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Als Powered by the Apocalypse (PbtA) wird eine Reihe von Spielen bezeichnet, die auf den Regeln des Spiels Apocalypse World von Vincent Baker basieren. Gleich nach seinem Erscheinen hat Apocalypse World einige wichtige Preise abgeräumt – beim 2010 Indie RPG Award gewann das Spiel in den Kategorien „Game of the Year“, „Most Innovative Game“ und „Best Support“.

PbtA-Spiele stellen die Geschichte in den Fokus des Spielgeschehens und bieten Regeln an, die diese Geschichte und ihre genretypischen Eigenheiten unterstützen. Sie nehmen den Spielleiter – Master of Ceremonies (MC) genannt – an die Hand und führen ihm vor, welche Elemente ein bestimmtes Setting definieren. Damit stellen PbtA-Spiele für mich so etwas wie einen Gegenentwurf zu Fate da: Wo Fate Spielermündigkeit zum höchsten Ideal erhoben hat und sich Thema und Färbung einer Spielrunde abhängig von den konkreten Vorlieben der Spieler stark unterscheiden können, nimmt PbtA die Spielrunde an die Hand und belohnt Handlungen, die bestimmten Genrevorstellungen entsprechend.

Die Regeln

PbtA ist ein narratives, geradliniges System. Handlungen sind in sogenannte „Moves“ gegliedert, durch die das Spielgeschehen genretypisch gelenkt wird. Wenn ein Spieler eine Handlung beschreibt, die einem bestimmten Move (also einer bestimmten Handlungsschablone) entspricht, werden 2W6 gewürfelt und die dem Move zugeordnete Eigenschaft (anfangs -1 bis +2) auf das Ergebnis addiert. Ist das Ergebnis der Probe = 6 handelt es sich um einen Fehlschlag, bei einem Ergebnis zwischen 7 und 9 handelt es sich um einen mäßigen und bei einem Ergebnis = 10 handelt es sich um einen vollen Erfolg. Für jeden Move ist hierbei definiert, was ein Fehlschlag, ein mäßiger Erfolg und ein voller Erfolg jeweils bedeuten.

Besonders interessant finde ich die Move-spezifische Umsetzung mäßiger Erfolge: Ganz nach dem fail forward-Prinzip erreicht der Charakter sein Ziel meist trotzdem, aber eine von vielen Komplikationen tritt ein. Hierbei wählt je nach Move entweder der Spieler oder der MC, welche Komplikation eintritt. Diese Komplikation führt jedoch immer dazu, dass die Handlung vielschichtiger, spannender oder gefährlicher wird. Manche Moves sind auch so aufgebaut, dass der Spieler bei einem vollen Erfolg verschiedene Elemente eines Ziels erreicht. Hier kann der Spieler beispielsweise drei von acht Informationen zu einer Szene stellen (muss also auch bei einem vollen Erfolg eine Auswahl treffen). Andere Moves besagen, dass der Spieler bei eine vollen Erfolg alle Teilerfolge eines Moves erreicht. Ein Spieler, der nur einen mäßigen Erfolg erzielt hat, darf sich hingegen nur ein oder zwei Elemente aussuchen, alle anderen Teile seines Ziels hat er nicht erreicht. Beispiel gefällig?

Tavi befindet sich in einer Kneipe und die Stimmung ist zum Zerreißen angespannt. Es scheint glasklar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein Konflikt losbricht, und Tavi möchte zu diesem Zeitpunkt auf der Seite der Gewinner stehen. Also schätzt Tavi die Situation ein – ein Move, der in jedem mir bekannten PbtA-System vorhanden ist. Tavis Spielerin wirft eine Drei und eine Vier und addiert ihren „sharp“-Wert zum Ergebnis hinzu. Insgesamt kommt sie so auf eine Neun und kann daher dem MC eine der folgenden Fragen stellen: Wo finde ich die beste Fluchtroute? Welchen Feind könnte ich am einfachsten verletzten? Welcher Feind stellt die größte Bedrohung für mich da? Was sollte ich im Blick behalten? Wer hat die Kontrolle? Wäre Tavis Spielerin auf ein Ergebnis von 10+ gekommen, hätte sie sogar drei Fragen stellen können. So entscheidet sie sich den MC zu fragen, welcher Feind die größte Bedrohung für Tavi darstellt. Der MC überlegt – er hatte eigentlich gar nicht daran gedacht, dass hier jemand Tavi feindlich gesinnt sein könnte – und beschließt, dass der Driver, dem sie letzte Woche einen Truck vor der Nase weggekauft hat, in der Ecke sitzt und an seinem Klappmesser spielt, während er hämisch in ihre Richtung grinst.
Superhelden mit pbta - Worlds in Peril
Superhelden mit pbta – Worlds in Peril

