihre Freude an diesem inhaltlich wie optisch sehr schön gemachten Band haben. Einziger Wermutstropfen ist das stellenweise schlampige Lektorat, was an der Endwertung allerdings auch nichts mehr ändert.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Ulisses Spiele
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