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Analysen zum Umgang und Erfahrungen mit phantastischen Hobbys:
 

In unserem ersten Teil vom 28.03.2016, haben wir uns intensiv mit den Zahlen unserer Umfrage beschäftigt. Dank einer großen Teilnehmerzahl konnten wir dabei schon interessante Erkenntnisse zu Tage fördern. Eine große Zahl der LARPer scheint sehr offen mit dem Thema umzugehen und weiß vor allem Positives zu berichten. Dennoch war auch die ein oder andere negative Stimme dabei, die nicht allzu gern offen über LARP im Berufsalltag berichtet. Das wollten wir dann doch genauer beleuchten.

Auf den Zahn gefühlt: Ein Blick in die Berufswelt von LARPern

Mit vier Teilnehmern haben wir deshalb etwas intensiver über den Arbeitsalltag gesprochen. Dabei haben zwei hauptsächlich einen offenen Umgang mit LARP und zwei sind eher zurückhaltend. Unsere Interviewpartner gewährten uns stellenweise sehr persönliche Einblicke in ihre Erfahrungen, die den Zahlen auch eine Geschichte dahinter geben.

Die „Zurückhaltenden“

Die Namen haben wir aus Persönlichkeitsgründen geändert.

Lena, 33, Verwaltungsbeamtin

Teilzeithelden: Warum gehst du so zurückhaltend damit um?

Lena: Ich gehe zurückhaltend mit dem Hobby LARP um, weil es sich dabei zum einen um mein privates Hobby und damit Vergnügen handelt, das ich mit Freunden und nicht mit Arbeitskollegen teile. Diese beiden Bereiche sowie mein Arbeits-Ich und mein LARP-Ich halte ich strikt getrennt. Zudem stellt LARP keine Bereicherung meiner beruflichen Qualifikation dar. Im Gegenteil handelt es sich eher um ein Manko. So sind unerklärte sowie auch peinliche LARP-Situationen auf Bild- und Tonaufnahmen für mein Gegenüber unter Umständen irreführend.

Ganz zu schweigen von Hämatomen an sichtbaren Stellen. Diese können schnell ein geschäftliches Gespräch in eine nicht gewollte Richtung lenken. Gerade in meiner außenwirksamen Tätigkeit, die sowohl Politik als auch Diplomatie tangiert, können beide Fälle irritierend für meinen Gesprächspartner sein. Ebenso gibt es, was LARP angeht, zu viel schlechtes und weniger gutes Bild- und Tonmaterial, das ohne Erklärung einen schönen und erläuternden Einblick in das Hobby gibt. So sind nahezu immer umfangreiche, ins Detail gehende Erklärungen nötig, die bei Desinteresse an den Finessen schnell langweilen und bei Interesse eine tiefgreifende Information nötig machen.

Teilzeithelden: Wie stehen deine Kollegen dazu, wissen sie es überhaupt?“

Lena: Das halte ich mehrstufig. Langjährige Arbeitskollegen wissen ein bisschen mehr. Sie kennen das Hobby, sie wissen, worum es dabei geht. Sie wissen, dass ich mal die Welt rette und mal versuche, sie zu zerstören. Sie wissen, wenn ich auf Veranstaltung bin, sie sind neugierig und teilweise auch amüsiert über die oberflächlichen Erzählungen, die ich ihnen gebe. Informationen über meinen IT-Charakter gebe ich nicht. Die weniger vertrauten Arbeitskollegen wissen, dass ich zelten gehe, wir uns ein gemütliches Wochenende am Lagerfeuer machen und dass wir durch die Gegend wandern. Oder dass ich Urlaub auf Burgen mache, dort Silvester verbringe etc.

Teilzeithelden: Hattest du auch schon schlechte Erfahrungen?

Lena: Nein, ich habe diesbezüglich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Jennifer, 32, Trainerin und Coach

Teilzeithelden: Warum gehst du so zurückhaltend mit LARP um? 

Jennifer: Ich bin weiblich, etwas über 30 Jahre alt und arbeite als Trainer und Coach in der Finanzdienstleistungsbranche. Das ist eine Branche, die sich nach wie vor sehr stark über Äußerlichkeiten definiert und in der es klare Regeln, Hierarchien und Erwartungen gibt. Es ist eine Branche, in der es eine strikte Kleiderordnung gibt und zum Beispiel Tattoos oder Piercings ungern gesehen sind und wo auch das vermeintlich Private zum Thema im Beruf werden kann. Bilder im betrunkenen Zustand auf Facebook gepostet? Will ich so jemandem mein Geld anvertrauen?

Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, offen mit seinem Hobby umzugehen, da es kein bekanntes und zumindest nach meinem Gefühl auch kein gesellschaftlich akzeptiertes Hobby ist. Allein die Tatsache, dass ich als Sportart „historisches Fechten“ gewählt habe, wird wahlweise entweder belächelt oder kritisch beäugt. Als Orkspieler, renne ich bis an die Zähne bewaffnet und in Platte, mit Fell und Knochen behangen, über und über mit Kunstblut besprizt übers Schlachtfeld. Am nächsten Tag halte ich aber schon wieder eine Vorstandspräsentation oder coache Führungskräfte. Dass ich dann dennoch fachlich und menschlich eine top Leistung abliefern kann, ist für die wenigsten in meiner Branche, die mich nicht etwas besser kennen, vorstellbar. 

Da es als Frau – und dazu noch als relativ junge Frau, wobei ich schon seit gut 15 Jahren larpe – in meiner Branche nicht unbedingt einfach ist sich durchzusetzen, gehe ich im Urlaub einfach immer „Zelten“ – „Echt? Wohin geht ihr denn Zelten?“ – „Och, irgendwo da bei Kassel … Is son kleiner, naturnaher Campingplatz …“

Teilzeithelden: Wie stehen deine Kollegen oder Vorgesetzen dazu, wissen sie es überhaupt?

Jennifer: Es gibt ein paar Kollegen, denen ich erzählt habe, was ich mache. Das sind dann aber eher die, die ich schon als Freunde und nicht mehr als Kollegen sehen würde. Meine Vorgesetzten wissen nicht was ich mache.

Generell habe ich für mich die Erfahrung gemacht, dass es Sinn macht zu warten, bis ich mein Gegenüber so gut kenne, dass ich die Reaktion des anderen einigermaßen einschätzen kann, bevor ich anfange zu erzählen. Was ich auch herausgefunden habe: Im Büro mit einem LARPer zu telefonieren und Sätze zu bringen wie „Okay, den müssen wir wohl entführen und um die Ecke bringen – ich überleg mir was“ ist eher ungünstig. Hat aber dazu geführt, dass eine Kollegin jetzt sehr interessiert an dem Hobby ist.

Teilzeithelden: Hattest du auch schon schlechte Erfahrungen, wenn jemand in deinem beruflichen
Umfeld von Deinem Hobby LARP wusste?

Jennifer: Nunja, zum einen habe ich gemerkt, dass es sehr schwierig ist, meinen Nerd-/LARPer-Freundeskreis mit meinem geschäftlichen Freundeskreis zu kombinieren. Geburtstags- oder Gartenpartys sind meist ein „entweder/oder“ mit geringer Schnittmenge. 

Und ich hab einmal unvorsichtigerweise einem Seminarteilnehmer von meinem Hobby erzählt, was er dann prompt an alle möglichen Kollegen weitererzählt hat. Das war eine sehr unangenehme Situation, plötzlich vor Kollegen mit der Frage „Sagen Sie mal Frau … Ich habe gehört, Sie verkleiden sich in Ihrer Freizeit und führen Rituale durch und so – stimmt das?“ konfrontiert zu werden. 

Manchmal würde ich auch im Geschäft so gerne Leute pömpfen (Anm. d. Red.: Angedeutetes Niederschlagen im LARP) dürfen.

Die „Offenen“

Patrick, 29, Fachinformatiker

Teilzeithelden: Warum gehst Du so offen mit LARP um?

Patrick: Ich sehe keinen Grund es zu verheimlichen. Klar, ist es ein abgefahrenes Hobby, aber durchaus nichts, was man verheimlichen muss. Das größte Problem, dass ich feststelle, ist, dass die meisten Leute einfach nichts damit anfangen können, weil ihnen der Begriff LARP nichts sagt. Ich versuche das einfach so zu erklären, dass mein Gegenüber sich was darunter vorstellen kann, der Vergleich hinkt etwas, aber wenn ich sage, es ist ähnlich wie improvisiertes Laientheater, klingelt es meistens. Gibt dann manchmal zwar immer noch fragende Blicke, aber das ist vollkommen okay. Zugegeben, es ist nicht das Erste, das ich preisgebe, ich habe noch andere Hobbys, mit denen die breite Masse mehr anfangen kann und es den Leuten schwerer fällt, mich in eine Schublade zu packen, in der ich nicht landen will.

Teilzeithelden: Wie stehen Deine Kollegen oder Vorgesetzen dazu, wissen sie es überhaupt?

Patrick: Ich gehe ganz offen damit um, dauerhaft ist es eh schwer es zu verheimlichen. Ich wurde sogar mal von der Firma in Klamotte fotografiert und im Rahmen einer Firmenvorstellung wurde damit geworben.