Dieses Beispiel illustriert meiner Meinung nach drei Stärken des Systems sehr schön. Je nachdem, wie gut Tavis Spielerin würfelt und wie hoch Tavis „sharp“-Wert ist, erfährt Tavi mehr oder weniger Informationen. Zugleich ist es die Spielerin und nicht der MC, die sich entscheiden muss, welche Informationen sie erhalten möchte; dies ist ein wichtiger Moment des Player Empowerments in PbtA-Systemen. Schließlich treiben die gewählten Fragen immer die Handlung voran: Allein die Tatsache, dass Tavis Spielerin nach einem Feind fragt, impliziert, dass hier ein Feind anwesend ist. Hätte sie stattdessen danach gefragt, was Tavi im Blick behalten sollte, hätte dies bedeutet, dass hier jemand etwas vor Tavi zu verbergen versucht. Durch diesen Aufbau der Moves richtet sich das Spielgeschehen immer nach den Interessen der Spieler, sodass der MC die Fragen und Schwerpunkte seiner Spieler nutzen kann, um sich selbst inspirieren zu lassen und die Handlung zu improvisieren.

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung findet anhand sogenannter Playbooks statt, die schablonenartig einen bestimmten Charaktertypen beschreiben. Diese Playbooks, die mich zumindest immer wieder an Charakterklassen aus klassischen Rollenspielen erinnern, scheinen auf den ersten Blick nur wenig zu einem Erzählspiel zu passen, zwängen sie die Charaktere doch in ein sehr enges und klischeebehaftetes Korsett. Tatsächlich funktionieren sie aber erstaunlich gut, da PbtA kein generisches Rollenspielsystem ist, sondern Genreemulation betreiben will. Das bedeutet, dass Apocalypse World eine dreckige, heiße, wilde postapokalyptische Welt erlebbar machen will, die man sonst vielleicht aus Filmen wie Mad Max: Fury Road kennt. In The Sword, the Crown, and the Unspeakable Power werden die Spieler in ein düsteres Mittelalter geworfen, in dem wissenschaftlicher Fortschritt blutig erkämpft werden muss, egoistische Adelshäuser um Macht ringen und Magie unberechenbar und gefährlich ist. In jedem dieser Settings stellen die Playbooks die Kernstücke der Genreemulation dar und ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen zu behaupten, dass die Qualität eines PbtA-Systems mit seinen Playbooks steht und fällt.

Urban Fantasy mit pbta - Urban Shadows
Urban Fantasy mit pbta – Urban Shadows

Die Charaktererschaffung findet typischerweise am ersten Spielabend gemeinsam am Spieltisch statt. Es bietet sich an, der Reihe nach durch die gewählten Playbooks zu gehen und die Spieler Elemente wie Namen, Aussehen, Werte und Moves ihrer Charaktere auswählen zu lassen. Die einzelnen Playbooks sind wie Checklisten aufgebaut, die man der Reihe nach durchgehen und in denen man Zutreffendes oder Gewähltes ankreuzen kann. Jedes Playbook enthält mehrere Kombinationen von vier Charaktereigenschaften, die jeweils unterschiedliche Akzentuierungen eines Archetypus ermöglichen. Außerdem wählt jeder Spieler zwei oder drei Moves aus dem Playbook seines Charakters; durch diese Wahl zeigen die Spieler dem MC gleich an, welche Elemente eines Playbooks sie gern im Spiel erleben möchten und welche ihnen weniger wichtig sind. Mit einigen Playbooks werden Zusatzregeln (z.B. für Siedlungen, Gangs oder Kulte) hinzugefügt, die nur relevant sind, wenn jemand eines dieser Playbooks wählt. Schließlich werden die Beziehungen der Charaktere untereinander mechanisch definiert, indem ein Spieler dem Charakter eines anderen Spielers Einfluss über den eigenen Charakter zuweist, der später im Spiel eingesetzt werden kann. Erfahrungsgemäß dauert die Charaktererschaffung nicht länger als 20-30 Minuten und generiert bereits viele Plothooks und Verbindungen zwischen den Charakteren.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

PbtA-Systeme fordern Enormes vom Master of Ceremonies, da sie verlangen, dass er sich gar nicht im Vorhinein auf den Spielabend vorbereitet und erst am Spieltisch improvisiert – immer neugierig darauf, was wohl als Nächstes geschehen mag. Für viele Spielleiter stellt dies sicherlich eine große Herausforderung dar. Viele von uns kommen schließlich von Alltag und Arbeit erschöpft an den Spieltisch und wollen dort ihr Bestes geben, um einen unterhaltsamen Spielabend zu gestalten. Natürlich bereiten sich Erzählspieler nicht stundenlang auf einen Spielabend vor, weil sie nicht Unmengen an Gegnern mit angemessenen Werten generieren müssen, aber auch sie machen sich gern im Vorfeld Gedanken über mögliche Szenen und Konflikte. Ob ich mir zutrauen würde, nach einem anstrengend Arbeitstag noch kreativ genug zu sein, spannende Szenen zu improvisieren?

Gezücht jagen in Monster of the week mit pbta
Gezücht jagen in Monster of the week mit pbta

Die Regelwerke nehmen den Master of Ceremonies dazu jedenfalls vorbildlich an die Hand. Auch der MC hat Moves, die er jederzeit oder in bestimmten Situationen einsetzen kann, um die Handlung voranzutreiben oder Konflikte eskalieren zu lassen. Die Regelwerke empfehlen, wann bestimmte Moves besonders sinnvoll eingesetzt werden, und illustrieren dies an Beispielen. Dabei sagt der MC den Spielern nie, dass er gerade einen Move benutzt, sondern beschreibt einfach die Auswirkungen auf die Spielwelt vor der regeltechnischen Schablone des Moves. Der MC würfelt nie selbst, sondern setzt diese Moves einfach um; erst wenn die Charaktere darauf reagieren, würfeln die Spieler entsprechend.

Die Spielleiterkapitel der PbtA-Systeme gehören zu den besten, anschaulichsten und ausführlichsten, die ich je gelesen habe. Anders als in Fate, wo die Spieler die Metaebene des Spiels im gleichen Ausmaß im Blick haben wie der Spielleiter, wird der MC hier angeleitet, die Authentizität der Welt für die Spieler besonders erlebbar zu machen. Dazu gibt er beispielsweise jedem NSC einen Namen, färbt die Umwelt der Charaktere in seinen Beschreibungen genretypisch ein und spricht die Spieler nur noch mit ihren Charakternamen an. Dadurch werden PbtA-Systeme schnell immersiver als andere Erzählspiele. Ein weiteres zentrales Prinzip ist, dass der MC immer Fan der Spielercharaktere ist und diesen Gelegenheit zum Glänzen gibt, ohne ihnen jemals etwas zu schenken. Das letzte zentrale Prinzip ist, dass der MC sich gelegentlich weigern sollte Entscheidungen zu treffen, um diese zurück in Spielerhände zu legen. Wenn in dem Beispiel weiter oben Tavi ihren Feind entdeckt, muss nicht der MC, sondern die Spielerin erklären, warum und wofür sich der Driver an Tavi rächen will.