Teilzeithelden: Hattest Du auch schon schlechte oder gute Erfahrungen, wenn jemand in deinem beruflichen Umfeld von Deinem Hobby wusste?

Patrick: Klar, beides. Wobei die positiven deutlich mehr sind. Die meisten werten es aber gar nicht. Kann mir gut vorstellen, dass es an meinem ohnehin eher nerdlastigen Berufsfeld liegt. Wir haben jüngst sogar die NIC Nerd Night eröffnet, in der wir eine Runde Pathfinder, mit mir als Meister, spielten.

Holger, 42, Arzt

Teilzeithelden: Warum gehst Du so offen mit LARP um?

Holger: Die Frage ist doch eher, warum sollte ich mit dem LARP-Hobby hinter dem Berg halten? Für mich ist es ein ganz normales Hobby wie jedes andere auch, also gehe ich damit entsprechend offen um.

Teilzeithelden: Wie stehen Deine Kollegen oder Vorgesetzen dazu, wissen sie es überhaupt?

Holger: Ein großer Teil meiner Kollegen und Vorgesetzten weiß von meinem Hobby, eben weil ich so offen damit umgehe. Das lässt sich auch fast nicht vermeiden, da ich auf Facebook Bilder von mir in Gewandung habe. Aber wie gesagt, es macht mir nichts aus, da ich als ganz normales Hobby betrachte. Meine Kollegen und Vorgesetzten sind interessiert, wenn sie von dem Hobby erfahren und wollen Details dazu wissen und Bilder sehen.

Teilzeithelden: Hattest Du auch schon schlechte oder gute Erfahrungen, wenn jemand in deinem beruflichen Umfeld von Deinem Hobby wusste?

Holger: Ich hatte bisher noch nie eine negative Reaktion, wenn ich erzählt habe, dass ich LARP betreibe. Bilder oder Geschichten finden meine Kollegen eher spannend und interessant. Manche spielen auch mit dem Gedanken, sich intensiver damit zu befassen. Vielleicht nehme ich sie demnächst einfach mal mit auf eine Con.

Wenig Sorgen um Öffentlichkeit

Die Sorgen von Lena und Jennifer scheinen jedoch die wenigsten Teilnehmer zu teilen: Nur knapp über ein Viertel der befragten LARPer achtet aktiv darauf, wieviel über einen selbst im Netz im Zusammenhang mit LARP gefunden werden kann. Und die Statistik scheint ihnen auch Recht zu geben, denn gerade mal 11 Prozent der Teilnehmer wurden schon einmal in ihrem beruflichen Umfeld mit Fundstücken aus dem Netz konfrontiert. Selbstverständlich lässt sich daraus nicht ableiten, wie oft Kollegen dennoch Bilder gesucht haben. Der sorglose Umgang mit seinen Daten im Netz ist jedoch weniger ein Phänomen von LARPern, als ein gesamtgesellschaftliches Thema. Die Gefahr scheint nichts desto trotz überschaubar zu sein, vermutlich weil der Aufwand zu groß ist.

Erkenntnisse der Umfrage

Ein nüchterner Blick auf die Zahlen sagt eigentlich schon alles. Die Umfrage kann durchaus als repräsentativ gewertet werden, denn selbst bei einer konservativen Schätzung kommen wir auf mindestens 1 Prozent aller LARPer. Zum Vergleich: Umfragen der großen Institute begnügen sich mit Werten im Promillebereich.

LARP scheint in den letzten Jahren einen deutlichen Akzeptanzsprung gemacht zu haben. Von einem Hobby, das man lieber verschweigt, ist es zu einer Freizeitaktivität geworden, über die man gerne berichtet. Öffentliche Akteure ermutigen zudem einen Schritt aus der Nische zu wagen. Einige Arbeitgeber sehen LARP sogar positiv für die Karriere und machen Werbung mit ihrem larpenden Mitarbeiter (siehe Fotostrecke). Dennoch gibt es starke Schwankungen nach Berufsgruppe und Branche und ein offener Umgang sollte zumindest kurz reflektiert werden. Ein Teilnehmer brachte es gut auf den Punkt: „Ich möchte nicht nach dem Bild, das manche Menschen von LARP haben, in eine Schublade gesteckt werden.“

Es ist an uns dieses Bild zu prägen, und so wünschen sich immer hin ein Drittel der LARPer mehr Lobbyarbeit durch Verbände und Orgas. Seien wir vielleicht ein bisschen mutiger, denn LARP ist kein Hobby wie jedes andere. Es kann so viel mehr sein. Also gehen wir es an!

Statistische Daten

 

Artikelbilder: © Teilzeithelden

 

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