Insgesamt ist das Spielleiterkapitel hervorragend geschrieben, fast ist es mir ein wenig zu bevormundend. Es liest sich zu selbstverständlich und eingängig, um eine echte gedankliche Auseinandersetzung mit dem System notwendig zu machen. Eine solche Auseinandersetzung kann aber nicht schaden, führt sie doch dazu, dass man sich das System noch mehr zu eigen macht; dass man noch besser versteht, wie es aus welchen Gründen funktioniert. Das alles ist aber schlicht nicht nötig, um einen unterhaltsamen Spielabend zu haben. Solide Genrekost ab dem ersten Spielen ist garantiert und wer den Aufwand betreibt, sich etwas ausführlicher mit einem PbtA-System auseinanderzusetzen, wird mit ein wenig Glück einzigartige Spielabende erleben können. Meiner Erfahrung nach nimmt das System den MC auf jeden Fall so gut an die Hand, dass das Improvisieren auch nach einem langen Arbeitstag nicht zur Qual wird. Gerade das Prinzip Entscheidungen manchmal zu delegieren hat mir persönlich viel Druck beim Spielleiten von PbtA genommen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Dadurch, dass das Spiel durch die Charakter-Moves ritualisiert ist, gelingt der Einstieg leicht. Die Playbooks stellen heraus, welche Elemente des Spiels für den eigenen Charakter besonders interessant sind und machen es einfach, auf Anstoßen des MCs Pläne und Handlungen zu entwickeln. Die PbtA-Runden, die ich bislang erlebt habe, waren sehr spielergetrieben und haben es den Charakteren ermöglicht ihre eigenen Pläne zu schmieden, große Erfolge zu erringen oder dabei dramatisch zu scheitern. Wer sich vom Spielleiter und/oder seinen Mitspielern berieseln lassen oder eine dramaturgisch durchgeplante Geschichte erleben

Teenagerdrama á la Buffy in Monsterhearts
Teenagerdrama à la Buffy in Monsterhearts

möchte, wird wenig Spaß an PbtA haben. Proaktive Spieler hingegen werden ganz auf ihre Kosten kommen, wenn sie sich darauf einlassen können, das Ergebnis und die Konsequenzen ihrer Handlungen im Spiel zu erleben, auch wenn diese oft anders als erwartet ausfallen.

Insgesamt sind PbtA-Systeme kollaborative Erzählspiele, auch wenn die Charaktere oft gegenläufige Interessen vertreten. Sie funktionieren umso besser, je ähnlicher der gemeinsame Vorstellungsraum der Spielrunde ist. Wenn alle Spieler einer Monsterhearts-Runde Sexy-Teenie-Monster-Drama erleben wollen, wird das besser funktionieren als wenn ein Spieler Sexy-Teenie-Monster-Drama, die zweite Spielerin cineastische Monsterjagden und der dritte Spieler den Aufbau einer monströsen Superheldengruppierung erleben will. Die Playbooks und insbesondere die genretypischen Moves helfen jedoch dabei, einen ähnlichen Vorstellungsraum zu finden.

Fazit

Für mich stellt die Powered by the Apocalypse-Engine eine Revolution des Rollenspiels dar. Der große Erfolg vieler PbtA-Ableger unterstreicht meine Einschätzung nach, dass sich die Mechanismen auf viele Settings adaptieren lassen. Mich begeistert, wie gut sich Genreeigenheiten auf die Moves und Charaktereigenschaften zuweisen lassen und wie spezifische Moves dazu genutzt werden können, Genreelemente im Spiel erlebbar zu machen.

Als Spielerin gefällt mir das System sehr gut, weil es mir ermöglicht und von mir verlangt proaktiv zu sein und die Ziele meines Charakters zu verfolgen. Dabei gibt es mir viele Möglichkeiten in die Hand, Situationen auch aus Spielerperspektive eskalieren und dramatisch zuspitzen zu lassen. Als Spielleiterin gefällt mir an dem System, dass ich mich nicht viel auf einen Spielabend vorbereiten muss und am Spielabend selbst von meinen Spielerin überraschen lassen kann. Schließlich gefällt mir die Wandelbarkeit des Systems, da es neben eher klassischen Settings (Apocalypse World, Dungeon World) auch sehr spezielle Themen (Monsterhearts) bedienen kann.

Artikelbilder: Genannte Verlage

 

16 Kommentare

  1. Gerade gestern hab ich eine Runde Apocalypse World mit Freunden gestartet (y)
    Hab schon eine Kampagne als Spieler durch und muss sagen das System ist einfach genial, genau richtig um schön dreckige Storys zu erleben (y)

  2. Schöne Vorstellung von PbtA.

    Zwei Anmerkungen:
    1) „PbtA-Spiele stellen die Geschichte in den Fokus des Spielgeschehens und bieten Regeln an, die diese Geschichte und ihre genretypischen Eigenheiten unterstützen.“
    An der Stelle würde ich weniger von „Geschichte“ als von den „Spielercharakteren und ihren Handlungen“ reden.
    Metamechanismen, die den Spielern erlauben die Geschichte zu beeinflussen, kennen die PbtA-Spiele ja eigentlich nicht. Zumindest nicht in der Weise, wie andere Rollenspiele das verstehen.

    2) „Damit stellen PbtA-Spiele für mich so etwas wie einen Gegenentwurf zu Fate da: Wo Fate Spielermündigkeit zum höchsten Ideal erhoben hat und sich Thema und Färbung einer Spielrunde abhängig von den konkreten Vorlieben der Spieler stark unterscheiden können, nimmt PbtA die Spielrunde an die Hand und belohnt Handlungen, die bestimmten Genrevorstellungen entsprechend.“
    Die Vorstellung von PbtA als Gegenentwurf zu FATE finde ich passend. Dennoch sehe ich nicht unbedingt in der Spielermündigkeit die großen Unterschiede. Entscheidender scheint mir die Ebene zu sein, auf der Spieler(innen) frei agieren können. Bei FATE haben die Spieler(innen) die Möglichkeit mit Regie zu führen und in „author stance“ die Geschichte zu beeinflussen. Bei PbtA liegen die Beeinflussungsmöglichkeiten der sich entfaltenden Handlung auf der Charakterebene. Spieler(innen), die gern immersiv spielen wollen und möglichst nicht aus der Charakterperspektive herausgerissen werden wollen, dürften mit PbtA deutlich besser klarkommen als mit FATE.

    • In beiderlei Hinsicht volle Zustimmung! Ich finde aber schon, dass PbtA auch genretypische Geschichten unterstützt – die Playbooks haben ja teilweise Moves, die typische Geschichtenelemente der Genres darstellen. Denk zB an den Chosen aus Monsterhearts, dessen Sex Move es ist, dass eine andere Person – ein Monster – in sein dunkelstes Selbst verfällt. Für mich hat das viel Analogie zur Buffy-/Angel-Liebesgeschichte.

      Aber ja, echte Metamechanismen gibt’s natürlich nicht; indem man die Moves seines Charakters ausspielt, sorgt man zwangszweise dafür, dass die Geschichte dem Genre entspricht. Wenn man noch mehr in der author stance spielen will kann man das nur aus Sicht seines Charakters machen…

  3. Danke, für die Systemvorstellung! Jetzt habe ich endlich eine Vorstellung, was hinter diesem in letzter Zeit so bekannt gewordenen System steckt.

    Klingt an sich sehr spannend, gerade weil ich immer schon gut improvisieren konnte. Aber ob das etwas für meine bisherigen Spieler ist, das muss ich erstmal überdenken.

  4. Naja, die Charakterebene wird aber auch ständig durchbrochen. Ein Großteil der Ergebnisse zielen auf „Nicht so, wie du dir das vorstellst“ ab und das ist halt ziemlich frustrierend, wenn man das Spiel durch die Augen seines Charakters (und nicht als Geschichte) betrachtet. Das beste Ergebnis ist dann halt „Es passiert das, was du wolltest“ und das ist selten.

    Natürlich könnte man argumentieren, dass diese Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses der Charakterhandlung einen Reiz des Spiels ausmacht, leider betrifft diese Unvorhersehbarkeit wirklich nur die Spieler. Aus Sicht des SLs ist alles vorhersehbar und er kann zwar neue Dinge ins Spiel bringen, wird aber durch das Spiel dabei in keiner Weise unterstützt oder angeleitet. In 99% der Fälle kann der SL sich vorher eine Abfolge von Moves aussuchen, die er machen möchte, und diese dann machen, sobald diese von den Charaktermoves getriggert werden. Das ist schade und imo verschenktes Potential.

    Auch sind solche Ergebnisse, wie „Wenn du nach einem Feind fragst, dann ploppt da irgendwo ein Feind auf“ nicht gerade immersionsfördernd, weil Spieler das idR mitkriegen und unweigerlich etwas befangener an ihren nächsten Spielbeitrag herangehen (z.B. indem sie sich fragen „Will ich wirklich das Djinni-Spiel mit dem SL machen?“).

    • Kann ich aus meiner eigenen Erfahrung so auch nicht bestätigen – für mich waren PbtA-Runden als Spielleiterin gerade deswegen immer toll, weil sie mich sehr überrascht haben. Ich hatte zwar immer auch ein paar Ideen in der Hinterhand (das System zu Konflikten und Fronten habe ich im Artikel ja gar nicht vorgestellt), aber letztlich habe ich das immer schnell über den Haufen werfen können/müssen, weil meine Spieler eben ihr eigenes Ding gemacht haben. Aber: Gerade für Hard Moves bietet es sich natürlich schon an, sich vor einem Spielabend mögliche Handlungen für Antagonisten zu überlegen. Erfahrungsgemäß funktioniert das aber umso besser, je näher die Hard Moves an den direkt zuvor stattfindenden Handlungen der Charaktere sind.

      Letztlich ist es wohl eine Frage des Spielstils, ob man die Fäden als SL so aus der Hand geben mag. Genauso wie es eine Frage des Spielstils ist, ob man gerne das „Djinni-Spiel“ machen möchte. Ich habe dieses Element z.B. mittlerweile auch für andere Spielsysteme adaptiert (weil ich es so cool finde). Anfangs waren meine Spieler auch irritiert, als sie beim DSA-Spielen eine magische Analyse machen und ich ihnen nur antworte „Sag du mir, was du findest“. Mittlerweile finden es die meisten aber super, den Erzählschwerpunkt ihres Charakters mitgestalten zu können. (Und: Es erspart mir Arbeit. :D)

    • „Play to find out“ ist JEDES Rollenspiel.

      Was erforderlich für ein unvorhersehbares Spiel ist, sind Anreize für die Spieler unvorhersehbare Sachen zu machen. Und das ist bei pbtA eben nicht gegeben – wenn man da etwas macht, dann wird der Spielbeitrag verzerrt und verdreht, bis er nichts mehr mit dem zu tun hat, was der Spieler wollte. Gelegentlich kann so etwas ganz lustig sein, aber nicht in der Frequenz, wie das bei pbtA passiert. Die einzige Möglichkeit das zu vermeiden, ist stärker auf die Metaebene zu gehen und zu sagen „Ich möchte gerne, dass die Handlung folgende Auswirkungen hat:…“. Damit ist die Immersion dann aber auch futsch und wenn Uneinigkeit über den weiteren Spielverlauf besteht, gibt es keine strukturierten Ansätze, um das Problem genauer zu erfassen (wie es z.B. in Fate geschieht).

    • … ich weiß nicht. Gerade wie Spieler mit „bonds“ oder „debts“ umgehen kann auch für die SL recht überraschend sein, oder nicht?

      „Was erforderlich für ein unvorhersehbares Spiel ist, sind Anreize für die Spieler unvorhersehbare Sachen zu machen.“
      Nein, definitv nicht! Unvorhersebares Spiel erfordert nicht, dass Spieler oder SL etwas unvorhergesehenes tun. Das kann auch in die Spielmechanismen eingebaut sein. Damit arbeiten gerade auch OS(R)-Spiele schon seit Anbeginn des Hobbys.

      „[…] wenn Uneinigkeit über den weiteren Spielverlauf besteht, gibt es keine strukturierten Ansätze, um das Problem genauer zu erfassen (wie es z.B. in Fate geschieht).“
      Magst du mir erklären wie FATE [1] das regelt? Ist das ein (mechanischer) Metaspiel-Ansatz, der z.B. Freiformer schreiend davon laufen lässst oder sind das Hilfsmittel für Absprachen (die Freiformer eh ganz viel machen).

      _______________________________________________________________________________________
      [1] Traditionelle Schreibweise. Endorsed by Fred Hicks.

  5. Phantastische Rezension, vielen Dank. Ich habe mir dierekt Dungeon World zuglelegt und es klingt serh vielversprechend. Ich freue mich schon darauf es aus zu probieren.

    Deine Empfehlung – The Sword, the Crown, and the Unspeakable Power – kann ich allerdings nirgendwo zum download finden. Kannst du mich da mal in die richtige Richtung stupsen?

  6. Hab nahezu alles auf pbta basis.
    Aktuelle Favoriten sind Spirit of 77 und The Sprawl. Letzteres in Kombination mit dem Android Setting Buch von FFG ergibt dann auch schon ohne viel Vorbereitung ein perfektes Netrunner RPG.

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